Allein unter Männern: Sally Shadowplay über Frauen hinterm DJ-Pult

Auf den Dancefloors der Republik mag Geschlechterparität herrschen. Doch oben hinterm DJ-Pult stehen immer noch deutlich mehr Männer als Frauen. Da bildet die Gothic-Szene keine Ausnahme. In Ostwestfalen ist Sally Shadowplay eine der wenigen Frauen, die auf schwarzen Veranstaltungen auflegt. Franky Future sprach mit der Paderbornerin über Macho-Gehabe, Gothic-Queens und die Szene in Portugal. Denn dort ist sie aufgewachsen.

Sally, Du bist eine der ganz wenigen Frauen hier in der Region, die auf schwarzen
Veranstaltungen auflegt. Was ist Deine Erklärung dafür, dass es so wenig weibliche DJs gibt?

Sally Shadowplay: Ehrlich gesagt, weiß ich selbst nicht so genau, woran das liegt. Ich habe da nur Vermutungen. Vielleicht liegt es daran, dass viele Frauen die Technik scheuen. Möglicherweise fehlt es aber auch an der Leidenschaft für Musik.

Du scheinst beides zu haben. Technisches Know-how und genügend Leidenschaft. Wie hat bei dir alles angefangen?

Bei mir hat alles bereits mit zwölf Jahren angefangen. Da war ich großer The-Cure-Fan. Das Auflegen habe ich mir später selbst beigebracht. Ich habe mir die nötigen Geräte angeschafft und ganz viel geübt, bis ich das hinbekommen habe. Erst habe ich analog aufgelegt mit Vinyl und CDs. Später digital. Das ist für mich natürlich viel praktischer, weil ich jetzt nicht mehr so viele Koffer mit mir rumschleppen muss. Für mich ist das DJ-Dasein wirklich eine Leidenschaft. Wenn ich auflege, bin ich in meiner ganz eigenen Welt. Ich hab übrigens vor einer Partynacht keine Playlist. Ich schaue mir das Publikum an und entscheide dann spontan, in welche musikalische Richtung es geht. Von Track zu Track. Dann gibt es mal mehr Electro oder mehr Dark Wave.

Sally Shadowplay
Das Auflegen hat sich Sally Shadowplay selbst beigebracht. In die Szene kam sie durch The Cure.

Was rätst Du anderen Frauen, die gerne mal hinter den Turntables stehen möchten?

Ich glaube, Frauen müssen wirklich einfach nur diese Hemmung vor der Technik überwinden. Sie sollten sich einfach trauen. Und wenn sie sich das Auflegen nicht selbst beibringen können oder möchten, könnten sie vielleicht andere DJs fragen. Wenn eine Frau wirklich die Leidenschaft für Musik und die Clubnächte mitbringt, dann klappt das auch.

Erlebst Du auch mal Sexismus oder Mansplaining als weiblicher DJ?

Ja, immer wieder. Du kannst Dir nicht vorstellen, was ich mir als Frau schon alles anhören musste. Da kommen Männer auf mich zu, die ganz selbstverständlich anfangen, meine Geräte anzuschließen, weil sie davon ausgehen, dass ich das nicht kann. Es gibt auch Männer, die denken, dass ich an dem Abend nur auf Play drücke und dann eine fertige Playlist abgespielt wird. Solche Kommentare höre ich regelmäßig.

Wie kamst Du auf Deinen Künstlernamen Sally Shadowplay?

Ich habe früher viel Indie und Britpop gehört. Und da gab es dieses Lied „Sally Cinnabon“ von den Stone Roses. Ein Typ meinte zu mir, dieser Song sei doch für mich gemacht worden und er nannte mich von da an immer Sally. Ich denke, er war in mich verliebt. Irgendwann haben andere den Namen übernommen. Eigentlich heiße ich Teresa. Aber kein Mensch nennt mich mehr so. Shadowplay? Na hey, das kommt natürlich von Joy Division.

Dein musikalischer Schwerpunkt liegt auf Post Punk, Gothic, Synth-Wave, Dark Electro. Was begeistert Dich an diesen Genres?

Diese Art von Musik entspricht meiner Seele und meinem Way of Living. Es ist nicht nur die Musik. Es ist alles was dazugehört. Ich fühle mich wohl in dieser schwarzen Szene seitdem ich mit zwölf Jahren The Cure für mich entdeckt habe. Ich mag aber auch andere Subkulturen. Psychobilly zum Beispiel, die Mods, die Skinheads, also „the good ones“. Aber unsere Subkultur, die Gothic-Szene, ist natürlich die Schönste. Da kann ich ich selbst sein.

Legst Du anders auf als Männer? Achtest du zum Beispiel darauf, weiblichen Musikern eine Plattform zu geben, indem Du sie spielst?

Nein, da mache ich keinen Unterschied. Mir geht es um die Musik. Die Melodie und die Lyrics müssen stimmen. Ob das von einem männlichen oder von einem weiblichen Interpreten stammt, spielt für mich beim Auflegen keine Rolle.

Der Song „Girls Gang“ von Dina Summer mausert sich gerade zum Szene-Hit. Darin geht es um weibliche Vorbilder in der Gothic-Szene. Welche Gothic-Queen imponiert Dir oder hat Dich geprägt?

Das Lied finde ich gar nicht so gut, wenn ich ehrlich bin. Aber die Leute können es sich trotzdem gerne bei mir wünschen. Auf die Frage nach einer Gothic-Queen fällt mir natürlich sofort Siouxsie Sioux als erstes ein. Die finde ich als Frau und als Künstlerin mega.

Du bist unter anderem in Portugal aufgewachsen. Wie sieht die schwarze Szene dort aus?

Tja, Grufties in Portugal – die Szene in Portugal ist sehr klein. Aber es gibt in Lissabon und Porto immer noch ein paar wenige Clubs, in denen düstere Musik gespielt wird. Hier in Deutschland ist dagegen Gothic-Paradise. Hier kann man an jedem Wochenende irgendwo tanzen gehen. Das geht in Portugal nicht. Aber ich habe eine Empfehlung. Jedes Jahr im August findet in Leiria das Extramuralhas-Gothic-Festival statt. Da spielen richtig coole Bands. In diesem Jahr sind unter anderem And Also The Trees, Suicide Commando, Then Comes Silence und Darkways dabei. Die kleine Stadt Leiria liegt zwischen Lissabon und Porto und ist wirklich sehenswert. Wer Urlaub in Porto macht, sollte Barrakuda Clube de Roque abchecken und den Hardrock-Club. Dort finden alternative Konzerte und Partys statt.

Wo kann man Dich demnächst als DJane erleben?

Aus gesundheitlichen Gründen lege ich nicht mehr so oft auf. Ich bin chronisch krank und kann nicht mehr sechs Stunden am Stück hinter dem DJ-Pult stehen. Aber in der Akka in Paderborn sorge ich hin und wieder für die Musik.

Sally Shadowplay
Sally Shadowplay ist eine der wenigen Goth-DJs in Ostwestfalen-Lippe. Andere Frauen ermutigt sie dazu, auf Partys aufzulegen.

Gruft-Orakel Juli 2025: Ist der Pflock auf dem Holzweg?

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Der Pflock genießt sein hölzernes Dasein. Temperaturen jenseits der 30 Grad steckt er spielend weg, schwitzen kann er sowieso nicht, auch Klimaanlagen auf Hochtouren ignoriert er völlig, denn frieren kann er auch nicht. Okay, die erhöhte Waldbrandgefahr bremst ihn im Augenblick in seinem Bestreben, ausgedehnte Spaziergänge zu machen. Aber wie schreibt es Alana Abendroth in ihrem neuesten Gruft-Orakel? Die Glückstage werden kommen. Bis dahin macht der Pflock Wellness. Ein Peeling mit 240er-Körnung, um die Poren zu öffnen, anschließend eine Massage mit Öl für massive Eiche und dann ein sanftes Scrubbing mit 400er-Körnung für ein makelloses Finish. Ätherische Öle für die anschließende Politur sind obligatorisch, diesmal hat es sich ganz keck für „Fichtnadelduft“ entschieden, um seine Bewunderer zu verwirren. Sein Glück wird kommen. Da ist sich der Pflock ganz sicher. Wenn er da mal nicht auf dem Holzweg ist.

Konzertrückblick: Glücksgefühle dank Left For Pleasure + Delta Komplex

Es ist naheliegend zu denken, dass der im Februar erschienene Artikel zu Delta Komplex , der Anstoß gewesen sei, die bisher beste Konzertveranstaltung des Jahres zu besuchen. Tatsächlich war es aber eher der Zufall, der mich dahin brachte.

Beim stöbern möglicher Konzerte stieß ich darauf, dass Left For Pleasure am 23. Mai 2025 in Dresden einen Auftritt haben. Schon seit über einem Jahr schaute ich immer wieder, ob die beiden vielleicht gerade irgendwo in Leipzig spielen. Der Gig im Januar, mit Lebanon Hanover, war leider ausverkauft gewesen. Umso größer war die Freude, als ich dann auf das Konzert im Ostpol stieß. Dort waren sie als Vorband für Delta Komplex angekündigt.

Raus aus der Komfortzone

Nachdem ich mich näher mit der Musik des Hauptacts befasst hatte, war klar: „Da will und muss ich hin!“ Allerdings hatte die Sache einen Haken. Es war nicht Leipzig, sondern Dresden. Obwohl die Sächsische Hauptstadt für mich wesentlich näher gelegen ist, hat sie mich bisher nie gereizt. Da mir aber bewusst war, dass ich mich sehr ärgern würde, wenn ich diese Chance nicht nutze, hieß es: „Raus aus der Komfortzone!“

Als erstes checkte ich die Lage der Location und wo eventuell bezahlbare Unterkünfte in der Nähe wären. Danach wurde das Konto unter die Lupe genommen. Nachdem beides erfolgreich abgeschlossen war, musste nur noch die Karte gesichert werden.

Bitte eine große Portion positive Energie!

Der Tag X war erreicht und da dieser auch noch mein letzter Arbeitstag, in der alten Firma war, hatte ich etwas Aufheiterung nötig.

Nach Arbeit machte ich mich also nach Dresden auf. Als ich ankam suchte ich meine Unterkunft und checkte dort ein. Anders als gewohnt, ging das Konzert erst 21 Uhr los und war nur einen Katzensprung von meiner Herberge entfernt. Irgendwie habe ich es aber dann doch geschafft, die Zei tot zu schlagen.

