Ich bin mir gerade nicht sicher, ob dies das Ende von Spontis ist. Ich habe schon wieder eine Forderung von rund 1.400 € bekommen für ein 40 Jahre altes Bild, das ich bei meiner Aufräumaktion übersehen hatte. Ihr erinnert Euch vielleicht an die letzte Abmahnung, bei der ich 717 € wegen einer falsch benutzten Lizenz zahlen musste. Danach habe ich bei Spontis alle der etwa 1.400 Artikel und 12.000 Bilder durchgesehen und ausgetauscht, was meiner Ansicht nach nicht – oder falsch – lizenziert war. Offensichtlich hatte ich dieses Bild übersehen. Das kann immer wieder passieren. Findige Anwälte und Agenturen suchen nicht nur nach fehlenden Bildlizenzen, sondern auch nach sonstigen Fehlern, die richtig teuer werden können. Ein befreundeter Blogger musste neulich 1250 Euro für einen Witz in einem Nebensatz zu einem Video bezahlen. Die Gefahr, von heute auf morgen viel Geld bezahlen zu müssen, schwebt wie ein Damokles-Schwert über diesem Blog und sorgt für eine unterschwellige Angst bei jedem Gang zum Briefkasten.
Jetzt sitze ich vor dem Rechner und befülle den Papierkorb mit immer mehr Artikeln und Bildern. 12 Jahre Arbeit, Leidenschaft und Herzblut verschwinden mit einem Klick aus der Öffentlichkeit. Immer wieder muss ich mit den Tränen kämpfen. Hätte ich nicht eine so aktive und hilfreiche Gemeinschaft wie Euch, liebe Leser, würde die besagte Flinte längst im Korn liegen. Um diesen Blog aufrechtzuerhalten, muss ich nun auch ALLE alten Bilder, an denen ich keine eindeutigen Rechte habe, löschen. Bisher liegen rund 200 Artikel im Papierkorb und ich habe keine Ahnung, wo ich mit dem Löschen aufhören muss.
Der Traum vom virtuellen Szene-Museum
Eigentlich wollte ich einmal ein kleines Szene-Museum aufbauen, den Menschen Bilder, Videoclips und Geschichten aus den 80ern zugänglich machen und einfach nur schreiben, was mich beschäftigt. Doch das wird mir immer schwerer gemacht. Aus der Leidenschaft ist Arbeit geworden. Urheberrechte, Lizenzierungen, Datenschutz, Impressumspflicht und Meinungsäußerungen. Was darf ich, was darf ich nicht? Ein rechtssicherer Blog besteht vermutlich aus Text. Nur aus Text. Keine Bilder, keine Videos. Und schon gar keine Kommentare. Es könnte ja einer was sagen, was jemand anderes als Beleidigung empfindet. Eigene Schnappschüsse vom WGT? Nicht, dass du ein Persönlichkeitsrecht bei der Veröffentlichung verletzt, oder dich jemand verklagt, weil er nicht zu sehen sein möchte.
Ich bekomme für meine Arbeit kein Geld, ich will auch für meine Arbeit kein Geld, denn das ist meine Leidenschaft. Dieser Blog wirft nicht einen Cent Gewinn ab, im Gegenteil, jeden Monat kostet die Infrastruktur Geld. Ich bin Idealist, was das Bloggen angeht. Unkommerzieller, werbefreier und kostenloser Inhalt für Gruftis und Menschen, die das interessiert.
Ich habe mich mit meinem Idealismus immer so ein bisschen in Sicherheit gewiegt. „Die werden ja sehen, dass ich hier kein Geld verdiene und drücken ein Auge zu.“ Ich habe mich geirrt. Ich komme mir fast schon ein bisschen lächerlich vor, wenn ich hier sitze und an das Gute im Menschen glaube. Einigen Menschen da draußen ist es schlichtweg egal, wie selbstlos und mit wie viel Herzblut man einen Blog betreibt.
Von Nachlizensierern und Abmahnanwälten
Und es interessiert sie offensichtlich auch nicht, ob andere Menschen in der Corona-Pandemie um ihre finanzielle Existenz kämpfen und nicht noch mehr Sorgen brauchen können. Hier denke ich nicht nur an mich und meine Frau, die als Freiberuflerin arbeitet und aktuell meine Hilfe braucht, sondern auch an viele Einzelhändler, die gerade mit Onlineshops experimentieren und wahrscheinlich bald Post von den professionellen Abmahnern erhalten werden.
