Gothic Friday Juni: Festivals? Nicht zwingend notwendig (Svartur Nott)

Das Festivals und Großveranstaltung nicht zwingend zum Szene-Leben dazugehören müssen, erzählt uns Svartur Nott für den Gothic-Friday im Juni. Nicht allein wegen eines schmalen Geldbeutels sondern vielleicht auch wegen dem Charakter einer solchen Massenveranstaltung.

Festivals. Für manche Menschen DER Ort, um gehörig abzufeiern und natürlich seine Lieblingsbands anzuschauen. Mit tausenden anderer Gleichgesinnter (?). Zuweilen im Matsch mit wenig Komfort. Manche mögen sie aus diesen Gründen. Manche meiden sie aufgrund selbiger. Ich zähle mich eher zu Letzteren.

Dies hat mehrere Gründe: Zum einen fühle ich mich in Menschenaufläufen sehr unwohl, erst recht, wenn diese zu einem nicht unwesentlichen Anteil aus Personen besteht, mit denen ich einfach nichts zu tun haben möchte. Zum anderen sind zumeist die Bands ein wesentlicher Ablehnungsfaktor. Bei den großen Festivals (Mera Luna, Amphi, WGT mit Einschränkung) ist für jeden was dabei, meistens zumindest. Ist man dem akustischen schwarzen Mainstream wie in meinem Fall jedoch nicht zugeneigt, wird es problematisch. Dann sind die großen Festivals uninteressant und das Geld die wenigen interessanten Bands nicht wert. Natürlich springen kleinere Events in Bresche, die häufig spezialisierter sind und auch viele neue, alte und unbekannte Bands mit drin haben, und nicht nur die gefühlt ewig gleichen Headliner bei den großen Festivals. Doch da hatte ich in den letzten drei Jahren leider nicht die Möglichkeit, hinzukommen.

Festivals vs. Gigs

Obwohl ich auf Festivals faktisch nicht anzutreffen bin, war ich bereits auf zwei großen Massenveranstaltungen der Schwarzen Szene: 2013 auf dem Mera Luna und 2015 auf dem Amphi. Das Mera wollte ich seinerzeit einfach mal gesehen und erlebt haben, damals befand ich mich am Beginn meines Einstiegs in die schwarze Musiklandschaft. So habe ich mir auf meinem ersten Festival in meinem Leben so viele Bands angesehen, wie ich nur konnte, quasi aufgesaugt und innerlich gesiebt, was mir gefällt und was mich nicht bewegt und natürlich damals das erste Mal gesehen, wie die heutige Schwarze Szene tickt. Mit dieser Erfahrung im Gedächtnis und um die Erfahrung zweier Lebensjahre reicher bin ich dann letztes Jahr aufs Amphi gefahren, dort in dem Einzelfall tatsächlich aufgrund gewisser Bands (Das Ich, Goehtes Erben, The Mission, et cetera), die mich dann allesamt entzückten. Dinge, die mich störten, habe ich versucht auszublenden oder herunterzuschlucken, was mir allerdings im Falle des Umgangs mit den Plastikbechern von Teilen des Publikums sehr schwer fiel: Eine zugemüllte Lanxess-Arena schränkte zumindest mein Wohlgefühl erheblich ein. So viel zum Thema Komfort.

Nun gut, so nutze ich anstelle von Großveranstaltungen lieber kleine, intimere Veranstaltungen und Gigs mit überschaubarem Publikum, welches die Bands da vorne auf der Bühne genauso wie ich auch wirklich sehen will. Wo man in der ersten und zweiten Reihe steht und den Künstlern direkt ins Gesicht sehen kann. Wo das Gefühl der Verlorenheit sich nicht auf die Menschenmengen bezieht, sondern auf die Musik. Wo man sich einfach geborgen fühlt und, wenn es sich ergibt, mit den Künstlern sogar noch ne Runde schnacken kann. Das gibt mir mehr als jedes große Massenspektakel.

Interludium – WGT

Nun habe ich das WGT mit aufgezählt. Dieses hat für mich derzeit keinen hohen Stellenwert. Ich sehe mir die Berichte und YT-Videos an und denke mir: Dieser Rummel ist nicht meins. Allerdings würde ich mir selbst ein Bild machen, wollen, daher ist es angestrebt, irgendwann doch mal dahin zu kommen. Und wenn es mich dahin verschlägt, würde ich äußerst gerne ein paar Menschen real kennen lernen (Spontis-Treffen) und natürlich auch ausgewählte Bands sehen.

Das WGT ist für mich jedoch keine Pflicht. Die Gothic Pogo Party dagegen schon eher, alleine aus ideellen Gründen. Irgendwann schaffe ich es nach Leibzsch. Irgendwann….

Meine eindrucksvollsten und schönsten Live-Erlebnisse

Ich bin vom Auftritt der Erben Goethes auf dem Amphi 2015 sehr angetan gewesen, da kam Gefühl und Atmosphäre rüber, wie sie auf den beiden bisher besuchten Festivals einzigartig waren. Es wurde ein wundervolles Musik-Theater und krasser Kontrast zum eher elektrolastigen Programm geboten, und das auf der Arena-Bühne. Ich war noch die folgenden Tage schwer beeindruckt. Und bin es vielleicht auch heute noch…Ähnlich gelungen war ein Gig im Dezember letzten Jahres in Stuttgart, bei dem Nim Vind, Argyle Goolsby, The Other und Christian Death aufgespielt haben. Die ersten drei Bands sorgten für ordentlich Stimmung im ‚Universum‘. Ich hatte mich insbesondere auf CD gefreut und wurde dann auch nicht enttäuscht. Der Auftritt von Mr. Kand und Gefährten war ein Stilbruch mit vergleichsweise ruhigerer Gitarre, was mir jedoch sehr gut gefiel. Der Abend ist jedenfalls unter meinen schönsten Erlebnissen abgespeichert.

Ich besuche, wenn, häufig irgendwelche kleinen Gigs in erreichbarer Nähe, denn das Gute muss nicht immer weit weg sein. So bin ich eines Abends im vorletzten Jahr auf einen Gig zweier mir vollkommen unbekannter Bands im hiesigen Jugendzentrum gegangen. Vollkommen ohne Erwartungen, einfach, um mich mal überraschen zu lassen und weil ich endlich mal wieder Livemusik haben wollte. Die erste Band war ganz nett (Garagenpunk aus Konstanz), die zweite jedoch hat mich überrascht. Vier Amerikaner aus San Franzisco spielten da mit nem Synthie und einer Echo-verhallten-Gitarre herum und sorgten für eine Atmosphäre im vollkommen heterogenen, eher indi-angehauchten Auditorium, welche ich so interessanterweise nie wieder erlebt habe. So friedlich, so weltfremd, so entrückt und in sich versunken – und ich mittendrin. Die Szenerie hätte stimmungsmäßig perfekt in eine Gruftveranstaltung gepasst. Ich habe mir den Namen der Band damals leider nicht gemerkt, aber diese zwei Stunden dieses Abends waren einfach wundervoll. Ich bin gespannt, ob es eines Tages nochmal einen Gig geben wird, der diesen Abend toppen kann…

 

 

Einblick: Der internationale World Goth Day 2016

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Also ich habe ihn verpasst, den World Goth Day 2016, der am Sonntag, den 22. Mai 2016 stattgefunden hat. Möglicherweise war ich der Post-WGT-Depression erlegen und hatte an diesem Wochenende einfach mal die Nase voll vom schwarzen Zirkus. Dabei konnte man ganz bequem von zu Hause dabei sein, denn der WGD, wie man ihn nennt, ist ein nahezu rein virtueller Tag. Die internationale Gothic Community nutzte den Tag, um sich selbst, ihre Musik oder auch ihre Produkte in den Vordergrund zu drängen. Twitter kanalisierte alle eingehenden Links unter dem Hashtag #WorldGothDay, eine Facebook-Seite und eine Internetseite gibt es auch. Wenn schon virtuell, dann richtig. Die Selbstbeschreibung, die man findet lautet demnach auch:  „World Goth Day is exactly what it says on the wrapper-a day where the goth scene gets to celebrate its own being, and an opportunity to make its presence known to the rest of the world. This day falls on 22nd May of every year.“ Die Idee der beiden DJ’s Martin Oldgoth und Cruel Britannia ist mittlerweile zum Selbstläufer geworden und fand bereits zum 7. mal statt. Gönnen wir uns einen kleinen Rückblick auf das, was Presse und Szene zum „Tag der Szene“ sagen und sinnieren darüber, ob wir einen „World Goth Day“ überhaupt brauchen.

Die Autorin Alice Wright der Nachrichtenseite Metro wählt zum World Goth Day die 13 besten Goth Songs der 80er und überlasst dem Leser dann zum Schluss in einer Umfrage die Qual der Wahl. Goth or Not? 57% finden ein paar der Songs gruftig, 30% finden die Wahl toll und 13% letztendlich dagegen. Immerhin kommt Wright zu dem Fazit „The Gothic canon is wide and varied and some of it very obscure, this by no means definitive list was only meant to highlight songs that mean something to me personally, or were influential and possibly recognisable.“  Das erklärt wenigstens einige Ausrutscher, so wie den Song „So alive“ von Love and Rockets, den ich so gruftig finde wie Eis am Badestrand.

Die altehrwürdige BBC lässt sich vom World Goth Day inspirieren und titelt: „The waterpark for goths and other things we learned on World Goth Day“ – Ein Interview mit einem der WGD-Macher Lee (Cruel Britannia), dem Blogging Goth Tim Sinister und John Waterpark, der die Weltweit einzige Badelandschaft für Grufties im US-amerikanischen Tennessee betreibt. WTF?! Anyway. Eine illustre Runde jedenfalls. Neben so intelligenten Fragen nach dem besten Haarspray gibt es auch erbauliches (mit viel Phantasie): „Is there A pressure to look glum? [Anm.d.Red.: Böse gucken] Tim: A good goth should know when to break character. John: We love having fun. Laughing, smiling, dancing, getting drunk, and splashing around or floating lifelessly on a black pleather raft in the lazy river. Lee: I don’t think there is any pressure to look gloomy or miserable. People do go into absolute panic when they see a goth walking his dog or doing the ironing though.“ Offensichtlich nicht ganz ernst gemeint versucht der Artikel lustig zu sein. Er versucht es zu mindestens.

Das Magazin Independent geht gleich in die vollen und nennt seinen Artikel über den Tag der Gothics „World Goth Day 2016: Shedding some light on the darkness of a much-maligned subculture„. Uhhh. Gruselig. Der befragte Dr. Xavier (nicht der aus X-Men, sondern ein echter) Aldana Reyes beschreibt die Goth Szene: „The Goth scene has its antecedents in pre-punk acts such as Alice Cooper, and UK proto-punks The Damned. And it was the late-Seventies post-punk bands, such as Bauhaus, The Cure and Siouxsie and the Banshees, who created its music, often characterised by languorous instrumentals or pounding drums. However, Goth is notoriously hard to define, says Dr Xavier Aldana Reyes, senior lecturer in English Literature and Film at Manchester Metropolitan University.“ Ich muss nicht zustimmen weil es von einem Doktor kommt, oder? Ich halte die „Szene“ für ein völlig autonomes Phänomen, das sich Anfang der 80er verselbständigte. Goth im Sinne von The Damned, Bauhaus oder The Cure beschreibt die musikalische Entwicklung des Genre Gothic. Und die hat nur eingeschränkt etwas mit der daraus resultierenden Szene zu tun. Behaupte ich jetzt mal ganz frech.