Neue Eindrücke sammeln

Da ich die Location bisher nicht kannte, war ich natürlich gespannt was mich erwartet. Draußen standen einige Konzertgäste, so dass ich wusste: „Hier bin ich richtig!“ Brav die Karte vorgezeigt und ab rein mit mir.

Drinnen ließ ich den Blick durch einen kleinen Raum schweifen. Rechts von mir waren Sitzgelegenheiten, wo einige Leute Platz genommen hatten. Gerade aus ging es in einen Flur hinein. Daneben stand die Bar, wo ich nebenbei die Getränketafel durchging. Und links von mir ging es zu einer Sitzecke mit Tür. An dieser Tür stand „Privat!“. In meinem Kopf machte sich die Frage breit „Und wo finden jetzt die Konzerte statt?!?“

Erstmal einen kühlen Kopf bewahren!

Ich beschloss, mich erstmal an die Bar zu setzen und mir ein Getränk zu bestellen. Immerhin war es noch eine halbe Stunde bis Konzertbeginn. Nebenbei erkundigte ich mich, wo ich denn zu den Konzerten hin muss und bekam eine kurze Einweisung.

Mit dieser wichtigen Information und meinem Glas begab ich mich auf den Weg. Ich musste in den schmalen Flur hinein und dann die erste Tür Rechts.

Minimalistisch und Clubatmosphäre pur

Ich betrat ein winziges Zimmer, welches abgedunkelt war und ließ wieder meinen Blick schweifen. Rechts an der Wand standen einige Stühle. Gerade aus war das Technikpult aufgebaut. Linker Hand vernahm ich einen Ofen und die Bühne.
Nachdem ich mich orientiert hatte, suchte ich mir mein Plätzchen vor selbiger. Und wieder hieß es „Zeit tot schlagen“

Bisher war der Raum kaum gefüllt und auch Left For Pleasure ließen auf sich warten. Gegen Viertel 10 setzte auf der Bühne Nebel ein und kurz darauf betraten die zwei Hallenser die kleine Holzbühne. Inzwischen war das Zimmer auch gut gefüllt. Nachdem die beiden sich in Position gebracht hatten und im Hintergrund die Videosequenz startete, ertönte auch schon das erste Lied.

Seit langem wieder Glücksgefühle

Vortex machte den Anfang und unter meinen Füßen spürte ich den Beat wummern. Ich nahm die Akustik wahr. Sie war so ganz anders, als ich es von Konzerten kannte. Ich fühlte mich in der Musik drin. Von ihr komplett umhüllt. Und anders als gewohnt, standen die Leute nicht mit Handy in der Hand da, sondern begannen zu tanzen. Mir fielen die kargen Lichtverhältnisse auf. Auch wenn dies bedeutete, kein Bildmaterial sammeln zu können, so war ich dankbar dafür. Dankbar, dass ich mich ganz dem Auftritt hingeben konnte. Das erste Mal bekam ich einen Eindruck, was es heißt, bei einem kleinen Clubkonzert zu sein.

Und als das dritte Lied Vase gespielt wurde, spürte ich in mir meine Emotionen. Ich war innerlich berührt. Den Tränen fast nah. Aber diesmal nicht aus Erschöpfung, Trauer oder Herzschmerz, wie in dem letzten halben Jahr. Nein, es war weil ich glücklich war. Seit langem fühlte ich wieder etwas warmes und positives in mir.

Ein Club in Feierlaune

Die Stimmung auf und vor der Bühne war ausgelassen. Überall wurde getanzt und sich bewegt. Nach jedem Lied wurde laut applaudiert und gejubelt, was die Künstler auf der Bühne sichtlich freute. Und mir fiel auf, wie selbstsicher die Zwei auf der Bühne standen. Als ich „Left For Pleasure“ das erste und letzte Mal gesehen hatte, war das auf dem WGT 2023. Die beiden spielten damals im Felsenkeller und wirkten noch recht unsicher und verschüchtert. Es war schön zu sehen, wie sie in der Zwischenzeit gereift sind.

Neben Liedern wie Banish Sorrows und Blue Eyes, welche auf ihrem Erstlingswerk „Human Contract“ zu finden sind, gab es auch neuere Stück zu hören. Mal war es kraftvoll und energiegeladen. Dann wieder schwermütiger.
Und nach etwa einer Stunde abwechslungsreichem Programm, hieß es „Bühne frei für Delta Komplex!“.

Die Party geht ausgelassen weiter

Der Bühnenumbau ging schnell von statten und so stand Sängerin Minu mit Kollege Ollie zeitnah auf der Bühne. Die ersten Takte setzten ein und wieder spürte ich den Boden unter mir. Und wieder begann das Publikum zu tanzen. Wer dachte, dass schon bei Left For Pleasure die Hütte brannte, irrt. Jetzt ging es erst richtig los. Wild bewegten sich die Körper zu Stücken wie MetronomeBitter Dripping oder meinem Favoriten Empty Souls. Aber an diesem Abend fühlte sich meine Seele alles andere als leer an. Ich war angekommen. Ganz bei mir und mit der Menge feiernd. Dazu ein zufriedenes Lächeln im Gesicht, was sich bis zum Ende des Konzertabends hielt. Aber auch den beiden Musikern sah man die Freude an. Minu tanzte ebenfalls immer wieder über die Bühne. Je nach Stück griff sie dann nach ihren farbig leuchtenden Drumsticks, um Ollie musikalisch zu unterstützen.

Ein erfolgreicher Abend für alle

Der kleine Raum glich inzwischen einem Hexenkessel, so warm war es drinnen geworden. Und an ein Ende war noch nicht zu denken. Nach den altbekannten Stücken ging man zu neueren über. Im Zusammenhang dessen erfuhr man, dass zum Beispiel die Verhältnisse im Iran als Quelle dienten. Denn dort würde seit Jahren für die Menschrechte gekämpft werden. Zum Beispiel die von Frauen. Und das man in dem Land inzwischen die Zweithöchste Hinrichtungsrate hätte. Bei einem anderen Lied war Minu nach der Darbietung sichtlich erleichtert und von den Konzertgästen umjubelt. Wie sie vorher verriet, wurde des entsprechende Stück erst ein Mal geprobt.

An diesem Abend zeigte sich auch die sprachliche Vielfältigkeit der Gruppe. Es wechselten sich Englische Texte mit Deutschen, aber auch Französischen ab. Nach einigen weiteren Liedern fand der Abend dann doch irgendwann sein Ende. Und vor dem begeisterten Publikum standen zwei geschaffte, aber auch glückliche Musiker. 

„Die in der Hecke sitzt“: Saskia Stöhr über neue Wege der Spiritualität

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Eigentlich hatte ich damals vor, Saskia Stöhrs Crowdfunding-Kampagne für ihr geplantes Fotobuch „Die in der Hecke sitzt“, das von neuzeitliche Hexen handelt, vorzustellen. Doch wie das manchmal so ist, kam etwas dazwischen – und ich habe den richtigen Moment verpasst und die Kampagne war (erfolgreich) beendet. Umso mehr hat es mich gefreut, dass ich stattdessen die Gelegenheit hatte, mit Saskia selbst über ihr Projekt zu sprechen, um vielleicht so einen Fokus auf dieses spannende Thema zu lenken.

Das Thema „Hexen“ fasziniert mich schon lange. In der Vergangenheit habe ich mich immer wieder mit den historischen Hexenverfolgungen beschäftigt, doch das, was heute unter dem Begriff „Hexe“ verstanden wird, ist etwas völlig anderes. Saskias fotografische Annäherung an Frauen, die sich bewusst als Hexen bezeichnen, war für mich Anlass, meine eigene Skepsis gegenüber diesen modernen Beweggründen zu hinterfragen.

Im Interview erzählt Saskia, wie es zu ihrem Projekt kam, wie sie die porträtierten Frauen gefunden hat – und was sie selbst an der heutigen Hexenspiritualität so sehr fasziniert. Ein Einblick in eine Welt zwischen Naturverbundenheit, Selbstbestimmung und spiritueller Praxis, der neugierig macht – und überrascht.

Die in der Hecke sitzt - Cover

Spontis: Wie kommt man eigentlich darauf, ein Fotobuch über neuzeitliche Hexen zu machen?

Saskia: Im privaten Umfeld kam ich vor einigen Jahren das erste mal mit alternativen spirituellen Strömungen in Berührung. Mich hat direkt interessiert, wie Spiritualität abseits der monotheistischen Weltreligionen aussehen kann – woran die Menschen glauben und wie sie dies konkret praktizieren. Also begann ich Literatur über Naturreligionen, Heidentum,
Nordische Mythologie und auch Hexentum zu lesen, Veranstaltungen zu besuchen und
mich weiterzubilden. Die Idee, konkrete Lebensrealitäten und Glaubenswelten von Hexen
zu dokumentieren und fotografisch zu erarbeiten, reifte immer weiter. Ich entschied mich
dafür, das Projekt als Bachelor-Abschlussarbeit anzugehen.

Spontis: Wie hast du die Hexen, die du in deinem Buch vorstellst, eigentlich kennengelernt?

Saskia: Ich habe aktiv durch verschiedene Zugänge nach Protagonistinnen gesucht, die sich als Hexen identifizieren. Über Instagram und die Suche mittels Hashtags habe ich nach
Accounts gesucht, die sich dem Thema widmen und dort Kontakt aufgebaut. Auf der anderen Seite habe ich direkt Autorinnen gesucht, die zum Hexentum publizieren. Eine der Protagonistinnen ist Gründerin eines Hexenzirkels in Berlin, wo ich ebenfalls weitere Frauen kennenlernen und Kontakte knüpfen durfte. Am Ende habe ich mit fünf Frauen zusammen gearbeitet, die möglichst verschiedenen Aspekte des Hexentums in ihrem Alltag ausleben und so einen Einblick in die Vielfalt der spirituellen Vorstellungen und Praxis geben konnten.

Neuzeitliche Hexen

Wie unterscheiden sich nach deinen gemachten Erfahrungen neuzeitliche Hexen vom historisch geprägten Bild?

Saskia: Das historisch geprägte Bild der Hexe ist tief in dem kollektiven Gedächtnis der Menschen Europas verankert. Durch die historischen Hexenverfolgungen, und später auch durch Märchen und Mythen, prägte sich das Bild der bösen, alten Hexen. Sie wandelten als Giftmischerinnen, Seuchen- und Krankheiten bringende Frauen durch die Dörfer und trieben ihr Unheil. Dieses Bild wurde durch verschiedene Aspekte stark geprägt: mit dem Aufstieg des Christentums wurden heidnische Bräuche, Naturglauben und weibliche Magie verteufelt und abgelehnt, während durch das Patriarchat eine Frauenfeindlichkeit reifte, die selbstbestimmte, unabhängige Frauen als Bedrohung wahrnahmen, die es systematisch zu kontrollieren und unterdrücken galt.

