Gothic Friday 2016: Schwarz wie Ebenholz und weiß wie Schnee (Mai)

Ganz in schwarz. Bleiche Gesichter. Toupierte Haare. Silberschmuck. Umweht von Patchouliduft.
Schlagworte, die man in Berichten zu Grufties, ob in Zeitungen oder den digitalen Medien, meist immer irgendwann zu  hören bekommt. Was sind Grufties? Diese Frage, die unsereins teilweise zu seitenlangen philosophischen, musiktheoretischen oder historischen Abhandlungen anregt, wird für Außenstehende mitunter (erschreckend?) leicht und mit eben jenen Schlagworten beantwortet: „Das sind die, die immer so schwarz rumrennen.

DaGothic-Friday-2016-Mai-Stylings ist im Prinzip auch nicht falsch. Es lässt sich nicht leugnen, dass neben der Musik, die in den Vormonaten Februar und März so intensiv diskutiert wurde, auch die Optik eine große Rolle in der Szene spielt. Sei es als Ausdruck einer gewissen Lebenseinstellung, als Abgrenzung, als Rebellion oder als Symbol der Zugehörigkeit.  Ihr werdet es euch schon gedacht haben, werte Leser und Leserinnen, im Mai dreht es sich, wie sollte es im WGT-Monat auch anders sein, alles um Äußerlichkeiten: Haarstyling, Make-up, Schmuck, Outfit…

Bevor aber jetzt eine Debatte „Oberflächlichkeit vs. Tiefsinn“ das eigentliche Thema überschattet sei folgendes gesagt: Beim Gothic-Friday geht es darum sich mit unterschiedlichen Facetten der Szene zu befassen und mithilfe von Beiträgen der Teilnehmenden verschiedene Blickwinkel zu beleuchten. Bei all dem Bla Bla um das WGT als Familientreffen und gesamtkulturelles Erlebnis, kann wohl keiner leugnen, dass auch auch um eines geht: das Äußere und dass dieses womöglich präsenter ist als sonst.

Worum geht es also?

Es geht um das optische Zelebrieren des Gruftiseins.
Beschreibt euren Stil, zeigt eure Frisur, berichtet von Make-up Pannen, teilt Tipps und Tricks für das perfekte Zerreißen von Strumpfhosen bis hin zum makellosen Siouxsie Gedächtnis Look mit der Spontis Family.

  • Wie hat sich euer Stil über die Jahre verändert?
  • Oder wie würdet ihr euch gerne herrichten, gäbe es keine Hindernisse welcher Art auch immer (vom Zeitmangel über den konservativen Chef bis hin zur nicht kooperativen/vorhandenen Haarpracht)?
  • Habt ihr Styling-Vorbilder oder Inspirationen?
  • Welche Accessoires sind unumgänglich?
  • Für alle weniger visuell Orientierten: Ist das alles überhaupt wichtig? Empfindet ihr das alles als Teil der Szene?

Das Mai Thema bietet sich zudem dafür an, nicht hauptsächlich auf Textbeiträge zu setzen. Demnach ergibt sich hier auch für schreibfaule Zeitgenossen die Möglichkeit zur Teilnahme am Gothic Friday indem primär mit Bildern oder sogar Videos gearbeitet wird. Also, durchsucht die Speicher, schnappt euch das Handy oder den Fotoapparat, durchforstet das Internet nach euren Vorbildern und zeigt eure Variante des grufigen Äußeren! Sendet Eure Texte, Bilder und Videos bis spätestens zum 27. Mai 2016 ein. Ob Ihr das per E-Mail macht oder euren eigenen Blog benutzt, bleibt Euch überlassen. Mehr Informationen zur Teilnahme findet ihr hier. Es wäre schön, wenn Ihr die Kommentare – neben möglichen Fragen – auch dazu verwendet, Eure Einsendung oder Veröffentlichung (bitte auch verlinken!) mitzuteilen.

Adam Usi – Interpretationen seiner Wahrnehmung

Nicht nur die große Bandbreite an kleinen Festivals zeigt: die Szene lebt, sondern auch die Fülle an aktueller dunkler Musik. Meine ganz persönlichen Klangperlen gebe ich hiermit einen Raum. Wer jetzt eine musikwissenschaftlich fundierte Kritik erwartet oder eine objektive Diskussion der modernen Klangkünstler oder zumindest eine basale Grundlage an musikalischen Ausdrücken darf jetzt oben rechts auf das kleine x klicken, zehn Jahre musikalische Erziehung haben sich leider nicht wirklich in meine Erinnerung eingeprägt – subjektiv und emotional ist die Devise. Und bitte, wer steht schon auf der Tanzfläche und denkt, dass das jetzt sehr sotto voce gesungen und allgemein sehr grave war?

Der Synthesizer spinnt ein sanft gleitendes Klangbild, fast wie Blätter im Wind wehen die Töne davon eine neblig-melancholische Ferne. Adams markante Stimme, in die er alles legt, was aus seinem tiefsten Inneren hervorzukriechen scheint, entfesselt dunkle Schwere:

„Where girls are turned into addicts, where dead kids play with mud and pricks, anxiety and cancer grows”

Adam Usi Ich schließe die Augen und beinah kann ich den Rauch der Nebelmaschine riechen, die flackernden Lichter der Tanzflächenbeleuchtung sehen oder den Duft und das flackernde Licht von Kerzen vernehmen, die einem dunklen Raum einen gemütlich-mystischen Touch verleihen. Mit tiefer Stimme im Outro gleitet das Lied davon. Nausea calls“

Wie ich auf Adam Usi aufmerksam wurde kann ich zugegebener Maßen nicht mehr wirklich rekonstruieren, ich schätze eine der vielen Facebookseiten, die ich besuchte brachte mich auf den Pfad. Was ich noch weiß, ist dass das erste Lied, dass ich hörte Réumah war. Dessen tief und kurz, abgetrennt wirkenden Töne scheinen einen immer weiter in die Düsternis zu ziehen. Immer eindringlicher und fordernder bis sie von der Synthesizer-Welle hinfort getragen werden und Adam’s tiefe Stimme in den Fluss mit einströmt:

„I was going too far ­ things just disappeared ­ lost my self control, I can take all of that ­unresponsible, please just crush my head”

Gänsehaut, Melancholie. Leere. Depression. Die fundamentalen Zerwürfnisse des Seins.

Adam Usi auf der BühneMusik (hören) war für Adam schon immer bedeutend, da lag das selbst machen nicht mehr sonderlich fern. Dem Spaß am Singen entwuchs die erste Band und die musikalische Reise durch Indie, Pop, Punk und Post Hardcore endet in den jetzigen dunklen Klängen und dem ersten Solo Projekt Adam Ùsi.

Es beginnt mit einer „interessanten Melodie, die sich in den Gehörgang bohrt“ – zu den unmöglichsten Zeiten in den unmöglichsten Orten – Harmonien, Stimmen, Text, all das kommt dann ganz von alleine. Der Inhalt, so Adam, muss den Klang unterstützen, dass diese authentisch und gut werden kann. Gut ist sie dann, wenn sie ihm selbst gefällt, auch wenn Kritik und Zuspruch wichtig sind. Um was es geht? Authentizität. Um Ausdruck: von Sensibilität, Weltschmerz, Ärger, Ängsten und Missständen: Musik ist das Ventil

Zu den tiefsten Gefühlen zählen meiner Meinung nach Traurigkeit und Melancholie. Vermutlich liegt das an meinem Wesen, aber Glück und Freude sind für mich schon immer temporär gewesen und damit uninteressant. Ich glaube in der schwarzen Szene für meinen Anspruch eine gute Plattform gefunden zu haben für das, was ich kann und vor allem machen möchte.

Adam Usi CoverAdam selbst beschreibt seine Musik als Spiegel und Ventil seiner Emotionen. Sensibilität, Weltschmerz, Ärger, Ängste, politische und private Missstände, all das packt er in seine Musik: „Es geht darum authentisch zu sein und zu bleiben“

Was mir neben der Eindringlichkeit der Musik und der Texte immer wieder auffiel war das Spiel mit Symbolik, Bildern, Videosequenzen und hebräischen Schriftzeichen, die dem Ganzen für mich einen mystischen und vemehrt artistischen Touch geben. Ganz Künstler sagt Adam: „Zu den Texten und auch der Symbolik möchte ich allerdings gar nicht zu viel sagen. Ich finde die Musik sollte viel mehr für sich sprechen.“ Nur so viel: Judentum und Holocaust zählen zu seinen Interessen und auch familiär ist er von der Sache nicht unberührt. Sein Großvater war jüdischer Exil-Ungar.

Ich versuche mit dieser Thematik zu spielen, immer wieder zu vergegenwärtigen wie Menschen handeln können, was Politik und Propaganda anrichten können.

Zu seinen Vorbildern dazu nennt er Paul Celan und Emanuel Ringelblum. Letzterer war Bewohner des Wahrschauer Ghettos. Statt vor der gezielten Aushungerung durch die Nationalsozialisten zu kapitulieren, wand er sich der Kunst zu. An seine Mitgefangenen appellierte er die Werke von jüdischen Gefangenen zu sammeln, Texte, Bilder, Fotographien, was es auch war. Die Menschen verhungerten, doch sammelten sie die Kunst ihrer Leidensgenossen – „Wir schreiben unsere Geschichte selbst“ so ein zugeordnetes Zitat.

Und das ist das was auch Adam Usi mit seinem Projekt tut. Die Interpretation seiner Wahrnehmungen und Gefühle in Töne gepackt für die Mitmenschen. In ihrer eigenen Sprachen, zur eigenen Interpretation.

Übrigens Adams erste LP Vakuum Mirage mit neun Songs erscheint am ersten September bei Young and Cold Records
Und wen es beruhigt: auch Adam kann keine Noten lesen…

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Resümee April: Gothic und Beruf können zusammengehören, müssen es aber nicht

Als allererstes möchte ich mich bedanken! 21 Leute haben am Gothic Friday im April teilgenommen (dazu kommen noch Shan Dark, die bereits 2013 einen Artikel zum Thema auf ihrem Schwarzen Planten veröffentliche und meine Wenigkeit) und nur eine Person davon musste ich zwingen motivieren doch auch mitzumachen. Damit macht ihr mir und dem gesamten Gothic Friday Team viel Freunde und viel Arbeit. Zudem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass diese rege Teilnahme unseren geschätzten Robert wohl am meisten überrascht hat.

Grufti Berufe

Gruftis und Gruftis, das scheint zusammen zu passen, also Gruftis aka Gothics und Gruftis aka Senioren. Vier der 23 Teilnehmer sind haben eine Ausbildung zum Altenpfleger oder sind in der mobilen Seniorenbetreuung. Zwei weitere lassen sich, als Erzieherin und Sozialarbeiterin ebenfalls dem Sektor Soziale Berufe zuordnen. Tanzfledermaus ortet ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Gothics und Sozialen Berufen und erklärt diesen in einem ihrer Kommentare wie folgt: „Sie fühlen selbst intensiv und sich daher gut in andere ein. Sie wollen die Gesellschaft, die sie in vielen Punkten kritisch betrachten, so weit es geht ein bisschen besser machen, ohne dabei laut zu werden und auf die Straße zu gehen. Eher im Stillen, Alltäglichen, wie auch schwarze Kleidung für viele eher ein stiller Protest ist.

Welche Berufe üben die Spontis Leser noch aus?

Drei davon studieren, Rechtspsychologie, Visuelle Kommunikation und Geographie. Zwei sind Sekretärinnen. Eine ist Fachinformatikerin und ein anderer IT Fachmann mit Schwerpunkt CRM Software. Weitere Teilnehmer sind im Online Marketing oder als Online Redakteurin tätigt bzw. arbeiten im Kundenservice. Eine ist Werbeentwicklerin, eine gelernte Schauwerbegestalterin, wobei sie momentan als Köchin arbeitet und einer verdient sein Geld als selbstständiger Künstler. Des Weiteren befinden sich unter den Verfassern der Artikel ein Lokführer, ein Privat-Dozent, eine Rechtsanwaltsfachangestellte, eine Archäologin und ein Research Assistent.