Tim Sinister, der Blogging Goth, schreibt „World Goth Day: The Goths Write Back“ und veröffentlicht das gesamte Interview, das er dem Independent gegeben hat, aber von dem (wie immer) nur ein Bruchteil zu lesen war. Bei ihm erfährt man jedenfalls immer, wie es um die Szene in England bestellt ist. „At the same time, Goth culture in the UK is very diffuse, and apart from festivals and gigs, people tend to remain in small, isolated communities in cities and towns. Even online, the natural groupings of Goths in just one place tend not to mingle or crossover, so we end up with tribes within the large Goth tribe!“ Es macht daher Sinn, den WGD Online zu veranstalten. Ein rein britisches Phänomen? Die deutsche Community erscheint mir deutlich treffenfreudiger. Nicht allein das WGT trommelt tausende Gruftis zusammen, sondern auch zahlreiche Mini-Festivals und kulturelle Veranstaltungen sorgen regelmäßig für schwarze Aufläufe für Gothic aus dem gesamten Land.

Brauchen wir einen World Goth Day?

Mankool Los Angeles
Ein Tweet von „Mankool Los Angeles“: It’s World Goth Day and we’re going to see The Cure!! #ladydate #bff #worldgothday #thecure #la #trouble by shire…

Es ist durchaus interessant, auf gesammelte Art und Weise etwas über die internationale Szene zu erfahren. Denn tatsächlich gibt es „Gothic“ keine internationale Definition, der man folgt um gruftig zu sein. Die Szene wird in jedem Land ein kleines bisschen anders zelebriert, basierend auf dem, was man als Information über die Szene vorfindet. Nehmen wir als Beispiel die Südamerikanische Community, die feiern Gothic so, als gäbe es kein Morgen. In Mexiko, Brasilien, Argentinien und Peru und auch in Kolumbien, Chile oder El Salvador ist die Gothic-Szene eine Epidemie geworden. In der Auflistung der Veranstaltungen der weltweiten Partys zum World Goth Day hatte Südamerika die Nase vorn. In vielen der südamerikanischen Metropolen wurde entsprechende Partys organisiert.

Leider halten mich sprachliche Barrieren davon ab zu beurteilen, wie die Szene dort gelebt wird. Ist es eine Feierkultur, eine Lebensweise oder gar eine Rebellion? Vielleicht auch nur eine alternative Art sich zu kleiden? Für die Nordamerikaner, so mein Eindruck, ist Gothic in der Hauptsache ein Style, den man oberflächlich wahrnimmt und an einer Tiefe nicht wirklich interessiert ist. Gothic ist dort eher ein Sammelbecken für alternative Styling-Stile und nicht für grundsätzlich andere Lebenseinstellungen.

Einen tieferen Sinn sehe ich im WGD allerdings nicht, so erscheint er mir dann auch stellenweise wie ein künstlich generiertes Marketing-Instrument eine bereits durch und durch kommerzialisierte Szene zu sein. So gibt es hier und da einen Laden für Szene-Bekleidung der Rabatt für diesen Tag gibt, oder auch Gelegenheit für unbekannte Bands ein wenig Aufmerksamkeit zu erhaschen. Für die Vernetzung vielleicht sehr interessant, doch auch ein öffentliches Trittbrett für solche, die eins brauchen um sich selbst in Szene zu setzen.

„So far we have Mother’s Day, Fathers‘ Day, Christmas, all manner of religious holidays, some of you may even have special annual celebrations for your pets. It’s only fair that Goths get to have a day of their own too.“ (FAQ des World Goth Day)

Nein. Ich behaupte: Im Grunde wollen wir keine Aufmerksamkeit. Wollen wir uns tatsächlich hinstellen um aufgeregt auf- und ab zu springen und dabei „Hier, hier! Wir auch!“ zu rufen? Wir brauchen keinen Tag um besonders Goth zu sein, denn Goth ist man jeden Tag. Schaut man sich die Pressemeldung im ersten Teil dieses Artikels an wird deutlich, wie man zwischen Oberflächlichkeit und dem Anspruch die Szene zum tausendsten mal zu erklären, herumeiert. Für mich ist das nichts. Natürlich ecke ich mit meinen Ansichten und zuweilen auch mit meinem Aussehen irgendwo an, das wird sich auch nicht ändern, wenn ich jeden Tag erkläre warum und wieso ich das tue. Es liegt in der Natur des Menschen, sich die Dinge möglichst einfach zu machen und abzulehnen, was man nicht versteht.

Fazit: Wie heißt es so schön? Leben und leben lassen. Ich habe nichts gegen den World Goth Day, ist er doch auch eine willkommene Gelegenheit, wieder mal über den Tellerrand zu schauen. Ich finde es spannend, was sich in Südamerika zu entwickeln scheint und bin neugierig, wie es weitergeht. Einen Feiertag brauche ich jedoch nicht, finde auch alle anderen genannten Gründe, einen Feiertag abzuhalten, doof. Im Allgemeinen sind sie aber toll, nicht zuletzt wegen dem freien Tag.

 

Gothic Friday Juni: Ein temporärer Misanthrop mit einer Schwäche für Menschen (Robert)

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Es gibt zwei Dinge, die passen nicht zueinander. Festivals und Ich. Menschenmassen, Konzerte im strömenden Regen oder bei brennender Sonne, die Achseln des Nachbarn 5cm vom Ohr entfernt, übernachten in muffigen Zelten, Dixie-Toiletten und Duschräume ohne Trennwand. Die Liste der Befindlichkeiten ließe sich beliebig lang fortsetzen. Ich bin verwöhnt, anspruchsvoll, wunderlich und sehr eigen, vor allem was meine Unterbringung angeht. Festivals also nur mit Hotel, eigener Dusche, anständigem Kaffee und ausgiebigem Frühstück. Und vor allem: Temporäre Ruhe vor all den komischen Menschen, die sich der Erfahrung nach auch immer öfter auf Gothic-Festivals tummeln. Und nein, früher was ich nicht anders. Ich mochte Zelten noch nie und Camping habe ich förmlich gehasst. Das letzte mal habe ich probiert 2009 auf dem Mera Luna zu zelten, schließlich muss man ja – das predige ich schließlich immer – von Zeit zu Zeit seine Ansichten und Meinungen überprüfen. Hat irgendwie nicht geklappt mit uns.

Als chronischen Misanthropen würde ich mich trotzdem nicht bezeichnen, denn ich weiß durchaus gute Festivals und Konzerte zu schätzen. Nur eben nach meinen Regeln. Und dann, ja dann kann ich eben diese Veranstaltungen, die nicht durch mein Raster der Unmöglichkeiten purzeln, genießen. In vollen Zügen. Und profitiere letzten Endes dann doch von diesem Massenereignis, genau wie all die anderen, die jedes Jahr wieder an den selben Orten in der Republik zu finden sind. Paradoxer Weise sind es dann auch wieder die Menschen vor der Bühne, die ein gutes Festival von einem schlechten Festival unterscheiden. Das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig besteht beispielsweise in der Hauptsache aus den Menschen die ich dort treffen kann, die Musik ist nur schmückendes Beiwerk, abendliche Tanzflächen-Unterhaltung oder Stimmungsmacher (und damit meine ich nicht nur Ausgelassenheit). Genug Einleitung für den Gothic-Friday im Juni:

Warum fährst du zum WGT?

Ich nehme das Wave-Gotik-Treffen beim Wort, besser gesagt beim letzten Wort. Für mich ist es ein Treffen. Dabei bleibt jedoch festzuhalten, dass das eine ohne das andere nicht möglich wäre. Die Musik bleibt das gemeinsame Element der Szene. Die Vielfältigkeit der Bands, Ausstellungen und Veranstaltungen im Rahmen des WGT bieten tatsächlich für fast jeden etwas, egal welcher Facette oder Splittergruppe der schwarzen Szene man sich zugehörig fühlt. Selbst für die, die sich überhaupt nirgendwo einordnen wollen, wird etwas geboten. Es ist das größte und bekannteste „Festival“ der internationalen schwarzen Szene und lockt Gothics aus aller Welt nach Leipzig. Allein das macht es zu einer Begegnungsstätte, einer Convention, einer Ausstellung und zum einem Treffen der Szene, die sich für mich so unverzichtbar gemacht hat, wie die Luft zum atmen. Na gut, das ist vielleicht ein bisschen dick aufgetragen – sagen wir einfach, es ist mir sehr wichtig und mein bedeutungsvollester Termin des Jahres. Nirgendwo sonst habe ich die Möglichkeit, ALLE Menschen zu treffen, die ich kenne oder kennen lernen möchte. In den Zeiten des Internets, in der die Welt sehr klein zu sein scheint, ist es wichtig geworden, reale Orte der Begegnung zu schaffen um etwas von der imaginären Distanz aufzuheben, die in der Regel durch Computer-Monitore erzeugt wird. Freunde aus London, Bekannte aus New York, Herzmenschen aus Heidelberg, Autoren und Kommentatoren dieses Blogs aus ganz Deutschland (die Liste könnte länger werden) kommen alle zum WGT. Deshalb fahre ich dorthin. Die Musik ist in der Hintergrund gerückt, auch wenn sie als begleitender und formgebender Rahmen unverzichtbar bleibt.

Wie war Dein letztes WGT?

WGT WG 2016 - Gruppenbild
Unser WGT-Wohngemeinschaft 2016. Mittlerweile haben alle ausgeschlafen und sind bereit, loszureiten.

Super. Großartig. Unglaublich. Intensiv. Spannend. Interessant. Lehrreich. Berührend. Emotional. Authentisch. Wirklich. Echt. Unmittelbar von dem beeinflusst, was ich erlebt habe. Logischerweise. Die Musik tritt – wie bereits erwähnt – immer weiter in den Hintergrund, auch wenn ich Nächtelang auf dem GPF (Gothic Pogo Festival) getanzt habe und ich Lene Lovich in jeder Bühnenlage toll finde. Es sind die Menschen, die es besonders gemacht haben. Menschen die sich aus ihren Avataren, Profilbilder und Nicknamen erheben, auf dich zukommen und mit dir reden, dich umarmen, dich anlächeln oder sonstwas. All das lässt Dich vergessen, was du eigentlich mal gegen das WGT gehegt hast. Die Eröffnungsfeier im Freizeitpark, die völlig überfüllten Locations, grandios schlechte Idole aus vergangenen Zeiten und natürlich das bescheidende Wetter. Es sind die (viel zu kurzen) Begegnungen und Momente, die in dieser subtilen Atmosphäre einer Parallelgesellschaft gedeihen. Die Normalos sind hier die Fremdkörper, Unverständnis für die Art zu leben gibt es hier nicht.