In einer Zeit, in der allüberall staatliche Soforthilfen beantragt werden und Menschen ihre Jobs verlieren, eine Forderung in Höhe von 1400 € an einen Privatmann mit einem nicht-kommerziellen Blog zu schicken, für einen 40 Jahre alten Schnappschuss in einer unprofessionellen Größe von 500 Pixeln, der bereits 12 Jahre einen Artikel ziert, muss man erst einmal bringen! Während die einen selbstlos versuchen, zu helfen und Leben zu retten, haben andere nur im Sinn, sich zu bereichern. Ohne Rücksicht auf Verluste und jenseits jeder Verhältnismäßigkeit. Wie viele Menschen wohl gerade ihre staatlichen Zuschüsse direkt an Nachlizensierer und Abmahnanwälte weiterreichen müssen, weil sie versuchen, ihre Läden mit Online-Angeboten zu retten?
Auch die kreative Arbeit, mit deren Schutz sich die Nachlizensierer in ihrem Anschreiben brüsten, ist denen meiner Ansicht nach egal. Mich würde interessieren, wie viel von den 1.400 € bei demjenigen ankommt, der den Schnappschuss vor 40 Jahren gemacht hat. Die letzten 12 Jahre hat der Künstler sich nicht bei mir gemeldet. So lange existiert der Artikel schon. Hätte er sich gemeldet, hätte ich selbstverständlich sofort reagiert.
Spontis ohne den Blick in die Vergangenheit?
Zurück zum Blog: Ich riskiere die finanzielle Stabilität meiner kleinen Familie, indem ich mich durch meine Leidenschaft zum Ziel von Menschen mache, die im Internet Geld verdienen wollen. Egal um welchen Preis. Das kann ich mir nicht mehr leisten. Es tut mir sehr leid, aber im Augenblick sehe ich keinen anderen Weg, als alle Artikel, die sich mit alten Bildern beschäftigen, vom Netz zu nehmen.
Dabei waren genau das die Artikel, die diesen Blog ausgemacht haben. Vielleicht kann ich mit einer Analogie beschreiben, wie ich mich fühle. Nachdem man die Spontis-Orange ausgepresst hat, muss ich ihr auch noch das Fruchtfleisch herausschneiden.
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Einen wichtigen Teil von mir aufgeben? Mein kleines publizistisches Lebenswerk in die Tonne hauen und einfach nur konsumieren?
Zeitungen verschanzen sich hinter Paywalls und komplizierten Abo-Systemen, auf YouTube ertragen wir brav unzählige Werbeeinblendungen, während wir dabei zusehen, wie eine Influencerin die Augenpflegeprodukte in die Kamera hält, mit der sie sich eincremt. Auf Facebook ertrinken wir in einem Wust aus unreflektierten Meinungen und Gedanken, während uns Anzeigen zielgerichtet auf Dinge aufmerksam machen, die wir nicht brauchen. Das Internet war mal ein Platz, sich selbst zu verwirklichen – heute ist es ein Kaufhaus der Eitelkeiten.
Seit 12 Jahren warte ich darauf, dass man sich auch von der Gesetzgebung für das Internet ausspricht, doch die finden einfach keinen grünen Zweig, mit dem vermeintlichen Neuland umzugehen. Seit 12 Jahren beobachte ich, wie mit jedem neuen Gesetz unzählige Internetseiten schließen, wie jedes Verbot von findigen Anwälten dazu benutzt wird, leichtes Geld zu verdienen. Ich glaube, ich kann mich glücklich schätzen, eine Community wie Euch zu haben, die in den letzten 12 Jahren durch Ihre Beteiligung, Kommentare und Präsenz auf dem Spontis-Treffen mir immer neue Motivation geschenkt haben. Spontis ist für mich mehr, als die Suche nach Anerkennung meiner geistigen Ergüsse. Ich habe durch Euch gelernt, Euch kennengelernt, ihr habt mich beeinflusst und ich Euch. Auch wenn es jetzt furchtbar theatralisch klingt, ohne Spontis und ohne Euch, liebe Leser, würde für mich eine Welt zusammenbrechen.
Ich weiß noch nicht, ob ich die volle Summe von 1.400 € bezahlen muss. Keine Ahnung, ob meine sachlich-emotionale Antwort nicht noch mehr kaputt gemacht hat, als sie nützen sollte. Ob ich den Anwalt, mit dem ich gestern telefoniert habe, brauche, wird sich zeigen.
Update vom 06.05.2020
Den Anwalt habe ich nicht gebraucht, soviel vorweg. Allerdings habe ich mit einem kompetenten telefoniert und mir eine kostenlose Ersteinschätzung gegönnt. Die Crux ist schnell erzählt. Die Lizenzgebühren sind hoch, ob sie zu hoch sind, müsste man dann intensiv herausfinden. Natürlich nur unter kostenpflichtigem Einsatz des Rechtsanwalt und der Gefahr im Nacken, das sich letztendlich am Betrag nichts ändert und darüber hinaus noch anwaltliche Gebühren bezahlt werden müssen. Höchstwahrscheinlich hätte dann auch die Firma einen Anwalt eingeschaltet. Was für ein Zufall, dass der Geschäftsführer der Nachlizenzsierers auch gleich Teilhaber einer Anwaltskanzlei ist, oder? Und ist es noch mehr ein Zufall, dass dieser Name noch im Zusammenhang mit Abmahnwelle aus der Vergangenheit anzutreffen ist? Das der dann hauptsächlich private Blogger ins Visier genommen hatte, ist dann nur noch eine Randnotiz.
Zwischenzeitlich hatte mir die Firma ein neues Angebot gemacht, schließlich sei man sich bewusst, so die Nachricht, wie schwer die aktuelle Lage sei. Blieben 1.183 € übrig, die bezahlt werden musste. Mir wird immer noch schlecht, wenn ich daran denke, wie man mit einem 40 Jahre alten Bild, das in London vor ein Discothek gemacht wurde und das ich in einer Auflösung von knapp 500px Breite verwendet habe, Geld gescheffelt wird. Unfassbar. Und dann noch diese fadenscheinige Gelaber von „die Kunst erhalten“ – das ist die heuchlerische Krone. Herzlichen Glückwunsch!
Spontis bleibt erhalten
Nach meinem Aufruf stand die Community wieder einmal stützend zur Seite und hat nicht nur finanziell, sondern auch moralisch geholfen. Das hätte ich nicht erwartet. Aus welchen Richtungen Resonanz gekommen ist, hat mit schlichtweg umgehauen. Dank Euch konnte ich die Rechnung bezahlen!
Ich habe dieses Internetseite wieder einmal auf den Kopf gestellt und zahlreiche Artikel, die sich hauptsächlich um alte Bilder drehen, vom Netz genommen. 90 Artikel sind zur Zeit Offline und bleiben bis auf weiteres auch im Giftschrank. 413 Artikel konnte ich nach dem Entfernen von Bilder oder deren Austausch wieder Online nehmen. Leider ist es deshalb an vielen Stellen zu vielen Textwüsten gekommen, ich bitte das zu entschuldigen. In Zukunft will ich aber weiterhin am Ball bleiben und kann möglicherweise einige Artikel aus dem Giftschrank retten.
Es ist sogar noch Geld übrig geblieben, so dass ich dieses Jahr wieder ein Spontis-Magazin auf den Weg bringen kann, das ALLE Interessierten kostenlos erhalten. Ich hoffe, ich kann durch die Fortführung meiner Arbeit und das Spontis-Magazin meinen Dank zum Ausdruck bringen, ihr seid toll!
Der Spontis-Fond – der virtuelle Notgroschen
Um für die Zukunft gerüstet zu sein, habe ich mich entschlossen, monatlich einen gewissen Betrag auf die hohe Kante zu legen. Regelmäßig und aus eigener Tasche. Es kann ja nicht angehen, das die Leser für meine Fehler, Versäumnisse und Unachtsamkeiten gerade stehen müssen. Jeder Cent, den ihr mir zukommen lasst – und der nicht gebraucht wird – landet in diesem Fond. Ich muss einfach sicherstellen, dass mich solche Ereignisse nicht in eine Notlage bringen, denn soviel Macht sollte ein Leidenschaft nicht haben.
Leider bin ich mir sicher, dass findige Geschäftemacher immer neue Methoden aushecken, Blogger zur Kasse zu bitten. Wenn du im Netz publizistisch unterwegs bist, läuft das Risiko stets neben dir her. Ich werde natürlich alles mir mögliche tun, um trotzdem weiterzumachen und Euch spannenden und ansprechenden Inhalt zu präsentieren.
Oft kam der Vorschlag, mir eine Rechtsschutzversicherung zuzulegen, die das abdeckt. Allerdings ist das enorm schwierig. Denn oftmals sind Urheberrechtsverletzungen, die man auf die ein oder andere Weise verursacht hat, „grob Fahrlässig“ und daher aus dem Umfang der Versicherung ausgenommen. Ich bin aber weiterhin auf der Suche nach einem Dienstleister, der bei solchen Fällen einspringen kann.