Die beruflichen Werdegänge sind höchste unterschiedlich. Manche, wie Regin Leif, hatten von Kindheit an einen Traumberuf und arbeiten nun tatsächlich in diesem. Andere, wie Tanzfledermaus haben einen „Zickzack-Kurs“ beschritten und viel ausprobiert.

Hervorheben möchte ich, dass durchwegs eine hohe Zufriedenheit im Beruf geäußert wurde. In den allermeisten Fällen scheint der Beruf auch eine Berufung zu sein, eine Tätigkeit, die zwar immer wieder neue Herausforderungen mit sich bringt, aber prinzipiell gerne ausgeübt wird.

Wie Gothic und Beruf verbunden werden

Fledermama - Telefongrufti
Fledermama aus Shanghai: „Ich bin Goth und ich habe einen Beruf. Punkt.“

Ob sich Gothic und Beruf verbinden lassen und ob eine solche Verbindung wünschenswert ist, darüber sind die Teilnehmer des Gothic Friday geteilter Meinung. Während einige strikt zwischen Gothic und Beruf, zwischen Arbeit und Freizeit unterscheiden sehen andere die Verbindung als ganz natürlich an. Manche sehen das Thema sehr rational, wie etwa Fledermama: „Ich bin Goth und ich habe einen Beruf. Punkt.“ Andere betrachten es eher emotional, wie beispielsweise Zaeddyst, der die Auffassung vertritt, dass, wer sich im Berufsleben genauso zeigen und geben kann wie er ist entspannter und glücklicher ist. Stoffel betrachtet die Materie differenziert und gibt zu bedenken, dass es von mehreren Faktoren abhängt, ob und wie sich Gothic und Beruf verbinden lassen, etwas von der eigenen Persönlichkeit, dem Arbeitgeber und dem gewählten Beruf. Guldhan nimmt sich bei der Beantwortung dieser Frage dezidiert heraus: „Die Beantwortung der Frage überlasse ich den Gothics.“ Regin Leif nennt Gothic zwar ihren Lebensstil, gibt aber zu, dass sich auch ihr die Frage nie stellte. Bei ihr liegt das allerdings daran, „dass Szene und Beruf bei mir sich wirklich gut miteinander verbinden lassen und ich mir da auch nie wirklich viele Gedanken dazu gemacht habe und machen musste.“

Die Altenpflegerin Mia gehört zu denjenigen, die Gothic und Beruf strikt trennen. Angefangen damit habe sie unbewusst, mittlerweile macht sie es allerdings bewusst. Genauso hält es auch GM, die als Sekretärin arbeitet: „Mein Privatleben trenne ich strikt von der Arbeit, ohne jedoch meine Persönlichkeit an der Eingangstür anzugeben.“ Auch Simagljubka nimmt das Gruftisein am liebsten nicht mit in die Arbeit, um diese nicht zu stören und um nicht allzu viele Fragen von Kollegen zu provozieren. Arbeit soll seiner Meinung nach primär Geld einbringen und nicht zwingend zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse dienen. „Mit dieser Einstellung fahre ich nicht immer ganz angenehm und sie schränkt mich fast immer auch ein, doch für das Zusammenleben in der Arbeitswelt hat sie sich als sehr brauchbar erwiesen.“ Auch für Mone vom Rabenhorst ist das Büro eine „andere Welt“, wo sie das Geld verdient, mit dem sie sich ihre Welt außerhalb der Arbeit gestalten kann. Auch für Svartur Nott gehört Gothic in den Freizeitbereich: „Gothic ist Interesse und Leidenschaft, gehört damit in den Bereich der Freizeit bzw. Nicht-Arbeitszeit.

Für Fledermama haben Gothic und Beruf grundsätzlich nicht viel miteinander zu tun, da ihr Beruf nur ein Teil ihres Lebens ist und den Bereich der Freizeit nicht beeinflusst. Dass man sich einen Beruf aussucht, der zur eigenen Person passt und mit dem eigenen Lebensstil sowie als möglich kompatibel ist betrachtet sie als selbstverständlich. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und persönlichen Vorlieben ist somit keine Gothic spezifische.
Jana Strangeplant, die Rechtsanwaltsfachangestellte pflichtet Fledermama insofern bei, als dass sie sagt, dass (ihr) Beruf mit Gothic nichts zu tun hat. „Und dennoch funktioniert es für mich miteinander.“ Sich selbst in der einen wie in der anderen Welt, innerhalb und außerhalb des Büros treu zu bleiben ist ihr wichtig: „Ich kann mir nicht vorstellen, in Job und Privatleben unterschiedliche Personen zu verkörpern.

Guldhan - Dozent
Guldhan vom Blog Opus-Mentis ist Dozent an der TÜV-Akademie und

Am anderen Ende des Spektrums findet sich unter anderem Diana. „Mir ist das schon wichtig, den ich BIN schwarz. Durch und durch. Ich möchte auch Kleidungsmäßig das tragen, was ich möchte. Und das ist nun mal schwarz.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, meine Szenezugehörigkeit zur Gothic-Szene an einer Einrichtungstür abzulegen, innerlich wie äußerlich.“ Auch für die Fachinformatikerin Traumverliebt gehören Gothic und Beruf zusammen, da sich diese beiden Komponenten quasi in ihrer Person vereinigen. „Gothic ist ein Teil von mir, ich bin einfach eine Gruftschnecke. Das hört nicht auf, wenn ich mit morgens an der Zeiterfassung einbuche.“ Für Zaeddyst, den Künstler geht „das Ganze sehr fließend ineinander über, da meine Kunden zum allergrößten Teil aus der schwarzen Szene stammen.“ Für ihn müssen Szenezugehörigkeit und Beruf bis zu einem gewissen Grad kompatibel sein, damit er sich wohl fühlt. Ronny identifiziert Ähnlichkeiten zwischen seinem Beruf des Altenpflegers und der Szene, da er sich hier wie dort mit dem Thema der Vergänglichkeit auseinandersetzt.

Manchmal sind Szenezugehörigkeit und Arbeit auch auf andere Art und Weise verbunden, in dem Sinne, dass eines zum anderen geführt hat. Dies funktioniert, wie die Teilnehmer des Gothic Friday beweisen in beide Richtungen. Morella, die Rechtspsychologiestudentin hat beispielsweise über die Szene zu ihrem Studium gefunden. „Ich denke, dass meine Erfahrungen in der „Gothicszene“ (Irgendwie sind wir so gleich und doch so anders) nun ausschlaggebend dafür waren, dass ich anfing, mich besonders für das Thema Mensch und all seine Facetten zu interessieren.“ Diana hingegen fand über ihre Arbeit als Erzieherin, genauer gesagt über einen Jugendlichen, der in der Wohngruppe lebte, in der sie arbeitete, zur Szene. Ralf, der Lokführer, fand ebenfalls erst zur Szene als er bereits begonnen hatte ins Berufsleben einzusteigen, durch den Austausch mit anderen Lehrlingen.

Welche Abstriche in Kauf genommen werden

Shan Dark - Buisness Look
Shan Dark vom schwarzen Planeten: „Haare. Auch im Job geht da einiges und man kann Akzente setzen. Meine Faustregel seit Jahren: Hingucker ja, Schocker nein.“

Die meisten haben absolut kein Problem damit Kompromisse einzugehen, dem Chef ein Stück weit entgegen zu kommen, für Hygiene- und Sicherheitsvorschriften auf bestimmte Schmuckstücke zu verzichten, hin und wieder Farbe zu tragen oder sogar eine Uniform anzulegen. Dennoch wird auch oft auf persönliche Grenzen und No-Goes verwiesen, die interessanterweise oft mit den Haaren zu tun haben. Shan Dark erkannte in ihrem Artikel somit ganz richtig, dass Haare für Grufties schon immer wichtig waren.

Einige Teilnehmer erwähnen, dass sie, seit sie beruflich aufpassen müssen was sie anziehen, es umso mehr genießen sich in ihrer Freizeit ausleben zu können. „Umso dringender habe ich immer auf Phasen der Freizeit gewartet wo ich all diesen Überlegungen deutlich weniger unterworfen war.“ Schreibt Simagljubka und Cookie mutmaßt, dass sie unbewusst privat etwas nachholen muss und daher ihr Freizeitoutfit wieder dunkler geworden ist.

Shan Dark gibt in ihrem Artikel Survival Tipps für berufstätige Grufties. Das Motto dabei lautet: „Reduce tot he max.“ Ergo: „Reduziere Deinen Stil zu Beginn auf ein Minimum, mit dem Du Dich noch wohl fühlst, aber die neuen Kollegen nicht mit Dir selbst überforderst.

Dass Kompromisse gemacht werden müssen sehen die meisten entspannt, da es zum Berufsleben dazugehört sich optisch bis zu einem gewissen Grad anzupassen bzw. auf praktische Kleidung zurückzugreifen. Guldhan weist in seinem Artikel darauf hin, dass das Beharren auf die eigene Individualität im beruflichen Umfeld zu Spannungen führen kann, die nicht ein jeder aushalten kann oder will, weshalb man sich darauf gefasst machen sollte Abstiche machen zu müssen. „Denn das der Mensch nun einmal die Sympathiefrage, in erster Instanz, den Registern der Oberflächlichkeit unterwirft, dürfte nicht das größte Geheimnis sein. Und ist in Sachen Job oder Beruf recht deutlich anhand der Debatte zum Thema »Passbild bei Bewerbungen« zu erkennen.

Fledermama hat zum Thema einen pragmatischen Zugang: „Wenn mein Beruf einen Dresscode erfodert – sei es Anzug und Schlips, Uniform oder Laborkittel oder sonstwas – dann ist das halt so!“ Trotzdem würde sie inzwischen keine Abstriche bei ihrem Äußeren mehr in Kauf nehmen. Sie hat bunte Haare, trägt schwarze Kleidung und versteckt weder ihre Tattoos noch ihren Sidecut: „Und wenn ein Arbeitgeber damit ein Problem hat, dann ist es nicht der richtige Arbeitgeber für mich.“ Früher war das noch anders, da sei sie zum Vorstellungsgespräch im mintgrünen bzw. roten Hosenanzug erschienen. Diana hat ebenfalls darauf geachtet beim Vorstellungsgespräch weniger schwarz zu tragen als sonst.

In Punkto Vorstellungsgespräch rät Shan Dark „auf jeden Fall das anzulegen, worauf du an dir selbst auf keinen Fall verzichten möchtest, wenn du die Stelle bekommst.“ Denn „es ist falsch, total stino zum Gespräch zu gehen und dann in der ersten Arbeitswoche den Obergruftie raushängen zu lassen. Das ist nicht ehrlich, nicht authentisch und verprellt nur die Leute.

Wer sich gar nicht anpassen muss sind Zaeddyst, der Künstler und die Studenten, Morella, Magister Tinte und Svartur Nott. Sie alle genießen die Freiheit sich genauso zeigen zu können wie sie sich am wohlsten fühlen. Auch Tanzfledermaus musste, als sie noch in der Kreativbranche tätig war selten darauf achten was sie trägt, da dort, wie sie sagt ein individuelles Outfit durchaus gerne gesehen wird. In der Archäologie geht es auch entspannt und düster zu, da sich dort laut Regin Leif genug „Freaks“ rumtreiben.