Unsere 3-Paare-WG im Herzen Leipzig hat, trotz anderer Zusammenstellung, sehr gut funktioniert. Abendliche Gespräche und Lästereien inklusive, ebenso der Blick in unausgeschlafene Morgens-Grufti-Gesichter, der noch angst einflößender ist als zu anderen Tageszeiten, weil korrigierende Schminke fehlt, Haarspray versagt hat oder wegen der ernüchternden Gewissheit, dass selbst der echteste Grufti nicht in Pikes schläft. Das alternative GPF war das abendliche Highlight und an allen Abenden einen Besuch wert, hier lief einfach „meine“ Musik, sei es von DJ-Team des Young & Cold Festivals aus Augsburg oder auch das Set der Shockwaver, das einem ambitionierten Waver keine ruhige Minute gönnt. Und natürlich (oder vor allem) das Spontis-Treffen, auf das ich aber bereits an anderer Stelle eingegangen bin.

Wie war Dein erstes WGT?

Erstes WGT - 2010
Mein erstes WGT war 2010. Da habe ich mich noch am Hauptbahnhof herumgetrieben um die Ankommenden zu beobachten.

Mystischer. Geheimnisvoller. Eindrucksvoller. Überraschender. Überwältigender. Mein erstes WGT war 2010 (noch gar nicht so lange her) und ich erinnere mich noch gut daran, wie ich erstmals an der AGRA stand und sich der Inhalt einer Tram an der Haltestelle erbrach. Wie schwarze Wellen schwappten die Gestalten gegen die Eingangskontrollen um kurz dahinter auf dem Laufsteg der Eitelkeiten in der Masse unterzugehen. Du machst Dir einfach keine Vorstellung davon, wie es hier in Leipzig aussieht, wie überall die Gruftis lauern, Läden, Cafés und Straßen befüllen und die Stadt in diese besondere Atmosphäre hüllen. Das ist schon ziemlich eindrucksvoll und hinterließ mich zunächst sprachlos. Ich hatte mich mit einigen Leuten, die ich bereits durch das Bloggen kennengelernt hatte, verabredet, doch diese Treffen standen noch aus und so irrte ich ziellos umher und war schlichtweg überfordert mit den Reizen, die so ein schwarzer Reigen ausüben kann. 2010 habe ich mir noch ziemlich viele Bands angesehen, weil das der Faden ist, an dem du Dich langhangelst. Man machte sich im Vorfeld so viele Vorstellungen vom Wave-Gotik-Treffen. All die Erfahrungsberichte und Vergangenen Geschichten über das Festival in Leipzig sorgen für so eine mystische Stimmung, als wäre man dabei, wenn etwas großartiges passiert. Ich glaube, wenn die das WGT so packt wie mich damals, kommst du immer wieder. Du kannst einfach nicht anders. Mera Luna und Amphi 2009 oder auch das Blackfield-Festival 2008 sind einfach keine Maßstäbe, die man anlegen kann. Hier in Leipzig war (ist) alles anders. Überraschend war dann natürlich auch das Lehrgeld das du bezahlst. Komm am Donnerstag und fahre am Dienstag. Die meiste Zeit verbringst du mit dem Wechsel der Locations. Meide Moritzbastei und Innenstadt. Bestelle im Hotel kein Frühstück zu dem du sowieso nicht pünktlich kommst und schlafe nicht im Nachtbus in Richtung Schkeuditz ein. Falls mich mal jemand nach Tipps fragen sollte.

Was war dein schönstes Festival-Erlebnis?

Schwierige Frage. Vielleicht war es Silvia, die mir im 4Rooms bei der Depeche Mode Party an der Pluderhose zupfte und fragte: „Bist du der Robert von Spontis?“ oder auch das erste Spontis-Treffen, als tatsächlich Leute kamen und mich begrüßten. Vielleicht war es das Gespräch mit Aristides im Park, bei dem ich merkte, es gibt noch andere die genauso ticken wie du selbst und mit denen du dann plötzlich Ewigkeiten reden könntest. Vielleicht war es auch die Führung auf dem Südfriedhof oder der Kuss in der Umkleidekabine, vielleicht die erste Blaue Stunde, vielleicht auch die Zeit auf der AGRA, um die Leute zu beobachten. Vielleicht war es auch das Blackfield-Festival 2008, das mein erstes Gothic-Festival war, nachdem ich in der Jugend kurz einen Abstecher in diese Subkultur machte, vielleicht auch das Amphi 2011, als ich auf lächerlich weißen Liegen die Sonne hinter dem Kölner Dom versinken sah. Ehrlich: Keine Ahnung. Ich kann und will mich nicht entscheiden.

Was war Dein eindrücklichstes Konzert?

DAF im Pulp 2010
DAF im Pulp vor 150 Leuten. Hier eine der wenigen Minuten, in der Gabi Delgado sich mal nicht bewegte wie ein wild gewordener Derwisch.

Auf dem WGT war das die polnische Band „Das Moon“ 2013 in der Moritzbastei, was nicht nur an der Band alleine lag, sondern auch an der besonderen Stimmung, die in dem Gewölbeartigen Keller durch die Fugen drang und der räumlichen Begrenzung. Wenn du eine Band mit 100 oder 150 Leuten siehst, ist das schon etwas ganz großartiges. Dazu die völlige Überraschung der musikalische Bandbreite, wenn man sich zu Hause nur 1 Stück der Band angehört hat. Noch großartigere Konzerte fanden nicht auf dem WGT statt. DAF in der Duisburger Discothek Pulp zusammen mit No More zu sehen, war schon sehr intensiv. Wieder 200 Leute, alles Hardcore-DAF-Anhänger, da kochte der Saal förmlich, schon bei No More. Ihr merkt schon, ich stehe auf kleine „exklusive“ Konzerte, daher fand ich DM in Düsseldorf mit 70.000 anderen auch irgendwie anstrengend. Hat mir ein dann tatsächlich das Konzert versaut. Fehlfarben im ZAKK in Düsseldorf fand ich auch ganz großartig. Auch die Broilers auf dem Vanitas-Zusatzkonzert in der Düsseldorfer Mitsubishi-Dinges-Halle war echt super.

Stichwort Mitsubishi-Dingens: Ich glaube das eindrücklichste Konzert war eins, bei dem ich gar nicht dabei war. 1987 vor der Essener Grugahalle bei Depeche Mode. Ich weiß. Redet man sich schön, ist völlig verklärt und nur geil, weil es so lange her ist. Ich weiß. Ist aber eine tolle Erinnerung als die ganze Kids da vor der Halle saßen und zu „Never let me down“ mit den Armen wedelten. Konzert werde eindrücklich, wenn du das Gefühl hast, ein Teil von etwas besonderem zu sein. Es fühlt sich surreal an, unecht irgendwie, weil man ja in dem Augenblick des Konzertes gar nicht weiß, wie eindrücklich das Ganze später einmal wird. Du weißt einfach, das ist was außergewöhnliches. Nicht weil es überraschend eine weitere Zugabe gab oder mich der Sänger angeschaut hat, sondern vielmehr, weil die Songs und die Atmosphäre dich einfach packen und schütteln. Ganz tief drinnen.

Welche Festivals sind noch Teil Deines schwarzen Planeten?

Depeche Mode 2010
Depeche Mode 2010 – Zusammen mit 70.000 anderen schwankte ich zwischen Hingabe und Fluchtgedanken

Früher mal Mera Luna, Blackfield und Amphi. Ganz früher auch mal Mayday oder auch das Bizarre-Festival. Zum Mera Luna fahre ich gar nicht mehr, weil ich Zelten und Wacken-Atmosphäre nicht mag. Beim Blackfield gefallen mir meistens die Bands nicht wirklich und das Amphi besuche ich eher nur sporadisch, weil es eben vor der Haustür liegt. Entweder um Andrew Eldritch in neonfarbenen Klamotten zu sehen oder um gute Freunde zu treffen, die sich nun mal auf größeren Festivals zahlreicher einfinden als auf kleineren. Das Young & Cold Festival ist so ein kleineres, für das ich auch mal 6 Stunden in Richtung Süden unterwegs bin. Für mich eine lohnenswerte zeitliche Investition, weil ich Musik, Menschen und Größe des Festivals optimal finde.

Man sollte wissen, ich bin ein wenig Menschenscheu (soll man ja nicht meinen) und große Menschenmengen mag ich nicht wirklich (siehe Depeche Mode), daher darf man mich ruhig als Festival-Muffel bezeichnen. Hunderte besoffene „Gruftis“ auf dem Amphi, sich in den Sand des Strandes am Rhein übergeben oder die auf dem Mera Luna nachts auf die Zelte plumpsen finde ich einfach doof. Ja, da bin ich Eigen und bleibe lieber fern. Manchmal ärgere ich mich im Nachhinein, manchmal bin ich froh nicht dabei gewesen zu sein. Aus mir wird definitiv kein Fan-Boy mehr, der jedes Konzert seiner Lieblingsband besucht, in der ersten Reihe steht und in Ohnmacht fällt. Und wenn mir ein Festival nicht gefällt, weil mir einfach alles gegen den Strich geht, scheue ich auch nicht davor zurück mich ins Auto zu setzen und die Flucht zu ergreifen.Wenn es das Budget erlauben würde, könnte ich mir vorstellen, noch mehr Festivals aus unserem hauseigenen Festivalkalender zu besuchen. Leider kann ich kein Geld drucken und jedes Wochenende für eine solche Veranstaltung opfern. Aber unverhofft kommt oft und daher verliere ich nie den Glauben an einen Motiviationsschub, wieder einmal den Horizont zu erweitern.

 

Mein schaurig schönes Tagebuch – Episode 11: Das Problem mit den Geburtstagen

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Freitag, 10. Juni 2016. Ich habe schon wieder Geburtstag! Mittlerweile zum 42. mal und immer noch komme ich nicht klar mit entsprechenden Feierlichkeiten zu einem Anlass, bei denen ich im Mittelpunkt stehe. „Sei Morgen um 18:00 fertig, ich habe eine Überraschung für Dich!„, kündigte mir meine Frau am Vortag meines Geburtstages an. Der Arbeitstag plätscherte dahin und auf dem Weg nach Hause grübelte ich darüber nach, was mich denn nun erwarten könnte. Nachdem ich mich vor lauter Nervosität zweimal beim rasieren geschnitten hatte und die Endabnahme durch Sabrina bestand, war ich fertig und freute mich sehr darüber, als Mone und Ralf vom Rabenhorst klingelten, um mir zum Geburtstag zu gratulierten. Doch es war noch nicht ausgestanden. Ralf und ich wurden auf den Balkon geschickt, damit Sabrina ihren diabolischen Plan in die Tat umsetzen konnte. Als wir dann endlich wieder ins Wohnung durften, standen sie alle beisammen: Nadine und Guido, Hanne und Marcus, Heike und Lothar und wie bereits erwähnt, Simone und Ralf. Auf dem geschmückten Tisch stand ein Laptop aus Schokolade und eine große Geburtstagskarte, die mir sogleich in die Hände gedrückt wurde.

Mir sprangen die vielen Namen auf rechte Seite der Geburtstags-Karte ins Auge, das Wort „Gutschein“, eine aufgeklebte 700 und ein Text, der etwas von „meinem altem Computer“ erzählte, mir riet „Tapfer zu sein“ und auch das Wort „zusammengelegt“ enthielt.

