Leserbriefe: Schutzräume im rosarot-gold-weißen Strom der Massen

In meinem letzten Artikel zur Marens Leserbrief hatte ich angekündigt, die Geschichte weiterzuerzählen. Ich war Maren also eine Antwort schuldig geblieben, in der ich ihr erklären wollte, warum wir unsere Schutzräume in Gefahr sehen und woraus das Gefühl wächst, sich erneut abzugrenzen. Eine ausführliche Antwort ließ nicht lange auf sich warten und Maren hat unter anderem nahe gebracht, wie schwierig es ist, als Einzelgänger Schutzräume zu wahren.

Liebe Maren,

vielen Dank für deinen ausführlichen Einblick in deine Beziehung mit „Goth“. Du darfst den Wunsch nach Abgrenzung, den Du im Tenor unserer Diskussionen wahrgenommen hast, nicht zu oberflächlich sehen. Auch wir möchten uns nicht „bewusst“ abgrenzen oder aktiv gegen eine Vereinnahmung rebellieren, wir grenzen uns allein schon deshalb ab, weil wir genau so empfinden wie du. „Gemeinsamer Schmerz“ hast du es genannt.

Das, was du als Wunsch nach Abgrenzung – im Sinne von „dazugehören“ – interpretierst, resultiert daraus, dass einige von uns ihre Schutzräume, die in den letzten Jahrzehnten gewachsen sind, in Gefahr sehen. Zugegeben, in den 80er gab es solche Schutzräume noch nicht, da hat man – wie du schreibst – mitgenommen, was geboten wurde und sich eher „innerlich“ abgegrenzt. In der Zwischenzeit haben sich allerdings Refugien gebildet, die eine physische Abgrenzung ermöglichten. Goth-Discos, Goth-Festivals, Goth-Treffen. Die bröckeln unserer Meinung nach jetzt weg und werden vom „Mainstream“ infiltriert. Das zerstört für einige die Atmosphäre und grenzt in einem Wunsch nach erneuter Abgrenzung. Ich will mich da nicht ausnehmen.

Letztendlich sind das aber Befindlichkeiten, die du als Tenor wahrgenommen haben könntest, die aber meist in der Erkenntnis münden, dass wir uns „innerlich“ immer noch genauso abgrenzen, wie du es auch empfindest. Ich find’s auch manchmal schade, dass wir dann in diesen Befindlichkeiten ertrinken, auch wenn ich mich manchmal genauso fühle.

Marens Schutzräume

“Can you give me sanctuary, I do need a place to hide, a place for me to hide.“

Schutzräume, die eine Rückzugsmöglichkeit aus einer lärmenden, sinnentleerten Oberflächlichkeit bieten, die einem erlauben unter Gleichgesinnten zu existieren, ohne befremdet angesehen zu werden, Schutzräume, die Sicherheit vor Anmache bieten, sind besonders für diejenigen wichtig, die sich nicht im rosarot-gold-weißen Strom der Massen vom allgemeinen Wohlgefühl mit treiben lassen können oder wollen.

Schutzräume, die euch eine physische Abgrenzung vor diesen Massen erlauben, drohen, wie du sagst, wegzubrechen, lieber Robert, und die Sorge um deren Bewahrung und daher auch den Unmut über Eindringlinge, die durch ihr Auftreten und ihr Äußeres zu diesem Wegbröckeln beitragen, kann ich verstehen.

Auch ich finde es, gelinde gesagt, befremdlich, wenn ich höre oder lese, dass Menschen auf einem schwarzen Festival nachts Schlager hören, im Hawaiihemd herumlaufen oder sich sinnlos betrinken. Wie ich dir bereits gesagt habe, stören auch mich feiernde Möchtegern Freaks auf dem Pere-Lachaise, und Doors Tribute Bands tue ich mir nicht an, weil deren Sänger weder stimmlich noch durch Bewegung auch nur einen Hauch von Jimmys Tanz am Abgrund wiedergeben könnten.

Außerhalb der Szene als Einzelgänger die geeigneten Schutzräume zu finden, halte ich allerdings für bedeutend schwerer. Es gibt sie zwar, aber sie sind anders beschaffen und oft nur temporär und sehr fragil. Da kein Türsteher über sie wacht, können sie durch das Betreten einer einzigen Person ihre Funktion als Schutzraum verlieren. Man muss sich einen neuen Schutzraum suchen oder erschaffen. Auch ist es nicht immer ganz einfach, Menschen zu erkennen, mit denen ich einen Schutzraum teilen kann oder die mir einen solchen gewähren, und es ist auch nicht ganz ungefährlich. Hier ist ein gutes Urteilsvermögen gefragt, um zwischen “good-weird“, “weird-weird“ und “bad-weird“ zu unterscheiden. Einen ganz besonderen temporären Schutzraum habe ich einmal für einen Tag in einem besetzten Haus in London Brixton gefunden, wohin ich einem Straßenmusiker auf Einladung gefolgt war, dessen Lieblingsband übrigens die Doors waren, der sich jedoch aus Respekt vor Jim nicht an deren Songs vergriff.

Neben den Schutzräumen, die ich mit Menschen teile, denen ich ungefiltert begegnen kann, spielt die Natur bei der physischen Abgrenzung für mich eine wichtige Rolle, zumal ich in einer Gegend „hinter dem Mond“ aufgewachsen bin und jetzt auch wieder hinter selbigem lebe. Da wäre ein passender Club als Schutzraum mit Türsteher ohnehin eher eine theoretische Option.

Come with me into the trees…

“Come with me into the trees …“ Für mich wurde in den Zeilen dieses Songs der Wald als Schutzraum und Rückzugsort vor all den Dingen geschildert, die unsere Emotionen zu ersticken drohen, als Ort, wo wir uns ungefiltert begegnen können.

Aber selbst ein erhabener Schutzraum wie der Wald kann Gefahr laufen, infiltriert zu werden. Dies war während Corona deutlich zu spüren, als plötzlich Krethi und Plethi aus Langeweile dort in Scharen herumtrampelten.

Auch wenn sich dies wieder gebessert hat, ist trotzdem die Nacht der beste Zeitpunkt, um diesen Rückzugsort für sich in Anspruch zu nehmen.

Und sollte eine physische Abgrenzung gar nicht möglich sein, bleiben die Kopfhörer, die einem erlauben, sein eigenes Universum zu betreten.

Obwohl ich dir, wie ich hoffentlich darlegen konnte, gut folgen kann und ähnlich empfinde, Robert, bin ich dennoch der Meinung, dass Abgrenzung die Gefahr birgt, dass ich aus Angst, dass mein Schutzraum verletzt wird, ein wertvolles Gegenüber nicht wahrnehme. Da die Welt nicht gerade überbevölkert mit Individuen der Kategorie „good-weird“ ist, bedeutet dies dann einen wirklichen Verlust. Ich habe für dieses Problem weder für mich eine perfekte Lösung noch nehme ich mir heraus, anderen eine zu unterbreiten, möchte es aber dennoch ins Bewusstsein rücken.