Erst die Aufklärung brachte eine allmähliche Abkehr von diesen Vorstellungen. Heutzutage haben Frauen immer noch nicht die gleichen Rechte wie Männer, dennoch hat sich das Gesellschaftsbild doch stark gewandelt. Aspekte, die damals verpönt waren, sind heute akzeptierter. Zum Beispiel Kinderlosigkeit, sexuelle Selbstbestimmtheit, Religionslosigkeit bzw. die christliche Religion abzulehnen, Heilwissen oder auch einfach laut und präsent zu sein. Literatur und Filme haben ebenfalls dazu beigetragen, das Bild der Hexe zu wandeln.

Durch Bücher wie Harry Potter zum Beispiel wird gezeigt, dass Hexen mit ihrer Magie auch Gutes bewirken können. Die Hexen damals wurden von Außenstehenden als solche beschimpft, verurteilt und getötet. Heute eigenen sich Frauen diesen Begriff bewusst wieder an, um für ihre Selbstbestimmung und Rechte einzustehen, sich zu den Werten und Vorstellungen des Hexentums zu bekennen und das Schicksal der Hexen von damals nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Denn auch heute noch sind Frauen in unserer patriarchal geprägten Gesellschaft nicht überall sicher oder gleichberechtigt.

Spontis: Wie würdest du die Beweggründe beschreiben, die die Frauen veranlasst haben, Hexen zu werden?

Saskia: Das sind tatsächlich recht unterschiedliche Beweggründe, zumindest bei den Frauen, die ich kennenlernen durfte. Viele verspürten schon immer eine starke Verbindung zur Natur, welches im Hexentum – und auch anderen Naturreligionen – eine große Rolle spielt. Ihnen liegt oft der Animismus zugrunde, also die Welt und alle Lebewesen als beseelt wahrzunehmen. Andere wiederum haben durch einschneidende Lebensereignisse zum Hexentum gefunden, um sich wieder mit sich selbst zu verbinden oder in der Natur einen Raum der Heilung zu finden. Wieder andere hatten in der Jugend ein großes Interesse an Fantasy, Science-Fiction, Harry Potter usw. und kamen dadurch zur magischen Spiritualität. Eine der Protagonistinnen aus meinem Buch beschrieb es so, dass sie die Welt und ihr Umfeld so empfindet, als würde ein Grauschleier über allem liegen und das Hexentum, das sie praktiziert, sei wie ein Lappen, der den Grauschleier fort wischt und sie
wieder die Magie in allen Dingen erkennen lässt.

Spontis: Warum sind es deine Meinung nach hauptsächlich Frauen, die sich für dieses Thema interessieren?

Ich denke, dass es mit den historischen Ereignissen der Hexenverfolgungen zusammenhängt. Bedauerlicherweise war es damals wie auch heutzutage nicht der Fall, dass Frauen die gleichen Rechte und Privilegien wie Männer besitzen und sie dafür kämpfen müssen. Damals wurden die Frauen, die nicht in das von der Gesellschaft geforderten Norm passten, die zu laut waren, sexuell selbstbestimmt waren oder Macht durch Wissen besaßen, verfolgt, bestraft und auch hingerichtet.

Heute haben wir mehr Möglichkeiten unsere Rechte laut und offen zu fordern, doch dies ist nicht in allen Regionen der Welt der Fall und auch hier müssen wir Frauen uns immer noch vor Gewalt und Übergriffen fürchten. Ich denke, dass hauptsächlich Frauen den Weg der Hexe gehen, um ein selbstbestimmtes Leben im Einklang mit sich selbst zu führen und sich die Macht des Begriffes der Hexe zurückzuholen. Das Hexentum hat etwas Feministisches, etwas Wildes und Befreiendes, das sich sittlichen Vorstellungen, wie eine Frau zu sein hat, entzieht.

Neuzeitliche Hexen

Spontis: Was hat dich Rückblickend an der modernen Hexerei besonders fasziniert?

Saskia: Am meisten hat mich an der modernen Hexerei beeindruckt, dass sie so frei,
undogmatisch und selbstbestimmt ist. Es gibt keine Regeln, es gibt kein Richtig oder
Falsch – Hauptsache es tut dir gut und schadet niemandem. Die Praxis, sowie Rituale oder
das Feiern der Jahreskreisfeste werden bedürfnisorientiert ausgeübt und individuell
gestaltet, je nachdem was die Person oder die Gruppe eben grade wünschen oder
benötigen.

Spontis: Welche Pläne hast du für die Zukunft, welchen spannendem Thema oder welche dokumentierwürdige Motive würdest du gerne kennenlernen oder einfangen?

Saskia: Ich hoffe mit meiner Fotografie weiterhin in Hannover Fuß fassen zu können und nebenbei weitere, freie Projekte verwirklichen zu können. Spiritualität und Mystik sind Themenbereiche, die unfassbar viel umfassen und mich immerzu fasziniert haben. Gerne  würde ich weitere Bereiche dieser Themenfelder beleuchten und kennenlernen – wie zum Beispiel die magisch-düsteren Perchtenläufe in Österreich, aber auch lokale Folklore. Auf der anderen Seite beschäftige ich mich auch viel mit meiner Heimat Ostfriesland und plane die Traditionen und Bräuche zu dokumentieren oder auch die überaus unterschätze Tee-Kultur, die die Engländer locker in den Schatten stellt, zu thematisieren und erforschen.

Des Weiteren plane ich eine Kollaboration mit einem weiteren Fotografen zur visuellen Aufarbeitung prähistorischer Glaubensvorstellungen im Harz, die sich in der Landschaft in Form von Megalithgräbern oder Kultstätten verewigt haben.

Wer ist Saskia Stöhr und wo bekomme ich das Buch?

Saskia Stöhr ist Fotografin aus Leidenschaft – und das schon seit ihrer Jugend. Aufgewachsen in Ostfriesland, hielt sie mit zwölf Jahren zum ersten Mal eine Kamera in der Hand – und ließ sie seitdem nicht mehr los. Nach ihrer Ausbildung zur Portraitfotografin zog es sie nach Hannover, wo sie „Fotojournalismus & Dokumentarfotografie“ studierte.

Heute arbeitet sie freiberuflich in der Region und verbindet in ihren Projekten dokumentarisches Erzählen mit einem feinen Gespür für persönliche Geschichten. Ihre Bilder sind nah an den Menschen, sensibel, ehrlich – und oft tiefgründiger, als es der erste Blick vermuten lässt.

Das 144-seitige Buch ist beim Verlag Kettler erschienen und kostet dort 35€ (zzgl. Versand). Man kann es auch über Saskia Stöhrs Homepage bestellen und dort sogar zusätzlich die Videointerviews mit den Protagonistinnen bekommen.

Formel Goth – Graveyard Queen Edition XXL

Einige Zeit war es etwas ruhiger um die Königin der Friedhöfe geworden. Inzwischen hat sie ihre Gruft wieder verlassen und bringt eine Sammlung Neuentdeckungen mit. Hört und seht, was sich in den letzten Wochen und Monaten in meiner Musiklandschaft getan hat.

Metropolit – Lay Me Down In My Home

Erst jüngst veröffentlichte Gallowdancer einen Artikel über Athen und die dortige Undergroundszene. Dass man in Griechenlands Hauptstadt aber nicht nur Coldwave und Minimal bzw. Synth kann, zeigt uns das Musikprojekt Metropolit. Mit ihrem Stück erfreuen sie das Herz jedes Gitarrenfreundes. Goth Rock im Stile der 90er, dessen Gesang mich an eine Mischung aus Love Like Blood und der wohl weniger bekannte Band Dryland erinnert. Viel scheint bisher über den / die Musiker noch nicht bekannt zu sein. Lassen wir uns also überraschen, was noch kommen mag und genießen bis dahin den Sound.

Das Beat – Hopeless Romantik

Musikalisch vielseitiger wird es mit dem Berliner Projekt „Das Beat„, das 2020 ins Leben gerufen wurde. Hier treffen treibende Popbeats auf Synth-Elemente. Textlich sollte man das Duo stets mit einem kleinen Augenzwinkern betrachten. Auch wenn die Lyrics des vorgestellten Liedes bei manchem nicht weit weg von der Realität sind. Wer noch mehr über Herzschmerz, Liebe und die menschliche Libido hören möchte, ist eingeladen dies auf dem aktuellen Album zu tun.

Silver Tears – Remember

Mit diesem Stück von Silver Tears werden wir wieder etwas gruftiger. Das Duo, mit Sitz in Berlin, brachte im Mai ihr erstes Album heraus. Auf dem gleichnamigen Werk wird der Hörer auf eine Reise durch die Genres mitgenommen. Man hört den prägenden Gitarrenklang des Post Punks. Und während man auf der Welle der treibenden Beats reitet, wird man in den Mantel des Dark Waves gehüllt. Übrigens mein Favorit und persönlicher Tipp Nummer Eins.

Slow Dance With The Dead – Still It Haunts

Wir bleiben in düsteren Gefilden und widmen uns einer Gruppe, die aus New Mexico kommt. Damals begann alles als Soloprojekt, unter dem Namen The Endless. Inzwischen ist es zu einem Drio heran gewachsen und hat im Mai eine Sammlung aller bis 2023 produzierter Lieder heraus gebracht. Der Titel lautet, „Eternal Mourning“. Auf der Seite von Young & Cold Records könnt ihr das gute Stück nicht nur ordern, sondern auch reinhören.

(Midnight Darkwave &) NecroSanguine – The Snake Of Heaven

Bei diesem Stück bin ich bei meinen Recherchen kläglich gescheitert. Midnight Darkwave Radio ist ein Channel, der Musik von Künstlern promotet. Was oder wer genau hinter NeroSanguine steckt, ist mir bisher ein Rätsel. Warum ich euch dieses Rätsel zeige? Weil es mein Favorit Nummer 2 ist. Der tanzbare Clubsound ist über Pfingsten meine persönliche WGT Hymne gewesen. Regelmäßig lief das Lied in Dauerschleife, während ich mich ausgehfein machte.

Die Madness-Doku: Wie eine Ska-Band einen Grufti begeistert hat

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Von den Hinterzimmern der Pubs in Camden bis auf das Dach des Buckingham Palace beim Thronjubiläum der Queen: Die Londoner Band Madness bereicherte die britische Geschichte und die ganze Welt wie kaum eine andere mit ihrem einzigartigen Sound. In der ARTE-Dokumentation blicken Bandmitglieder und Weggefährten auf die Ska-Welle ihrer Anfangsjahre und die Verwandlung in eine Hitmaschine in den 1980ern zurück.