Geburtstag 1Da stand ich nun, alle Augen auf mich gerichtet und die Worte vor meinen Augen ergaben für mich überhaupt keinen Sinn. Ehrlich. Ich habe nicht verstanden, was dort gestanden hat und was die vielen lieben Mensche auf der rechten Seite damit zu tun hatten. Selbst dem Leser dieser Zeielen, der nichts von all dem weiß, wird erkannt haben, dass meine Freunde zusammengelegt hatten, um mir einen neuen Computer möglich zu machen. Ich wusste nicht, was los war. Überschwängliche, haltlose und unendliche Freude? Fehlanzeige. Freudiges-Umherspringen-und-aus-dem-Häuschen-sein? Negativ. Ich stand da, hielt mich an meiner Geburtstagskarte fest und las wieder und wieder die gleichen Worte, die ich nicht verstand oder dessen Bedeutung ich nicht realisierte. Bin ich ein freudloses, eiskaltes Wesen ohne Emotionen? Verstehe ich nicht die menschliche Natur des schenkens? Bin ich Spock?

Vergangenheitsbewältigung

Liebes Tagebuch, du musst wissen, ich habe nie Geburtstage groß gefeiert. Ich weiß gar nicht warum, vielleicht ist das so ein bisschen Gewohnheit, vielleicht liegt es auch so ein bisschen an der Familie oder ich bin einfach eigensinnig und misanthropisch veranlagt. Als ich 6 Jahre alt wurde, hatten meine Eltern eine Geburtstagsparty für mich organisiert, zu der vielen Kinder aus der Frosch-Gruppe meines Kindergartens eingeladen wurden. Das macht man ja so als Eltern: Kleine Kuchen backen, den Tisch und die Kinder schmücken, bunte Girlanden aufhängen, Luftschlangen im Raum verteilen und lustige Kinderspiele zum Entertainment der Kleinen vorbereiten. Ein großer Spaß für alle Kinder! Nicht für alle, denn ich muss das Ganze offensichtlich nicht so toll gefunden haben und bin dann während des Geburtstages einfach in meinem Zimmer verschwunden, um weiter an dem LEGO-Raumschiff zu bauen, das ich am geschenkt bekommen habe. So wurde es mir jedenfalls überliefert, so wirklich erinnern kann ich mich nicht mehr daran. In der Folgezeit hat man dann einfach keine Freunde mehr zu meinem Geburtstag eingeladen, was mich auch irgendwie nie gestört hat. Auch in den folgenden Jahren nicht.

Wilde Geburtstagspartys als Jugendlicher? Fehlanzeige. Jedenfalls bei den eigenen Geburtstagen. Ich hatte nie wirklich viele Freunde, oder besser gesagt, dachte ich, dass es so wäre. Und Leute einzuladen, die ich kaum kannte und bei denen ich meistens davon ausgegangen bin, dass sie mich nicht mochten, war mir immer schon zu blöd. Selbst meinen 18. Geburtstag, der für die meisten damaligen 17-jährigen sowas wie der wichtigste Geburtstag von allen zu sein schien, war mir bei mir selbst völlig egal. Ich freute mich später an der Tatsache endlich den Führerschein machen zu können und am nächsten Sylvester die Feuerwerkskörper selbst zu kaufen.

Ich habe mir damals schon die Geburtstage anderer Leute genau angeschaut, ich war ja selbst oft genug eingeladen. Da werden unzählige Freunde eingeladen, die man eigentlich gar nicht hatte und nur einlud, weil die einen selbst mal zu ihrem Geburtstag eingeladen hatten. So wie ein ungeschriebenes Gesetz aus Erwachsenenwelt und heilen Familienwelt kam mir das vor. Der Marco zum Beispiel, hat mich in der Schule immer gehänselt (so hieß Mobbing früher) und mich dann zu seinem Geburtstag eingeladen oder auch Thomas aus der Lehre, mit dem ich nie wirklich klar gekommen bin, lud mich zu seinem Geburtstag ein. Was sollte das? Bereichert man sich an der Tatsache, möglichst viele Menschen um sich herum zu wissen aus der irrigen Anspruch sich dann irgendwie beliebter oder besser zu fühlen? Oder liegt das einfach daran, dass man sich von möglichst vielen Menschen möglichst viele Geschenke verspricht?

Gemerkt habe ich allerdings, dass Geburtstage anderen Menschen sehr wohl sehr wichtig sein können. Manche mögen sogar dieses Pflichtgefühl, andere einzuladen weil man selbst eingeladen war, mögen es, alle Arbeitskollegen zusammenzutrommeln oder gar Geburtstage in eigens gemieteten Räumlichkeiten zu veranstalten. Sie mögen es, sich mit „buckligen“ Verwandschaft zu umgeben nur um sich später über Tante Petras neuen Lover lustig zu machen, die Meinungen von Cousin Heinz zu kritisieren oder stolz zu erzählen, dass sie nach der letzten Geburtstagsfeier mit dem dreizehnten Tequila singend um die Häuser gezogen wären.

Ich freu mich dann mal später.

Geburtstag 2Liebes Tagebuch, für mich ist das alles nichts. Es scheint aber auch gar nicht nötig geworden zu sein, sich auf dieses Spiel der Masken einzulassen, denn tatsächlich musste ich mir im Laufe der Zeit eingestehen, das mich vielleicht doch der ein oder andere ganz gerne mag oder – wie im Fallen von Spontis – es schön findet, was ich tue. Ich habe also immer wieder mal versucht, Geburtstage zu feiern und mich über Freunde, Aufmerksamkeiten und Gesten zu freuen. „Robert, das schaffst du schon!“ Das habe ich mir immer wieder gesagt. Nicht, dass mich irgendwann jemand als freudentechnisch inkompatibel abstempelt und ich eine Spaßtherapie verschrieben bekomme. Geklappt hat es auch schon, mit der Freude. Manchmal jedenfalls. Nicht am Freitag, dem 10. Juni 2016.

Als ich nun da stand, umgeben von den Freunden die ich in den letzten Jahren so kennengelernt habe und las, wer alles für einen Wunsch von mir gespendet hatte, musste ich unweigerlich grübeln. Warum machen die das? Mögen die mich wirklich? Bin ich gemeint? Es war schon fast irgendwie peinlich, dass man in meinem Freundeskreis sammeln musste, damit ich mir einen neuen Computer leisten kann. Schaffst du das nicht selber, Robert? Wieso muss ich mir von den Menschen, deren Zeit, die sie zum lesen meiner Artikel investieren, ich schon als größtes Geschenk betrachte, auch noch finanziell helfen lassen?

Die Minuten verstreichen. Ich druckse rum, stottere vor mich hin und fühle mich total unwohl. Schon wieder. Verdammt Robert! Kannst du Dich nicht einfach mal freuen? Die Leute gucken schon komisch, denke ich mir. Sabrina sagt, sie dreht ein Video für die Spender die nicht kommen können. Oh Goth, was sag ich nur, wie verhalte ich mich richtig?

Die Grübelei wird glücklicherweise unterbrochen, weil wir alle zusammen zum Chinesen fahren, um das Büffet zu plündern. Jetzt, wo ich da an diesem runden Tisch sitze und auf meine Gemüsepfanne einsteche, freue ich mich. Grinse über beiden Gesichtshälften, gluckse vor Freude und Tränen kullern über meine Wangen. Ich freue mich immer später.

Und so schreibe ich diesen Tagebuch-Eintrag und wieder einmal etwas dazuzulernen. Egal wie gewohnt die Gewohnheit ist, wie durchdacht die Gedanken sind oder wie festgefahren die eigenen moralischen Vorstellungen auch sein mögen. Man muss ständig überprüfen ob man nicht doch falsch liegt. So wie ich. Ich liege völlig falsch wenn ich jeder Geburtstagsfeier einen misanthropischen Touch gebe, unterstelle, mich würde keine mögen oder sogar davon ausgehe, das jeder aus reinem Pflichtgefühl handelt. Dem ist nicht so. Vielleicht war das mal so. Damals, in der bunten Welt, meine Erinnerungen scheinen mich nicht zu trügen. Vielleicht kannte ich damals auch keine Menschen, die ich mochte und bin auch nicht davon ausgegangen, dass jemals kompatible Geister treffen würde. Ich habe keine Ahnung. Wenn du Dich aber irgendwann nur noch mit Menschen umgibst, die irgendwo eine kompatible Wellenlänge zu haben scheinen, die keine Masken tragen und die Dich so mögen wie du bist, muss man lernen, das die Freude etwas gutes ist. Auch wenn wir Gruftis sind.

Danke an meine Freunde Heike, Lothar, Bernd, Roland, Axel, Nadine und Guido, Nadja, Marlene, Guldhan, Ines, Carmen, Alwa, Sandra, Sita und Tobi, Dennis, Katharina, Farina, Gabrielle, Ian (tolles Bild!), Frank, Theresia, Malte, Matthias, Parm und Katharina, Klaus, Felis, Bibi und Metti, Jacky, Sabrina, Bibi, Prinzessin und ihren Grafen, Hanne und Marcus, Jens, Ronny, Traumtänzerin, Heidi und Stefan, Jenny, Simone und Ralf (die coolsten Freunde) und an meine Sabrina, die schönste Frau, den besten Kumpel und die liebevollste Ehefrau die man sich vorstellen kann. Ich werde Eure großzügige und unerwartete Spende zum Anlass nehmen endlich meinen Wunsch zu realisieren und meinen 7 Jahre alten Computer gegen etwas neues zu tauschen. Ich glaube, das Video ist mir peinlich, weil ich so reichlich bescheuert darauf bin. Ich habe das gemacht, was ich besser kann. Lernen beim Schreiben.

 

Gothic Friday Juni: Zu Pfingsten in Leipzig – Festival(v)erlebnisse

Monate vorher schon geht es los, in Facebook, im Forum – “Wann können wir Tickets bestellen” (Im März, wie immer). “Wann werden die Bands veröffentlicht?” (Häppchenweise ab März, wie immer). “Kann ich das *hier imaginäre ‘Kostüm’ / Uniform / Gothic-Online-Versand-Grundausstattung / blutüberströmtes / Fantasy-Kostüm einfügen* anziehen? (Weiß ich nicht ob du das kannst, versuch es mal, ob es ratsam ist, ist aber eine andere Frage). “Gibt es Tageskarten?” (Und jährlich grüßt das Murmeltier – nein, wie immer). Doch nicht nur hier, Urlaub muss beantragt werden, Unterkünfte gebucht und bei einigen auch aufwändige Outfits zusammengestellt werden. Wochen vorher bange Blicke auf die Seiten der Wetterdienste. Bleibt es trocken, wird es heiß, eher kühl? Und dann nach endlos erscheinendem warten ist es endlich doch so weit – die Schwarzkittelfeiertage stehen an und damit verbunden das jährliche Autopacktetrisspiel und doch das Gefühl “niiiichts” zum anziehen zu haben. Mit der Einfahrt in Leipzig kommt dann richtig die Aufregung und Vorfreude auf. Fünf Tage Menschen treffen, Menschen schauen, Konzerte, Lesungen, Museen, Parties und vieles mehr.

Seit 25 Jahren findet jährlich zu Pfingsten das Wave-Gotik-Treffen, ein Höhepunkt der schwarzen Szene statt. Für die einen ist es ein fester termin im Jahresablauf, für andere ein kommerzialisiertes Mainstream-Event, das teilweise nicht mehr viel mit der “Szene” zu tun hat.
Bei diesem Gothic Friday wollen wir daher wissen:

  • Warum fährst Du zum WGT? Oder warum fährst Du nicht?
  • Wie war Dein letztes WGT?
  • Wie Dein erstes?
  • Was ist Dein schönstes Festivalerlebnis?
  • Was war Dein eindrücklichstes Konzert?
  • Und: welche Festivals sind noch Teil Deines schwarzen Planeten?