In der Vorfreude auf kürzer werdende Tage und einen wunderschönen nebligen November.

Tod und Teufel – Warum mich die Ausstellung erst enttäuscht und dann begeistert hat

16

Ich bin der Horror für jede Kuratorin – um mal direkt mit dem richtigen Bild in den Text zu fallen. Ich kann mich im öffentlichen Raum nicht gut auf Kunst oder Kultur konzentrieren, bin ungeduldig, nehme hastig Atmosphäre auf, schnappe mir „Augenblicke“, um sie dann in meine Höhle zu tragen und genauer zu betrachten.

Ein Screenshot des Buchs

Oder um es weniger malerisch auszudrücken: Bei der Vernissage waren viele Leute anwesend, man hat uns gefilmt, ich fühlte mich beobachtet und getrieben. Deshalb bin ich sehr froh, dass es ein dickes und ziemlich großartiges Buch zur Ausstellung „Tod und Teufel“ im Düsseldorfer Kunstpalast gibt, zu deren Eröffnung wir eingeladen waren, weil Robert mitgewirkt hat. Er hat für den Bereich „Goth“ ein Interview gegeben. Wer sich dafür interessiert, was der Wizard of Goth zum Besten gegeben hat, darf sich aufs diesjährige Spontis-Magazin freuen, das gegen Ende des Jahres erscheinen wird. Darin ist das Interview in ungekürzter Form abgedruckt. Warum sich darüber hinaus der Kauf des Begleitbuchs zur Ausstellung lohnt, lest Ihr weiter unten.

Tod und Teufel – Der erste Eindruck

Eine Geisterbahn direkt vor dem Kunstpalast
Eine Geisterbahn direkt vor dem Kunstpalast

Vorm Kunstpalast in Düsseldorf – einem beeindruckenden Bau – ist eine Geisterbahn aufgebaut. Das Wasser im Brunnen vorm Haus schimmert rot. Bei mir schleicht sich dieses unangenehme Kommerz-Kirmes-Gefühl ein, das ich auch beim WGT oft spüre. Erwartet mich hier Oberflächlichkeit statt Tiefe?

Im Eingangsbereich der Ausstellung verstärkt sich der Eindruck, denn im Museumsshop wird Gothic- und Gruselkitsch angeboten, den ich schon tausendfach auf Märkten oder im Internet gesehen habe. Das Angebot reicht von Sarg-Seife über Totenkopfschmuck bis zu einer Mode-Kollektion des Sponsors, die mit „gruseligen“ Motiven spielt.

„Killstar wäre authentischer gewesen“, geht es mir durch den Kopf, aber ich sage mir, dass ich mich als Grufti in einer Mainstream-Umgebung bewege. Die Sicht auf „Tod und Teufel“ fällt da wahrscheinlich zwangsläufig anders aus. Noch fühle ich mich der ganzen Sache inhaltlich überlegen. Gönnt mir die paar Stunden Überheblichkeit. Sie werden bald schon großem Respekt weichen…

Tod und Teufel – Die Ausstellung

Nach einer kleinen Rede zur Begrüßung geht es in die „düsteren Hallen“, so denke ich jedenfalls. Ich hätte die Ausstellung adäquat im Keller erwartet – Underground, Abgründe, Tiefe, Schmutz – aber es geht die Treppe hoch. Ich erwarte ein schauriges Ambiente, denn ich glaube aus irgendeinem Grund, dass das passend wäre… Kälte, akustische Effekte, Einsamkeit, Angst, irgendwas, das die Besucher in „Horror-Tod-Teufel“-Stimmung versetzt. Aber es hängen und stehen nur Ausstellungsstücke in den Räumen. Teils beeindruckend groß und toll inszeniert, aber eben nicht „gruselig“ oder „düster“.

Auch die Exponate selbst schockieren mich nicht. Die Hälfte sieht aus wie unsere Deko zuhause, die andere Hälfte ist auch eher unspektakulär. Plakate von Filmen wie Wednesday, Dracula, The Rocky Horror Picture Show oder The Crow. Schallplatten-Cover von Bands wie Megadeth, Warlock oder Billie Eilish.

Gothics im Kunstpalast
Gothics im Kunstpalast

In einem Raum hängen überdimensional große Bilder von Gruftis an der Wand. Für uns natürlich kein ungewöhnlicher Anblick. Ich frage mich, warum man nicht wenigstens Personen genommen hat, die „tödlicher“ aussehen. Die neue deutsche Todeskunst hat ja diverse Anhänger mit entsprechendem Outfit hervorgebracht. Und selbst die Waver der ersten Stunde sahen düsterer aus.

Man sieht Vitrinen mit Mode, die „schaurig“ inspiriert ist. Teilweise sind wirklich schöne Stücke dabei, mit denen man – zumindest auf dem Viktorianischen Picknick – als Grufti durchgehen könnte. Wahrer Horror wäre es wohl, auf den ausgestellten Schuhen laufen zu müssen. In einem anderen Raum werden alte Gruselfilme wie Nosferatu oder Frankenstein gezeigt. Kennt man ja von Grufti-Partys, denn da laufen die alten Schinken auch ständig im Hintergrund.

Wirklich fasziniert bin ich von den Ölgemälden in der Ausstellung, aber mit dieser Art von Kunst bekommt man mich immer. Ölgemälde mit romantisch-düsterer Ausstrahlung streicheln meine Seele und rufen bei mir große Bewunderung hervor. Alle anderen Ölgemälde eigentlich auch.

Eine Leiche liegt zugedeckt auf dem Boden

Der „Tote“, der in einem anderen Raum auf dem Boden liegt, lässt mich innerlich zusammenzucken. An der Wand steht „Somebody“ – geschrieben mit der Asche eines Toten. Ja, das ist der Tod – nicht romantisiert! Ein guter Ausstellungsraum, der Unbehagen weckt, wie ich finde.

Es gibt noch einige Exponate mehr, auf die ich aber nur kurze Blicke werfe. Bilder von Speisen, abgehängte Fleischteile, ein verwüsteter Wohnraum, ein überdimensionaler Songtext, … ich bin enttäuscht. Das ist jetzt das, was der Mainstream unter Horror, Tod und Teufel versteht? Ist davon irgendwer schockiert? Ganz schön oberflächlich!