Wie ich Madness fand – oder fanden sie mich?

Ich komme musikalisch ja aus einer ganz anderen Ecke. Mitte der 1980er war es bei mir The Cure, Siouxsie, Depeche Mode – alles, was schwärzer, düsterer und trauriger klang. Madness? War da eher das Gegenteil. Bunt, laut, schräg, albern. Und doch… irgendwann war da diese irritierende Faszination. Vielleicht war es „Our House“, das in einem ansonsten sehr dunklen Mixtape auftauchte. Vielleicht lag es an diesem Tanz, dieser absurden, synchronen Bewegung der Typen in Anzügen, die man damals in aufkeimenden Musikfernsehen sehen konnte. Jedenfalls blieb etwas hängen. Und mit der Zeit habe ich gemerkt: Diese Band hat mehr Tiefe, als es auf den ersten Blick scheint.

Die Dokumentation über Madness, die jetzt erschienen ist, bestätigt dieses Gefühl auf eindrucksvolle Weise. Sie lässt die Bandmitglieder – allen voran Sänger Suggs (bürgerlich Graham McPherson) und Bassist Mark Bedford – zurückblicken auf eine Karriere, die im Londoner Stadtteil Camden begann, in verrauchten Hinterzimmern von Pubs. 1979 war das. Damals waren sie sieben Jungs aus der Arbeiterklasse, laut, direkt, witzig, aber nicht ohne Haltung. Es war der Beginn einer Musik, die Großbritannien verändern sollte – und weit darüber hinaus wirkte.

Madness verbanden jamaikanischen Ska mit britischem Punk und brachten so einen Sound auf die Bühne, der nicht nur tanzbar war, sondern auch politisch. Nicht im Sinne von Parolen, sondern durch das, was sie waren: Teil der 2-Tone-Bewegung, die sich dem wachsenden Rassismus und der sozialen Spaltung im England der Thatcher-Jahre entgegenstellte. Bands wie The Specials, The Selecter und eben auch Madness vereinten schwarze und weiße Musiker. Das Label „2 Tone Records“, gegründet von Specials-Mastermind Jerry Dammers, wurde zum musikalischen Zufluchtsort für eine Generation, die sich mit der konservativen Politik der Zeit nicht abfinden wollte.

Auch wenn Madness sich später stilistisch vom engen Korsett des 2-Tone lösten und sich eher in Richtung britischer Pop-Traditionen bewegten – mit einem deutlichen Hang zu The Kinks –, blieben sie in ihrer Haltung klar. Sie nahmen ihre Herkunft nicht als Bürde, sondern als Identität mit. Und das merkt man bis heute: Sie sind nicht glattgebügelt, nicht retro, nicht ironisch – sie sind Madness. Punkt.

Was mich an Ska der Marke „Madness“ besonders fasziniert: diese Mischung aus Energie und sozialem Bewusstsein, dieses direkte Körpergefühl und gleichzeitig die Reibung, die in der Musik steckt. Ska ist rhythmisch, pulsierend, aber nie gefällig. Und Madness waren nie bloß Partyband, auch wenn ihre Musik zum Tanzen einlädt. Wer genau hinhört, findet immer wieder gesellschaftliche Beobachtungen, Kritik, Melancholie – verpackt in einem Lächeln.

Ein Gänsehautmoment der Doku ist das Comeback-Konzert 1992 im Finsbury Park. Madness waren sechs Jahre weg vom Fenster, und als sie die ersten Takte von „One Step Beyond“ anstimmten, sprang die Menge – wortwörtlich – im Takt. So sehr, dass sogar die Seismographen in London ausschlugen. Es ist ein Bild, das hängen bleibt. Nicht wegen der Anekdote, sondern weil es zeigt, wie tief diese Band bei ihren Fans verankert ist. Das ist keine Retro-Nostalgie – das ist echte Verbindung.

Madness bleibt – und wächst weiter

Neben Suggs und Bedford kommen in der Doku auch wichtige Wegbegleiter zu Wort: Produzent Clive Langer, Dave Robinson von Stiff Records, Specials-Gitarrist Lynval Golding und Rhoda Dakar von den Bodysnatchers. Sie geben dem Bild Tiefe, setzen die Geschichte der Band in den größeren Kontext der britischen Popgeschichte und zeigen, dass Madness nicht zufällig so lange überlebt haben. Während andere Bands der 2-Tone-Welle an ihrer Eindeutigkeit zerbrachen, blieben Madness beweglich. Sie wollten nicht Teil eines Systems sein – sie wollten Geschichten erzählen. Und das konnten sie wie kaum eine andere Band.

Heute, Jahrzehnte später, höre ich „Baggy Trousers“ oder „My Girl“ und denke: Das ist mehr als nur Musik meiner Jugend. Das ist ein Stück britischer Kulturgeschichte. Madness haben nicht nur Hits produziert – sie haben ein Lebensgefühl geprägt. Und auch wenn mein musikalisches Herz immer auch für das Düstere schlägt – für diese Band hat es einen festen Platz freigeräumt. Ganz ohne Kontrastprogramm funktioniert eben auch ein dunkler Soundtrack nicht.

Die ARTE-Doku ist vom 18.06.2025 bis zum 22.09.2025 online verfügbar und ist am 25.06.2025 um 21.45 Uhr im TV zu sehen.

WGT-Tagebuch: Zwischen unumstößlichen Fixpunkten und Einflussnahme

Im Vorfeld des Wave-Gotik-Treffens 2025 haben sich auf Initiative von Maren einige Autoren dazu entschlossen, ihre Sichtweise auf das WGT in Artikeln festzuhalten. Herausgekommen ist das WGT-Tagebuch, das jetzt von Maren selbst in würdiger Weise abgeschlossen wird. Der inoffizielle WGT-Blues auf Spontis ist damit abgeschlossen. Wir hoffen, es hat euch gefallen!

Mein musikalischer Höhepunkt des diesjährigen WGTs war sicherlich das Silke Bischoff Konzert am Sonntag. Allerdings habe ich an diesem Tag – ganz anders als Tanzfledermaus – im Vorfeld nicht viel unternommen, da ich eigentlich die Nacht bis zum Sonnenaufgang durchfeiern wollte. Doch der Reihe nach: Ich hatte ja schon angedeutet, dass meine Planung ihren Ausgangspunkt am Freitag im Täubchenthal nehmen sollte.

Freitag: Erstes Treffen im Täubchenthal

Grufties kommen nie zu spät, ebenso wenig zu früh. Sie treffen genau dann ein, wann sie es beabsichtigen.
frei nach J.R.R. Tolkien

Genau das sollte sich an meinem ersten WGT-Abend bewahrheiten, denn ohne vorheriges Hin-und Her-Geschreibe über irgendwelche Messenger-Dienste, trafen Tanzfledermaus und ich beinahe gleichzeitig im Täubchenthal ein, und die Freude war groß, so schnell jemanden zu sehen, den ich bereits letztes Jahr kennen und schätzen gelernt hatte. Fast im selben Augenblick stieß auch Sandra zu uns, mit der mich seit unserem gemeinsamen WGT-Abend im letzten Jahr schwarze Schwingungen verbunden haben. Auch uns hatte schlussendlich eine gemeinsame Musikvorliebe hier wieder zusammengeführt: „And also the trees“ hielten dann auch, was die Beschäftigung mit ihnen im Vorfeld versprochen hatte: Melancholischer, poetischer Post Punk, für Wald und Wiesengrufties, der sich von den ansonsten vorherrschenden „urbanen Dystopien“ (Sandra) abhebt.

Im selben Maße wie dieser musikalische Höhepunkt trugen an diesem Abend naturgemäß die Begegnungen mit vertrauten Menschen dazu bei, dass ich das Gefühl hatte, irgendwie nach Hause zu kommen. Ebenso wie über Tanzfledermaus und Sandra habe ich mich über das Wiedersehen mit Gruftfrosch, Sascha und Vanessa gefreut!

Samstag: Anstatt Veljanov: Begegnung mit den vermeintlichen Posern aus Köln

Da Veljanov, wie schon einmal von mir hier im Blog erwähnt, zu meiner persönlichen Trinität der Dunkelheit gehört, wäre es ja an sich Ehrensache gewesen, seinem Konzert am Samstag im Volkspalast beizuwohnen. Dennoch entschied ich mich anders, zum einen, weil Sandra meinte: „Du hörst ihn doch ohnehin beim Silke Bischoff-Konzert am Sonntag und beim nächsten Deine Lakaien-Konzert.“  Zum anderen, weil ich hoffen konnte, seinen Auftritt durch Graveyardqueen geschildert zu bekommen, die schon angedeutet hatte, sein Konzert besuchen zu wollen. Im Vertrauen darauf, dass ich seinen Auftritt durch ihren Bericht nacherleben könnte, zumal ich auf ihren Eindruck sehr gespannt war, entschied ich mich dafür, den Samstagnachmittag anders zu verbringen.

Meine Neugier zog mich nämlich in den Felsenkeller zu „Rabengott“, die Robert hier ja schon im Blog vorgestellt hatte, und die einiges an Kritik, auch meinerseits, hervorgerufen hatten. Nun, ich muss sagen: „Was für eine Spielfreude und was für ein energiegeladener Auftritt!“ Ihre sympathische Ausstrahlung konnten sie nicht unter ihrem Make-Up verstecken. Selbst der Song U1.156, der ansonsten gar nicht meine Hörvorlieben trifft, hat mir als Live-Performance gut gefallen. Ihre musikalische Weiterentwicklung seit letztem Jahr war bei ihrem melodischen Stück „Sleepwalker“ nicht zu überhören. Ein gelungenes WGT-Debut, finde ich. Auch Waldemar, der bei ihrem Auftritt zugegen war, konnte nichts Nachteiliges über sie sagen.

Rabengott beim WGT 2025

Silke Bischoff: Eine Hommage an Felix Flaucher

Ähnlich wie Tanzfledermaus erging es mir am Sonntagmorgen: Es zog mich zunächst einmal aufgrund der selbst für Grufties ungemütlichen Witterung nicht nach draußen, und so nutzte ich den Vormittag, um mich auf den Sonntagabend einzustimmen, denn aufgrund meiner mentalen Verfassung in den letzten Wochen vor dem WGT, war meine ursprüngliche Präferenz eigentlich eine andere.