Teilt Eure Erlebnisse, Gedanken und Erfahrungen. Eure schönsten Moment, eure besten Tipps für ein schönes Festivalerlebnis. Eure größten Festivalpannen. Eure beeindruckendsten Begegnungen und natürlich eure visuell gebannten Erinnerungen. Sendet Eure Texte, Bilder und Videos bis spätestens Ende Juni ein. Ob Ihr das per E-Mail macht oder euren eigenen Blog benutzt, bleibt Euch überlassen. Ihr könnt auch bereits veröffentlichte Beiträge einsenden oder verlinken, wir haben bereits gesehen, dass einige von Euch ihre Erlebnisse auf dem diesjährigen WGT veröffentlicht haben. Mehr Informationen zur Teilnahme findet ihr hier. Es wäre schön, wenn Ihr die Kommentare – neben möglichen Fragen – auch dazu verwendet, Eure Einsendung oder Veröffentlichung (bitte auch verlinken!) mitzuteilen.

Spontis Wochenschau #3/2016: Post-WGT-Depressionen

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In den sozialen Netzwerken war der Teufel los. Gefühlte 1000 Foto-Alben über das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Überall änderte sich Profilbilder, Titelbilder und Statusmeldungen im Minutentakt. Die Post-WGT-Depression, eine weit verbreitete, temporäre Gemütskrankheit leidenschaftlicher Szene-Gänger, hatte um sich gegriffen und die Menschen in eine virtuelle Starre verbannt. Nach der Presseschau und dem Rückblick auf das Spontis-Treffen waren beliebte Artikel und demnächst steht auch die nächste Ausgabe des Pfingstgeflüsters an, für das wieder einige bekannte Namen geschrieben haben. Weitere Informationen dazu findet ihr natürlich demnächst wieder hier. Vor allem aber startet morgen auch das Juni-Thema des Gothic Fridays, das sich – so viel kann ich verraten – um Eure Festivalerlebnisse dreht. Wer also noch mehr Wehmut möchte, zurück in geliebte Depressionen verfallen oder einfach nur wieder seufzend vor dem Monitor sitzen möchte, sei auf die nächsten Tage vertröstet. Und für die, die es nicht mehr hören können, für die das Leben weitergeht und das WGT sowieso uninteressant ist, gibt es hier eine WGT-Freie Wochenschau:

  • Why People Love Havin Sex in Cemeteries | Broadly
    Irgendwo in Pennsylvania wurde neulich ein Lehrer dabei erwischt, wie er mit einer 17-jährigen Schülerin auf einem Friedhof Sex hatte. Broadly Autorin Sirin Kale wollte wissen, was so toll daran ist, auf Friedhöfen zu kopulieren ficken und befragte eine Reihe von Friedhofsfetischisten nach ihren Beweggründen. Ihr Fazit: „Like ying and yang, graveyards and fucking can be seen as complimentary sides of the same whole, a joyful way to bring the circle of life full term. It’s almost poetic, if you stop to think about it. As Richard puts it, „Like, look, this place is full of life. There are trees and people fucking. You’re not alone, guys.
  • Post-mortem photographic portraits from the Victorian era unite the living an the Dead | Dangerous Minds
    Die gruseligsten Fotografien der Geschichte stammen wohl aus dem späte 19. Jahrhundert, als die viktorianischen Familien die Fotografie für sich entdeckten. Es galt als ganz besondere Erinnerung, sich zusammen mit seinen frisch verstorbenen ablichten zu lassen, egal ob es nun Kinder, Erwachsene oder alte Leute gewesen sind. Sie wurden fein säuberlich drapiert und angezogen, um ein letztes Mal für eine Erinnerung an ihre Lebzeiten herzuhalten. „It’s difficult for the modern mind to apprehend the importance of the invention of the daguerrotype in 1839. All of a sudden, people had the capacity to retain a perfect image of a loved one—it must have been mind-blowing. As the cost of the technology went down, the practice of using photography to execute a proper remembrance of loved ones who had passed on must have been irresistible. Unlike today, when just about anyone you’d be likely to meet has been photographed countless times, in the late 1800s and early 1900s a person might live his or her whole life without leaving behind a photographic portrait.
  • Der Graf und Unheilig hören auf, wenn es am schönsten ist | HNA
    Stirb, Unheiliger, Stirb! Der Graf beteuert, es sei ihm ernst mit dem aufhören. Ich hoffe das Beste und Beerdigungen ohne seine Pop-Schnulze „Geboren um zu leben“. Ist das jetzt zu hart? „Seine Fans, die der Graf mit seiner Mischung aus Gothic-Pop, Rammstein-Gitarren und Schlager sowie Pathos und ein bisschen Kitsch glücklich gemacht hat, können es immer noch nicht fassen, dass sie bald ohne ihren Liebling auskommen müssen.
  • The HoaX-Files 2 – Gefährliche Tote | Hoaxilla
    Die Waschkaus haben wieder zugeschlagen. Besser gesagt niedergeschrieben. „Sie zeigen unter anderem, wie der moderne Vampir Graf Dracula entstanden ist, was hinter den spiritistischen Sitzungen des 19. Jahrhunderts steckt und erklären den Lesern, wie man sich am besten auf die Zombie-Apokalypse vorbereiten kann. Auch die fiktionale Rahmengeschichte um Faustus und das geheimnisvolle Goetheportrait geht weiter. Der Weg führt die Hoaxillas nach Wien, ins Herz des einstigen Habsburgerreiches, in dem der Vampirglaube so lebendig war, wie kaum an einem anderen Ort. Wer die beiden auf ihrer Reise durch weitere unheimliche Themen aus dem Podcast begleiten möchte, muss sich hüten, denn eins ist sicher: Die Toten reiten schnell…“ Preis: 14,95€ erhältlich beim JMB-Verlag Hannover.
  • Caitlin Doughty: „Tote chillen, die wollen nichts von dir“ | Die Welt
    Wer sich unter einem Bestatter einen verknöcherten alten Herrn im schwarzen Anzug vorstellt, ist in diesem Fall schief gewickelt. Caitlin Doughty und ihr YouTube Kanal „Ask a Mortician“ ist der Star der Bestattungsbranche, Spontis berichtete bereits 2011 über sie. Jetzt hat sie ein Buch veröffentlicht, das auch ins Deutsche übersetzt wurde. „Dieses Buch heißt „Fragen Sie Ihren Bestatter“, und es öffnet die Tür zu einer Welt, von der viele gar nicht so gerne wissen wollen, wie es dahinter aussieht. Doughty hat jahrelang als Aushilfe in einem Krematorium in San Francisco gearbeitet. Es ist einer der härtesten Jobs der Welt, körperlich und psychisch. Leichen im Dutzend mit dem Transporter abholen, aus Krankenhäusern, Hospizen oder der Gerichtsmedizin. Sie noch einmal für eine letzte Begegnung mit den Angehörigen aufhübschen. Sie dann in einen Ofen wuchten, wo sie bei 800 Grad Celsius verbrennen. Vor der Scheibe stehen und abwarten, bis nur noch die Knochen übrig bleiben, und diese dann mit einer Mühle zu feinem Staub zermahlen. Doughty hat das alles so aufgeschrieben, wie sie es erlebt hat, direkt und ungeschönt. Sie erspart ihren Lesern keine Details. Man erfährt zum Beispiel, zu welchem Trick die Mitarbeiter greifen, wenn die Augen der Verstorbenen immer wieder aufgehen: einfach Sekundenkleber reinspritzen.
  • The crowded cemeteries of Hong Kong in Pictures | The Guardian
    Es lag auf der Hand. Seit den 80ern wird in Hong Kong, einer der am dichtesten besiedelten Städte der Welt, der Platz für Leichen ein wenig knapp. 7,1 Millionen Einwohner auf 1100 Quadratkilometern – das kann nur Monaco noch besser. Friedhöfe sehen daher auch aus wie Wolkenkratzer und stehen dicht an dicht in unendlich langen Reihe an Berghängen. Auf der Seite des Guardian gibt es ein paar wirklich beeindruckende Aufnahmen der Friedhöfe, die erahnen lassen wie man in der Metropole begraben liegt. Wer glaubt, das seien Gräber für arme Menschen, der irrt. 30.000$ kostet ein Platz auf dem Friedhof.
  • Life as a goth in 1980s Yorkshire | Dazed
    Der Yorkshire-Ripper versetzte damals alle in eine paranoide Stimmung, Angst war sowieso das vorherrschende Gefühl. Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Instabilität und nicht zuletzt Thatchers eiserne Hand sorgten dafür. Die jugendlichen Goths als Spiegel ihrer Situation? „Like other subcultures that had their origins in punk, the scene was the product of a generation that felt it had little or no future. Under Margaret Thatcher’s Conservative government, economic instability caused mass youth unemployment in industrial cities across the north of England. As in other provincial cities such as Manchester and Liverpool, a lack of jobs created a sense of disenfranchisement in Leeds and its surrounding towns. Adding to the city’s gloomy atmosphere was the on-going spate of murders committed by serial killer Peter Sutcliffe — dubbed the ‘The Yorkshire Ripper’ by the press — who was responsible for 13 murders and several attempted murders of women around the city from 1975 until his arrest in 1981.
  • Gothic Homemaking with Aurelio Voltaire | Himself
    Aurelio Voltaire Hernandez, wie er mit vollem Namen heißt, ist Musiker, Filmemacher, Autor und Selbstdarsteller. Wenn man so möchte, ein Gothic-Tausendsassa.
  • Musicless Musicvideo: Depeche Mode – Just can’t get enough | Testspiel
    Entwarnung liebe Schützer von der GEMA! Hier gibt es keinen musikalischen Inhalt, denn das ist der Trick hinter „Musicless Musicvideo“. Man nehme einfach ein möglichst lustiges Musik-Video und entferne die Musik und lässt nur noch die Geräusche zurück, die die Musiker so machen. In diesem Fall hat es Depeche Mode erwischt, die bei einem Auftritt im französischen Fernsehen irgendwann in den 80ern einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben müssen.

Gothic Friday Mai 2016: Schwarz wie Ebenholz und weiß wie Schnee

War ich sonst immer schnell mit dem Beitrag, muss ich dieses Mal die Teilnahmezeit fast ausreizen. Dank WGT, Urlaub und krankem Kind, gibt es erst jetzt was zu lesen. Mehr Einträge hier bei Robert.

Das optische Zelebrieren des Gruftieseins also. Schwarz und fertig – oder wie? Bei mir wohl eher nicht. Nur schwarz mag ich zwar auch -aber das ist mir irgendwie ein bisschen zu langweilig. Ich liebe Farben! Allerdings wohldosiert und in winzigen Mengen.

Wie hat sich euer Stil über die Jahre verändert?

Da lasse ich doch mal Bilder sprechen. Für die richtige Reihenfolge kann ich nicht so ganz garantieren, meine digitalen Bilder reichen nur bis 2009 und um bei meinen Eltern in den Festplatten zu wühlen, fehlt mir leider die Zeit. Deswegen ein paar Bilder abfotografiert.