Wie sich herausstellen sollte, war nur ich es, die oberflächlich war…

Ich habe der Ausstellung keine Zeit gegeben! Ich habe keine Begleittexte gelesen und nur flüchtige Blicke auf die Exponate geworfen. Für Leute wie mich ist das Buch zur Ausstellung superwichtig. Ich brauche mein Zimmer und meine Ruhe, um Kunst wirklich an mich heranzulassen. Bitte seht diese Erklärung als Entschuldigung für meine anfängliche Enttäuschung. Ich beschreibe sie deshalb, weil es anderen vielleicht auch so geht und weil die Ausstellung einen zweiten und einen dritten Blick verdient hat. Meiner Meinung nach funktioniert „einfach wirken lassen“ hier nicht.

Tod und Teufel – Das Buch zur Ausstellung

Der Kunstpalast in Düsseldorf ist ein bekanntes und renommiertes Haus. Kuratorin Westrey Page ist nicht nur sehr, sehr, sehr sympathisch, sie hat auch zwei Jahre lang an der Ausstellung gearbeitet. Warum ist dabei etwas herausgekommen, das so oberflächlich auf mich wirkt? Tod, Teufel, Horror, Schauer – es war von allem etwas zu sehen, aber nichts davon war wirklich überraschend oder gar besonders künstlerisch (bis auf die Gemälde!). Kann es sein, dass da ein Mainstream-Mensch seine Vorliebe fürs Düstere entdeckt hat und wie ein Anfänger durchs Dunkle getappt ist? Das war die Frage, die mich mit dem Buch zur Ausstellung aufs Sofa trieb.

Es dauerte keine zehn Seiten und ich war mir sicher: Westrey Page hat weit mehr zusammengetragen als ein paar oberflächliche Exponate. Das Buch zur Ausstellung ist das beste Buch, dass ich je über die Schwarze Szene gelesen habe, obwohl es gar nicht explizit um diese geht. Der Kern der Gothic-Subkultur – abseits der Musik – und all das, mit dem wir uns so gerne beschäftigen, ist hier erfasst und auf den Punkt gebracht worden.

Schon in der Einführung wird die SatanCon in Boston vorgestellt, die „religiösen Fanatismus und Heuchelei in der Gesetzgebung“ anprangert. Denn die hochgelobte Religionsfreiheit bevorzugt in den Vereinigten Staaten – und vermutlich nicht nur da – eindeutig das Christentum. Der Horror wird geschichtlich betrachtet und schließlich zum „Gegensatz der Schönheit“, zum Gegenspieler des Angenehmen. Es wird John Miltons Gedicht „Das verlorene Paradies“ ebenso erwähnt wie „The Castle of Otranto“ von Horace Walpole. Der Basler Totentanz wird vorgestellt, genau wie der „Memento Mori“-Gedanke . Die Romantisierung des Todes wird beschrieben, genau wie die Angst der Gesellschaft vor dem Tod. Das Morbide wird zur rebellischen Ausdrucksform. Vom Make-up über Musik und Ästhetik arbeitet sich der Text bis in unsere Zeit vor. Es ist nicht möglich, die Inhalte des Buchs in Gänze in dieser Rezension wiederzugeben, deshalb sollen die paar Stichworte genügen. Und ich lege noch ein paar Überschriften drauf, die im Buch durch die Ausstellung führen:

  • Zur Vorgeschichte des Horrors in den Bildmedien
  • Horror in der zeitgenössischen Kultur
  • Interview mit Sam Dunn zum Thema „Musik“
  • Interview mit Robert Eggers zum Thema „Film“
  • Interview mit Robert Forst zum Thema „Goth“
  • Interview mit Gareth Pugh zum Thema „Mode“
  • Interview mit Via Lewandowsky zum Thema „Kunst“
  • Interview mit King Cobra zum Thema „Kunst“

Tod und Teufel – Ein zweiter Blick

Nach dem Genuss der Informationen zur Ausstellung und zum Thema, betrachte ich die Ausstellungsstücke noch einmal – diesmal als Fotos im Buch. Ich entdecke Details, die mir vor Ort nicht aufgefallen sind. Ich kannte die Geschichte hinter der ausgestellten Totenmaske nicht. Ich hatte nie auch nur fünf Minuten über das Video zu „Born This Way“ von Lady Gaga nachgedacht. Der Film „The Babadook“ war mir gar nicht bekannt. Auch wusste ich nicht, dass der Babadook heute eine queere Ikone ist, oder dass das Monster in Frankenstein als queeres Motiv diente. Dass Königin Victoria nach dem Tod ihres Mannes 40 Jahre lang Trauer trug, war mir bekannt. Das Trauerkleid von 1884 in der Ausstellung habe ich nur aus dem Augenwinkel gesehen. Die Bilder der Speisen, die an der Wand hingen, zeigten übrigens Henkersmahlzeiten. Und und und…

Tipp: Ach ja.. die Geisterbahn. Sie ist auch für Kirmes-Muffel eine Fahrt wert. Sie spielt mit Exponaten der Ausstellung:

Tod und Teufel – Fazit

Die Ausstellung ist großartig, wenn man sie richtig betrachtet. Sie ist keine spektakuläre Horror-Tod-Teufel-Show und – sorry – für unsereins sicher auch nicht schaurig, aber hinter jedem Exponat steckt Geschichte und stecken Geschichten. Wer die entdecken will, ist hier genau richtig.

Gönnt euch mehr Zeit, als wir es getan haben. Am besten nehmt ihr an einer Führung teil. Die finden jeden Donnerstag um 14 Uhr und jeden Sonntag um 12 Uhr statt. Außerdem gibt es einen Talk zur Ausstellung mit Kuratorin Westrey Page am 9. Oktober. Zur Ausstellung ist außerdem ein Podcast erschienen. Das komplette Programm findet Ihr auf der Webseite von „Tod und Teufel“. Und das Buch ist ein absolutes Must-have! Viel Spaß beim Entdecken!

Die Ausstellung „Tod und Teufel“ im Düsseldorfer Kunstpalast läuft noch bis zum 21. Januar 2024. Der Kunstpalast kann dienstags bis sonntags zwischen 11:00 und 18:00 besucht werden, donnerstags sogar bis 21:00. Der Eintritt kostet 12 €, ermäßigt 9 € und Minderjährige zahlen keinen Eintritt. (Ausweis mitbringen!)

 

 

Leserbriefe: Die schwarze Szene und ich – eine komplexe Beziehung

10

Anfang August schlummerte ein Leserbrief in meinem virtuellen Posteingang, der den Wunsch vieler Szene-Mitglieder, sich vom Rest der Gesellschaft abzugrenzen, infrage stellt. Maren, die im Grunde zu gar keiner Szene gehören möchte, findet es schade, dass wir uns gegenüber „Szene-Gästen“ abgrenzen wollen. In einer Diskussion zu einem älteren Artikel, auf den sich Maren bezieht, diskutieren wir darüber, wie man sich abgrenzen möchte.