Doch diese wurde von mehreren Seiten auf verschiedenste Weise in Frage gestellt: durch missbilligendes Augenverdrehen (was mich eher trotzig machte) von der einen Seite und durch den Hinweis von anderer Seite, dass dies wohl ein einmaliger Auftritt von Silke Bischoff sein werde, ohne eine dauerhafte Wiederbelebung des Projektes in neuer Besetzung. Dieses Argument sowie das Hineinhören in ihr musikalisches Vermächtnis bei YouTube überzeugten mich schlussendlich ;). Obwohl ich die Musik der Band damals nicht gehört hatte, konnte ich mit der Namensgebung sofort etwas anfangen, denn das tragische Schicksal der jungen Namensgeberin, hatte sich auch mir unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt.

Voller Spannung machte ich mich am Sonntagabend auf den Weg zur Agra: Gelänge es den Gastsängern Alexander Veljanov und Sven Friedrich, den 2017 verstorbenen Sänger Felix Flaucher würdig zu vertreten? Bliebe der Charakter der Songs erhalten? Könnte Alexander Veljanov sich angemessen einfügen, ohne dem Projekt Silke Bischoff zu sehr seinen eigenen Stempel aufzudrücken?

Um dies herauszufinden, sah ich mich vor der Herausforderung, die Band davor noch eine halbe Stunde anzuhören, damit ich mir einen Platz zu nicht allzu weit entfernt von der Bühne sichern konnte. Außerdem sah ich mich genötigt, hinter mir für Ruhe zu sorgen. Endlich war es dann so weit: Den Anfang machte Alexander Veljanov. Meiner Meinung nach eine gute Wahl, denn seine Stimme erschien hervorragend geeignet, um die Stimmung von „I don‘t love you anymore“, direkt ins Herz zu transportieren, gleichzeitig bewahrte er jedoch dabei die respektvolle Zurückhaltung, um diesen wundervollen Song nicht in aufgesetzter Theatralik zu ersticken. Nach Veljanov übernahm Bandmitbegründer Axel Kretschmann, zusammen mit Ines Gorka.

Mit dem Song „The Graveyard“, wurde es sehr emotional.  Diesen hatte Axel Kretschmann 2020 zum Gedenken an Felix geschrieben, auch zur späten Versöhnung wegen vorausgegangener Rechtsstreitigkeiten zu Lebzeiten von Felix. Der Klang wechselte nun von elektronischer Melancholie zur akustischen Klage, von der das Publikum spürbar ergriffen wurde. Dem Akustikpart folgten dann wiederum elektronische Klänge und Sven Friedrich übernahm bei weiteren Silke Bischoff Songs mit für mein Empfinden ebenfalls geeigneter Stimme den Gesangspart.

Unterstützt wurde die musikalische Inszenierung von Felix Flauchers Erbe durch aufwändige Lichtprojektionen auf die Bühnenwände und im Fall von „Under your Skin“ durch eine Showeinlage, der es aber vermutlich gar nicht bedurft hätte, um die Wirkung dieses Songs zu unterstreichen. Gegen Ende des Konzertes stieg die Spannung im Publikum: Wem würde wohl bei dem „Über-Hit“, wie Franky Future in seiner Bandvorstellung „On the other side“ bezeichnet hatte, die Ehre zuteilwerden, den Gesang zu übernehmen? Natürlich hätte ich mir Veljanov gewünscht, aber tatsächlich teilten sich Ines, Sven Friedrich und Veljanov diese Aufgabe, mit Felix Flauchers Projektion auf die Bühnenwand diese Aufgabe.

Eine gute Lösung, wie ich fand, denn so konnte keiner der Künstler diesen einzigartigen Song für sich vereinnahmen, dessen wahre dunkle Schönheit meinem Empfinden nach letztendlich doch der Stimme von Felix Flaucher bedarf, um seine Wirkung voll zu entfalten. So habe ich dieses Konzert auch nicht als Wiederbelebungsversuch von „Silke Bischoff“ verstanden, bei dem einfach der Posten des Sängers neu besetzt wird, sondern als Hommage an denselben, um ihn und seine Songs angemessen zu würdigen und zu feiern. Unmittelbar nach dem Konzert traf ich draußen auf Waldemar, mit dem ich mich kurz über das Erlebte austauschen konnte, und wir waren beide froh, an diesem besonderen Abend dabei gewesen zu sein.

WGT-Tagebuch: Ausklang

Zur Verarbeitung des Ganzen wäre für mich jetzt die Shockwaveparty beim Gothic Pogo Festival gefühlt genau richtig gewesen, aber ich war nicht dafür gekleidet oder vielleicht auch zu verweichlicht, um Wind und Wetter in der Warteschlange richtig zu trotzen. So trat ich ähnlich wie Tanzfledermaus in dieser Nacht den Weg zurück in die trockene Unterkunft an. Etwas erfolgreicher war in dieser Beziehung Gallowdancer, Graveyardqueen und Graphiel.

Genau deswegen möchte ich an dieser Stelle auch Euch allen, die Ihr zum gemeinsamen WGT-Tagebuch beigetragen habt, ein tiefschwarzes Dankeschön aussprechen. Dadurch, dass ihr Lust dazu hattet, mitzumachen und Euch mit Euren großartigen Berichten beteiligt habt, war ein viel umfassender Rückblick auf das Pfingstwochenende möglich als durch einen Einzelnen.

So konnte man vieles nacherleben, was man gerne gesehen und mitgemacht hätte, wie das Gothic Pogo, den Auftritt von Diavol Strain oder Soror Dolorosa. Man konnte das Empfinden der anderen angesichts einiger Absurditäten (Riesenrad) teilen. Und man bekam aus der Glory Hölle noch einmal ganz anderen musikalischen Input.

Der Abschied von Euch, vom Spontistreffen, von Leipzig fiel mir diesmal auch deutlich schwerer als letztes Jahr und so hoffe ich auf ein Wiedersehen zum nächsten WGT.

WGT-Tagebuch: Graphiels erstes Mal – zwischen Sehnsucht, Subkultur und Riesenrad

Im Vorfeld des Wave-Gotik-Treffens 2025 haben sich auf Initiative von Maren einige Autoren dazu entschlossen, ihre Sichtweise auf das WGT in Artikeln festzuhalten. Herausgekommen ist das WGT-Tagebuch, das euch nun mitnimmt und das Treffen aus der Sicht von Graphiel erleben lässt, für den es sein erster WGT gewesen ist.

Gut Ding will Weile haben und manche Wünsche erfüllen sich erst nach vielen Jahren. So lief es auch bei mir, bei dem sich im Grunde jedes Jahr zu Pfingsten dieselbe Szene im heimischen Wohnzimmer abspielte: Mal fehlte das nötige Kleingeld, mal wurde es nichts weil es keine Unterkunft mehr in meinem Budget gab, mal kamen Krankheiten dazwischen, Umzug, Trennung, unpassende bewegliche Ferientage, was auch immer…

Doch manchmal, da verfliegen Wünsche nicht so einfach, sondern wuchern unter der Oberfläche und werden immer stärker, bis entschlossen durchbrechen. So geschah es bei mir, kurz nach dem WGT 2024. Ich wusste: Nächstes Jahr bist du dabei, komme was wolle.

Wave-Gotik-Treffen 2025 – Mein erstes mal

Die Stadt Leipzig lockt seit vielen Jahren zu Pfingsten tausende von Schwarzkittel aus aller Welt nach Leipzig. Der Start stand jedoch auch dieses Jahr unter keinen wirklich guten Umständen. Zunächst einmal hatte meine Partnerin schon im Vorfeld beschlossen nicht die volle Zeit in Leipzig bleiben und somit auch auf ein Bändchen zu verzichten. Ergo würde ich die meisten Konzerte alleine besuchen müssen. Ich war schon ein paar Stunden früher angereist, hatte nach einer sehr angenehmen Bahnfahrt in Gesellschaft von @Franky_Future und Genossen den Check In in meinem Hotel vollzogen, mir mein WGT Bändchen an der Ausgabe nahe des Leipziger Hauptbahnhofes abgeholt und schon mal ein wenig die Leipziger Innenstadt erkundet.

Die Stadt selbst machte auf mich jetzt noch keinen außergewöhnlichen Eindruck. Allerdings bemerkte ich, dass bereits auffällig viele Leute aus der Szene auf den Straßen unterwegs waren. Etwas, dass ich außerhalb des WGTs in der Menge tatsächlich nicht erlebe. Die unmittelbare Bahnhofsumgebung war mir noch von einem früheren Besuch in Leipzig bekannt, sodass ich kurzerhand beschloss schon mal ein paar Fahrten zu ein paar der weiter außen liegenden Locations wie das Täubchenthal zu unternehmen und mich so zu orientieren. Pre-Partys waren für mich an diesem Abend ohnehin nicht geplant.

Täubchental – Internationaler Industrieflair mir modernem Einschlag

Tag zwei war dann schon etwas ereignisreicher. Nach ausreichend Schlaf, genügend Zeit zum fertig machen und einem Abstecher durch die Leipziger Innenstadt, ein paar Einkäufen und einem leckeren Essen beim Italiener trennten sich das erste mal die Wege zwischen mir und meiner Partnerin. Während sie sich zunächst noch etwas im Hotel ausruhte um für den geplanten Abend bei der Gothic Pogo fit zu sein, begab ich mich zum Täubchenthal um The Sweet Kill und The Nosferatu beizuwohnen. Hier bemerkte ich eine weitere Besonderheit des WGTs, denn bereits auf dem Weg zur Location vernahm ich zum ersten mal bewusst, wie international das WGT eigentlich ist.

Ein paar Worte Spanisch hier, etwas Englisch dort und ein paar Brocken, die ich als Schweizerdeutsch zu identifizieren glaubte. Zu meiner Überraschung befanden sich in der Tram aber auch tatsächlich zwei Stino-Exemplare, die es entgegen aller Wahrscheinlichkeit geschafft hatten noch nie etwas vom WGT zu hören und sich nun darüber wunderten wieso Leipzig voll von schwarz gekleideten Menschen aus aller Welt war. Manche Menschen leben offenbar völlig hinter dem Mond.

Das Täubchenthal ist definitiv eine meiner Lieblingslocation des WGTs. Ich liebe einfach Locations, die sich mitten zwischen teils verfallenen Fabrikgebäuden befinden. Hier stoßen für mich die Ästhetik des Verfalls auf die für mich doch sehr bedrückend wirkende Atmospähre moderner Industrielandschaften und bilden in meinem Auge eine Symbiose wie man sie vielleicht noch aus den 80ern kennt. Und auch wenn das Täubchenthal mit seiner modernisierten Fassade in Form von Holzvertäfelungen und einer ansprechenden Dekoration ein bisschen von diesem urigen Flair zu übertünchen versucht, so bleibt dieser urig industrielle Grundtenor doch immer noch erhalten.