Mein Stil wanderte zwischendurch kurz auch Richtung Military, davon habe ich aber jetzt keine Bilder gefunden. Das war allerdings auch nur kurz der Fall. Im Grunde trage ich auch jetzt noch Stücke, die ich bereits seit zehn Jahren im Schrank habe.

Oder wie würdet ihr euch gerne herrichten, gäbe es keine Hindernisse welcher Art auch immer (vom Zeitmangel über den konservativen Chef bis hin zur nicht kooperativen/vorhandenen Haarpracht)?

Ohne Zeitmangel würde ich tatsächlich öfter stärker geschminkt aus dem Haus gehen. Ohne einen Job, wie ich in habe, würde ich mehr Röcke und Kleider tragen. Bei meinen Haaren habe ich gerade wieder den Schritt zu blondiertem Pony gewagt – durch die Schwangerschaft sind sie sowieso an mehreren Stelle ziemlich abgebrochen, also habe ich eigentlich nichts zu verlieren. Ich liebe es jetzt schon.

Habt ihr Styling-Vorbilder oder Inspirationen?

Nicht direkt. Ich schaue gerne bei Pinterest nach Anregungen – wenn ich anfangen zu nähen oder zu schminken, wird da sehr schnell etwas komplett anderes draus. Meistens gefällt mir das dann aber sogar noch besser. Steampunk finde ich auch immer noch sehr interessant, bleibe aber bei meiner Elektroschrott-Bastel-Leidenschaft.

Welche Accessoires sind unumgänglich?

Das Einzige, was ich ständig trage, sind meine Ringe und meine drei Armbänder. Ohrringe und Ketten waren lange mein ständiger Begleiter, allerdings störte, dass den Wolf sehr – ich fange also erst langsam wieder damit an. Vielleicht bin ich ein wenig „einfach“ geworden, seit ich Mutter bin, aber schlecht finde ich das nun nicht unbedingt. Mein Kleiderschrank ist wieder etwas schwärzer geworden – Umstandsmode gibt es teilweise echt nur in gruseligen Farben.

Für alle weniger visuell Orientierten: Ist das alles überhaupt wichtig? Empfindet ihr das alles als Teil der Szene?

Gerade das letzte WGT hat mir gezeigt, dass die Grundfarbe schwarz einfach reicht – egal in welcher Ausprägung die Person das nach Außen hin lebt. (Oder auch nur im Inneren!) Uns verbindet mehr als das. Es ist einfacher, sich zu finden und die Grundstimmung zu erkennen – und ich liebe es, die verschiedenen Outfits und Schminkkünste anderer zu bewundern. Gerade am Montag, als die Fußballfans durch die Stadt strömten – eigentlich hat man nur am Blick erkannt, ob WGT’ler oder RB-Fan.

Resümee Mai: Schwarz wie Ebenholz und weiß wie Schnee – Der schwarze Faden

Grell leuchten die Kameralichter auf, aus dem Weitwinkel wandert der Fokus auf das Gesicht und langsam den Körper hinab bis an die gewienerten Schuhspitzen. „Kopf hoch, Schultern zurück“. Nicht nur beim WGT, sondern auch bei anderen größeren Szeneveranstaltungen halten die Medienvertreter drauf – nicht immer gewollt – um später die „krassesten Kostüme“ präsentieren zu können. Auf Veranstaltungen zu gehen ist immer auch „Leute kucken“, aber in diesem Monaten wollten wir wissen wir ihr ausseht, wie sich euer Stil verändert hat, woran ihr euch orientiert und ob das überhaupt wichtig ist.
Aristides Steele hat es sehr schön zusammengefasst: „Es geht um Stil, Optik, Haare, Make-up … also um das ganze Zeug was gern mal unter „oberflächlich“ unter Naserümpfen abgetan wird, aber nun mal dennoch einen wichtigen Teil der Szene-Identifikation ausmacht.“

Mit einem überquellenden Postfach und zahllosen zu bestaunenden Bildern haben wir gerechnet – und erst mal passierte nichts. Na gut, vielleicht das WGT und die damit verbundenen Vorbereitungen, die zu treffen sind, Bilder die erst noch geknipst werden müssen, falsche Scheu (?) und Post-Treffen-Depressionen, die es zu überwinden gilt. Langsam aber sicher tröpfelten die Beiträge dann Ende Mai ein – nicht so viele, wie zu den bisherigen Themen, aber trotzdem war jeder einzelne spannend. Danke euch allen für diesen Einblick!

Wie hat sich der Stil der Schreibenden über die Jahre verändert?

Bis auf Marion Levi, Guldhan („Schwarz bleibt schwarz bleibt bundeswehr-grün. Und seitdem ich den Stil mit 18, 19, Anfang 20 endgültig gefunden hatte, gab es auch keine Veränderung mehr.“) und Mecky, die ihren Stil als gleichbleibend beschreiben, haben alle anderen Teilnehmer verschiedene Stilrichtungen ausprobiert. Interessanterweise scheint es zwei Wege zu geben anzufangen schwarz zu tragen: schlicht und schwarz, wie Tanzfledermaus, Traumverliebt, Schwarzmalerin, Svartur Nott und Flederflausch. Oder gleich die volle Dröhnung wie bei Fledermama, Cookie oder Aristides Steele. Fledermama beschreibt, dass sie von Lack, über Samt und Satin vieles ausprobiert hat und Cookie schildert wie sie – dem Berufsleben geschuldet von Kleidung mit vielen Nieten, Buttons und zerrissenen Strumpfhosen heute bei dezentem und schlichtem Schwarz angelangt ist.

Die Arbeit hindert Cookie daran im Alltag zu tragen, was sie gerne möchte. Trotzdem hat sie ihren eigenen schwarz Stil geschaffen
Cookie hat ihren eigenen arbeitstauglichen Stil geschaffen

Seitdem das Weggehen nicht mehr so interessant ist und ich einen ziemlich seriösen Job habe, habe ich mir übers “Schwarzsein” eher weniger Gedanken gemacht. Ich trag halt gerne dunkle Klamotten und höre alternative Musik und das ist es dann.

Nichtsdestotrotz verschlingt sie aber alles, was sie zur Szene in die Hände bekommt. Tanzfledermaus kann bereits auf einen sehr langen, auch stilistischen Werdegang zurückblicken, immerhin begann sie 1989 schwarz zu tragen. Entsprechend viel hat sie schon ausprobiert, wobei sie trotz allen Parallelen zwischen ihrem damaligen Styling und ihren heutigen Alltagsoutfits ausmachen kann. „Also ein kleiner „schwarzer Faden“ über das mittlerweile gute Vierteljahrhundert…“ Natürlich haben sich auch Dinge verändert, so verlässt sie momentan auch ungeschminkt das Haus, etwas das früher unmöglich gewesen wäre. Mit ihrem Auftreten und ihrer Kleidung möchte sie weder provozieren noch auffallen, sie trägt schlicht das, was ihr gefällt.

Diesen Ansatz teilt auch Simagljubka. Für ihn sollte Kleidung stets möglichst adrett und bis zu einem gewissen Grad auch bequem sein, wobei er eine eigene Definition von Bequemlichkeit hat:

Bequem ist dabei sehr situationsabhängig, nicht auf jeder Veranstaltung ist unbequem was bei einem Spieleabend doch unangenehm einschränkt. Und, sehr wichtig für mich, bequem heißt für mich, dass ich mich momentan in der Kleidung wohl fühle. Das hat oft weniger mit körperlicher Bequemlichkeit zu tun, als mit einem guten Selbstempfinden.

Schwarzmalerin beweist, man muss nicht spindeldürr sein um grufti und gut auszusehen
Schwarzmalerin beweist, man muss nicht spindeldürr sein um grufti und gut auszusehen

Gutes Selbstempfinden und sich Wohlfühlen sind auch für Anna Schwarzmalerin eng mit dem Tragen von schwarzer Kleidung verknüpft. Nach einem beachtlichen Gewichtsverlust traute sie sich wieder an dunkle, auffälligere Kleidung heran und fühlte sich damit wohler und glücklicher. Sie liebt zerfetzte Strumpfhosen (“Super hinzubekommen mit Schmiergelpapier, Nagelfeile, Nagelclipser, Rasierklinge und allem was zerstört.“), experimentiert mit Haarfarben und tobt sich schminktechnisch aus. Ines Flederflausch hat, wie Tanzfledermaus, bereits einiges ausprobiert und ist mittlerweile froh, dass vieles davon nicht fotografisch dokumentiert wurde. Sie hat, wie sie schreibt, eine Weile gebraucht, bis sie das gefunden hat, was zu ihr passt. Inzwischen bevorzugt sie „Zebra- und Leomuster, Fledermäuse, Totenköpfe und Buttons“.
Prinzessin Traumverliebt‘s Weg führte sie von schlicht schwarz mit langen Haaren über Korsagen und bunten Strähnen, aufwendigere Kleidung bis hin zu ihrem heute eher praktischen Stil. Nur schwarz wäre ihr allerdings, wie sie zugibt zu langweilig. Sie liebt Farben, wenn auch in homöopathischen Dosen.
Guldhan mag und mochte es schon immer schwarz, olivgrün und brachial und paramilitärisch. Er hat seinen Stil mit Anfang 20 gefunden und ist diesem treu geblieben, wie auch Mecky, der  klamottenmäßig seit jeher schlicht schwarz unterwegs ist, während Svartur Nott sich als noch in einem Werde-Prozess befindlich beschreibt:

„Vieles an Kleidung, was mir gefällt und ich gerne an mir sehen würde, gibt es nicht zu erwerben. Von dem Krams aus Katalogen halte ich nichts und alles selbst zu machen – dafür habe ich leider nicht die Zeit und Fähigkeiten. Dies ist aktuell neben der Knete eine der größten Baustellen… Aber: Kommt Zeit kommt Rat. Ich sehe mich derzeit noch in der Entwicklungsphase, brauche bei manchen Dingen eben einfach etwas länger.“

Mecky 2016
Mecky hat die Locken schön

Stoffel favorisiert gemütliche und unkomplizierte Kleidung, wobei sie für Korsetts eine Ausnahme macht. Dafür tobt sie sich bei den Haaren (oder auch mal ganz ohne Haare, sie hat auch schon Glatze getragen) aus und ist dabei sehr spontan. Make-up mag sie gar nicht. „Alles was im Gesicht aufgetragen werden soll ist mir ein Graus … es juckt und ich fühle mich nicht wohl. Ergo lasse ich den ganzen Krams weg.“

Gar nicht schlicht ist der bevorzugte Stil von Aristides Steele und es ist davon auszugehen, dass ihn dickes Make-up im Gesicht kein bisschen juckt. Seine Schminkkünste vergleicht er mit Malerei: „Das extrem künstliche „Kalken“ hat aber gerade auch als Ausdrucksform für mich auch heute noch einen großen Reiz, da man sich mehr als lebendes Kunstwerk herrichtet – losgelöst von Geschlecht, egal ob biologisch oder der Eigen-Identifikation nach.“  Anfangs trug er kurzzeitig Lack Nieten und Bondage angehauchtes genauso Kleider und feminines, heute dominieren (zu große) Rüschenhemden, Brokatwesten, enge Hosen und Pluderhosen.

Man sieht, zerfetzte Strümpfe bzw. generell ein gewisses abgefucktes Element ist beliebt, genauso wie das Experimentieren mit Haarfarben.

Interessant ist zudem, dass sich viele damit schwer tun, ihren eigen Stil zu beschreiben, zu kategorisieren oder überhaupt als solchen zu benennen. „Mein Stil war mal wieder kein richtiger Stil.“ Schreibt etwa Cookie. Die Fledermama (jetzt weiß ich wessen violette Haare ich das gesamte Spontis Family Treffen hindurch bewundert habe!) beschreibt sich selbst als eher „stillos“, da sie nicht den „einen Stil“ hat. Simagljubka ist der Meinung, „dass andere, also alle außer mir, viel eher meine Erscheinung mit Labels versehen könnten.“

Was darf nicht fehlen?

Als Antwort auf diese Frage wurden am häufigen diverse Arten von Schmuck genannt. Aristides Steele liebt viele, viele silberne Armreifen, Prinzessin Traumverliebt trägt stets gewisse Ringe und drei bestimmte Armbänder,

Das WGT und andere Veranstaltungen nutzt Fledermama um sich in Reifrock und Korsett zu werfen
Das WGT und andere Veranstaltungen nutzt Fledermama um sich in Reifrock und Korsett zu werfen

Fledermama verzichtet ungerne auf ihr Ankh und für Flederflausch sind Ohrringe sowie ihre Piercings unverzichtbar. Für Guldhan sind, neben einer Kette mit drei Anhängern (Templerkreuz, Arch Enemy Hundemarke und der babylonische Baum des Lebens)  vor allem Armbänder zentral. Ohne diese fühle er sich nackt. „Ich brauche den optischen wie haptischen Bruch zwischen Unterarm und Hand, die „Bandagierung“ der Handgelenke, sonst fühle ich mich unwohl. Woher das kommt? Wahrscheinlich Gewohnheit.“ Außerdem müssen seine Hosenbeine stets im Stiefelschaft stecken.

Neben Schmuck werden auch Parfum und Schuhe genannt. So darf bei Anna Schwarzmalerin und Fledermama Parfum, am liebsten eine Patchoulie Variante nie fehlen. Aristides Steele und Robert gehen am liebsten in ihrem spitzen Schuhwerk aus dem Haus. Simagljubka ist es am wichtigsten „etwas um den Hals zu tragen, wirklich um den Hals, also Schal, Kropfband oder zumindest Rollkragenpullover.“

Woher kommt die Inspiration?

Die von den Teilnehmenden genannten Inspirationsquellen sind äußert vielfältig. Es werden Epochen genannt, Filme, Bücher, Youtube Stars genauso wie Mitschüler oder Bands.
Marion schreibt:

Eine Inspirationsquelle kann für mich so gut wie alles sein, ein Lied oder ein Buch, das Bilder in den Kopf zaubert, Fotos aus fernen Ländern und schöne, bekannte oder unbekannte Menschen auf der Straße.

Als Inspiration dienen natürlich auch die 80er, der frühe Wave Stil und die New Romantics, genauso wie historische Kleidung, etwa aus der Zeit der Romantik oder des Biedermeier. Der Film „The Craft“ wird genannt und Morticia

Marion hat die Balance zwischen Alltag und ausgehen gefunden
Marion hat die Balance zwischen Alltag und ausgehen gefunden

Addams und die Youtuberin It´s Black Friday. Anna-Varnay Cantodea, David Bowie, Diego Merletti (The Frozen Autumn), Rozz Williams (Christian Death), Andrew Eldritch (The Sisters Of Mercy), Carl McCoy (Fields Of The Nephilim), Dave Vanian (The Damned), Trevor Barnes (Witching Hour) und William Faith (Faith & The Muse), Skinny Puppy oder Bauhaus werden genannt. Simagljubka findet in den Elfenwelt Comics Anregungen und  Guldhan hat zwar keine Vorbilder in Sachen Kleidung, dafür einige in Sachen Körperbau und Statur. „Schließlich bleibt man dadurch ein wenig nonconform zu den Nonconformen.“

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Welche Hindernisse existieren?

Die wenigsten können oder wollen sich tagtäglich so herrichten wie sie es vielleicht zum WGT oder zum Ausgehen tun oder wie sich selbst am schönsten finden. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Manches Mal kann Zeitmangel bzw. der Wunsch morgens länger zu schlafen ein Grund sein, andererseits gehen einige einem Beruf nach, der keine komplette optische Selbstverwirklichung zulässt. Cookie beispielsweise würde am liebsten batcavig, mit toupierten Haaren und Sidecut herumlaufen, was aufgrund ihres Jobs aber nicht möglich ist und Fledermama würde gerne öfters einen Reifrock oder ein Korsett tragen, wäre es im Alltag nicht zu unpraktisch und zeitaufwändig. Auch Traumverliebt würde sich, stünden ihr nicht Zeitmangel und Job im Weg stärker schminken und vermehrt Kleider, wie Röcke tragen. Bei Svartur Nott scheitert es hingegen daran, dass Kleidung, die im zu sagt nicht einfach so zu kaufen ist und selbst hergestellt werden müsste.

Noch sitzt dir Frisur
Noch sitzt dir Frisur

Auch physisch-anatomische Hindernisse werden genannt. Hierbei sind vor allem die Haare ein Quell der Unzufriedenheit.
Anna Schwarzmalerin bedauert, dass ihr weiße Grundierung nicht steht. Damit sehe sie aus „wie ein Mond.“ Flederflausch hat die Erfahrung gemacht, dass sich ihre weichen, glatten Haare nur schwer stylen lassen. Tanzfledermaus stören vor allem ihre dünnen Haare und ihre Unverträglichkeit gegenüber Kontaktlinsen. Guldhan hadert ebenfalls mit seinen Haaren bzw. mit seinem nicht geradlinigen Haaransatz, der mit den Frisuren, die er gerne tragen würde nicht kompatibel ist und damit, dass die von ihm angestrebte Statur nur schwer mit handelsüblich geschnittenen Hemden oder Stiefeln vereinbar ist.
Dazu kommen Überlegungen, wie man mit einem auffälligen Äußeren auf seine Umgebung wirkt und welche Reaktionen dies zur Folge haben könnte. Cookie schreibt dazu: „Ich fand es außerdem eher doof aufzufallen, weshalb ich unbewusst wohl immer den Mittelweg zwischen dem, wie ich aussehen wollte und dem, wie ich in Ruhe gelassen wurde, gewählt habe.“ Tanzfledermaus wünscht sich diesbezüglich: „Aber es wäre schon toll, auch im Alltag nicht darüber nachdenken zu müssen, ob man mit einem bestimmten Look nun anecken könnte oder nicht. Einfach das tragen zu können, wonach einem gerade ist.“

Ist das alles überhaupt wichtig?

Gothic bedeutet weit mehr als schnöde Äußerlichkeiten.“ Diesen Satz von Fledermama können, so denke ich, alle, die sich mit der Materie auseinandergesetzt haben unterschreiben.
Äußerlichkeiten und Selbstdarstellung gehören bis zu einem gewissen Grad trotzdem dazu, zu Menschen allgemein und zu Grufties speziell. Robert formuliert es wie folgt: „Machen wir uns nichts vor, Gothics haben sich immer schon herausgeputzt, ob in den frühen 80ern oder heute. Das Schaulaufen auf der AGRA anlässlich des Wave-Gotik-Treffens gehört irgendwie dazu.“. Tanzfledermaus fasst die Ambivalenz zusammen:

Mit Äußerlichkeiten ist es ja immer so eine Sache: man will ja eher nicht darauf reduziert werden, aber andererseits gehört für die meisten doch ein Mindestmaß an Styling dazu, um sich auszudrücken, seine Sinn für Ästhetik auszuleben und auch von Gleichgesinnten wahrgenommen zu werden.“

Der Wizard of Goth 2016
Der Wizard of Goth

Das Äußere ist, wie es Cookie beschreibt „nur ein Puzzleteil“. Was wirklich zählt ist, dass Inneres und Äußeres zusammenpassen, Stichwort Authentizität statt Verkleidung. „Meine Szenezugehörigkeit empfinde ich nicht nur über Kleidung, sondern auch über Musik und die Beschäftigung mit bestimmten Themen und Interessen. Daher würde ich sagen, die Kleidung ist ein Teil, aber lange nicht alles.“ Erklärt Tanzfledermaus. Daher ist es letztendlich nicht prioritär wie sich eine Person kleidet. Prinzessin Traumverliebt meint dazu: „Gerade das letzte WGT hat mir gezeigt, dass die Grundfarbe schwarz einfach reicht – egal in welcher Ausprägung die Person das nach Außen hin lebt (oder auch nur im Inneren!). Uns verbindet mehr als das.“ Robert teilt diesen Standpunkt: „Grufti (oder Gothic) zu sein passiert nicht Außen, sondern Innen. Deshalb ist es mir auch völlig egal, wie gruftig jemand aussieht oder sich kleidet, was zählt, sind Wellenlänge, Wertvorstellung, Weltanschauung und Interessen.“

Schwarz wie Ebenholz und bleich wie Schnee?

Gruftis sind also die ganz in schwarz und mit bleichen Gesichtern? Einige ja, andere nicht. Die Farbe schwarz ist ein verbindendes Element, was jedoch nicht bedeutet, dass nicht auch Farben Platz im Schrank oder vor allem auf dem Kopf haben oder alle gleich aussehen. Marion formulierte es treffend:

Vorurteile besagen, Gruftis würden alle gleich aussehen, bloß weil sie alle dieselbe Farbe bevorzugen und sich beinahe ausschließlich in eben dieser Farbe kleiden. Sehen sie deswegen wirklich alle gleich aus? Mitnichten.

Gothic Friday Mai: Schlicht & Schwarz (Svartur Nott)

Svartur Nott, ebenfalls ein Mitglied im „Ältestenrat“ des gotischen Freitags, hat sich zur Beantwortung des aktuellen Gothic Friday ein wenig Zeit gelassen. Möglicherweise mangels Bilder von sich selbst oder der fatalen Selbsteinschätzung, nichts beitragen zu können. Wer kennt das nicht? Glücklicherweise hat er sich durchgerungen und schrieb drauflos.

Das Mai-Thema des Gothic Fridays war dasjenige, bei dem ich bisher am stärksten grübelte. Schreibst du noch was dazu oder lässt du es bleiben, da du eh – im Gegensatz zu den Mitschreibern – so gut wie keine Photos besitzt und die Leser nicht zu Tode langweilen willst? Zweimal habe ich einen Text vorbereitet und zweimal habe ich ihn verworfen. Doch letztlich siegte mein Gewissen (zumindest klang es so) und meinte: „Setz ein Häufchen drauf und schreib endlich drauflos – du hast ja nichts zu verlieren“. Und so folgte ich diesem Ruf.
Wie habe ich mich optisch mit den Jahren verändert? Dazu ein kleiner Rückblick. Vor 6 Jahren habe ich begonnen, mir meine Haare lang wachsen zu lassen, weil ich, der schüchterne und introvertierte Typ in der Ecke, einerseits langsam ein Bewusstsein für mein Äußeres bekommen habe und der Meinung war (und bin), dass lange Haare mir wesentlich besser stehen als kurze. Zugleich waren lange Haare für mich ein Symbol der sich regenden Unangepasstheit, welche im Zuge eklatanten Metal- und Punk-Konsums zum Vorschein kam. Wobei ich mich seinerzeit selbst nie als ein Bestandteil des einen oder anderen gesehen habe, immer nur als Sympathisant. Mit steigendem Anteil von Schwarz-Metall und latenter Misanthropie gegenüber 90% der Menschheit wurde auch die Kleidung langsam schwärzer.

2012 lernte ich während meines Grundstudiums die Schwarze Szene des damaligen Studienortes kennen (siehe Musikbeitrag). Dies war eine neue Welt für mich und ich war einerseits fasziniert von der Musik, andererseits aber auch von der Optik einiger Gäste auf den Veranstaltungen. Ich begann mich in Folge des Erlebnisses insbesondere mit der Musik und ihren Hintergründen zu beschäftigen, wodurch ich natürlich auf diverse Künstler aus dem Goth-/Wave-Umfeld aufmerksam wurde, deren Aussehen ich einfach klasse fand, doch dazu gleich mehr. Nach dem Ende des Studiums und Umzug in eine andere Ecke des Landes im folgenden Jahr ging die Suche weiter und ich beschäftigte mich nun langsam auch mit meinem eigenen Aussehen. Über das Netz stolperte ich immer wieder bei gewissen Künstlern über so toll aufgestellte und verstrubbelte Haare (wie beim Robert Schmitt oder der Susi). Als ich dann eines Nachts – mutmaßlich auf dem Spontis-Blog – Bilder von Haarkreationen der End80er und Anfang90er sah (Krähennester, Türme, Teller, etc.), war es um mich geschehen. Seitdem lassen mich diese Frisuren nicht mehr los und ich freue mich immer total, wenn ich jemanden so rumlaufen sehe. Nachdem mir eine Bekannte gezeigt hat, wie man toupiert, habe ich ab und auch selbst zur Bürste gegriffen. Das folgende Bild ist der Tag nach einer Veranstaltung, da ist der Spaß schon wieder etwas zusammengefallen.

Svartur Nott

Nun, wie gesagt, ich lernte Bands und Künstler diverser Stile kennen und fand Vorbilder, deren Erscheinung mir sehr zusagte und mich inspirierte. Dies wären bspw. Jonny Slut (Specimen), Rozz Williams (Christian Death), Thilo Wolff (Lacrimosa), aber auch Diego Merletti (The Frozen Autumn), Andrew Eldritch (The Sisters Of Mercy), Carl McCoy (Fields Of The Nephilim), Dave Vanian (The Damned), Trevor Barnes (Witching Hour) und William Faith (Faith & The Muse).

Und dabei wären wir schon, wie ich denn gerne aussehen würde, wenn… ja, wenn es da nicht einige Einschränkungen gäbe.

Zum einen bin ich seit Jahren Student und achte sehr stark auf das bisschen Geld, was mir im Monat zur Verfügung steht. Kleidung kaufen, Schmuck, oder ähnliches ist damit seit Jahren nicht drin. Als nächstes kommt, dass ich mich demnächst bewerben werde. Adieu du schöne Studienzeit! Wie schon beim Aprilthema angesprochen, nehme ich mich dahingehend auch zurück und gedenke einen Kompromiss zwischen Umgänglichkeit und Eigenständigkeit zu suchen. Ich habe keinen Bock nur wegen meines Äußeren nicht genommen zu werden und dann bei der ‚Agentur Für Arbeit‘ als Bittsteller zu enden. Nein danke, darauf verzichte ich. Was die Haare betrifft, hatte ich bereits erwähnt, dass ich auch da einen Kompromiss lebe, beziehungsweise anstrebe: Einerseits würde ich mit aufgestellter Pracht vermutlich Probleme bekommen (ist sicher total unseriös) und andererseits sind sie mittlerweile ohnehin ziemlich lang und zu weit über die Haltegrenze vom Toupieren hinaus, ohne es a) ein immenser Aufwand wird und b) zu massivem Haarbruch führt. Gerade dies ist bei mir leider sehr problematisch. Also belasse ich es lieber vorerst bei der langhaarigen Version meiner selbst. Ach, ein generelles Problem, was ich bezüglich Kleidung sehe, ist folgendes: Vieles an Kleidung, was mir gefällt und ich gerne an mir sehen würde, gibt es nicht zu erwerben. Von dem Kram aus Katalogen halte ich nichts und alles selbst zu machen – dafür habe ich leider nicht die Zeit und Fähigkeiten. Dies ist aktuell neben der Knete eine der größten Baustellen… Aber: Kommt Zeit kommt Rat. Ich sehe mich derzeit noch in der Entwicklungsphase, brauche bei manchen Dingen eben einfach etwas länger.

Also, wie würde ich gerne aussehen, wenn ich es könnte: Im Prinzip wie William Faith von Faith And The Muse wie auf diesem Bild, wobei ich da eine große Ähnlichkeit zwischen ihm und mir sehe. Lange, toupierte Haare, ein weites Oberteil, ein die Körpergröße betonendes Unterteil… und spitze Schuhe. Das mit dem Anmalen, nun ja, da habe ich nicht so das Händchen und lass es daher einfach bleiben. Eine Alternative gibt Trevor Barnes von der Band „Witching Hour“, (siehe hier im Video), daran versuche ich mich ebenfalls ein wenig zu orientieren. Natürlich muss man immer sehen, was zu einem passt, und was nicht. Und da bin ich Realist und sage mir beispielsweise: „nein, als Deathrocker/Batcaver kannst du nicht rumlaufen, das passt (optisch) nicht“ – auch wenn ich diesen Stil echt mag. Tja, bis ich meinen Wunsch-Stil gefunden habe, bleibe ich erst einmal beim schlichten Schwarz mit ohne viel Schnickschnack und beschreite weiter meinen Weg.

So kommen wir zum letzten Abschnitt und zur Gretchenfrage: Ist das Styling wichtig?

Zumindest in meinen Augen war/ist es immanenter Bestandteil der Wave/Gothic-Szene. Hier hat der Kleidungsstil und das Aussehen eine Aussage und Funktion: Abgrenzung gegenüber den Marionetten der Spaßgesellschaft, Zeigen und Ausleben der Individualität, zudem aber auch Erkennungsmerkmal. Für mich selbst nimmt dabei der Abgrenzungsaspekt nach wie vor eine tragende Rolle ein, unabhängig davon, welche Musik ich höre oder welcher (Sub-)Subkultur ich mich zuordnen lasse. Und das wird sich auch nicht ändern.

Gothic Friday Mai: Das Äußere – nicht die Äußerlichkeit (Simagljubka)

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Da Simagljubka intensive Kontakte zur Gothic-Friday Autorin Marion pflegt, ist sein Artikel bereit in das Resümee des Gothic Friday Themas im Mai mit eingeflossen. So schwankt sein Artikel zwischen nachgereicht und reingeschoben, was aber für die Großartigkeit seines Inhalts keine Gefahr darstellt. Im Gegenteil: Seinen Artikel „Das Äußere – nicht die Äußerlichkeit“ untertitelt er selbst mit: „Darstellung, Gewand und Lebensgefühl“ und trifft damit den Nagel auf den Kopf.

Ich bin sicher dass andere, also alle außer mir, viel eher meine Erscheinung mit Labels versehen könnten. Hier kann ich nur zeigen wo meine Gedanken, teilweise, herkommen. Ich behaupte nicht dass irgendjemand Ihren Ursprung dann an mir noch erkennen kann.

Adrett und Ab´grissen – einfach elegant: Die basalsten Grundsätze meiner Kleidung sind wohl: Was ich trage, muss nicht aufregen oder auffallen, in der Arbeitswelt darf es das für mich an meinem Körper auch nicht. Meine Erscheinung darf immer elegant sein wobei auch ab´grissen für mich elegant sein kann. Und es soll möglichst immer irgendwie adrett sein.

Bequem – ein Zusatz
Bequem darf Gewand natürlich auch sein, das ist ein sehr netter Zusatz den ich ein bisschen auch immer erreiche. Bequem ist dabei sehr situationsabhängig, nicht auf jeder Veranstaltung ist unbequem was bei einem Spieleabend doch unangenehm einschränkt. Und, sehr wichtig für mich, bequem heißt für mich, dass ich mich momentan in der Kleidung wohlfühle. Das hat oft weniger mit körperlicher Bequemlichkeit zu tun als mit einem guten Selbstempfinden.

Bequem – doch DAS Stilelement?
Etwas findet sich bei mir so gut wie immer und vielleicht ist das am ehesten mein Stilmerkmal auch wenn es für mich einfach angenehm ist. Etwas um den Hals zu tragen, wirklich um den Hals also Schal, Kropfband oder zumindest Rollkragenpullover – oder auch alles drei, ist mir sehr wichtig. Selten meist wegen allzugroßer Hitze weiche ich davon ab.

Ideenquellen im weitesten Sinn
Ich weiß nicht ob ich wirklich Vorbilder habe, ich sehe da und dort etwas und versuche es für mich umzuinterpretieren. Am ehesten habe ich vermutlich ein Elfenvolk aus einem Comic als Vorbild. Elfenwelt die Vogelreiter/Gleiter und die schwarzen Kleider der Romantik und des Biedermeier als Vorbild..
Eine für mich ein bisschen punkige Umsetzung einer Elfe habe ich schon einmal getragen und mich dabei sehr wohlgefühlt, der Versuch der zerrissenen Kleidung hat dabei nicht funktioniert aber auch so hat mein Fundus auch etwas produziert. Daher findet sich dies auch nicht in der Aufzählung der Vorbilder, es ist für mich meist unerreichbar so dass ich damit an mir zufrieden wäre.

Ziele – Entwicklungen an denen ich arbeite
Und was ich sehr toll fände ist die Uminterpretierung von Feengewändern. In passenden Farben und mit mehr Dramatik ist das einfach großartig. Etwas dass mir noch nie wirklich gelungen ist. Am ehesten kann ich hier auf das Sareebild verweisen. Das Beispielbild zeigt auch schon dass all diese Vorbilder oft nur als entfernte Inspiration dienen, auch wenn eine direktere Umsetzung natürlich definitiv zu den Zielen gehört.

Immer neu erfinden – warum
Meine konkreten Vorstellungen von einem Vorbild umzusetzen braucht oft das passende Gewand. Dieses ist nicht immer durch Neukombinationen zu finden und im Geschäft oder auch beim Schneider oft einfach unerschwinglich. Selber nähen ist auch keine wirkliche Lösung denn es braucht Können, Werkzeug und ebenfalls überraschend viel Geld. Am Mut fehlt es mir nicht, daher gab es auch schon Ansätze und neben dem mangelnden Können vor allem die Erkenntnis über die Kosten.

Ein Ziel zur Weiterentwicklung meines Aussehens…
sind Frisuren. ich finde lange offene Haare toll und ich mag Frisuren, besonders Flechtfrisuren oder solche mit Schmuck, von der Kette bis zum Schmetterling. Mit der richtigen Frisur lässt sich das perfekt kombinieren. Leider fehlt mir das Geschick und die Übung dafür. Nirgendwo sonst fallen zwei linke Hände deutlicher auf und so sind Frisuren eigentlich immer auf die Hilfe und die Ideen anderer angewiesen.