Ich will in gar nicht zur Szene gehören, das wäre Eingrenzung

Obwohl ich weder Goth noch Metalhead bin und auch sonst nicht in irgendeine Szeneschublade passe, gibt es eine Schnittmenge, die dafür sorgt, dass ich mich von Gothic angezogen fühle. Dabei habe ich mich gefragt, was genau eigentlich Gothic ist und was nicht. Dabei bin ich auf eure Diskussion zum Artikel „Nichts für ungut, aber du hast keine Ahnung, was Gothic ist!„, der sich mit einem Video der BBC beschäftigt, gestoßen.

Ich habe den Wunsch einiger von euch nach Abgrenzung vernommen, da andere Strömungen die dunkle Gefühlslage zerstören. Auch war in einem Beitrag die Rede von phasenweise Möchtegern Goths, die Schwarz als Klamottenfarbe einfach mal eine Zeit lang cool finden. Entschuldigt bitte, wenn ich jetzt nicht zwischen euren einzelnen Kommentaren unterscheide, sondern nur insgesamt den Tenor der Diskussion verfolgt habe. Ja, sie ist 2 Jahre alt, aber scheint in abgewandelter Form immer wiederzukehren, und das Thema beschäftigt mich jetzt.

Ich hatte schon immer den Hang zum „Düsteren“. Habe mit 14 angefangen, Edgar Allan Poe in Übersetzung zu lesen und dann später im Original. Habe nachts im Wald über Walkman Cure gehört und bin mit einem Freund nachts an die Donau gefahren und habe den Song „The End“ gehört. Das taucht nirgends in einem Kanon für Gothic auf, aber ist das, was meine dunkle Seele am stärksten zum Schwingen bringt.

Jimmys Grab auf dem Pariser Friedhof Pére Lachaise zu besuchen, war Pflicht. Ohne Party, als es einfach so kalt war, dass außer einer Freundin und mir niemand da war. Ich mag diesen Friedhof an sich. Ich mag auch Wälder bei Nacht. Und ich mag Nebel. Ich trage gerne schwarze Shirts mit Möwen, Raben oder magischen Mustern. Schwarz begleitet mich stets in irgendeiner Form, aber nicht immer in der gleichen und nicht immer in der gleichen Intensität.

Das Grab von Jim Morrison auf dem Friedhof Pere Lachaise
Das Grab von „The Doors“ Sänger Jim Morrison auf dem Friedhof Pére Lachaise in der französischen Hauptstadt Paris | Fab1, Jim-Morrison Pere Lachaise 2, CC BY-SA 3.0

Als mein Vater todkrank in der Uniklinik lag, besuchte ich ihn täglich, danach legte ich mich ins Bett und hörte das Disintegration Album von The Cure. Manchmal ist schwarz aber auch eher schwarzer Humor, den ich mit jemandem teile, und Inspektor Barnaby. Daher heißt es für mich auch nicht, dass jemand der meint, phasenweise Goth gewesen zu sein, zwangsläufig oberflächlich ist. Ich hatte bisher immer wieder das Glück, verschiedene Menschen mit schwarzem Herz kennenzulernen. Wir haben uns gegenseitig akzeptiert und inspiriert.

Das Beste war eine Konstellation zur Studienzeit im Wohnheim. Küche mit schwarzen Kerzen auf Bierflaschen, Doors, Ulver, Projekt Pitchfork, The Cure, Dimmu Borgir. Ich wäre alleine sicher nicht auf manche Sachen gekommen, habe es aber aufgesogen, weil es zu meiner Stimmung gepasst hat.

Niemand von uns war in einer Szene. In manchen Situationen war es einfach ein gemeinsamer Schmerz, der wie eine Trennungslinie zwischen uns und anderen war. Bewusst abgegrenzt haben wir uns nie.

Was ich damit sagen möchte ist, dass ich den Wunsch einiger von euch nach Abgrenzung gegenüber einer Friede Freude Eierkuchen Gesellschaft verstehen kann, aber das Ziehen von Trennungslinien viele, die euch eigentlich sympathisch finden, ausschließen würde. Ich will gar nicht zur Szene gehören, denn das wäre für mich Eingrenzung. Aber wenn es um Gefühle und Atmosphäre geht, gibt es Schnittmengen, zumal diese Gefühle auch durch literarische Werke beflügelt werden, die lange vor der Entstehung der Szene geschrieben wurden.

Ich hoffe, ich bin niemandem von euch zu nahe getreten, aber ich musste einfach mal diese Gedanken von außen los werden, wobei ich auch einiges sehr persönliches Preis gegeben habe. Gute Nacht!

Meine Antwort? Das lest ihr im nächsten Artikel!

Ich möchte Euch meine Antwort nicht vorenthalten, denn die führt zu einem weiteren „Brief“ von Maren, den ich Euch die nächsten Tage zeigen möchte. In meiner Antwort spreche ich von „Schutzräumen“ und genau das wird Thema in ihrem nächsten Brief sein. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei Maren, die ich übrigens für gruftiger halte, als viele anderen Menschen, die sich in Leipzig zur Szene dazustellen.

Manchester: Übermaltes Wandgemälde von Ian Curtis wurde erneuert

9

Als das ikonische Wandgemälde von Ian Curtis, dem 1980 verstorbenen Sänger der Band „Joy Division“, im letzten Jahr durch eine Werbeaktion einfach übermalt wurde, löste das in Manchester und unter den Fans des Sängers einen Sturm der Entrüstung aus. Jetzt hat es der britische Künstler „Akse P19“ an anderer Stelle erneut gemalt.

Das sogenannte „Mural“ sollte nicht nur an den Sänger erinnern, sondern auch Aufmerksamkeit für psychische Krankheiten schaffen, unter denen auch Ian Curtis litt. Im Oktober 2020 malte der britische Künstler „Akse P19“ das eindrucksvolle Porträt an die Seite eines Hauses in Manchester. Vor etwa einem Jahr wurde es dann durch eine Amazon-Music-Werbung übermalt, die das Debütalbum des britischen Rappers „Aitch“ bewirbt.

Als er davon erfährt, was man da mit seiner Werbung übermalt hatte, versprach er, sich um eine Erneuerung zu kümmern.

Nachdem die Stadt Manchester eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung für ein neues Kunstwerk an der Seite eines Pubs erteilt hatte, machte sich der Künstler am 4. September an Werk, Ian Curtis erneut zu verewigen. Zusammen mit den Sponsoren des „Headstock Festivals“ und der Management-Firma des britischen Rappers wurde das „Mural“ am 10. September, am Welttag der Suizidprävention, fertiggestellt.