Werk 2 – Das Gothic Pogo Festival fühlt sich wie Heimat an

Im Anschluss ging es dann noch einmal kurz ins Hotel zurück und dann direkt weiter in Richtung Werk 2, wo wir unsere Bändchen für das Gothic Pogo Festival abholten. Ich möchte an dieser Stelle das WGT als Hauptereignis gar nicht abwerten, aber das Gothic Pogo hat bei mir definitiv den stärksten Eindruck hinterlassen. Hier habe ich mich direkt heimisch gefühlt, denn das Werk 2 hat durchaus gewisse Ähnlichkeiten mit dem AJZ Bielefeld, in welchem jährlich das Unter Null Festival stattfindet.

Es ist halt wie es ist: Gerade diese ungeschönte, leicht punkig abgeranzte Atmosphäre, welche ehemalige Fabrikgelände oftmals verströmen wird für mich wohl immer etwas bleiben an dem ich mich stets ähnlich heimisch fühle wie auf dem örtlichen Friedhof. Hier im Werk 2 bekam ich dies in seiner Reinform. Das konnte auch nicht der Stand abändern an dem man sich für das leibliche Wohl mit vegetarischem Gyros versorgen konnte. Die gelungenen Konzerte von Hear me Out, The Guilt und Ghost Dance taten ihr übriges, sodass ich mich binnen von Minuten trotz großem Andrang zu Hause angekommen fühlte. Lasst es mich mit einer Metapher beschreiben, um diesen Übergang von WGT zu GP etwas greifbarer zu machen: Es war ein wenig so, wie wenn man nach einem wunderschönen Spaziergang nach Hause kommt und sich in seinen Lieblingssessel fallen lässt. Nichts schmälert den Spaziergang, aber heimisch fühlt man sich dann eben doch im Sessel.

Der AGRA-Jahrmarkt ist eine „Mitternachtshüpfburg“

Tag drei verbrachte ich wieder vermehrt alleine. Ich nutze die Zeit um trotz des miesen Wetters zunächst ein paar Besorgungen zu erledigen und nahm mir dann vor die Agra zu erkunden. Ich muss gestehen, dass ich mir hier ein wenig deplatziert vorkam. Zwar war ich darauf gefasst, dass hier wohl viele „kostümierte“ Schwarzkittel anzutreffen sein werden, doch die Atmosphäre die mich mehr an eine städtische Kirmes erinnerte, denn an ein Festival der schwarzen Szene war jetzt nicht so meins.

Doch nie hätte ich erwartet zu all dem auch noch auf ein Riesenrad zu treffen. Ja! Ein Riesenrad. Wie auf dem Jahrmarkt! Mitten zwischen unzähligen Futter- und Getränkebuden. Und es saßen sogar Schwarzkittel darin.

Vor einer Weile hatte der werte Christian von Aster eine Kurzgeschichte mit dem Namen „Die Mitternachtshüpfburg“. verfasst, welche ich damals noch mit einem süffisanten Lachen zur Kenntnis nahm. Hätte ich damals geahnt wie nah er damit an der Realität läge, ich hätte wohl nicht mehr gelacht.

Ein Kulturschock, der auch nicht dadurch abgemildert werden konnte, dass in Dauerschleife Depeche Mode gespielt wurde. Nach einem kleinen Bummel durch die Messehalle traf ich dann Robert mit dem ich mich noch eine Weile unterhielt, ehe es dann zurück zum Täubchenthal ging und ich meine subkulturellen Zellen mit Lucas Lantier`s Cinema Strange wieder auffüllte. Danach ging es zurück ins Hotel, noch ein wenig die Füße hochlegen, ehe ich mich dann gemeinsam mit meiner Freundin wieder zum Gothic Pogo Festival aufmachte, wo wir zu zu lateinamerikanischen Szeneklängen den Abend ausklingen ließen.

Kuppelhalle – Tribünenähnlicher Spontis-Treffpunkt

Am vierten Tag stand nun sehr viel auf für mich auf dem Plan. Zunächst einmal hieß es Abschied nehmen von meiner Freundin, deren Abreise am Sonntag eingeplant war. Danach verbrachte ich noch ein wenig Zeit damit mir Gedanken darüber zu machen ob ich am Abend nun wie geplant zu Silke Bischoff, This Cold Night, oder doch zur Tödin ins Werk 2 gehen sollte. Zunächst aber stand erst einmal die Kuppelhalle auf dem Plan. Denn mit Plastique Noir und Darkways hatte ich zwei Bands offen, die ohnehin auf meinem Zettel standen.

Die Kuppelhalle war für ein weiterer wirklich beeindruckender Ort für mich. Zum einen sind die Klänge, die von der steinernen Wänden wie in einem Kirchenschiff hin und her geworfen werden einfach nur traumhaft, sodass es mir mit meinem Handy wirklich schwer fiel den Klang angemessen einzufangen.

Der Platz vor der Bühne ist ein wenig begrenzt, doch durch die tribühnenähnliche Anordnung gibt es noch viele weitere Möglichkeiten um sich einen Platz zu sichern, von dem man das Geschehen während des Konzertes gut beobachten kann. Auch weiß der Umstand zu gefallen, dass es sogar Sitzmöglichkeiten und Tische gibt, sofern man denn früh genug ist um einen entsprechenden Platz zu erhaschen. Hier fand sich auch ein erstes Spontis-Minitreffen ein, denn in der Pause zwischen Plastique Noir und Darkways, sprach mich die liebe @Tanzfledermaus an und lud mich an ihren Tisch, wo sich bereits mehrere Spontismitglieder versammelt hatten. Ich habe mich direkt angenommen gefühlt und es entwickelten sich in der Pause zwischen den Konzerten direkt tolle Gespräche.

Währenddessen erübrigte sich dann auch mein Dilemma mit den Bands, denn nach kurzer Überlegung lies sich die liebe @graveyardqueen davon überzeugen „der Höhle des Löwen“ im Werk 2 eine Chance zu geben, sodass wir (Mirjam, Gruftfrosch, Tanzfledermaus, graveyardqueen und ich) beschlossen gemeinsam das GP Festival unsicher zu machen. Ich für meinen Teil habe diese Entscheidung in keinster Weise bereut, denn die Tödin hatte eine wirklich unglaubliche Energie in ihr Konzert untergebracht, aber auch Laura Krieg (welche ich bereits vom Unter Null Festival kannte) stand ihr in nichts nach. Abgerundet hat den Abend dann eine gute Mischung aus Shockwave-Sounds und der Minicave-Aftershowparty. Danke an alle für diesen tollen Abend. :-)

Der Montag sollte für mich dann der ruhige Ausklang des WGTs werden. Nach dem Spontis-Treffen und einem ordentlichen Abendessen in wunderbarer Gesellschaft ging es dann nach einem kurzen Zwischenstopp im Hotel noch einmal zurück zur Agra. Hier traf ich wieder mit @Tanzfledermaus zusammen und gemeinsam vertraten wir zu New Model Army den klassischen Nordsüd-Kurs der gotischen Tänze. Irgendwer muss den ja schließlich am Leben halten, nicht wahr? :-D

Mein erster WGT – Was habe ich mitgenommen?

Das WGT ist zweifelsohne ein besonderes Festival. Nicht etwa weil es sich durch große Teile der Stadt zieht und damit eine besondere Atmosphäre erzeugt. Etwas ähnliches hatte ich schon einmal in sehr viel kleiner erlebt, damals beim Autumn Moon Festival in Hameln, dem ich übrigens immer noch nachtrauere.

Nein, es ist für mich vielmehr das Internationale dass das WGT für mich so besonders macht. Kein anderes Festival bringt Grufties und artverwandte Schwarzkittel aus aller Welt so zusammen wie das WGT in Leipzig. Für die Szene an sich und auch für mich nimmt es damit natürlich einen ganz  besonderen Stellenwert ein. Und auch wenn ich nicht garantieren kann, dass ich künftig jedes Jahr nach Leipzig zurückkehren kann, so steht für mich fest dass dies nicht das letzte WGT für mich sein wird.

Ich würde jedoch auch beim nächsten mal versuchen sowohl das WGT, als auch das Gothic Pogo Festival mitzunehmen, denn für mich war es gerade diese Mischung aus der Offenheit des WGTs und der Rückzugsmöglichkeit in die subkulturellen Tiefen des Gothic Pogo Festivals, welche zusammen mit dem Spontis Treffen für mich das Bild meines Leipziger Wochenendes erst so richtig zu einem Gesamtwerk verschmelzen ließen. Und dies würde ich bei einem weiteren Besuch in Leipzig auch nicht mehr missen wollen.

WGT-Tagebuch: Sonntags mit Tanzfledermaus, ein Tag an dem alles gleichzeitig passierte

Im Vorfeld des Wave-Gotik-Treffens 2025 haben sich auf Initiative von Maren einige Autoren dazu entschlossen, ihre Sichtweise auf das WGT in Artikeln festzuhalten. Herausgekommen ist das WGT-Tagebuch, das euch nun mitnimmt und das Treffen aus der Sicht von Tanzfledermaus erleben lässt.

Für mich war der Pfingst-Sonntag der musikalisch spannendste Tag, aber auch der anstrengendste. Alle anderen Tage hatten nur wenige Acts im Programm, die mir wichtig waren – dafür war der Sonntag leider geradezu überfrachtet und ich hatte wirklich die Qual der Wahl, wo ich mich hinbegeben sollte. Fast alle Favoriten meines WGT-Besuchs sollten an diesem Tag auftreten, dazu noch in verschiedenen Locations. Auch alle drei von mir im Vorfeld bei Spontis empfohlenen Bands waren darunter (Soror Dolorosa, Darkways und Hallowed Hearts). Es stand zwar schnell fest, dass ich mit den Postpunk-Konzerten im Volkspalast beginnen würde, aber das „Danach“ bereitete mir Kopfzerbrechen: Parkschloss oder Moritzbastei – oder sogar beides noch versuchen zu kombinieren? Letzteres wäre kaum zu schaffen gewesen, zumindest nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, aber immerhin hätte ich dann vielleicht noch einen Teil eines Konzerts erleben können.

Ein kleines Spontis-Treffen im Volkspalast

Der Tag begann mit kühlem, zum Teil nassen, grauen und stürmischen Wetter, und das sollte sich auch nicht mehr ändern. Nach einem gemütlichen Frühstück mit meiner Mitbewohnerin in der gemieteten Unterkunft zögerte ich das Rausgehen trotzdem möglichst lange heraus. Eigentlich hatte ich vorgehabt, mal was vom Rahmenprogram mitzunehmen, ein Museumsbesuch wäre ja gut möglich gewesen. Aber dann verquatschten wir uns und es lohnte nach dem Aufbrezeln kaum noch, was dazwischen zu packen.

So fuhr ich dann mit etwas Zeitpuffer zum Volkspalast, weil ich befürchtete, dass es mal wieder sehr voll werden könnte. Ich sollte Recht behalten, die Schlange am Einlass wurde später enorm lang – aber ich war noch früh genug, es hatte sich noch keine Schlange formiert, nur ein paar einzelne Leute und kleine Grüppchen standen und saßen herum. Auf einmal hörte ich meinen Namen, konnte jedoch die Ruferin zunächst nicht einordnen, die sich dann aber als graveyardqueen zu erkennen gab. Wir hatten schon in den Spontis-Kommentaren miteinander kommuniziert und voneinander gelesen, daher hatten wir auch gleich ein paar Gesprächsthemen. Und wir hatten das unglaubliche Glück, vor der richtigen Tür zu warten, so dass wir sogar als erste in die Halle wuseln konnten und einen prima Platz mit Tisch und freiem Blick auf die Bühne ergatterten.

Wir blieben nicht lange allein, natürlich nicht nur weil die Halle sich rasch füllte, sondern auch weil bekannte Gesichter auftauchten. So kam zunächst Mirjam dazu und später entdeckten wir Graphiel (dank seiner Spontis-Tasche) im Raum, den holten wir einfach noch dazu. Auch Pfingstgeflüster-Herausgeber Markus Rietzsch mit Mitbewohnerin Jule und Katharina und Parm vom Schemenkabinett und der Gruftfrosch mit Partner stießen zu uns, auch Sophie und Konrad waren in der Nähe. Also quasi ein erstes kleines Spontis-Vortreffen.

Plastique Noire aus Brasilien und Darkways aus Barcelona

Zunächst verfolgten wir den Auftritt von Plastique Noire aus Brasilien, die im Rahmen einer Tour zu ihrem 20-jährgen Bandjubiläum zum ersten Mal in Europa auftraten. Sie spielten sehr energiegeladen und der Sänger konnte auch stimmlich überzeugen, es war ein gelungener Auftritt. Bleib Modern im Anschluss schenkten sich einige von uns und blieben einfach in der Kuppelhalle sitzen, weil unser Platz so prima war und sich drüben vor der Kantine bereits die Massen drängten. Außerdem ergaben sich nette Gespräche, da passte eine Musikpause ganz gut.

Darkways aus Barcelona, die anschließend auftraten, konnten unsere Aufmerksamkeit aber wieder fesseln, weil sie wie erwartet ordentlich den Saal rocken. Tanzbar sind ihre Songs sowieso, aber die Energie kam auch von der Bühne gut herüber, so dass auch die sitzenden Zuhörer ins Herumzappeln kamen. Ich hatte passend zur Heimat der Band meinen kürzlich in Barcelona gekauften Fächer dabei, den ich aber leider recht schnell kaputt fächelte.

Nach Darkways zerstreute sich unser Grüppchen wieder etwas. Mir bot sich unerwarteterweise doch noch die Option, zum Parkschloss zu Soror Dolorosa zu fahren, indem ich mir mit Gruftfrosch und Freund ein Taxi teilte. Das setzte uns zwar an falscher Stelle ab und wir mussten ein gutes Stück durch den Park stapfen (es wusste ja anfangs auch keiner, wo ein Durchkommen möglich wäre), aber wir kamen noch rechtzeitig an.

Soror Dolorasa im Parkschlößchen

Es war zwar nicht mehr rechtzeitig, um in Ruhe noch etwas zu essen – die Schlange am Imbiss war auch recht lang und wir bekamen erst 5 Minuten vor Konzertbeginn unser Essen – aber wir schafften es zum ersten Song zu Soror Dolorasa in die Halle zu schlüpfen. Natürlich standen wir dann am hintersten Rand und sahen wenig, aber das Konzert war trotzdem beeindruckend.

Parkschloesschen in der Aussenansicht

Mein persönliches WGT-Highlight: Andy Julia hat eine erstaunliche Stimme und eine beeindruckende Bühnenpräsenz, geht völlig in seinen Songs auf. Leider spielten sie keines ihrer intensiven, melancholischen Stücke wie Apollo oder Low End, was aber vermutlich der kurzen Spielzeit geschuldet war. Da passen 10-Minuten-Songs schlecht ins Set. Der Bogenschütze Andreas und Katharina Noire waren auch zugegen, also schon wieder ein paar Spontis-Leser auf einem Haufen. Wir übten fleißig für den Montag!

Nach einer kurzen Pause begaben wir uns ins obere Geschoss zum anderen Saal, wo Saigon Blue Rain spielen sollten. Nach anfänglichem Fremdeln wusste die Band ebenfalls zu überzeugen, die Sängerin hat eine sehr kräftige, einnehmende Stimme und ihre Bühnenpräsenz war ebenfalls mitreißend. Dazu gab es eine schöne Lichtshow. Sie spielten tanzbaren Dark Elektro mit mal melodischen, mal treibenden Gitarreneinlagen, es gab auch ein gelungenes Cover von Depeche Modes „Behind the Wheel“.

 

Im unteren Saal traten anschließend Escape with Romeo auf, von denen ich aber nur zwei Songs mitnahm, weil mich meine WGT-Mitbewohnerin überredete, mit ihr die agra-Dancefloors unsicher zu machen. Eigentlich wollte ich ja noch den Dunkelromantischen Tanz im Parkschloss mitnehmen, aber der Parkettboden dort war so glatt, dass ich mit meinen sehr glatt besohlten Stiefeln Sorge hatte, mich ständig auf die Nase zu legen. Tanzen wollte ich aber auf jeden Fall und da es hieß, dass letztens die agra-Parties ganz gut gewesen sein sollen, begab ich mich dorthin.

Tanzeinlagen auf der AGRA

Zum Glück ließ man mich ohne Probleme auch ohne Obsorge-Bändchen über den Zeltplatz abkürzen. Es war schon seltsam, zum ersten Mal seit über 25 Jahren mal wieder den Zeltplatz zu betreten. Ich hatte nach einem WGT im Wohnmobil zum einen nicht mehr Lust, zu zelten und zum anderen sehr lange pausiert, so dass ich erst 2017 überhaupt wieder zum WGT fuhr, seitdem aber nur noch mit Übernachtung in einer Ferienwohnug. Der Zeltplatz lag sehr ruhig und friedlich da, ein paar zum Teil bunte LED-Ketten oder Lichteffekte verzierten manches Zelt.

Ich fand meine Mitbewohnerin und wir erkundeten die spätabendliche AGRA. Den vorderen, vollen Tanzraum ließen wir schnell hinter uns, weil da für uns unerträglicher Krach lief. Der hintere Raum war im Gegensatz dazu sehr leer, was aber auch an seiner gigantischen Größe lag, es gab jedenfalls reichlich Platz zum Tanzen. Es lief vorrangig leicht technoider Elektro mit ein paar EBM-Einsprengseln, zumindest in der ca. halbstündigen Zeit, die wir dort waren. Okay, war jetzt zum Teil nicht so ganz unser Ding, aber immerhin haben wir zu ein paar Songs getanzt, bevor wir mangels musikalischer Abwechslung keine Lust mehr hatten.

Ich hatte eigentlich noch großen Bedarf zu tanzen und wäre gerne zur Shockwave Party im Rahmen des Gothic Pogo Festivals im Werk 2 gefahren, aber da hörte man von einer wahnsinnig langen Schlange am Einlass. Es war immer noch sehr windig und inzwischen auch arg kalt, daher verwarf ich den Gedanken und entschied mich, den Weg zur Unterkunft anzutreten. Leider war gerade der Auftritt von Silke Bischoff zu Ende und es strömten wahre Massen zur Tram-Haltestelle. Kurz vor dem Eintreffen der Tram begann es zu regnen und alle drängten wie verrückt in das Gefährt, teilweise sogar mit Gewalt. Es hätte mindestens 3 Trams gebraucht, um alle zu befördern. Entsprechend voll war es und es kam auch nur ein kleiner Teil mit.

Ich hatte Glück und bekam einen halben Sitzplatz. Dafür keinen Anschluss im Zentrum mehr, weil sämtliche Anschlüsse innerhalb der nächsten Stunde mit „fällt aus“ markiert waren. Blieb also nur ein Taxi… Zum Glück fand ich eins und kam einigermaßen trocken zurück in die Wohnung.

Gerne wäre ich noch in die Moritzbastei zu Hallowed Hearts und Psyche gefahren, aber erstere hätte ich zeitlich nicht geschafft und letztere haben vermutlich die Kapazitäten des Raums gesprengt.

Aber ich war glücklich, dass ich es zu Soror Dolorosa geschafft hatte! Und es war ein ausgefüllter und abwechslungsreicher Tag voller schöner Konzerte und netter Gespräche.

WGT-Tagebuch: Graveyardqueens Samstag – Zwischen Kuriositäten und Musik, die berührt

Im Vorfeld des Wave-Gotik-Treffens 2025 haben sich auf Initiative von Maren einige Autoren dazu entschlossen, ihre Sichtweise auf das WGT in Artikeln festzuhalten. Herausgekommen ist das WGT-Tagebuch, das euch nun mitnimmt und das Treffen aus der Sicht von Graveyardqueen erleben lässt.

Als Maren auf mich zukam, ob ich mit ihr und den anderen Autoren einen WGT Rückblick erarbeiten möchte, war ich etwas skeptisch. Nicht etwa, weil ich die Idee schlecht fand, sondern weil ich nicht wusste, ob ich Zeit und Energie dafür hätte. Eine Woche später sitze ich schreibend auf dem Balkon. Und das dank Veljanov.

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Die Nacht von Freitag zu Samstag war relativ kurz. Mit den ersten Sonnenstrahlen wurde ich munter und erstmals im Rahmen des WGT, war ich vor dem Mittag ausgehfertig. Mich trieb es in den Bahnhof, wo ich mir ein Frühstück gönnte und anschließend die diesjährige Ausstellung „Bestiarium“ besuchte. Über 40 Künstler aus, der ganzen Welt, zeigten dort ihre Kunst.