Stoffel an ihrem Arbeitsplatz
Stoffel arbeitet zwar von zu Hause, muss aber regelmäßig ins Büro: „dadurch wurden die „Bürotauglichen“-Klamotten hervorgekramt, im freundlichen Schwarz versteht sich.“

Minimal anpassen müssen sich Cookie, Shan Dark, Diana oder GM. Sie tragen in der Arbeit größtenteils, aber nicht ausschließlich schwarz, schminken sich dezent und achten darauf, dass der Schmuck niemandem in die Quere kommt. Mone vom Rabenhorst betrachtet ihre „entschärften“ Klamotten als Berufskleidung und besitzt zudem „Büro-Pikes.“ Gewisse Kleidungsstücke sind für sie No-Goes: „Ein Kostüm mit hohen Schuhen oder sowas würde ich jedoch nie anziehen. Dann würde ich doch eher den Job wechseln, denn darin würde ich mich definitiv unwohl fühlen. So viel Geld könnte man mir gar nicht bezahlen.“ Ähnlich sieht es Seniorenbetreuerin Anna, die sich in bestimmten Sachen schlicht nicht wohlfühlen würde: „Müsste ich morgens mit Püntkchenrock und Blümchenbluse in Pastellpink aus dem Haus, wäre der Tag für mich gelaufen und genau das würde ich dann wohl auch ausstrahlen.“ Stoffel bezeichnet die Wahl von Kleidung oder Schmuck für das Büro als „Drahtseilakt“ zwischen dem, was sie gerne tragen würde und dem was von Seiten der Firma verlangt wird.

Fogger erzählt als einziger von Kompromissen abseits von Äußerlichkeiten. Der IT-Fachmann muss nämlich vor allem darauf achten was er auf Facebook postet und für wen welcher Post dort sichtbar ist, da sich dort sowohl Arbeitskollegen als auch Freunde aus der Szene tummeln.

Arbeitskleidung tragen müssen die Altenpfleger unter den Teilnehmern, welche in ihrem Fall weiß ist. Die Fachinformatikerin Traumverliebt muss Sicherheitsschuhe tragen, Lokführer Ralf muss sich an die Kleidervorschrift, gelbe Sicherheitsjacke und Helm halten.

Guldhan und Tanzfledermaus haben ebenfalls bereits Erfahrungen mit dem Tragen einer Uniform gesammelt. In Guldhans Fall war diese blau, weiß oder türkis und sah, wie er zugibt, scheiße aus. Heute, als Privat-Dozent ist er froh um das Privileg „unzensiert“ auftreten zu können und sich dabei keine Sorgen um eventuelle Konsequenzen machen zu müssen. Tanzfledermaus musste, während sie in einem Bioladen gearbeitet hat, eine neongrüne Uniform tragen, eine Erfahrung die sie als „grenzwertig“ beschreibt. Inzwischen ist sie als Köchin tätigt, wobei schwarze Kleidung kein Problem darstellt. Diese fällt in ihrem Fall zumeist unspektakulär aus: „Da ist mir etwas mehr Schlaf mittlerweile wichtiger als äußerliche Selbstverwirklichung.“ Des Weiteren schreibt sie: „Ich für meinen Teil kann mit Kompromissen in Bezug auf Arbeitskleidung leben, sofern mir eine gewisse Narrenfreiheit in Sachen Frisur und Haarfarbe gewährt wird.

Frisur, Haare, Haarfarbe – das sind die Bereiche in denen die wenigsten bereit sind sich auf Kompromisse einzulassen. Viele haben bunte Haare oder einen Sidecut, der mal versteckt, wie im Fall von Shan Dark oder Mone vom Rabenhorst, mal offen, wie beispielsweise bei Feldermama getragen wird. Sogar Guldhan, der es für lächerlich hält sich aufgrund von Kleinigkeiten wie der Farbe der Hose oder eines Armbandes die Chance auf Arbeit zu verspielen, beschreibt sich in einem Punkt als radikal: Niemals kann er sich vorstellen sich dauerhaft den Bart komplett zu rasieren. Er könnte, wie er schreibt „wohl auch wahnsinnig genug sein, damit eine berufliche Zukunft oder gar Karriere zu verweigern. Denn ganz ehrlich, was nützt schon Karriere, wann man sich dafür nicht mehr im Spiegel betrachten kann.“ Svartur Nott meint zwar nicht die Haare im Gesicht, sondern die auf seinem Kopf, schließt sich aber ansonsten Guldhan an: „Wenn man mir beispielsweise damit kommen würde, ich solle doch bitte meine Haare kurz schneiden lassen (sie sind aktuell ziemlich lang), wäre das für mich ein NoGo.“ Mia, an deren Sidecut sich bis dato noch niemand gestört hat, empfände es als lächerlich wegen ihrer Frisur nicht eingestellt zu werden. Shan Dark empfiehlt bei Haaren das Motto: „Hingucker ja, Schocker nein.

In den meisten Fällen sind bunte Haare für niemanden ein Problem. Wobei manche Chefs bei diesem Thema ganz klare Vorstellungen zu haben scheinen. So wurde etwa Mone vom Rabenhorst aufgefordert ihre Haare bloß nicht blau zu färben. Anna hingegen erzählt, dass sich die Leute über „Farbtupfer“, sei es in Form von Haarfarbe oder in Form von Tätowierungen freuen würden.

Die Reaktionen der anderen

Wie eingangs bereits erwähnt sind die meisten Teilnehmer des Gothic Friday mit ihrem momentanen Beruf zufrieden. Das liegt mitunter auch daran, dass sie sich dafür nicht großartig verkleiden und verbiegen müssen und auch kaum negative Reaktionen, sei es von Kunden, Kollegen oder Chefs bezüglich ihres Auftretens bekommen. Negative Reaktionen kamen zumeist von einer bestimmten Person und nicht beispielsweise von Kollegen oder Kunden allgemein. Zum Großteil wird den Grufties im Job Interesse entgegen gebracht und diese scheuen sich nicht davor ihre Szene zu erklären, Bands vorzustellen oder selbstgenähte Kleidung zu präsentieren. Akzeptanz ist zumeist kein Problem.

Shan Dark, Mia, Diana, GM und Ralf haben in ihrer beruflichen Laufbahn allerdings auch schon schlechte Erfahrungen gemacht.

Shan berichtet folgendes: „Ich kannte mal einen Abteilungsleiter in der IT, mit dem ich öfters mal zu tun hatte und der sich immer abweisend und mürrisch mir gegenüber verhielt.“ Später fand sie heraus, dass er sich deshalb so verhielt, weil er ihr, die ihr übertragenen Kompetenzen aufgrund ihres Äußeren nicht zutraute. Mia berichtet von einer Bewohnerin, welche die Pflege durch sie verweigerte, da sie sich an ihrem Aussehen störte und Diana wurde in der Probezeit gekündigt, da ihre Chefin, die früher selbst schwarz gewesen ist, ihre gruftige Kleidung als Zeichen dafür, dass Diana eben noch nicht erwachsen war, angesehen hat. GM muss sich zeitweise mit „dümmlichen, unreflektierten Fragen“ auseinandersetzen. Kollegen geben ihr ungefragt Stylingtipps, fragen ob Kirchen durch Gruftis entweiht werden oder halten sie für eine Domina. Ralf musste mehrere Gespräche mit seinem Dienststellenleiter und seinem Personalchef führen, wobei es vor allem um sein Erscheinungsbild ging. Wirklich ergiebig waren diese Gespräche allerdings nicht: „Auf die Beantwortung meiner Frage, ob es eine Farbvorschrift für Haare oder das Erscheinungsbild geben würde warte ich bis heute.

Die positiven Reaktionen umfassen interessiertes Nachfragen, beispielsweise zu Tattoos oder Bands und Komplimente zu Frisur und Outfit. „Meist ist auch das Interesse an der Szene größer als die Abneigung.“ Meint Regin Leif, wenn sie mal wieder von Kollegen ausgefragt oder von Kunden beäugt wird. Manchmal führt ein schwarzes Outfit auch zu netten Assoziationen und Spitznamen. Die Kinder, mit denen Diana arbeitet mögen ihr Aussehen etwa, weil es sie an Piraten erinnert und die Kollegen in Mones Büro nennen sie „Schwarze Hexe“, aber auch „Engelchen.“

Marion Levi - Gothic Friday
Marion Levi: „…ich genieße die relative Freiheit nicht großartig zwischen Arbeits- und Freizeitkleidung unterscheiden zu müssen.“ Marion ist Mitglied des Gothic-Friday Teams und hat sich diesem April-Thema gewidmet.

Einige haben die Erfahrung gemacht, dass ihr alternatives Aussehen ihnen dabei hilft, mit Kunden in Kontakt und ins Gespräch zu kommen. Anna hat beobachtet: „Das Interesse ist immer riesig und es gibt immer ein Gesprächsthema.“ Simagljubka beschreibt: „Weder KooperationspartnerInnen noch Versuchsteilnehmer haben sich jemals kritisch geäußert oder verhalten, im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, dass sie sich so schneller geöffnet haben als ich das sonst erwartet hätte und die Zusammenarbeit besonders angenehm war.“ Auch Ralf hat in diese Richtung gehendes erlebt. Ihm fiel auf, dass wenn er mit Kollegen in einer Gruppe zusammenstand meist er derjenige war, der von den Reisenden angesprochen und um Auskunft gebeten wurde.

Summa summarum

Im Endeffekt bringt es Svartur Nott auf den Punkt: „Gothic und Beruf können zusammengehören, müssen es aber partout nicht.“

Viele haben in ihren Artikeln oder Kommentaren zum Ausdruck gebracht, dass sie sich anfangs unsicher waren, ob sie denn überhaupt etwas zum Thema „Gothic und Beruf“ beizutragen hätten. Diese Unsicherheit resultierte möglicherweise daraus, dass viele ihre Geschichten und ihren beruflichen Werdegang nicht als interessant genug, ergo nicht als erzählenswert empfunden haben. All die eingegangenen Artikel beweisen das Gegenteil und ich freue mich, dass sich so viele dazu entschlossen haben ihre Erfahrungen mit der Spontis Family zu teilen. Ich war überrascht über die Vielfalt der Berufe und fand es immer wieder schön zu lesen, wie alle ihren Weg gegangen sind und dass sie etwas gefunden haben das sie gerne tun und das sich auch, mal mehr mal weniger mit ihrer schwarzen Lebensweise vereinbaren lässt.

Spontis Family Treffen 2016 auf dem 25. WGT in Leipzig

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Abgesehen davon sind die eingetroffenen Eintrittskarten auch die Gelegenheit, das alljährliche Spontis-Family-Treffen anzukündigen, das zum 25. Jubiläum des WGT bereits zum 6. mal stattfindet. Jeder, der Spontis aus welchen Beweggründen auch immer, interessant findet, ist eingeladen, sich am Montag, dem 16. Mai 2016 ab 14:00 zu einem zwanglosen Treffen im Park hinter der Moritzbastei in Leipzig einzufinden. Wir freuen uns über jeden unangekündigten und angekündigten Menschen, denn jeder ist dazu eingeladen, die Leute hinter den Kommentaren und Artikeln kennen zulernen. Es gibt keinerlei Verpflichtungen, es kostet nichts und ein Festivalbändchen ist auch nicht notwendig. Facebooker können ihre Absicht auf einer entsprechenden Veranstaltungsseite bekunden, eine Anmeldung ist jedoch zum Besuch des Treffens nicht zwingend erforderlich.

Spontis-Family-Treffen Google-EarthWas wird geboten?

  • Gruftis aus ganz Deutschland, die auf ähnlicher Wellenlänge zwischen Melancholie und Heiterkeit schweben.
  • Der kostenlosen und obligatorische Button zum Spontis-Family-Treffen 2016, der in diesem Jahr von Sabrina Handt in umwerfender Art und Weise gestaltet wurde.
  • Das mittlerweile legendäre, streng limitierte (100 Exemplare) und höchst informative Spontis-Magazin 2016, das – ja, tatsächlich! – bereits fertig gedruckt ist.
  • Die unbezahlbare Möglichkeit, Kontakte aus dem virtuellen in das echte Leben zu überführen.
  • Kekse, weil man auf der dunkle Seite des Lebens immer Kekse haben sollte.
  • Eine unvergessliche Erinnerung und eine Hommage an die Wurzeln der Szene in Form einer Teilnahme am größte Pikes-Sitz-Kreis des WGT.

Was musst Du mitbringen?

  • Ein Decke oder Sitzunterlage, je nach Witterung auch einen Regenschirm
  • Verpflegung in Form von Getränken
  • Unvoreingenommenheit und Neugier
  • Wenn vorhanden: Deine Foto- oder Videokamera und die Lust das Geschehen und die Menschen zu dokumentieren

Wegbeschreibung für Erstbesucher

Das Treffen findet im kleinen Park hinter der Moritzbastei (auf der Karte rechts oben) statt, also direkt im Zentrum von Leipzig. Von der Innenstadt kommend lasst ihr die Moritzbastei links liegen bis ihr an der Kreuzung Schillerstraße/Universitätsstraße steht, hier könnt ihr den Park bereits sehen. Ihr geht ein Stück links und folgt dem ersten Weg durch den Park (die Moritzbastei liegt in Eurem Rücken). Habt ihr die Gabelung erreicht, solltet ihr einen großen Baum sehen unter dem ein paar Menschen herumstehen oder rumsitzen. Das sollten wir sein. Von der Haltestelle der Tram (auf dem Bild der linke Startpunkt) ist es ebenso leicht. Nehmt einfach die Linie 11 von der Agra oder vom Hauptbahnhof aus und merkt euch die Haltestelle “Wilhelm-Leuschner-Platz”. Ihr überquert die Ampel am Ende der Haltestelle (bei Grün) und folgt dem kleinen Weg in den Park um dann gleich rechts über die Wiese zu laufen und unter dem großen Baum die netten Menschen zu treffen. Die unmittelbare Nähe zum HBF und auch im Umfeld befindliche Parkplätze machen es sogar möglich, das Treffen

Hinweise

Das Treffen findet bei jeder Witterung statt, obwohl wir natürlich hoffen, dass es so schön wird, wie in den vergangenen Jahren. Sollte sich dennoch etwas ändern, wir darüber HIER (und bei FB) informiert. Uns ist bewusst, dass wir nicht jedem gerecht werden können und garantiert mit der Terminplanung (wenn der Programmplan des WGT erscheint) des ein oder anderen kollidiert. Jeder ist willkommen, egal ob man nur 10 Minuten bleibt oder länger verweilt, was ich persönlich natürlich hoffe. Da dies ein öffentlicher Park ist, bitte ich um Rücksicht auf Mitmenschen, Stinos, Umwelt und Natur :-)

Gothic Friday April: Stadt Land Fluss? (Svartur Nott)

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Das ist ja wohl das Letzte! Richtig. Der Artikel von Svartur Nott, selbst ein Mitglied des Gothic-Friday-Teams, ist der letzte Teilnehmer des April-Themas. Nach anfänglichem Zögern haben sich (sehr zu meinem Erstaunen) immer mehr Leute angesprochen gefühlt, einen Beitrag einzureichen, was mich sehr freut. Svartur ist noch auf dem Weg der Bildung und beschäftigt sich vornehmlich mit unserer Landschaft. Irgendwie jedenfalls. Noch genießt er das Studentenleben hinsichtlich seines Äußeren, ist aber durchaus bereit, Abstriche zu machen, wenn der „Ernst“ des Lebens beginnt.

Welchen Beruf strebe ich an?

Ich bin Geograph, bzw. Student der Geographie mit naturwissenschaftlicher Ausrichtung. Falls jetzt jemand das Gesellschaftsspiel, welches ich als Aufhänger genommen habe, im Sinn hat, dem möchte ich die Ansicht etwas geraderücken: Geographen beschäftigen sich mit dem System Erde und wie es in Beziehung mit dem Menschen funktioniert. Es gibt eine sozialwissenschaftliche Ausrichtung, die Humangeographie, welche sich beispielsweise mit Stadtplanung, Landesplanung, Infrastruktur, Geldströmen, Geopolitik und dem teils abstrakten Raum-Begriff etc. befasst.

Auf der anderen Seite steht dann die Naturwissenschaftliche Ausrichtung, die Physische Geographie. Da geht es um Landschaften & ihre Entwicklung, Geologie, Böden, Hydrologie, Klima, Vegetation, und vieles, vieles mehr. Ein wichtiges Werkzeug sind Karten, welche für Analysen genutzt, aber auch selbst mithilfe von Geographischen Informationssystemen (kurz: GIS) zur Darstellung von Sachverhalten erstellt werden. Dies als knappe Erläuterung, damit der Leser ungefähr eine Vorstellung hat, womit ich mich beschäftige.

Dieses Studium habe ich seinerzeit gewählt, da ich wissen wollte (und will), wie die Welt, in der ich lebe, funktioniert. Ich war seit jeher fasziniert von der Vielfalt, die unsere Erde und das Miteinander uns bietet, wollte hinter die Kulissen schauen und nicht nur die Fassade betrachten. In die Richtung getrieben bin ich wohl schon in früher Kindheit: Zu Beginn des Lesen-Lernens schenkten mir meine Eltern einen großen dicken Weltatlas, welcher wohl im Nachhinein gesehen, wegweisend war (Die Bilder darin waren einfach klasse). Generell bin ich schon immer gerne im Grünen gewesen, habe mich in Wald und Wiesen herumgetrieben (Berge gabs bei mir in der Heimat keine, höchstens kleine Hügelchen) und kenne quasi jede noch so unzugängliche Ecke im Umkreis von 20 km um meinen damaligen Wohnort. In der Schule habe ich, wenn es langweilig wurde, Karten über Karten gemalt , was die Lehrer größtenteils hinnahmen (manche Kunstwerke besitze ich heute noch), nur der Geographie-Unterricht war IMMER interessant – was sicher nicht zuletzt an den kompetenten Lehrern lag. Und als die Schule vorbei war, habe ich mich umgesehen, was ich mit meinen Fertigkeiten anfangen kann. Ich wollte irgendetwas machen, was all meine diversen Interessengebiete möglichst vereinen sollte. Ausbildungen gaben mir diese Möglichkeit nicht, so lief es rasch auf ein Studium hinaus und die Wahl fiel mir nicht schwer. Neben Geschichte und Politikwissenschaften war eben die Geographie meine Wahl. Auch deshalb, weil der Matheanteil – zumindest dachte ich das damals – relativ gering ist.

Nach Jahren des Studiums schreibe ich nun aktuell an meiner Masterarbeit. Was danach kommt:  Arbeit. Notfalls irgendwo, deutschlandweit. Auch wenn es dann hieße, liebgewonnene Menschen zurücklassen zu müssen, ich kann da nicht sehr wählerisch sein und will ja schließlich mal nicht mehr nur von der Hand in dem Mund leben. Als Geograph ist man eine Art Generalist, man hat in Vieles schon einmal reingeschnuppert, was von Vorteil sein kann. Ein Nachteil ist jedoch, dass die Berufsbezeichnung extrem selten genutzt wird, passende Stellen häufig über andere Berufsbezeichnungen laufen (bspw. Klimaschutzmanager, Stadtplaner, Verkehrsplaner, Ingenieur für Baugrund, GIS-Analyst, etc.). Tja, und manche Arbeitgeber haben schlicht keine Vorstellung davon, was wir können. Hinzu kommt die sowieso bescheidene Arbeitsmarktlage, auch für Wissenschaftler. Sehen wir mal, was die Zukunft bringt und wo es mich hinverschlagen wird…

(Wie) Lassen sich Gothic und Beruf verbinden und ist mir das überhaupt wichtig?

Nun, ich sehe das ganz simpel: Gothic und Beruf können (in den seltensten Fällen) zusammengehören, müssen es aber partout nicht. Ein Job ist dazu da, seine Qualifikation auszuführen, nebenbei ausreichend Geld zu verdienen, etwas zu bewirken und sich nach Möglichkeit selbst zu verwirklichen. Gothic ist Interesse und Leidenschaft, gehört damit in den Bereich der Freizeit bzw. Nicht-Arbeitszeit.

Welche Abstriche würde ich in Kauf nehmen?

Eine Frage, die mich schon länger beschäftigt. Der Arbeitgeber kann einerseits mehr oder minder vorschreiben, wie man auf Arbeit rumzurennen hat, siehe ‚Corporate Identity‘ oder ‚seriöses Auftreten‘. Wenn ich einen Job haben will, ist daher ein wenig Anpassung unvermeidlich – es sei denn ich lande irgendwo, wo es vollkommen egal ist, wie ich rumlaufe.

Andererseits hätte ich ein arges Problem damit, mich komplett glattbügeln zu lassen und mich verleugnen zu müssen. Nein, sorry, ohne mich. Wenn man mir bspw. damit kommen würde, ich solle doch bitte meine Haare kurz schneiden lassen (sie sind aktuell ziemlich lang), wäre das für mich ein NoGo. Einerseits weil ich mit komplett kurzen Haaren so richtig besch…eiden aussehe, andererseits betrachte ich sie in Zeiten, in denen ehemals subkulturell besetzte und nun Mode seiende (ein tolles Wort) Frisuren von jedem Volldepp getragen werden, als ein Statement. Und auch wenn ich schön ausrasierte und evtl. aufgestellte Haare – auch an mir – toll finde, bin ich Realist genug, um zu erkennen, dass man so wohl eher schwer an einen Job rankommt. Da bleibe ich dann doch lieber bei meinem Kompromiss.

Ich sehe den kommenden Vorstellungsgesprächen daher letztlich mit gemischten Gefühlen entgegen…

Welche Vorurteile oder Probleme tauchten bisher im Umgang mit Chefs, Kollegen oder Kunden auf?

Zur letzten Frage kann ich leider keine konkrete Antwort geben. Im universitären Umfeld ist es bisher problemlos möglich gewesen so rumzurennen, wie man möchte, da war bzw. ist das Umfeld sehr liberal. Ob nun wie frisch aus dem Bett gefallen wie einige Zeitgenossen oder gestriegelt wie andere. Es interessiert das Lehr- und Forschungspersonal nicht die Bohne. Ich bin jedenfalls bisher noch nicht angeeckt, laufe allerdings jetzt auch nicht aufgetakelt durch die Gegend bzw. falle unter den Mitmenschen scheinbar nicht weiter auf. Wie das später sein wird, keine Ahnung. Wenn es da ein Problem geben sollte, wird das halt in aller Ruhe beredet oder zivilisiert ausdiskutiert ^^.

Gothic Friday April: „Laufen Sie rum wie Sie möchten, so lange Sie sich die Haare nicht blau färben!“ (Mone)

Die ehemalig „Egalisierte“ Pikes-Liebhaberin, die den Lesern unter ihrem Pseudonym Mone vom Rabenhorst bekannt sein dürfte, fügt sich dem Gruppenzwang und folgt ihrem Ehemann und vielen anderen Lesern als Teilnehmerin des Gothic Fridays. Was es mit dem „Egalisierten“ auf sich hat, was Mone beruflich macht und wie Szene-Zugehörigkeit und Berufsleben unter einen Iro bringt, erfahren wir in ihrem Artikel zum April-Thema SchwarzArbeit.

Ok. Ich schreibe dann jetzt auch mal was. Könnte man jetzt Gruppenzwang nennen, weil mein Gatte abgeliefert hat, oder auch damit begründen, dass mein Chef gerade in Urlaub ist und ich die Mittagspause gut zum Schreiben nutzen kann. Also los geht’s.

Seit Kleinkindesbeinen an bin ich mit dem Ponyvirus infiziert. Könnt Ihr gerne drüber lachen, ist aber nun mal so. Fellgesichter im Allgemeinen waren mir schon grundsätzlich immer lieber als Menschen. Daher wollte ich natürlich auch beruflich etwas mit Pferden machen. Im Teenageralter absolvierte ich daher mein Schulpraktikum 14 Tage lang auf einer Trabrennbahn, im März, es war von den Temperaturen her noch richtig Winter. Ihr könnt Euch im Traum nicht vorstellen, wie arschkalt es auf einem Sulky – selbst mit den dicksten Klamotten und drei Paar Handschuhen – hinter einem Trabrennpferd auf der Trainingsbahn ist! Nach den 14 Tagen war ich dann fertig mit „Pferden im Beruf“. Ich wollte dann doch lieber einen kuscheligen, warmen, gemütlichen Bürojob, denn Papierkram (Schule, Briefe schreiben, Organisation, Listenkram) mochte ich auch schon immer.

Zu meiner Jugendzeit konnte man sich noch mit einem guten Zeugnis die Lehrstelle auswählen. Und so entschied ich mich – aus 5 Angeboten heraus – im September 1989 für eine Ausbildung in einem großen Industrieunternehmen, in dem ich übrigens bis heute tätig bin, auch wenn der Name sich unzählige Male verändert hat oder die Firma verkauft und/oder umorganisiert wurde. Ich wollte nun unbedingt Sekretärin werden. Was ich dann auch wurde.

Mir bereitet es große Freude, mein/e Chef/s zu terminieren, zu organisieren und durch die große weite Welt zu schicken, hier steht ganz klar mein Organisationstalent im Vordergrund, ich kann mich voll einbringen und entfalten und niemand fuhrwerkt mir dazwischen. Zusätzlich arbeite ich auch noch als Einkaufs-Sachbearbeiterin. So wird es nie langweilig, es macht richtig Spaß. Und ich bekomme auch noch Geld dafür!

Mone vom Rabenhorst - Bürooutfit

Von der „mit der Ratte auf der Schulter“ zur egalisierten Ponyhof-Betreiberin

Während der Berufsschule war ich natürlich das schwarze Schaf der Klasse, ich hatte kein Problem damit, mit toupierten Haaren, Minirock, zerfetzten Strumpfhosen und Pikes dorthin zu gehen. Im Büro selbst habe ich mich natürlich etwas angepasst. Ich trug zum Beispiel Pikes, schwarze Jeans und auch mal lila Pullis oder Blusen, dazu eigentlich immer einen Zopf, weil mir die langen Haare im Gesicht auf den Zeiger gingen. Mein Sidecut war nicht bis zu den Schläfen hoch, daher bei blonden/blondierten Haaren auch kein Problem. Ich hatte damals – wie heute – nie ein Problem damit, mit „entschärftem“ Outfit ins Büro zu gehen. Zum einen muss es morgens schnell gehen, zum anderen sehe ich das einfach als Berufskleidung, es ist für mich eine andere Welt. Irgendwo muss die Kohle herkommen, mit der ich mir meine Welt außerhalb der Arbeit schön mache.

Mein jetziger Chef kennt mich noch „von früher“. Er erzählt schon mal gerne in lustiger Kollegen-Runde, wie ich früher herumgelaufen bin „mit der Ratte auf der Schulter“ und den „hohen Schnallenstiefeln“. Jaja. :-)

Mit diesem leicht angepassten Outfit konnte ich kurz nach meiner Ausbildung (1991) auch den ersten festen Job als Sekretärin im Vorzimmer bekommen. Ich konnte den damaligen Chef – schon während der Ausbildung – mit meinem Können überzeugen. Er sagte immer: „Laufen Sie rum wie Sie möchten, so lange Sie sich die Haare nicht blau färben…!“ Ok, prima.

Ende 1992 hatten mein Gatte und ich vorübergehend andere Dinge zu tun, anstatt uns um Outfits Gedanken zu machen oder uns um sonstige Szenedinge zu kümmern. Und mit dem Einzug in unseren Rabenhorst auf dem Land traten so viele freiwillige und schöne Baustellen an uns heran, dass wir auch keine Zeit mehr zum Weggehen hatten. Mein schwarzer Humor, meine persönlichen Eigenschaften und Vorlieben und natürlich mein großartiger Musikgeschmack (haha) blieben mir selbstverständlich in dieser Zeit erhalten. Ich selbst egalisierte in dieser Zeit mein Äußeres völlig. Fotos aus dieser Zeit von mir sind so gut wie nicht vorhanden, es sei denn, ein Fellgesicht ist mit drauf und ich bin im Hintergrund. Ich gefiel mir nie auf den Bildern, war völlig unfotogen. Wir gingen nie weg (warum auch, die Musik auf normalen Partys war halt doof) und die meiste Zeit verbrachte ich mit der Ausübung meiner zahlreichen Hobbys rund um die Fellgesichter und dem Rabenhorst. Demzufolge gab es in dieser Zeit auch keine „optischen“ Probleme am Arbeitsplatz. Meine coolen Bilder „von früher“ zeigte ich immer gern, wenn ich von Kollegen oder Bekannten danach gefragt wurde und ich war sehr stolz darauf.

Irgendwas läuft falsch

Knapp 20 Jahre später – und aufgrund der Egalisierung mittlerweile 99 Kilo auf die Waage bringend -, also Anfang 2012, merkte ich, dass irgendwas fehlt und falsch läuft mit mir. Was es war, merkte ich dann definitiv, als ich diverse Leute „von früher“ bei Facebook traf und mich durch hunderte unserer alten Szene-Bilder klickte. Es traf mich quasi über Nacht. Ich wollte mich wieder mehr um mich selbst kümmern, auch äußerlich. Und weg gehen wollte ich auch mal wieder. Und so begann im Jahre 2012 die äußerliche Verwandlung in eine Person, die sich auch mal selbst wieder im Spiegel gefällt (wenn nur nicht diese mittlerweile aufgetauchten doofen Falten wären). Die ersten 20 Kilo verschwanden wieder auf der Waage. Dies stellte ich mir selbst als Grundbedingung, bevor ich wieder weg gehen wollte.

Mone vom Rabenhorst - KloselfieEinige meiner zahlreichen Freizeit-Beschäftigungen wurden ebenfalls eingeschränkt und/oder optimiert, so dass wir dann endlich wieder zu schwarzen Veranstaltungen gehen konnten. Die Klamotten im Kleiderschrank wurden nach und nach wieder dunkler und ich gehe inzwischen mit einer Leidenschaft für schwarze Klamotten shoppen (Second Hand, Trödelmärkte, C&A, P+C und Co.), die ihresgleichen sucht. Kein Wunder, wenn einem 20 Jahre lang egal ist, was man trägt. Und so – um mal wieder zum Berufsthema zurück zu kommen – wurde natürlich auch die Kleidung im Büro wieder dunkler. Ich kombiniere, genau wie früher, schwarze Hosen und dunkle, andersfarbige Oberteile oder Jeans/schwarze Oberteile. Dazu trage ich Silberschmuck und schwarze Schuhe, natürlich habe ich mir auch ein paar „Büro-Pikes“ in England bauen lassen, haha.

Die krasseste Veränderung war natürlich das Umfärben meiner Haare von Weissblond auf Schwarz im Mai 2014. Mein armer Chef war völlig irritiert, als er morgens ins Büro kam und anstelle einer Blondine nun „etwas Schwarzes“ vor seiner Tür hockte. Viermal am ersten Tag äußerte er sich insofern, dass er sich daran erst einmal gewöhnen müsse. Ungewöhnlich für einen Chef, der sonst NIE irgendwelche privaten Äußerungen von sich gibt. Aber letztendlich – habe ich so im Gefühl – fand er die Verwandlung prima, vielleicht auch, weil ich abgenommen hatte. Zeitgleich trug ich meine ersten Kontaktlinsen anstelle Brille und alleine diese Tatsache ließ mich vermutlich Zufriedenheit mit mir selbst ausstrahlen.

Man nennt Sie „Engelchen“

Mit meinem schwarzen Humor kommen aber alle Kollegen (die übrigens auch alle immer gern selbst böse Witze reißen) prima klar und die liebevolle Bezeichnungen meiner Kollegen für mich reicht von „Chefin“ (ich muss als rechte Hand des Chefs auch viel Arbeit an sie delegieren – haha) über „Wachhund“ über die „schwarze Hexe“ bis zum ……………. „Engelchen“….. aaaargh! ENGELCHEN!!!

Meine direkten Kollegen wissen alle, was ich „früher“ getrieben und wie ich ausgesehen habe und sie wissen auch, was ich heute so privat treibe, sie kennen auch viele aktuelle Fotos von mir und können es kaum fassen, wie ich – graue Maus – mich verwandeln kann. Und wenn sie es – nicht selten – riskieren, mal wieder auf meine Kosten einen Lacher herauszuholen, ob ich Karneval am Wochenende hatte oder ähnliches, kontere ich einfach mit: „Na? Und selbst so? Couch, Bier und Fußball?? Super!“ Diese kleinen (eigentlich lieb gemeinten ) Mobbingangriffe gehen in der Regel zu 100 % für mich aus, da habe ich schon gutes Training.
Mein Sidecut ist bereits relativ hoch. Ich hätte ihn eigentlich gerne noch höher, aber das könnte mit der Tarnung im Büro problematisch werden. Ich muss meine Haare leider immer offen tragen, um diesen zu verbergen. Nicht, dass meine Kollegen oder mein Chef Probleme damit hätten, aber ich denke nun einmal ein bisschen weiter. Ich liebe meinen Job ohne Ende und möchte ihn auch die nächsten 20 Jahre noch behalten.

Eine „alte Frau mit 45 Jahren, Glatze an der Seite und angemalten Augenbrauen (das muss ich machen, weil ich blond bin und sonst komisch aussehe)“ passt halt optisch nicht in ein Vorzimmer von wichtigen Chefs, die mit anderen wichtigen Chefs zu tun haben. Die reden ja auch mal (privat) miteinander und ich möchte nicht, dass mein Chef dann „doof dasteht“ mit seinem Fang (also mir) ;-). Also übertreibe ich nicht. In den nächsten 2 Jahren wird mein Chef vermutlich in Rente gehen und ein Nachfolger wird (hoffentlich) kommen. Es gibt hier auch noch viele andere „hübsche, junge Damen in schicken Klamotten und High Heels“ – um es mal etwas überspitzt auszudrücken. Wer will dann schon mich – egal was ich kann??? Ein Kostüm mit hohen Schuhen oder sowas würde ich jedoch nie anziehen. Dann würde ich doch eher den Job wechseln, denn darin würde ich mich definitiv unwohl fühlen. So viel Geld könnte man mir gar nicht bezahlen.

Gothic Friday April: Arbeiten in Schwarz – Ja sicher! (Simagljubka)

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Wieder ist ein völlig neues Gesicht, oder besser gesagt ein völlig neuer Name, im Post-Eingang des Gothic Friday erschienen. Simagljubka steht im russischen wohl für „Winterlieb“, wie mir der Verfasser der E-Mail offenbart. Im Anhang: sein Beitrag für das Thema des Gothic-Friday im April. Ein wenig beeindruckt war ich dann beim Öffnen schon, als ein recht wortgewaltiger Beitrag meine ganze Konzentration einforderte und ich mich die ein- oder andere Formulierung zum hochziehen meiner Augenbrauen brachte. Im Fazit hat es mich neugierig gemacht auf den Menschen hinter der kleinen, weißen Blume.

Mein erster Spontis Beitrag, und gleich auch ein positiver, obwohl vielleicht auch einer der Feigheit und in der Ermöglichung von Feigheit natürlich auch Negatives offenbart.

Bevor ich nun meine Arbeitserfahrung schildere, möchte ich kurz erläutern, was ich mit diesem Satz meine. Erstens, ich hatte nie Probleme da ich auch Uniformen immer akzeptiert habe, fast immer war auch Schwarz kein Problem. Besonders unberührt war ich vermutlich als jemand nicht in der Szene angekommener, doch trotzdem in dieser Hinsicht auffälliger und zumindest in der NDW verhafteter Mensch. Probleme hatte ich auch daher keine, da ich im Falle von Kleidungszwang diesen als Uniformzwang (Pinguin) hingenommen habe, doch zumindest meistens und in all meinen regulären Stellen wurde im förmlichsten Fall ein schwarzes Hemd mit Anzug akzeptiert.

TEIL EINS: DER WERDEGANG

Arbeiten – leben in nach Vorurteilen vorgefertigten Gesellschaften als Quereinsteiger.

Doch von Vorne und das heißt vom Anfang aufgezwungener und quereingestiegener, also nicht ab Geburt mitgewachsener, durch mich belebter Gesellschaften von verdienstgewohnten Menschen.

Kurzarbeiten.

Für mich heißt das, der Anfang beginnt mit Ferienjobs die in kurzen Saisonjobs und später in Tourismusjobs übergehen. All diesen Jobs ist ihr baldiges Ablaufdatum gemein und in all diesen Jobs wurde ich bemerkt, hinterfragt und auch gefragt, wie das mit der Hitze beim Tragen schwarzer Kleidung insbesondere im Hochsommer sei. Nicht stärker Schwitzend als andere war mit einer Antwort ala „Für mich ist die Hitze so nicht wesentlich unangenehmer, meine Haut verträgt bloß die Sonne nicht weswegen ich regelmäßig und nicht nur im Freien den Sunblocker verwende, das klebt auch nicht schlimm.“ das Thema abgeschlossen. Die Frage wurde meist kombiniert gestellt.

Eine Antwort für die ganze Firma – es dürfte Gespräche geben.

Interessanterweise hat meist eine Antwort für die gesamte Belegschaft gereicht, ich war wohl doch auffälliger als ich aktiv mitbekommen habe. Sozialisierung hin zu Freundschaften ist im Arbeitsleben bis heute nicht meine Stärke, sodass ich entsprechendes Gemunkel nur wenig mitbekomme. Die einmalige Beantwortung einer möglicherweise allgemeinen Frage zeigt aber doch ein gewisses allgemeines Interesse der Gerüchteküche an.

Soweit zu den Gruppen mit denen ich nur kurzzeitig zusammengearbeitet habe.

Auch als uniformierter Kellner beim Heurigen und als ansatzweise uniformierter Portier war der Response nicht anders. Als Heurigenkellner hatten wir eine trachtige Uniform, meine schwarze Hose, nicht Jeans, nicht Anzug (Anzughose oder Lederhose) war akzeptiert, sodass weitere Gespräche entfielen. Als Portier und Frühstückskellner konnte ich schnell den Pinguin gegen ein ganz in schwarz gekleidetes frei zusammengestelltes aber eindeutig elegantes Kleidungsbewusstsein tauschen.

Unaufregend schwarz gekleidet – elegantes Kleidungsbewusstsein

Bis zu dieser Stelle war Nagellack unmöglich, und in dieser letzten Stelle wurden mir selbst gestärkte Hemdkrägen nahegelegt. Es brauchte Zeit zur gegenseitigen Anpassung. Gestärkte Hemden gab es beim Heurigen bereits, doch dessen karierte Hemden wurden dort gebügelt. In den Jahren als Portier musste ich das selber machen wenn diese, besonders in der Anfangszeit, auch noch in weiß gefordert waren.

Die IT – mehr Mut mehr Freiheiten und lauteres Gemurmel

Erst meine letzte und langfristigste Stelle brachte neue Fragen durch oben thematisierte Kolleginnen mit sich, aber mit diesen Fragen und einer von außerhalb der Firma kommenden mit mir arbeitenden Kolleginnenschaft aus Studienfreundschaften, die mich bestärkte, kam auch eine erweiterte Freiheit der Kleidung – nun auch bei Oberteilen -und des Nagellackes, der anfänglich in der Firma farblos und am Ende Schwarzrot war. Diese Arbeitsstelle als Assistent eines Wissenschaftlers zur Durchführung von Studien zur Anwendbarkeit neuer Softwareoberflächen bei technischen Geräten einer mittleren IT-Forschungsfirma brachte aber bereits von Beginn an das „Okay“ für legere Kleidung. Von Beginn an waren auch die in den vorigen Stellen aktiv gesehenen aber akzeptierten Hosen hier nun überhaupt keine Irritation. Irritation war nun vor allem, und das sollte bis zum Ende hin immer deutlicher werden, die unpassende Ausbildung als Biologe anstelle des firmenkanonischen IT- maximal Psychologieabschlusses.

Diskussionen statt Rücksicht – größere Freiheit

Nicht nur der Nagellack, auch die etwas angenehmere Kleidung wurde in weiterer Folge durch Gewöhnung, ein paar Fragen oder Äußerungen und nicht zuletzt durch die Studiengruppe ermöglicht. Ich unterstreiche diesen Werdegang der Freiheiten deshalb, weil ich glaube, dass mit weniger gesellschaftliche Rücksicht und mehr Diskussionen dies vielleicht von Anfang an möglich gewesen wäre. Jedenfalls wurden enge Leibchen und auch deutlich designte Oberteile nicht spürbar unangenehm bemerkt, leicht genderabweichende Hosen waren ebenfalls überhaupt kein Thema.

Trotz allem – Freak

Trotzdem: Erst das Bewusstsein als Freak gesehen zu werden, dass sich im Laufe der Jahre hier einstellte, und zuletzt auch das sukzessive Sterben der Firma, ließen für mich Schuhe mit einer gewissen Höhe zu.
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Nun soweit der Versuch einer objektiven Schilderung, doch was hat zu den persönlichen Erkenntnissen in dieser letzten langjährigen Stellung geführt und warum empfinde ich sie als wesentlicher als die anderen ebenfalls oft kundennahen Positionen?

TEIL ZWEI: SORGEN GEGENÜBER DEM ANDEREN (von Menschen) OFFENHEIT BEI ÜBERWUNDENEN SORGEN (von mir)

Zuerst die Besonderheit der Stellung: diese Stellung war in einer Subgesellschaft (IT-ler) der die theoretisch vorurteilsbehafteten Gesellschaft sehr bewusst sein muss, und in der ich nicht nur aus vielen Gründen ein Außenseiter war, sondern zusätzlich auch einen sensiblen Bereich der Öffentlichkeitsarbeit eigenverantwortlich innehatte. Ich habe mit firmenfremden Leuten die Studien durchgeführt, deren Daten dann einen Teil der verkaufbaren Ergebnisse meiner Abteilung in der Firma ausgemacht haben. In diesem Zusammenhang habe ich nur im notwendigen Zusammenspiel mit Menschen aus Kooperationen Sorgen (der Firma) zu meiner Person gespürt. Diese Sorgen haben sich auf getarntes Nachfragen, dann doch wieder weniger auf mein Erscheinungsbild, sondern auf meine andersartige Ausbildung, die ich phasenweise sogar vor den Mitarbeitern der eigenen Firma verschönern berziehungsweise verheimlichen sollte, bezogen.
So wurden meine Aufgabengebiete nicht wegen meiner Erscheinung nur unter der Hand erweitert, sondern der fachfremden Ausbildung wegen.

Gäste außerhalb der Hierarchie reagieren positiv.

Weder KooperationspartnerInnen noch Versuchsteilnehmer haben sich jemals Kritisch geäußert oder Verhalten, im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, dass sie sich so schneller geöffnet haben als ich das sonst erwartet hätte und die Zusammenarbeit besonders angenehm war.
Der zweite Teil, das Zusammenleben mit der von mir in diesem Artikel thematisierten Gesellschaft, das Zusammenleben mit meinen Arbeitskollegen war durch Unsicherheit von meiner Seite geprägt, die sich nur langsam entspannt hat.

Diese Unsicherheit war aber eher der familiären und schulischen Erfahrung, sowie der späteren Ausbildung und den Aktivitäten in eingeschworenen geschlossenen Gruppen wie einem kurzen Rettungsschwimmerdasein geschuldet. Aktive Bemerkungen zu meinem Äußeren und meiner Angehörigkeit zu einer anderen Subkultur abseits von Ausbildungsunterschieden waren extrem selten, sodass ich hier nahezu alle Bringen kann: Dies waren

  • die Sorge um meine Schlankheit – nein ich habe keine mir bekannte Essensstörung.
  • bist du Angehöriger der Death -Metal Szene und kannst du mir Bands oder Lokale empfehlen – auch hier musste ich verneinen.
  • du trägst die Band „Die Ärzte“ auf deinem Leibchen, können wir über die Band philosophieren.
  • ich finde deine Kleidung/Nagellack toll, schön dass du das hier trägst. Das freut mich zwar, aber es braucht bis ich akzeptieren kann, dass es auch so gemeint ist und ich nicht bloß als Vorführobjekt diene – doch diese Sorge hat sich bald als falsch herausgestellt.
  • natürlich hat es die Frage gegeben, warum ich den Nagellack trage, warum ich Schwarz trage, doch als Antwort war, weil ich gestern/das Wochenende weg war beziehungsweise, weil ich es am angenehmsten finde immer ausreichend.

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Ich bin aufgrund der geschilderten Erfahrungen der Meinung, dass ich immer großes Glück hatte und für mich den Arbeitsplatz mit mehr Mut noch angenehmer und vorallem auch wesentlich schneller angenehmer gestaltet hätte. Ob das Stimmt traue ich mich aber nicht zu beurteilen.

TEIL DREI: SCHLUSSWORT

Mein Konzept in der Arbeitswelt

Generell versuche ich immer so an den Arbeitsplatz zu kommen, dass meiner Erwartung nach nicht viele Fragen auftreten und somit die Arbeit nicht gestört wird. Für mich ist Arbeit aus dem thematischen Blickpunkt der persönlichen Erscheinung betrachtet zuerst Geld verdienen, dann die Erfordernisse der Arbeit erfüllen, und erst zuletzt persönliche Bedürfnisse berücksichtigen oder gar Toleranz durch Einfordern zu erreichen und zu Stärken.

Einschränkung als Arbeitshilfe – dringender Bedarf an Freizeit

Mit dieser Einstellung fahre ich nicht immer ganz angenehm und sie schränkt mich fast immer auch ein, doch für das Zusammenleben in der Arbeitswelt hat sie sich als sehr brauchbar erwiesen. Umso dringender habe ich immer auf Phasen der Freizeit gewartet wo ich all diesen Überlegungen deutlich weniger unterworfen war. Freizeit abseits von gesellschaftlichen Abhängigkeiten. Ich glaube ich hatte Glück, es wird sich zeigen, ob dieses Konzept auch weiterhin und besonders in der Jobsuche funktioniert.

Gothic Friday April: Schwarz Arbeiten – Gothic und Beruf (Marion)

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Jetzt kommt die Initiatorin selbst zu Wort. Marion Levi hat sich in unserem „Brainstorming“ mit diesem Thema für den April durchgesetzt. Zu Recht, wie sich mittlerweile herausgestellt hat, denn trotz meiner Bedenken habe doch erfreulich viele Leser etwas zum Thema beizutragen und gestalten damit einen sehr interessanten und aufschlussreichen Gothic Friday im April.

Ich habe gerade festgestellt, dass es nicht leichter ist zum „eigenen“ Gothic Friday Thema etwas zu schreiben, als zu einem, das jemand anderes vorgegeben hat. Aber sei es drum, gehen wir gleich in medias res: Ich bin Sozialarbeiterin.

Manchmal wundert mich das, weil mein Selbstbild mir eigentlich vermittelt, dass ich jemand bin der nicht besonders gut mit Menschen kann. Jemand, der sich schwer tut Kontakte aufzubauen und oft lieber für sich ist. Trotzdem arbeite ich mit Ihnen oder vielleicht nicht trotzdem, sondern genau deswegen. Um mir zu beweisen, dass ich es eben doch kann: mit Menschen umgehen.

Was mache ich eigentlich genau? Ich arbeite in einer Wohngruppe, in der Kinder und Jugendliche betreut werden, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bei ihren Familien leben können. Die Hälfte dieser Kinder/Jugendlichen sind momentan unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Der Job ist oft anstrengend, aber ich mache genau das, was ich machen will. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung. Es passieren jeden Tag Katastrophen, aber jeden Tag auch wundervolle Dinge.

Gothic und Beruf?

Mein Vorstellungsgespräch fand an einem dieser 35 Grad heißen Sommertage statt, weshalb ich schon aus rein gesundheitlichen Gründen nicht super gruftig unterwegs war. Komplett schwarze, wenn auch schlichte Kleidung, reichte für meine zukünftige Chefin aber offenbar aus, um zu fragen, ob ich denn einer bestimmten Szene angehöre und wie sich diese nennen würde. Mit einer kurzen Erklärung meinerseits gab sie sich zufrieden, es schien neu für sie zu sein, sie allerdings nicht zu stören. „Aber“, sagte sie, „zieh bitte nichts mit Totenköpfen an, das könnte die Kinder erschrecken.“ Ich teile diese Meinung zwar nicht, habe mich aber trotzdem daran gehalten.

Das Vereinbaren von Szenezugehörigkeit und Beruf fällt mir nicht schwer. Vielleicht liegt es daran, dass ich in einem Bereich arbeite, in dem es relativ leger zugeht. Bunte Haare, Piercings im Gesicht oder sichtbare Tattoos (wie Kolleginnen sie haben) sind kaum der Rede wert. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich kein „Übergruftie“ bin. Beim Arbeiten trage ich meist schlichte, schwarze Kleidung. Jeans und Band Shirt. Es muss vor allem praktisch sein. Tattoos und Piercings habe ich keine, es sei denn meine sieben Ohrringe zählen. Am auffälligsten sind da, meiner Meinung nach noch meine New Rock Boots und meine aufgemalten Augenbrauen.

Welche Abstriche nehme ich in Kauf oder würde ich in Kauf nehmen?

Neben den Totenköpfen verzichte ich auf Nieten und zu lange Fingernägel (Verletzungsgefahr), oder Kleidungsstücke mit Glockenärmeln, Bändern, Spitze und dergleichen (das ist schlicht zu sehr im Weg oder könnte kaputt gehen). Geschminkt bin ich in der Arbeit nur dezent und wenn wir einen Tag schwimmen gehen oder Ski fahren, verzichte ich auch komplett auf Make-up (was mir, ob der dann fehlenden Augenbrauen mitunter sehr seltsame Blicke einbringt). Zu Teambesprechungen, wo ich ausschließlich meine Kollegen treffe, komme ich allerdings auch oft mit Plateaustiefeln oder mehr Make-up. Eine gute Gelegenheit um zu testen wie was ankommt. Im Arbeitsalltag hingegen streue ich hier und da auch etwas Farbe ein, zum Beispiel für offizielle Termine mit dem Jugendamt oder in Schulen. Damit habe ich absolut kein Problem und ich würde es auch öfter tun, wenn es verlangt werden würde. Eine rote Weste oder ein dunkelblaues Shirt kratzen nicht an meiner „Gruftie Identität“. Solange ich mich nicht tagtäglich verkleiden muss komme ich anderen gerne entgegen.

Mit verkleiden meine ich übrigens nicht eine eventuelle Arbeitskleidung oder Uniform. In einem früheren Job musste ich für bestimmte Events ein rotes Shirt oder eine graue Weste tragen und das hat mich nie gestört. Schwarz in die Arbeit gehen, umziehen, Event über die Bühne bringen, umziehen und schwarz wieder Heim gehen. Etwas anderes wäre es für mich, wenn ich von der Chefetage oder auch Kollegen zu hören bekommen würde ich sollte mich „normal“ oder „erwachsen“ kleiden. Dies ist jedoch nicht der Fall und ich genieße die relative Freiheit nicht großartig zwischen Arbeits- und Freizeitkleidung unterscheiden zu müssen.

Vorurteile und Probleme?

Glücklicherweise hatte ich bisher kaum mit Vorurteilen oder Problemen zu kämpfen. Dass ich beinahe ausschließlich schwarz trage wird zwar zur Kenntnis genommen und auch kommentiert, meist geschieht dies aber durch interessiertes Nachfragen. Die Kollegen wollen vor allem wissen, welche Musik ich denn hören würde, was die Gothic Szene denn nun ist und wie ich dazu gekommen bin. Die Kinder und Jugendlichen sind generell sehr offen und neugierig und ich habe das Gefühl, dass mir mein alternatives Aussehen in der Arbeit mit ihnen nicht im Wege steht, sondern diese im Gegenteil erleichtert. Sie finden vor allem meine Stiefel sehr faszinierend und wollen sie oft anprobieren. Auch zu meinen Bandshirts kommen viele Fragen. Ein Gesprächseinstieg ist somit schnell gefunden.

Gothic Friday April: Bin ich als Lokführer-Grufti ein Einzelstück?

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Ralf vom Rabenhorst hat sich meinen kindlichen Traumberuf unter den Nagel gerissen. Als ich ihn vor ein paar Jahren kennen lernte, war ich doch tatsächlich neidisch darauf, dass er genau das zum Beruf gemacht hatte, was ich so liebte und in meiner Erinnerung das tollste von der Welt gewesen ist. Ganz so schlimm war meine Sehnsucht dann doch nicht, denn als ich erfuhr, wie die nackte Realität aussah, musste ich meine idealisierten Wunschvorstellung korrigieren. Gänzlich zu den Akten gelegt habe ich sie freilich noch nicht. Der Rabe, wie Ralf auch genannt wird, nährt gelegentlich meine kindliche Sehnsucht. Die Vorstellung während eines Sonnenaufgangs über Schienen den Rhein zu überqueren löst immer noch Herzklopfen aus. Genug von mir, hier nun Ralfs Artikel zum Gothic Friday im April.

Gibt es noch mehr Lokführer-Gruftis oder bin ich ein Einzelstück?“ Dies könnte nun eine etwas längere Story werden, da mein eigentliches Leben als Grufti erst spät begann und ich dieses sozusagen der Deutschen Bundesbahn in mehreren Teilen verdanke.

Ralf vom Rabenhorst - Bild 2 - Am Meer
Während der Lehre änderte ich nicht nur meinen Musikgeschmack, sondern auch mein Äußeres.

Als Stino-Landei (Popper – eigentlich hörte ich damals musikalisch alles gemischt) kam ich 1987 völlig weltfremd zur Deutschen Bundesbahn, um mit der Lehre zum Energieanlagen-Elektroniker zu beginnen. Eine abgeschlossene Berufsausbildung im Metall- oder Elektrobereich war Voraussetzung für die Beamtenlaufbahn. Damals war ich 17 Jahre alt und mein Ziel war von vorne herein, in die Fußstapfen meines Vaters zu treten und den Beruf des Lokführers zu ergreifen. Durch den Austausch mit den anderen Lehrlingen lernte ich dann mir bis dato völlig fremde Musikrichtungen kennen und sie gefielen mir so gut, dass ich auch nach und nach mein Äußeres änderte, sehr zum Missfallen meiner Mutter. Aber da war ich nun schon fast 18 Jahre alt und sie schrieb mir dahingehend nichts mehr vor.

In dieser Zeit lernte ich mehrere Leute kennen, die für meine weitere Selbstfindung enorm wichtig waren und denen ich daher sehr viel verdanke. Während der Lehrzeit gab es auch absolut keine Probleme wegen dem sich ändernden Aussehen. Die Haare wurden länger, nur der Side- und Undercut immer kürzer und letztlich zur haarlosen Zone.

Ralf vom Rabenhorst - Bild 3 - Mit Teller
Manche Dorfbewohnern nannten uns „schwarze Teufel“.

1989 lernte ich meine zukünftige Frau kennen und lieben. Schon ein Jahr später zogen wir in unsere erste eigene Wohnung. Meine Mutter war wohl etwas entsetzt über die Spontanität, war aber mit Sicherheit irgendwie auch froh, da sie sich in dem kleinen Dorf doch sehr geschämt hatte für ihren „schwarzen Teufel“, denn so wurde ich wohl von einigen Dorfbewohnern genannt.

Für Ralf beginnt der Ernst des Lebens!

Ralf vom Rabenhorst - Bild 4a - Mit seinen KollegenIm Juni 1991 begann dann endlich die Beamtenlaufbahn-Ausbildung zum Lokführer. Zu dieser Zeit gab es keine Uniform mehr bei der Bahn und man lief eben in seinen zivilen Klamotten rum. Ich also mit Zopf, meiner schwarzen Kleidung, meist hautengen Stretch-Jeans und Doc Martens, da es im Gleisbereich doch etwas blöd war, mit Pikes zu laufen. Mit den Lehrern, Ausbildern und Lokführer-Anwärter-Kollegen sowie diversen älteren Lokführern gab es absolut keine Probleme. Ein paar Gespräche und Aufklärungen wieso, weshalb und warum brachten Verständnis.

Nach ungefähr 8 Monaten – während der Lokführerausbildung – fing dann sozusagen der Ernst des Lebens an. Man fuhr bei verschiedenen Kollegen unter Beaufsichtigung und bekam auch die ersten unregelmäßigen Wechseldienste mit, das heißt Dienste zu ungünstigen Zeiten oder Früh-, Tages-, Nacht- und Wochenenddienste. Ich kannte das schon durch meinen Vater, aber da man es nun am eigenen Leib erfuhr wurde einem schmerzlich klar, das man nicht mehr jeden Freitag ins Daddy Oberhausen oder ins geliebte „Zwischenfall“ nach Bochum konnte.

Ralf vom Rabenhorst - Bild 4 - In der Schaltzentrale

Mitte 1992 erfuhr ich durch Gespräche mit Ausbildern, dass sich diverse Prüfer und Lehrlokführer doch über mein Aussehen ausgelassen hatten und so entschied ich mich, zumindest die Frisur etwas zu normalisieren. Mein Notenspiegel änderte sich auffallend, obwohl man mir immer versichert hatte, dass doch das Aussehen keine Rolle spielen würde sondern der Charakter des Menschen. Meine Kollegen der Ausbildungsgruppe verrieten mir dann noch, das ein Prüfer sogar gesagt hätte: „Der Herr vom Rabenhorst hat sich aber stark verbessert.“ Merkwürdig, denn ich hatte nicht mehr oder besser gelernt als vorher.

Anfang 1993 wurde ich dann nach bestandener Prüfung zum Beamten ernannt und vereidigt. Im März trat ich den Zivildienst an und sah zu dieser Zeit optisch recht „normal“ aus. Durch das gemeinsame Hobby „Pferd“ und die Prüfungen ab September 1992 sowie die Dienste kaum noch Zeit und Lust blieb, um noch Abends rauszugehen, entschieden meine Frau und ich uns vorübergehend für ein „normales Äußeres“. Zu dieser Zeit brachen wohl sehr viele Bekannte und Freunde mit ihrem Dasein als Grufti, wie wir im Nachhinein hörten.

Während der Zivi-Zeit, in der das optische Erscheinungsbild relativ egal war, änderte sich mein Äußeres wieder in den – für mich – positiven Bereich. Die Seiten wurden wieder kürzer, das Haupthaar länger – mit diversen Farbwechseln (rot, blau, lila, blond, schwarz…).

Ralf vom Rabenhorst mit bunter MähneAb Juni 1994 wurde ich dann wieder wohlwollend bei meiner geliebten Eisenbahn aufgenommen. Mit meinen Diensteinteilern verstand ich mich prächtig, nur mein Dienststellenleiter brachte mehrmals zur Sprache, dass er Bedenken wegen meines äußeren Auftretens hätte. Bei einem persönlichen Gespräch einigten wir uns dann darauf, dass – solange es keine Kundenbeschwerden gäbe – ich mein Erscheinungsbild beibehalten könne, wobei es dann auch letztendlich blieb. Viele Pluspunkte hatte ich wohl auch durch den Bekanntheitsgrad meines Vaters. Dieser hatte auch immer zu mir gehalten, ihm war mein Aussehen als Grufti egal, für ihn war die Welt in Ordnung als er merkte, dass ich menschlich normal blieb und einen „anständigen Beruf“ erlernte.