Screenshot der Instagram Seite von Akse P19Der Künstler schreibt dazu in seinem Instagram-Account: „Mein Porträt von Ian Curtis, das auf dem Originalfoto von @philippecarly basiert, ist endlich pünktlich zum Welttag der Suizidprävention 2023 (heute, 10. September) fertig geworden. Das Thema „Hoffnung schaffen durch Handeln“ soll daran erinnern, dass es eine Alternative zum Selbstmord gibt, indem es denjenigen Hoffnung gibt, die mit Selbstmordgedanken zu kämpfen haben. Das ursprüngliche Wandbild wurde zur Unterstützung von SHOUT, einem kostenlosen Textnachrichtendienst für psychische Gesundheit, gemalt. Deshalb sind wir froh, dass wir das Wandbild an einem perfekten Ort, dem @starandgarter, einem der beliebtesten Indie-Musiklokale in Manchester, wieder erneuern konnten.

Wer darüber nachdenkt, Manchester einmal zu besuchen, sollte möglicherweise dort einmal vorbeischauen und mir ein paar Bilder mitgbringen!

5 Songs, die Robert Smith für andere Bands geschrieben hat

4

Dieses Jahr soll es soweit sein. „Songs Of A Lost World“ lautet der Titel des kommenden Album von The Cure. Allerdings schmunzeln Cure-Fans gerne bei diesen Ankündigungen, denn diese Absicht verkündet Sänger Robert Smith schon seit einigen Jahren in regelmäßigen Abständen. Der Fürst der Dunkelheit legt sich eben nicht gerne fest und speist seine wartenden Jünger erst mal mit einer Neuauflage des 1992er Albums „The Wish“ ab. Die aktuelle Tour allerdings glänzt allerdings mit einigen Stücken aus dem neuen Album und haben Fans weltweit in düstere Ekstase versetzt. Songs wie der „Endsong“ sorgen auch in meinen Adern für erhöhten Blutdruck. Bis es so weit ist, vertreiben wir uns mit Robert-Smith-Trivia ein wenig die Zeit.

5 möglicherweise ungruftige Songs, die Robert Smith für andere geschrieben hat

Untätigkeit konnte man dem Prinz der Finsternis noch nie vorwerfen, denn neben seiner eigenen Musik hat er auch schon für viele andere Bands Songs geschrieben und in deren Songs mitgewirkt. Wohlmöglich liegt sein hoher Output an der Art, wie er Songs schreibt, denn Smith träumt seine Texte, wie er in einem Interview erklärt: „Es ist ein bisschen wie mit dem Trinken“, sagt Smith. „Es ist mythologisch geworden. Ich glaube nicht, dass ich mehr träume als jeder andere – ich kann es nicht, weil ich weniger schlafe als der Durchschnittsmensch. Es ist nur so, dass ich mit der Fähigkeit gesegnet oder verflucht bin, mich an meine Träume zu erinnern.“ 

„Torment“ – Marc and the Mambas (1983)

Das musikalische Nebenprojekt von Soft Cell Sänger Marc Almond war zwischen 1982 und 1983 aktiv und so brachte 2 Alben heraus. Auf dem zweiten Album „Torment and Toreros“ glänzt er mit einigen Covern und ungewöhnlichen Zusammenarbeiten,

In der Zusammenstellung war auch das düstere Stück „Torment“, das Almond zusammen mit Robert Smith mit seinem Bandkollegen Steven Severin von „Siouxsie & The Banshees“ und „The Glove“ geschrieben hat. Smith hat neben seiner Tätigkeit als Gott der Nacht bei „The Cure“ auch zwischen 1982 und 1984 bei Siouxsie & The Banshees die Gitarre gespielt.

„All of This“ – Blink 182 (2003)

Der Sänger der Punk-Pop-Rocker Mark Hoppus ist eingeschworener Cure-Fan und scheint besonders stolz darauf zu sein, dass Robert Smit 2003 einen Song zum fünften Album der Band beigesteuert hat. „All of This“ handelt von Jerry Finn, dem verstorbenen Produzenten der Band und erzählt davon, wie dieser einst von einem Mädchen gedemütigt wurde, als der ein kleiner Junge war. Toller Song.

„Da Hype“ – Junior Jack (2003)

Der italienische Produzent Vito Lucente (Junior Jack), der schon für Whitney Houston und Moby Song geremixt hat, hat zusammen mit Smith einen sehr ungewöhnlichen Song gemacht, der so gar nicht in das Portfolio des Königs der Dunkelheit passen will. Mein Goth, soll er doch.

„Spiders, Crocodiles & Kryptonite“ – Faithless (2006)

Die Band Faithless hat nicht nur „Lullaby“ für den Song gesampelt, sondern sich auch beim Schreiben des selbigen helfen lassen. Klingt für beide musikalischen Lager recht ungewöhnlich und will nicht so ganz in mein Geschmacksspektrum passen. Es erschien auf dem fünften Album „To All New Arrivals“ der britischen Band.

„How Not To Drown“ – Chvrches (2021)

Der Song vom CHVRCHES-Album Screen Violence wird von Lauren Mayberry und Robert Smith gesungen. In den sozialen Medien erklärte Martin Doherty, die Veröffentlichung des Songs sei der „stolzeste Moment seines musikalischen Lebens“, da er mit seinem musikalischen Idol Smith zusammengearbeitet habe.

„Ich weiß nicht mehr, wo ich war, aber ich weiß noch, wie ich mich fühlte. Deprimiert, ängstlich, isoliert und wie immer mit dem Einzigen beschäftigt, was mir genug Gleichgewicht verschaffte, um den Tag zu überstehen und die Show zu spielen. Das heißt, ich versteckte mich in der entlegensten Ecke eines Veranstaltungsortes und machte Musik auf meinem Laptop“, sagte er. „An diesem Tag habe ich ein Demo namens ‚Piano Drum Ting‘ gemacht. Jetzt heißt es ‚How Not To Drown‘ und es ist eine Zusammenarbeit zwischen meiner Band und meinem absoluten Musikhelden Robert Smith.

Gruft-Orakel September 2023: Der Sarg steht auf Bodymodification

0

Der Sarg ist ein Macher. Erst neulich hat in einem Anfall von „Bodymodification“ Licht in sich eingebaut, damit seine Gäste im Falle einer spontanen Wiederbelebung etwas sehen können und auch eine Brause samt Abfluss installiert, um mögliche Verwesungsprodukte schnell und effizient reinigen zu können. Allerdings sorgten Flüchtigkeitsfehler bei der Verrohrung für eine Überflutung und infolgedessen für einen satten Kurzschluss mit verheerenden Ausmaßen. Jetzt sitzt er mit angekokeltem Dach und feuchtem Unterteil frustriert vor dem Gruft-Orakel, das Alana Abendroth jüngst herausgegeben hat, und liest, dass er gleich Fachleute hätte beschäftigen sollen. Toll. Kommt vielleicht ein bisschen spät, dieser Hinweis.