Da ich Freitag direkt nach Arbeit anreiste und nur das Nötigste in Leipzig mit hatte, suchte ich im Anschluss die Drogeriemärkte der Stadt auf. Dort deckte ich mich mit Haarspray, Lidschatten und Parfüm erst einmal ein. Allerdings musste ich die Zeit im Auge behalten, weil ich Nachmittag zum Veljanov Konzert, in die Kuppelhalle wollte. Mit meiner Ausbeute machte ich mich also auf ins Hotel, um kurz nach 14 Uhr mit der Linie 15 zum Volkspalast zu fahren.

Warten, warten, warten

Als ich ankam, waren schon einige Leute vor Ort. Den klassischen Goth mit toupierten Haaren suchte ich allerdings vergebens. Generell vernahm ich ein eher älteres, schlichteres Publikum.

Da ich keine Lust hatte zu stehen, drängelte ich mich Richtung Treppe vor und setzte mich. Naja gut… ich gebe es zu, ich wollte auch eine der ersten Personen am Einlass sein, damit ich später so weit wie möglich an die Bühne komme. Ab jetzt musste ich meine Zeit totschlagen.

Immer wieder ging die Türe auf und man hatte die Hoffnung, doch schon eher rein zu können. Die Security ließ uns aber bis zum bitteren Ende warten. 15 Uhr, als es begann zu nieseln und man um das gestylte Haar schon Sorge hatte, war es endlich so weit. Zielsicher suchte ich mir meinen Weg in die Kuppelhalle. Genau vor die Bühne.

Auf dieser befand sich bereits links ein Schlagzeug. Mittig ein Stuhl nebst Mikrofon. Und rechts war ein Keyboard aufgebaut. Ich nahm den Rucksack von den Schultern und setzte mich auf die Bühnenkante. Wieder hieß es irgendwie Zeit totschlagen.

Veljanov: Das geht tief

Als die Zeit reif war, erhob ich mich und vernahm kurz darauf Begeisterung im Publikum. Seitlich betrat Veljanov mit seinen Kollegen die Bühne. Auf ihren Gitarristen mussten sie, aus gesundheitlichen Gründen, allerdings verzichten. Veljanov nahm auf dem Stuhl Platz, die anderen beiden Herren an ihren Instrumenten.

Mit dem Stück Das Lied vom einsamen Mädchen eröffnete man das Konzert. Und da war es auf einmal wieder. Dieses Gefühl in mir. Von der Musik berührt. Wie jüngst beim Left For Pleasure Konzert, spürte ich wie meine Emotionen hochkochten. Kurz schluckte ich und fing mich wieder. Ich kann nicht genau sagen, was mich da ergriff. Ob der Text oder Veljanov seine dunkle, ruhige, aber auch eindringliche Stimme. In dem Moment war aber klar, Maren hat mich für ihr Vorhaben im Boot. Und ich war voller Neugier, was mich noch erwarten würde.

Neugier, die sich auszahlt

Ich muss gestehen, dass sowohl „Deine Lakaien“ als auch das Projekt Veljanov, bisher eher stiefmütterliche Aufmerksamkeit von mir bekommen haben. Allerdings war ich immer von seiner Erscheinung angetan, Solo-Pfade zu beschreiten. Sowohl die, mittlerweile leicht ergrauten, toupierten Haare als auch seine ruhige und geerdete Art. Umso überraschender war es für mich, wenn ihm hier und da mal ein Lächeln auf die Lippen kam. Wie er verriet, hatte er gar nicht damit gerechnet, dass so viele Leute erscheinen werden. Dies erfreute ihn sehr. Genauso wie der immer wiederkehrende, begeisterte Beifall der Zuschauer.

Veljanov wusste nicht nur, wie er Raum und Bühne für sich nutzen konnte, sondern auch wie er mit seinem gefühlvollen Gesang einen einfängt. Und so schaffte er es bei „Because Of You“ ein weiteres Mal mich zu berühren. In der Setlist wechselten sich deutschsprachige Lieder mit englischsprachigen ab. Mal wurde man zum träumen eingeladen. Mal zum tanzen. Auf dem Plan standen unter anderem „The Man With The Silver Gun und „Town By The River“. Aber auch das Deine Lakaien Lied „The Ride“ wurde dargeboten. Den Abschluss sollte dann mein Favorit „Fly Away“ machen. Und so ließ ich mich ein letztes Mal von Veljanov seiner Stimme verzaubern.

Als die Drei Künstler, sichtlich geschafft, anschließend die Bühne der Kuppelhalle verließen, gab das Publikum noch einmal alles. Es bedankte sich mit Jubel und tosenden Applaus. Und jeder hoffte und wartete, dass Veljanov und seine Bandkollegen noch einmal auf die Bühne zurückkommen. Und das taten sie. Mit dem Titel „The Game“ welches Veljanov mit Ernst Horn (Deine Lakaien) erarbeitet hatte, sollte der Nachmittag endgültig enden.

Moritzbastei: Lovataraxx, Diavol Strain und Balduvian Bears

Da dies an dem Tag das einzige Konzert im Volkspalast war, hieß es weiterziehen. Leider war das WGT Programm für den Samstag eher mau. Sodass ich nur die Wahl zwischen „The Whispers In The Shadow“ im Felsenkeller und Nachts „Night in Athen“ in der Moritzbastei hatte. Da ich im Vorfeld wusste, dass man sehr schlecht in die Moritzbastei reinkommt, beschloss ich den ganzen Abend dort zu verbringen.

Nach einem kurzen Abstecher ins Hotel machte ich mich auch rechtzeitig auf den Weg dahin. Tatsächlich schien ich dort die Erste zu sein, die reinwollte. Niemand außer mir stand vor dem Einlass. Und ich denke, ich brauche es nicht groß erwähnen, dass ich auch diese Zeit, des Wartens, wunderbar überbrückt habe.

Lovatraraxx konnten mich nicht überzeugen

Glücklich darüber, dass es endlich reinging, peilte ich sofort die Bühne an. Nach kurzer Überlegung entschied ich mich dann aber doch für einen Sitzplatz am Rand. Dort blieb ich auch das erste Konzert über.

Den Anfang machte die französische Band Lovatarrax, welche auch von Gallowdancer als WGT Tipp vorgestellt wurde. Die damalige Hörprobe konnte mich nicht überzeugen und so blieb es auch live.

Der Sound war mir zu experimentell und die Art des Gesangs sprach mich nicht an. Sowohl Gestik als auch Mimik der Sängerin riefen in mir immer wieder mal einen irritierenden Blick ins Gesicht. Seltsamerweise musste ich manchmal an den Duracell Hasen denken, dessen Batterie langsam zuneige geht. Dem Großteil des Publikums schien es allerdings zu gefallen. Die Kuriosität des Konzertes war dann für mich erreicht, als man eine Tüte süße Erdbeerschnüre aufriss, damit ins Publikum sprang und diese verteilte.

Ehrlich gesagt war ich nicht böse darüber, als das Konzert dann sein Ende gefunden hatte. Das Einzige, was nett anzusehen war, war deren Lichtshow. Es waren auf der Bühne zwei Leuchtröhren aufgebaut, die ihre Farbe wechselten. Zusätzlich stand ein kleiner Monitor, auf dem man verschiedene Videosequenzen sah. Diese wurden auch auf eine große Leinwand projiziert.

Diavol Strain: Schon eher nach meinem Geschmack

Als Nächstes stand Diavol Strain auf dem Plan. Die beiden Mädels aus Chile erweckten zufällig meine Neugier, als ich verzweifelt den WGT Samstag plante. Ich nutzte es aus, dass sich die ersten Reihen lichteten und suchte mir einen Platz vor der Bühne. Nach zügigem Umbau ging es dann auch schon los. Die Bühne verdunkelte sich und ein Intro setzte ein. Nach kurzem, mystischem Sound, griffen die Zwei in die Saiten.
Ab jetzt wurde es laut und wild. Sängerin Lau M ihren beschwörungsartigen Gesang konnte man leider nur schwer verstehen.

Frauenpower Mal 2

Eines muss man den beiden, die neben ihrer Europapremiere auch ihr 10-Jähriges Bestehen feierten, lassen, sie haben die Bühne ordentlich gerockt. Vor allem Ginger Blue war voll in ihrem Element. Immer wieder schüttelte sie ihr Haar wild umher. Und bei einem Stück griff sie energisch in die Saiten ihrer Gitarre, wodurch sie ein Riff erzeugte, wie ich es so noch nicht gehört habe.

Der Auftritt war durchgängig von Energie geladen und auch das Publikum war gut dabei. Die zwei jungen Frauen fanden großen Anklang, worüber sie sich sehr freuten. Auch ihr mit angereistes Team, welches seitlich, von der Bühne aus zusah, war begeistert.

Nach einer Stunde mussten sie dann die Bühne an die nächste Band abgeben.

Pleiten, Pech und Pannen

Nach zügigem Ab- und Aufbau standen dann die Jungs von Balduvian Bears , aus den USA, auf der Bühne. Auch sie waren eine der Bands, die auf dem WGT ihre Europapremiere hatten.

Im Vergleich zu Diavol Strain klangen sie eher seichter. Boten aber dennoch einen guten, Post Punk-artigen Sound, zu dem man tanzen konnte.

Nach dem dritten oder vierten Lied, beschloss ich, aufgrund der Länge und des noch bevorstehenden Night In Athen Konzertes, kurz für kleine Friedhofsköniginnen zu gehen. An dieser Stelle hatte ich allerdings nicht die Rechnung mit dem netten Herren von der Security gemacht. Als ich Richtung Ausgang steuerte, kam nur die Frage, ob ich rausgehe. Auf meine Antwort, dass ich nur mal aufs Klo müsste, bekam ich dann gesagt, dass ich mich anschließend wieder anstellen müsste. Da stand ich nun. Ohne lange zu überlegen, erwiderte ich nur „Dann habe ich halt Pech!“ und ging raus. Als ich auf dem Weg an der mega langen Schlange vorbeiging, war mir fast schon klar, dass ich mir das Anstellen sparen kann.

Zeit für Plan B

Zum Glück hatte schon einer der Dancefloors offen, sodass ich beschloss, dann eben tanzen zu gehen. Für das Hotel war es in dem Moment dann doch noch zu zeitig. Etwa bis Mitternacht tanzte ich mir noch die Füße wund, bis diese dann nicht mehr wollten. Und nach einem kurzen Abstecher auf das stattfindende Stadtfest zog ich mich mit einer Portion Pommes Schranke in mein Hotelzimmer zurück.

Auch so schön und entspannt der Samstag startet, sein Ausgang passte zu diesem, für mich, teilweise verkorksten WGT.