1998 wechselte ich zu einer kleinen Dienststelle am linken Niederrhein, da durch die Privatisierung der Bahn sich das Berufsbild des Lokführers geändert hatte. Wir wurden in verschiedene Geschäftsbereiche aufgeteilt. Da ich beim Nahverkehr war und keine Lust mehr hatte, S-Bahnen zu fahren, wollte ich lieber heimatnah versetzt werden.

Heimatnaher Rebell in Unternehmensbekleidung

Ralf vom Rabenhorst in der Unternehmensbekleidung
Mit dem neuen Jahrtausend kam auch neue Unternehmenskleidung.

Irgendwann im Jahr 2000 wurde dann beim Nah- und Fernverkehr die Unternehmensbekleidung (UBK) eingeführt. Diese trug ich, jedoch bis auf Hose und Schuhe. Als Hose verließ ich mich lieber auf die marineblaue Moleskin Hose der Bundeswehr und deren Kampfstiefel. Die Hose aufgrund ihrer Funktionalität mit ihren vielen Taschen und die Stiefel aufgrund ihrer Festigkeit und Stabilität im Knöchelbereich, da wir ja nicht immer sehr lauffreundliche Abstellbereiche unserer Züge vorfinden.

Anfang 2007 bekamen wir einen neuen Personalchef, der sich anscheinend bei unserem ersten Treffen persönlich durch mein Aussehen angegriffen fühlte. Zu dieser Zeit trug ich teilweise bunte lange Haare, Sidecut und einen bunt gefärbten Bart. Dreimal wurde ich zum persönlichen Gespräch geladen und mein Teamleiter musste wöchentlich erfragen, welches Schuhwerk und welche Haarfarbe ich zur Schau trug.

Hier war mein Vorteil, dass ich Beamter war/bin und mir nie etwas habe zu Schulden kommen lassen. Interessant war auch, dass wenn wir (DB-Personal) in einer Gruppe zusammen am Bahnsteig standen, sei es beim Ablösegespräch oder während diverser Pausen, meistens ICH von den Reisenden angesprochen wurde, um Fragen zu Abfahrtzeiten oder den Abfahrgleisen der Züge zu beantworten.

Ergo: Muss ich wohl doch nicht so ein gefährliches Auftreten gehabt haben, wie es mir mein neuer Chef eigentlich anlasten wollte….? ;-)

Nach dem dritten persönlichen Gespräch beim Personalchef war ich es leid und wurde langsam pampig. Auf die Frage, ob nun etwas gegen mich vorliegen würde, sei es Kundenbeschwerden oder andere Vergehen, bekam ich nur zur Antwort, dass mein äußeres Erscheinungsbild nicht passen würde und ich meine Frisur ändern müsste. Auf die Beantwortung meiner Frage, ob es eine Farbvorschrift für Haare oder das Erscheinungsbild geben würde, warte ich bis heute.

In dieser Zeit war ich sowieso durch wochenlange Überlegungen zu dem Schluss gekommen, dem Personenverkehr den Rücken zu kehren. Beim Nahverkehr war es mittlerweile dazu gekommen, dass man nur noch bestimmte Linien und Strecken befuhr und mir war das extrem langweilig geworden, immer die gleichen 10 Bahnhöfe anzufahren. So legte ich dem Chef dann beim letzten Treffen mein formloses Versetzungsgesuch vor, und wurde prompt zum Güterverkehr versetzt. Hätte ich dies doch schon früher getan, denn nun konnte ich endlich wieder in „zivil“ rumlaufen. Lediglich eine Warnweste musste neuerdings im Gleisbereich getragen werden.

Lieber einen Helm auf dem Kopf als Schläuche in den Haaren

Ralf vom Rabenhorst - Bild 7 - In der Nacht Ralf vom Rabenhorst - Bild 8 - Vor einer Lok2012 entschied ich mich dazu, eine Ausbildung zum Internationalen Tf (Triebfahrzeugführer) zu machen, welche ich dann auch erfolgreich abschloss. Hierzu gehörte das Erlernen der niederländischen Sprache sowie eine Betriebsdienstausbildung für das niederländische Eisenbahnsystem. Nun komme ich als Lokführer endlich wieder in der Welt herum und meine Arbeit ist wieder abwechslungsreich. In den Niederlanden fahre ich bis Rotterdam und in Deutschland wieder bis Osnabrück, Schweinfurt und Würzburg, mit allem was dazwischen liegt.

Allerdings hat DB Cargo NL eine Kleidungsvorschrift. Statt der orangenen Warnweste, die man in Deutschland anziehen muss, trägt man dort eine gelbe Jacke. Eine Helmpflicht haben sie auch. Sobald man das Fahrzeug verlässt oder den Bahnhofsbereich betritt, ist dieser zu tragen. Aber was solls, es gibt Schlimmeres: wie zum Beispiel Schläuche in den Haaren und Knicklichter. ;-).

Beim Güterverkehr ist das äußere Erscheinungsbild relativ egal, vor allem als Beamter. Im Nahverkehr hat man allerdings nicht mehr so leichtes Spiel, als Tarifkraft wäre man schnell der Willkür diverser Führungskräfte ausgesetzt.

Gothic Friday April: Das allerwichtigste für mich ist Zeit, Respekt und Höflichkeit (Anna)

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Anna aus Köln dachte sich: Ich mache einfach mal mit. Eine gute Entscheidung, wie ich finde. Denn Ihr Privileg, in seinem Traumberuf tätig zu sein, wird nicht jedem zu Teil und so macht es einfach Freude, Annas Zeilen bei der Beschreibung ihrer Tätigkeit zu lesen. Ihr Artikel zum Gothic Friday im April ist erfrischend persönlich und wirft eine ganze neue Sichtweise auf Ihre Berufung.

Welchen Beruf übst du aus?
Ich arbeite in der (mobilen) Seniorenbetreuung. Anders als der klassische Altenpfleger/in übe ich keine pflegerische Tätigkeiten aus und besuche die Leute meist noch in ihrer eigenen Wohnung. Ich kümmere mich dort um alles, was es den Menschen ermöglicht, selbstständig in ihren eigenen vier Wänden zu leben – also eher um die „zwischenmenschlichen, häuslichen Dinge“, für die in der „Pflege“ nur selten Zeit bleibt.

Ich begleite sie zu Arztbesuchen und Spaziergängen, hole Rezepte/Medikamente ab, unterstütze im Haushalt bei der Wäsche, dem Putzen der Fenster oder den Einkäufen, kümmere mich aber auch um administrative Dinge wie Briefe der Krankenkasse und Ämter oder die klassische Demenzarbeit. Es kommt aber auch vor, dass ich einfach nur mal auf eine Tasse Kaffee rumkomme und mit einer schwerst depressiven Dame Zeit verbringe, ihr zuhöre und versuche, ihrem Lebensgefühl etwas „Sinnlosigkeit“ zu nehmen.

Da ich auch aus der klassischen Altenpflege komme und es mir immer (!) nahe ging, kaum Zeit für die Menschen zu haben, ist es für mich der absolute Traumberuf. Ich arbeite recht selbstständig, bekomme von der Chefin wöchentlich den Dienstplan mit der groben täglichen Planung. Wenn Frau XY sich die Seele aus dem Leib weint, weil Pudel Achilles Leben tragisch endete, kann ich mir auch die halbe Stunde Zeit nehmen, um zu trösten. Was mich so glücklich macht, ist, dass ich den Menschen das schenken kann, was für mich das Allerwichtigste ist: Zeit, Respekt und Aufmerksamkeit

Denn gerade viele ältere Leute sind sozial wahnsinnig vereinsamt und so wird sogar ein Ausflug mit dem Rollstuhl zum Edeka um die Ecke zum absoluten Highlight.

(Wie) Lassen sich Gothic und Beruf verbinden und ist das überhaupt wichtig?

Mir ist es insofern wichtig beides zu verbinden, weil ich mich ja auch wohlfühlen muss. Müsste ich morgens mit Pünktchenrock und Blümchenbluse in pastellpink aus dem Haus, wäre der Tag für mich gelaufen und genau das würde ich dann wohl auch ausstrahlen. Ich halte es meist mit schlichter schwarzer Klamotte und Chucks oder Stiefeln, mal eine Kette, wenig geschminkt und gepflegt. Meine Chefin ist zum Glück sehr tolerant. Sie hat schon diverse Haarfarben miterlebt und es wohlwollend mitgemacht. Schwarz, rot, neonpink, pastellrosa, lila und aktuell kupfer und es gab nie auch nur ein böses Wort. Auch meine Tätowierungen und mein Nasenring waren nie wirklich ein Thema. Obwohl, da gabs mal was:

Welche Abstriche nimmst du bei deinem Äußeren im Kauf oder würdest du in Kauf nehmen?

Anna - BlumenstiefelDienstbesprechung mit der Chefin.

Chefin: „Sagen Sie mal Frau XY, da gibt es etwas, darüber muss ich mit Ihnen reden. Das ist mir ja sooo unangenehm und eigentlich ist es mir auch völlig egal. Es soll sich ja jeder selbst verwirklichen...“

Das Telefon klingelt, Chefin geht dran. Ich sitze da und mein einziger Gedanke ist: Neeeeeein…oh bitte nicht! Die Haare. Bitte nicht…! Noch nie verstrichen Minuten so langsam, gefühlt dauerte das Telefonat ewig und ich wusste ja, wenn Gespräche SO beginnen, naja…

Chefin kommt zurück: „Also, Frau XY hat gesagt, Sie haben sich tätowieren lassen. Am Unterarm. Also mir ist das ja völlig egal, aber Frau XY findet das wohl „fies“…“ (*PUH* Nicht die Haare… :D )

Ich: „Ach sooo, und ich hatte schon Angst wegen meinen Haaren. Nein, das kann ich völlig verstehen. Wenn Frau XY damit nicht kann, trage ich bei ihr was langärmliges. Ist ja kein Problem…

Chefin: „In Ordnung. Aber nicht im Sommer. Es kann keiner von ihnen verlangen, dass sie sich totschwitzen. Und jetzt zeigen Sie doch mal…“ Danach gab es dann noch ein ausführliches Gespräch über Tattoos und allen möglichen SchnickSchnack.

Welche Vorurteile oder Probleme tauchen im Umgang mit Chefs, Kollegen oder Kunden auf?

Generell freuen sich alle meine Leute über meinen „Farbtupfer“ auf der Haut oder in den Haaren. Das Interesse ist immer riesig und es gibt immer ein Gesprächsthema.

Eine ältere Dame (86) begrüßte mich mal mit den Worten: „Anna, komm mal her und zeig mal dein Bein.“ Und zu ihrer Tochter sagte sie: „Anna hat Fledermäuse am Bein. Das musst du dir ansehen. Das ist wirklich toll!

Eine andere Dame (84) nannte mich aufgrund meiner knatschpinken Haare immer „Mein Kamellchen“ (kölsches Wort für Bonbon) und sagte neulich zu mir: „Du bist ja auch ein Schwarzfahrer. Immer in Schwarz unterwegs…“ was für herrliches Gelächter bei dem alten Ehepaar sorgte.

Eine andere Dame verbrachte das Wochenende mal damit, mir aus sämtlichen Zeitungen Berichte über Tim Burton auszuschneiden, weil sie wusste, das ich an dem Wochenende zur Autogrammstunde von ihm gehe und ein Riesenfan von ihm bin. Und immer wieder bekomme ich aussortierte schwarze Oberteile geschenkt „damit ich da noch was draus machen kann„. Vorurteile und Berührungsängste habe ich bisher in keinster Weise erlebt, eher im Gegenteil. Meine Chefin wird regelmäßig von Leuten angerufen (bei denen ich zum Beispiel das erste Mal war oder bei denen ich nur als Urlaubsvertretung eingeplant war) mit der Bitte ob „meine Anna“ nicht jedes Mal kommen könnte.

Ich denke, wenn man den Menschen respektvoll und offen gegenüber tritt, hat man die Sympathien schon von 80% der Leute in der Tasche. Und den restlichen 20% ist dann auch nicht mehr zu helfen… :)