Formel Goth: Die Verniedlichung des Satans ist überraschend nett

4

Heute ist mal Klartext angesagt. In der Vergangenheit habe ich immer wieder intensiv darüber nachgedacht, wie man Musik am spannendsten beschreibt. Da kommen einem hochtrabende Musik-Magazine in den Sinn, die möglichst mit vielen Worten, die ich sonst nie benutzen würde – beschreiben, wie der Song dann so klingt. Allerdings weicht meistens das, was die Beschreibung in meinem Kopf hinterlässt, stark von dem ab, was meine Ohren wahrnehmen. Deshalb gibt es jetzt hier „Musikwahrnehmungsworte“ im Klartext. So, wie mir der Schnabel eben gewachsen ist und so wie sie in meinem Kopf stattfinden. Die Leserchallenge: Welche Worte hinterlassen diese Songs in Eurem Kopf?

Aesthetic Perfection – Summer Goth

Obwohl der Sommer im Augenblick einem verfrühten Herbst Platz gemacht hat, will ich euch „Summer Goth“ von Aesthetic Perfection nicht vorenthalten. Eingefleischte Fans der Band lassen sich selbstverständlich nicht vom plätschernden Sound mit Jamaica-Feeling einlullen, sondern erwarten das unvermeidliche ab 1:15 eigentlich schon viel früher. Kommt überraschend gut, dieser „Summer Goth“ Sound. Gewürzt mit einem Video, das kein Klischee unversucht lässt und auch die eigene Subkultur auf die Schippe nimmt, schwanke ich zwischen bangen und wippen.

Sataninchen – Männerschnupfen

Wie das überraschend freundliche Sataninchen in einer Mail an mich äußerte, wünschte er sich eine „Verkündung“ seines neuesten Gesamtkunstwerkes mit dem Titel „Männerschnupfen“. Obwohl ich persönlich musikalisch inkompatibel bin – das antwortete ich ihm auch – darf ich meinen persönlichen Musikgeschmack nicht über das Kunstwerk stellen, das es tatsächlich geschafft hat, meinem Anspruch an Kunst gerecht zu werden – nicht so wie zum Beispiel diese bescheuerte Sandeimerinstallation. Sataninchen macht hier ganz großes Kino. Toll! Und mit kleinstem Geldbeutel. Er schreibt mir dazu: „Die selbstgewählte Challenge war, mit einem bescheidenen Budget große artifizielle Bildwelten – ohne KI – zu erzeugen. So wurden die Aufnahmen mit einem einfachen Handy gemacht und dann in einem aufwändigen Post-Produktionsprozess komplexe 3D-Welten inszeniert.“ Ganz nebenbei erfahrt ihr im Song die Wahrheit über die schlimmste aller Krankheiten, den Männerschnupfen.

OMD – Bauhaus Staircase

Nein, hat nichts mit der Band zu tun. Also mit Bauhaus. Sondern? „“The title is derived from an Oskar Schlemmer painting.” McCluskey explains,” He taught at Bauhaus, and created the amazing futuristic costumes for The Triadic Ballet (referenced in the song).”“ Spannend, wie OMD versuchen, auch 2023 ihre 80er-Jahre Relevanz wiederzubeleben. Und tatsächlich. Der Patient lebt! Aber Obacht, OMD sind und waren nie eine typische Goth-Band mit melancholisch düsterem Sound, sie verströmen hier vielmehr die Synthie-Pop  Schwaden, die – je nach Track – immer schon von der Szene assimiliert wurden. Ich finde es einfach audio-visuell gelungen und fühlte mich verpflichtet, nach der Telefon-Zellen-Story noch eine Referenz dazulassen. Der Song haut mich jetzt nicht um, ich renne allerdings auch nicht schreiend aus den Kopfhörern.

 

Gothic ist tot, lang lebe Gothic! Gruftlord über die Entwicklung der Szene

49

Ich stehe mitten in der Stadt, die wohl am stärksten mit der schwarzen Szene in Verbindung gebracht wird – Leipzig. Über einem schmalen Eingang prangt ein recht unscheinbares Schild in Weiß. Darkflower ist dort zu lesen. Durch die Glastür kann man ins Innere spähen, doch viel bekommt man nicht vor Augen. Schwarze Wände und eine Treppe, die sich in das Kellergewölbe hinabschlängelt. Die Musik spielt eine Etage tiefer. Naja, sie spielte eine Etage tiefer. Denn, was mich in diesem Moment als bittere Ahnung beschleicht, wird sich später als noch bitterere Wahrheit herausstellen. Das Darkflower hat seine Pforten geschlossen – für immer. So geht es auch vielen anderen Szenetreffs, die ihren Betrieb einstellen müssen. Aber nicht nur die Clubs schließen. Auch in den Zeitschriftenständern in den Kiosken verschwindet das schwarze Flair immer mehr. Selbst noch erscheinende Magazine wie Orkus und den Sonic Seducer findet man nur noch selten im Zeitschriftenhandel.

Dark Flower Vordereingang - 2023

Ist Gothic tot? – Gruftlord sinniert über den Fortbestand der Szene

Geht es mit der Schwarzen Szene zu Ende und das zu einer Zeit, wo Wednesday und andere düstere Serien wie Stranger Things auf dem Vormarsch sind?

Zeit für den Gruftlord ein wenig über den Fortbestand der Schwarzen Szene zu sinnieren.

Die Schwarze Szene hat sich seit ihrer Entstehung immer wieder verändert. Althergebrachtes ist verschwunden, neue Einflüsse sind hinzugekommen. Das geht jeder Szene so, die über mehrere Jahrzehnte Bestand hat. Punkmusik beispielsweise, ehemals entstanden in Amerika (Iggy Pop the Godfather of Punk) und in England von Malcolm McLaren (einem Modedesigner) mit seiner einst von ihm erschaffenen und auf Rotzigkeit gecoachten Band „Sexpistols“ weiterentwickelt, hat sich von der ersten chaotischen Rebellion über eine (besonders in England und Deutschland) politisch aufgeheizten Stimmung zu Mitgröhl-Stadionpunk bis hin zu einem poppigen Surfpunk entwickelt. In der Szene wird man vermutlich die meisten dieser Stadien noch vorfinden können. Der gemeine Grufti mag sich an der Entwicklung der eigenen Szene stören, wie sich Cypergoths mit samt ihren Plastikdreadlocks in die Szene eingeschlichen haben oder Steampunks heute auf kaum einer schwarzen Veranstaltung fehlen. Aber genau diese Einflüsse sind es (ob man das jetzt gut findet oder nicht), die die dunkelbunte Mischung unserer Szene lebendig halten.

Hedonismus als Symptom des Verfalls

Warum aber hat man derzeit das Gefühl, dass die Gruftszene zu bröckeln beginnt? Gerne möchte ich dazu eine Hypothese in den Raum werfen. Möge sie zum Nachdenken und zur Reflektion beitragen. In den letzten Jahren, und damit meine ich auch schon die Zeit vor Corona, hat sich ein dunkles Element in die Szene eingeschlichen, welches sie nicht bereichert, sondern gleich einem Vampir aussaugt und innerlich aushöhlt. Ich spreche vom puren Hedonismus. Ja, der Hedonismus war immer schon ein Bestandteil der Szene und wahrscheinlich aller Szenen. Sicherlich ist nichts dagegen einzuwenden, sich ein bisschen aufzurüschen und gerne auch ein bisschen provokativ in Erscheinung zu treten. Aber ich spreche hier von einem Hedonismus als Selbstzweck. Sich nur über Kleidung, Make-Up, Accessoires, also der bloßen äußeren Hülle zu definieren. Oder kurz gesagt, nur deshalb in der Szene aufzutauchen, weil es derzeit schick ist.

Ich selbst hatte ein Erlebnis, welches mittlerweile schon einige Jahre zurückliegt und mich doch sehr verwundert, wenn nicht bestürzt hatte. Es geschah auf dem Viktorianischen Picknick beim WGT, als ich eine junge Frau, die sehr interessant (wenn auch wenig) bekleidet war, fragte, ob ich sie fotografieren dürfte. Sie antwortete offen und freundlich mit den Worten: „Dafür bin ich ja hier.“ Die Dame fügte noch ein wenig beschämt hinzu: „… natürlich nicht nur dafür.“ Wir wussten in dem Moment beide, dass das nicht stimmte. Der Hauptzweck ihres halbnackten Auftritts diente sehr wohl des Gesehenwerdens und sicherlich wollte sie auch für das eine oder andere schwarze Magazin von professionellen Fotografen abgelichtet werden. Ist ja auch ihr gutes Recht und ihre Rechnung ging auf, denn sie wurde in dem einen oder anderen Magazin tatsächlich abgedruckt.

Gruftlord - Viktorianisches Picknick

Der ästhetische Mummenschanz – Viel Lärm um nichts!

Ich beobachte schon seit Längerem, wie sich der hedonistische Teil der Szene vergrößert und schleichend, aber unaufhaltsam die Überhand gewinnt und die Szene zu ersticken droht. So wird immer mehr nackte Haut gezeigt, wird Bekleidung als Kostüm benannt, drängen sich immer mehr Schaulustige und professionelle Fotografen, um die Freizeitmodels an den Hotspots abzuschießen. Mir drängt sich immer mehr das Bild eines schön anzuschauenden, aber inhaltsleeren Mummenschanzes auf. Schön aber belanglos.

Das alles macht viel Lärm – viel Lärm um nichts, um es mit Shakespeares Worten auszudrücken.

Um sich in der Welt spüren zu können, wollen wir wahrgenommen, gesehen werden. Wenn wir aber immer mehr Menschen haben, die gesehen werden wollen, haben wir immer weniger Menschen, die die anderen Menschen sehen. Das System von Sehen und Gesehen werden kippt. Es ist wohl die Tragik der heutigen Zeit. Einerseits sind die kurzen optischen Reizduschen sehr gefragt, geben sie uns doch das Dopamin, nach dem wir alle süchtig sind, andererseits lassen sie uns immer schneller gelangweilt zurück. Ein Teufelskreis.

Am Anfang der Schwarzen Szene (deren Zeitpunkt schwer zu bestimmen ist, denn der Reiz am Düsteren lässt sich mindestens bis Mary Shelly und Bram Stoker zurückdatieren, wenn nicht bis in die Antike oder noch weiter zurück) standen andere Aspekte als das Gesehen-werden im Vordergrund. Ich glaube, dass Melancholie, das Nachdenken über den Tod, das Überwinden von Einsamkeit, sich in der Musik verlieren, einen Sinn zwischen Buchseiten zu finden, Weltflucht, sich spüren wollen und Begegnungen mit Menschen, die ähnlich fühlen, in der Szene nicht unbekannt sind.

Begegnungen als Hoffnungsschimmer gegen die Reizüberflutung

Schauen wir uns beispielsweise den Namen des WGT genauer an, entdecken wir das Wort Treffen, welches sich hinter dem T verbirgt. Wave Gotik Treffen. Ja, alle Freunde der Schwarzen Szene sollten sich begegnen, austauschen, Musik zusammen genießen und eine ergreifende Zeit miteinander erleben. Und genau davon wünsche ich mir mehr und stelle hier die gewagte Behauptung auf, dass wir das nicht durch puren Hedonismus erreichen können. In kleinen, dunklen Clubs, wo die Gruftis ihre schwarzgewandeten Seelen über die Tanzfläche schreiten lassen wird man nicht gesehen, fällt man nicht auf. Höchstens, dass man mit riesigen Teufelshörnern auf dem Kopf dem Nachbarn in die Augen piekt. Ein Gespräch ohne eine gewisse Tiefe fällt recht kurz aus, wenn man nicht mehr zu sagen hat, als dass man ein halbes Vermögen für sein „Kostüm“ ausgegeben hat, es dafür aber das Musthave der Saison ist.

Gibt es denn noch Hoffnung in einer Welt der alltäglichen Reizüberflutung? Ich sehe da schwarz – also im positiven Sinne. Denn es gibt auch die Anderen, die Kreativen, die Rebellischen, die Leidenschaftlichen, die den Geist der guten alten Zeit hochhalten und sich trotz aller Widrigkeiten nicht unterkriegen lassen. Ein Beispiel findest du hier bei Spontis. Hier tummeln sich Menschen, die über die Welt reflektieren, die die Sinnsuche nicht aufgegeben haben und die sich mit anderen Menschen, mit Gleichgesinnten und Andersgesinnten austauschen wollen. Szene entsteht immer dort, wo es nicht (in erster Linie) um Geld geht, sondern darum eine Leidenschaft zu leben. Wir alle geben der Schwarzen Szene ein Gesicht. Je mehr wir uns einbringen, desto mehr werden wir alle davon profitieren. Teilt mir gerne eure Gedanken dazu mit. Für eine dunkelbunte Szene.

Euer Gruftlord

Friedhof Holthausen in Mülheim – Das Grab vom kleinen Prinzen Equalla Deido

9

Was hat der Mülheimer Stadtteil Holthausen und ein Prinz namens Equalla Deido gemeinsam? Wer nicht genau hinsieht und sich auch nicht besonders für die Stadtgeschichte Mülheims interessiert, benutzt die kleine Parkanlage einfach nur als Abkürzung zwischen zwei Querstraßen. Und manchmal schauen dann schnell vorbei huschende Leute verdutzt, wenn interessierte Menschen in den Hecken und Büschen fotografieren oder sogar Blumen niederlegen. Es gibt auf diesem Friedhof nämlich Interessantes zu entdecken. Unter den wenigen noch existierenden Grabstellen ist auch das Grab eines echten afrikanischen Prinzen.

Ein Friedhof für Holthausen und Menden

Der Friedhof des Dorfes Holthausen, das damals noch nicht zu Mülheim a.d.Ruhr gehörte, wurde am 25. Oktober 1878 eingeweiht. Aus Platzmangel wurde der Friedhof für Beisetzungen in Reihengräber schon am 6. August 1917 wieder geschlossen. 1965 fanden die letzten Beisetzungen in Erbgräbern statt.

Equalla Deido – Der Prinz aus Kamerun

Neben Ruhestätten bekannten Mülheimer Familien gibt es auch das Grab des Kameruner Prinzen Equalla Deido, der zur Kolonialzeit nach Mülheim kam.

Equalla Deido aus Kamerun war der erstgeborene Sohn des berühmten König Deido Duala Epee Ekwalla und wurde wie viele andere männliche Jugendliche aus kamerunischen und togoischen Elitefamilien vor 1914 in Deutschland zur Schule geschickt.  Wieso der Prinz unbedingt in dem Dorf Holthausen bei dem Lehrer Heinrich de Jong und seiner Frau Anna wohnte und ausgebildet wurde, ist nicht eindeutig zu klären. Genau wie seine Todesart. Equalla Deido starb wenige Monate nach seiner Ankunft in Mülheim an der Ruhr im Mai 1891.

Bei einem Sturz beim Spielen an einer Lehmgrube verkühlte er sich so stark, dass er wohl kurz darauf an einer Lungenentzündung verstarb.

Allerdings gibt es auch immer noch eine andere Version, die besagt, dass Prinz Deido bei einem Duell starb. Er soll diskriminierend beleidigt worden sein, worauf es zu einem Duell kam und ihn ein Säbel tödlich durchbohrte. Diese Version wurde von seinem Vater verbreitet, der die Grabstätte während seines Aufenthaltes in Deutschland als Teil der Duala-Delegation 1902 besuchte.

Der restaurierte Grabstein des Prinzen Equalla Deido. Noch heute wird die Ruhestätte von Unbekannten regelmäßig gepflegt.

Der Friedhof soll weichen

Die Stadt Mülheim an der Ruhr sah sich 2019 gezwungen, die Grünanlage aus Kostengründen zu veräußern und bebauen zu lassen. Die 10.000 Euro, die für den Unterhalt der Grünfläche jährlich benötigt werden, erschien der Stadtspitze zu viel. Die Bürger von Mülheim-Holthausen waren sehr aufgebracht und gründeten eine Bürgerinitiative. Man konnte sich zum Glück einigen. Wenn jedes Jahr 10.000 Euro auf ein Spendenkonto zur Pflege der Anlage zusammenkommen, kann der Friedhof weiterbestehen. Falls nicht, wird es zu neuen Streitigkeiten um den Erhalt des Friedhofes kommen.

Ein paar Quadratmeter, die nachdenklich machen

Warum ein kulturelles Kleinod und eine grüne Lunge in der Großstadt für die läppische Summe von 10.000 Euro weichen soll, erschließt sich mir als Normalbürger nun wirklich nicht mehr. Besonders wenn man überlegt, wie viel Geld für andere Sachen zum Fenster rausgeschmissen werden. Die Gegend ist schön und Bauland kann man vermutlich teuer veräußern. Aber sollte man wirklich alles platt machen, nur weil es auf den ersten Blick keinen Nutzen für die Wirtschaft hat? Der Mensch, die Erinnerung und der Tod, die Beerdigungskultur, die Geschichte der Menschen, die hier ihre letzte Heimat fanden, was ist sie uns (noch) wert?

Hier gibt es alle Bilder des Friedhofs:

Die rote Telefonzelle, die OMD vermutlich zum Durchbruch verhalf

12

Im britischen Örtchen Meols an der beschaulichen Westküste der Insel befindet sich eine rote Telefonzelle, ohne die es die Band OMD (Orchestral Manoeuvres in the Dark) möglicherweise nie in die Charts geschafft hätten. Diese typisch rote britische „Phone Box“ war den Musikern offenbar so wichtig, dass sie ihr sogar den Song „Red Frame White Light“ gewidmet haben.

632 3003 – Ich würde gerne OMD sprechen

Die unscheinbare Telefonzelle an der Kreuzung Birkenhead Road und Greenwood Road unweit des Pubs „The Railway Inn“ diente der Band in den späten 70er Jahren als provisorisches Büro. Die Bandmitglieder trafen sich hier regelmäßig, um mit ihrem Manager zu telefonieren und warteten dann stundenlang darauf, dass dieser sie mit Neuigkeiten über Auftritte und Plattenfirmen zurückrief.

Die Band verewigte das Telefon später in ihrer zweiten Single „Red Frame/White Light“, in der die Telefonnummer der Zelle, 632 3003, ein wichtiger Teil des Textes ist. Bis heute ist dies wahrscheinlich der Song mit den höchsten Charts, der sich ausschließlich um eine öffentliche Telefonzelle dreht. Der Song hielt sich 1980 für 2 Wochen in den britischen Charts und könnte den Weg für „Enola Gay“ geebnet haben, der sich ein paar Monate später ganze 15 Wochen in den Charts hielt.

Klar, dass das Telefon im Laufe der Jahr immer wieder klingelte, weil Fans hofften, ein Bandmitglied an die Strippe zu bekommen. Das klappte natürlich nicht, gelegentlich nahm zwar ein verwirrter Dorfbewohner vermutlich den Hörer ab, konnte aber sicherlich den Anrufenden nicht zufriedenstellen. Trotzdem ist die Telefonzelle zu einer Art Pilgerstätte für OMD-Fans geworden. 2005 wurde die Zelle, die durch die Jahre ziemlich heruntergekommen war, durch eine Kampagne von Fans neu angestrichen und gestaltet.

Das Entsetzen unter Fans und Ortsansässigen war groß, als die „BT Group“, die britische Telefongesellschaft, die Zelle am 18. August 2017 plötzlich entfernen ließ. Die daraufhin gegründeten „Friends of 632 3033“ schafften es tatsächlich, dass die Telefonzelle im Oktober 2017 wieder aufgestellt wurde, auch die Bandmitglieder von OMD setzten sich für den Erhalt der roten „Phone Box“ ein. Der Film einer Bürgerinitiative erzählt die spannende Geschichte von der Rettung der Telefonzelle.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner