Rückblick: Die Besucher 2016 – Wenn Musik die Gefühle zum Tanzen bringt

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In guter alter Tradition wollen wir auch dieses Jahr einen kleinen Rückblick auf die Besucher der vergangenen Jahre wagen, um die Vorfreude zu steigern und auch die letzten Bedenken auszuräumen, ob man denn wirklich richtig entschieden hat, nach Leipzig zu fahren. Der Artikel „Wenn Musik die Gefühle zum Tanzen bringt“ ist 2016 im Pfingstgeflüster erschienen. Wieder eine Ausgabe, die den Schrank jedes Gruftis ziert und mit unglaublich schönen Bildern dokumentiert, wie es war und nie vergessen wird. Den Artikel schrieben seinerzeit Ines Flederflausch und meine Wenigkeit, ein Dank an Marcus Rietzsch für die Bilder, die er uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

Da steht er nun auf dem Schulhof. Gerade hat es zur großen Pause geschellt. Es sind etwa 50 Meter vom Ausgang des Schulgebäudes bis zu den Treppenstufen vor der Aula. Auf den Stufen stehen die Leute in Schwarz, die Coolen, die mit den Cure- und Sisters-Shirts, den spitzen Schuhen, den auftoupierten Haaren und den geschminkten Augen. Ihr müsst wissen, die Stufen vor den stets verschlossenen Türen der Aula sind die Empore der Coolness und der Thron der Außenseiter. Niemand sonst will in der dunklen und hintersten Ecke des Schulhofs stehen, in der es immer ein bisschen kühler und ein bisschen modriger ist als auf dem Rest des großen Platzes. Er aber will. Unbedingt.

Dabei begann vor einem Jahr alles so harmlos. Mit Musik aus dem Radio. Es gab Stücke, bei denen alle Tätigkeiten zum Erliegen kamen. „Lucretia, my Reflection“ von Andrew Eldritch ins Mikrophon gehaucht oder „A Strange Day“ vom charismatischen Robert Smith und natürlich das Depeche-Mode-Stück „Nothing“, dessen Text niemand so rüberbringen konnte wie Dave Gahan. Da ließ er den Stift fallen, die Comics unbeachtet und die Butterbrote seiner Mutter, die sie ihm immer ins Zimmer brachte, unberührt. Dirk, sein bester Freund, fand die Musik ebenfalls gut und irgendwann beschlossen beide, eine Fete im örtlichen Jugendzentrum zu besuchen. Denn dort sollte genau diese Musik gespielt werden.

Bei dieser Feier nahm er sie zum ersten Mal wahr. Die interessanten Typen mit den schwarzen Klamotten, den komischen Frisuren und den geschminkten Gesichtern. Sie bewegten sich im Rausch der Musik, die ihn berührte. Genau so hatte er es sich in seiner Phantasie ausgemalt und genau so würde er sich auch gerne den Klängen hingeben wollen. Wie sie dort durch den spärlichen Dunst der Nebelmaschinen schlichen und ihre Silhouetten im Licht des Stroboskops aufblitzten… Wahnsinn!

Pfingstgeflüster - Wave-Gotik-Treffen 2016
Pfingstgeflüster 2016 – Wenn Musik die Gefühle zum Tanz bittet
(c) Marcus Rietzsch

Vor allem den großen Schlanken mit den Haaren, die wie ein Teller aussahen, fand er besonders faszinierend. Den ganzen Abend stand er am Rand der Tanzfläche und beobachtete das Treiben. Bei der zweiten oder dritten Fete, die er besuchte, kam eben dieser New Waver auf ihn zu und fragte, ob man sich nicht aus der Schule kennen würde. „Ja, ich bin in der 9b bei Frau Reiners.“ Mehr brachte er nicht heraus. Er erfuhr noch, dass der große Schlanke Michael hieß, ehe dieser mangels eines Gesprächthemas wieder im Nebel der Tanzfläche verschwand. Wie dumm er sich vorkam. Auf der Flucht nach Hause schwor er sich, irgendwann dazuzugehören.

Going away on a Strange day…“ (A Strange Day, The Cure)

Da stand er nun am Ausgang des Schulgebäudes und nahm die Blicke seiner Mitschüler, die ihn anstarrten und sich über seinen merkwürdigen Kleidungsstil wunderten, gar nicht wahr. In der schwarzen Kleidung fühlte er sich wie in einem Schutzpanzer der Andersartigkeit. Sein Herz klopfte dennoch bis zum Hals, als er Richtung Treppe ging. 50 Meter Ewigkeit. Was würde er sagen? Würden die anderen mit ihm sprechen? Und würden sie ihn mögen?

Pfingstgeflüster 2016 – Wenn Musik die Gefühle zum Tanz bittet
(c) Marcus Rietzsch

Am Absatz der Stufen angelangt musterte man ihn gründlich. Er kam sich vor wie bei der ultimativen New-Waver-Prüfung und brachte kein Wort heraus. „Bist du nicht der aus dem Paul-Schneider-Jugendzentrum?“ Michael kam von der obersten (!) Stufe herunter und begrüßte ihn. Der Ritterschlag der Zugehörigkeit schlug auf seinen Schultern ein. Das Eis war gebrochen und er versank augenblicklich im Reich der Schatten. Die Nervosität wandelte sich in Aufregung. Die Umstehenden unauffällig musternd verschlang er neugierig die ihm zugetragenen Bandnamen und Songtitel. Er bekam Tipps für Radiosendungen, Platten und Läden in der Umgebung und wurde letztendlich von Michael zu einer Fete eingeladen, die im Keller seines Elternhauses stattfinden sollte. Das Schellen der Schulglocke beendete den Moment, der nur einen gefühlten Wimpernschlag währte. Ab diesem Augenblick war nichts mehr wie zuvor.

Einstieg

Musik ist das verbindende Element der Szene, auch wenn es mittlerweile unzählige Genres und Ableger gibt, die eine allumfassende musikalische Definition von „Gothic“ schlichtweg unmöglich machen.

Das WGT heißt zwar ausdrücklich Treffen und nicht Festival, die Musik spielt natürlich trotzdem eine der Hauptrollen während der Pfingsttage in Leipzig. Viele verschiedene Künstler und Projekte finden eine Bühne, um ihre Klangwerke zu präsentieren. Von Wave und Gothic Rock über Metal, Klassik und Oper hin zu EBM, Industrial und Neofolk und vielem dazwischen und daneben wird alles – na gut, fast alles – geboten, was das schwarze Herz begehrt und was es immer wieder der neu in Wallung versetzt. 17jährige Jugendliche in den ersten düster angehauchten Klamotten stehen bei Konzerten neben 50jährigen – im wahrsten Sinne des Wortes – Szenegruftis, Latexgewandete neben Batcave-Fans mit aufwändig gestellten Iros, Banker neben Bauarbeitern – die Musik und die Erinnerungen an deren Entdeckung – wenn auch auf unterschiedlichste Art und Weise – verbindet alle.

Pfingstgeflüster 2016 – Wenn Musik die Gefühle zum Tanz bittet
(c) Marcus Rietzsch

KORNelia: „Wann ich begann, mich für die schwarze Szene und ihre Musik zu interessieren, kann ich nicht mehr genau sagen, denn alles passierte schleichend. Ich erinnere mich allerdings an zwei ältere Cousinen, die sich einen Sommer lang Freitagabends zu Sisters Of Mercy stylten. Schwarze Kleidung, dunkles Make-up und dazu immer wieder ‚Alice‘ von den Sisters.“

Wie KORNelia erging es auch Phina V. Freunde, Bekannte, die zu solchen werden oder andere Mitmenschen aus dem direkten Umfeld gaben den Anstoß, sich mit „dunkler Musik“ auseinander zu setzen:

„Es begann alles an einem regnerischen Herbstmorgen am Bahnsteig Eins. […] Dort begegnete ich zum ersten Mal einem Mädchen namens Amelie. Es war noch stockdunkel und wir waren blutjung, aber sie funkelte auf eine mir unbekannte, sonderbare Weise. Das weckte etwas in mir auf, das bis dahin nur im Verborgenen existiert hatte. Wir wurden Freunde, ich glitt in die schwarze Szene und so fand ich erstmalig Musik, die mir wirklich gefiel; die etwas ausdrückte, von dem ich fand, dass es einer musikalischen Interpretation würdig war.“

Doch nicht bei allen liegt der Impuls, sich mit dieser Musik zu befassen, in der eigene Peripherie und deren Einflüsse begründet. Johannes Saizew stieß „mit 18 Jahren zufällig über Mainstream-Musiksender auf Marilyn Manson, Rammstein und andere kommerziell erfolgreiche Künstler“. Wie Charlie Shallowgrave und Hannah Lucia Lill hat Daniel, der Ende der 90er passende Musik für die Untermalung eines Pen-and-Paper-Rollenspiels suchte, im Teenageralter den Zugang zur Szene gefunden. Letztendlich bekam er von einer Bekannten den entscheidenden Hinweis auf Lacrimosa und Miranda Sex Garden.

Wer nicht das Glück einer Bekanntschaft hatte, die tief im Untergrund nach spannender Musik schürfte und in Zeiten, in denen ein Modem zwischen dem Heimcomputer und dem weltweiten Datennetz stand, konnte man sich während der kostspieligen Zeit nicht endlos bis zur Undergroundmusik klicken oder sich mit einer Armspannenbreite von bekannten Künstlern eindecken. Von Zeiten ohne Internet ganz zu schweigen.

Pfingstgeflüster 2016 – Wenn Musik die Gefühle zum Tanz bittet
(c) Marcus Rietzsch

Daniel: Und dann kam das Internet. Da hab ich dann sehr obskuren Minimal / Wave gesucht… Von Kassetten, die man nicht mal kaufen konnte, das war super. So habe ich lang Zeit extrem viel Minimal / Wave / NDW gehört. Derzeit immer noch, aber auch wieder viel Gitarre… aber der Synth darf nicht fehlen, das mag ich gern. Auch Neofolk und Industrial / Avantgarde habe ich lieben gelernt.“

Vielleicht ist es mit Musik wie mit vielen anderen Dingen, die man (kennen-)lernt – ein Prozess, ein Werden, ein Erkunden des unbekannten Landes und dessen magische Vielfalt und atemberaubende Schönheit, die vor einem liegt – und manchmal betritt man neue Ufer an Orten, die sich als Lieblingsplätze erweisen.

Wie Phina V.: „Ich bin insgesamt betrachtet äußerst loyal, sogar was Musik angeht. Wenn ich für eine Band einmal wirklich brannte, bleibe ich dabei. Ich höre sie mit der Zeit vielleicht nicht mehr so häufig, aber ich halte sie fortwährend in meinem Orbit.“

„Die düsteren 80er Hits begleiten“ auch Johannes Saizew „seit damals mit gleichbleibender Präferenz.“

Ebenso findet  KORNelia immer wieder zu alten Lieben zurück; wie auch Charlie Shallowgrave, der  über gitarrendominierte Musik und „Elfenträllermetal“ die Sisters of Mercy und anschließend  weitere Gothrock-Bands, Minimal, Wave und Neofolk entdeckte.

Generell scheint die Musik der 80er Jahre hoch im Kurs zu stehen – und betrachtet man die Anfänge der Szene, ist das gewiss nicht verwunderlich, sondern zu erwarten.

„Tiefgründigkeit, Weltschmerz und oft der Touch vom Selbstgemachten“, sagt Daniel, sind die Zutaten für faszinierende die Musik. Ausdruck und Ästhetik sind wohl die Schlagwörter, unter denen die Begeisterung der Treffenbesucher für Musik zusammenfassen werden kann. Phina V. spürt „eine gewisse Melancholie […], eine geheimnisvolle Bedeutsamkeit [und] tragende Stille, die an der Seele rührt. Es sind die oft düsteren Stimmungen, die das Innere in Schwingung versetzen.“ Aber – und da spricht Phina V. sicher nicht nur für sich selbst – kommt das „sehr auf die Band und nicht zuletzt auch auf das jeweilige Stück an.“

KORNelia: „Die Musik beim WGT spiegelt den Non-Konformismus der Besucher wider. Ebenso wie die Mode beim WGT wandelt auch die Musik jenseits der ausgetretenen Pfade“

Pfingstgeflüster 2016 – Wenn Musik die Gefühle zum Tanz bittet
(c) Marcus Rietzsch

Charlie Shallowgrave: „Ich kann es speziell an ‚She Past Away‘ erklären: Es ist ein Sog, der einen in eine völlig andere Welt zieht. Die Musik ist der Soundtrack meiner Gedanken, die ich habe, während ich in den Städten unterwegs bin, all die aufgesetzte Heiterkeit der Gesellschaft sehe und ihre ganze Verlogenheit, von der ich mich abschotten will.“

Ästhetik, Düsternis, Abgrenzung, Verständnis – diese Worte beschreiben die Musik und jeder, der sich mit der Szene identifiziert, findet sich darin sicher ein Stück weit wieder.

Doch schwer zu glauben, dass die Klänge bei seinen Eltern ähnliche Gefühle auslösten. Wie erklärt man, warum einem etwas so viel bedeutet? Gar nicht, sagt Phina V. „Die Karten liegen natürlich anders, wenn jemand Interesse zeigt. Dann empfehle ich stets einige Lieder anzuhören und selbst einen Zugang zu finden.“ Das Vorspielen einiger Lieder ist ein Ansatz, den auch Hannah sich angeeignet hat.

Konkrete Ausdrücke, welche die Charakteristik der geliebten Klänge beschreiben, sind eine andere Möglichkeit, das Dilemma zu lösen. Ist es eher elektronisch? Gitarrenlastig? Melancholisch? Tanzbar? Vielleicht können Metaphern ausdrücken, was nur schwer in Worte zu fassen ist:

„Die Musik ist wie die Süßigkeitenecke einer Fressbudengasse auf einem Jahrmarkt bei Anbruch der Nacht.“ (KORNelia)

Die Mittel der Beschreibung sind so vielfältig wie die Besucher selbst und trotzdem eint eine Tatsache alle: der sehr hohe Stellenwert der Musik. Weist sie doch zumeist den Weg in die schwarzgewandeten Kreise. Sie führt darüber hinaus dazu, dass Menschen sich entsprechend kleiden und die eigenen vier Wände verlassen: Ich denke, dass gerade in der schwarzen Szene Musik eine tragende Rolle spielt, um sich zusammenzufinden – sei es auf Konzerten, in Clubs oder im Wohnzimmer von Freunden.“ (Phina V.)

Beim WGT ist die Musik „allgegenwärtig“, wie Charlie Shallowgrave feststellt. Dies belegt auch die Aussage von Johannes Saizew: „Für mich und meine Frau geht es bei dem Festivalbesuch hauptsächlich um die Bands. Da das WGT ein sehr großes Event ist, ist wirklich immer viel Schönes dabei.“

Pfingstgeflüster 2016 – Wenn Musik die Gefühle zum Tanz bittet
(c) Marcus Rietzsch

Andere Besucher sehen in der Mannigfaltigkeit und der Möglichkeit, seinen musikalischen Horizont zu erweitern und vorgeformte Meinung zu revidieren, den größten Pluspunkt des WGT. Dass die ganze Vielfalt nicht nur schön ist, sondern auch überfordern kann, formuliert Daniel treffend: „Da es ja sehr viele Konzerte gibt, sind jedes Jahr für mich immer 3-4 Gruppen dabei, die ich sehr gerne sehe. […] Leider habe ich auf dem WGT oft das Gefühl, das ich gar nicht so viel aufnehmen kann.“

Und Phina V. bringt auf den Punkt, was das WGT in seinem innersten Kern ist – ein Treffen:

„Ich muss gestehen, dass ich auf dem WGT nur wenige Bands höre. Das liegt daran, dass ich in diesen wenigen Tagen so viele liebe Freunde und Bekannte aus aller Welt treffe, die ich nur das eine Mal im Jahr sehe. Wir wohnen einfach zu weit auseinander.“

Treffen und gemeinsam Musik hören, ja. Nimmt man sich allerdings Zeit und beobachtet das Treiben auf dem „Walk of Fame“ vor der Agra oder beim Viktorianischen Picknick im Clara-Zetkin-Park, kann man den Eindruck bekommen, dass es vielen Besuchern einzig um „Sehen und gesehen werden“ geht. Die befragten Besucher bewerten diesen Aspekt überaus differenziert. Es beginnt mit der Aussage, dass die Musik nicht in den Hintergrund gerückt sei: „Ich glaube immer noch, dass die Musik eines der wichtigsten Bestandteile des Festivals ist.“ (Johannes Saizew) und manchen Besuchern sogar außerordentlich zentral erscheint und sie sich nahezu in „Konzertstress“ begeben.

Weiter geht es mit der Feststellung, dass der Begriff Karneval (als Imitation und Verkleidung) auf einige Besucher, welche sich ins Rampenlicht drängen, durchaus anwendbar ist, über eine klare Zustimmung bis hin zur Frage des Stellenwerts der Musik: „Ich weiß nicht, ob die Musik jemals im Vordergrund gestanden hat. In erster Linie ging es ja beim ersten WGT darum, dass die Ost-Szene nach der Wiedervereinigung noch einmal zusammen feiern wollte, weil man davon ausging, dass sich das Ganze in den folgenden Monaten auflösen würde.“ (Charlie Shallowgrave)

Kostümierung und das Gefühl, dass einige Besucher nur nach Aufmerksamkeit heischen auf der einen, die Symbiose von Musik und Ästhetik auf der anderen Seite.

Hannah Lucia Lill: „Meiner Meinung nach verbinden sich diese Elemente dadurch, dass die Kleidung Auskunft darüber gibt, welchem Bereich der schwarzen Szene man sich zugehörig fühlt. Sicherlich spielen auch persönliches Ästhetikempfinden und Geschmack eine wichtige Rolle.“

Am Ende – wir denken, dem kann man nicht widersprechen – „ist die Musik die Basis, auf der ‚Schwarzsein‘ aufbaut“ (Charlie Shallowgrave). Und dies wird wohl der Grund gewesen sein, dass der Junge auf dem Schulhof stehend seinem ersten „Ausgehen“ so entgegenfieberte, sein Herz bis zum Hals klopfte und er schließlich eine Gemeinschaft, ein zuhause fand.

Home is where the Heart is

Heute ist er einer von denen, die neben den 17-jährigen in der AGRA-Halle stehend das Bild einer erwachsenen Szene prägen. Seit dem Augenblick auf dem Schulhof ist viel passiert. Doch seiner Empfindung ist er treu geblieben. Dem sich entwickelnden Gefühl, wenn du am Rand der Tanzfläche stehst und das Treiben beobachtest und weißt, wohin dein Herz gehört. Wenn die Musik beginnt, dich zu tragen und dir die Texte Dinge in einem Licht zeigen, wie du diese vorher nicht wahrgenommen hast.

Das Leben macht es nicht immer einfach, seine persönliche Heimat zu finden. Nicht immer ist der Ort, an dem man sich zur Ruhe legt, ein wirkliches Zuhause.

Als Michael die Schule beendete, haben sie sich aus den Augen verloren. Er glaubt, dass „der große Schlanke“ mit seiner Familie in eine andere Stadt gezogen ist. Michael hat er nie wiedergesehen. Geblieben sind die Erinnerungen und Emotionen, die untrennbar mit den Songs eines Abends verbunden sind. Der Fete in Michaels Keller, zu welcher dieser ihn auf dem Schulhof eingeladen hat. Völlig allein hat er die ganze Nacht auf der kleinen Tanzfläche gestanden und sich zur Musik bewegt. So wie er sie fühlte, so wie die anderen sie fühlten. Völlig allein und doch ein Teil von etwas, das Geborgenheit und Gemeinschaft vermittelte.

Ein paar Jahre später hat er akribisch versucht, die Stücke dieses Abends zusammenzutragen. Herausgekommen ist der Soundtrack seines Lebens. Und vielleicht erklärt diese Auswahl viel besser, was ihn als Menschen ausmacht, als er es mit Worten beschreiben könnte.

Pfingstgeflüster 2016 – Wenn Musik die Gefühle zum Tanz bittet
(c) Marcus Rietzsch

Die WGT Erinnerungspinnwand: Wie war Dein erstes Mal in Leipzig?

In wenigen Tagen findet das 27. Wave-Gotik-Treffen in Leipzig statt. Für Szenegänger ist das immer wieder Anlass zur Vorfreude, Aufregung und viel Hibbelei. Packlisten werden erstellt, Outfits zusammengesucht und wieder verworfen, verzweifelt die letzten Bestellungen getätigt, in der Hoffnung es würde doch noch alles rechtzeitig ankommen.
Viele sind schon alte Hasen und seit Jahren dabei. Mit den Jahren schleicht sich eine gewisse Routine ein, es erwartet einen immerhin immer wieder das Selbe, das doch jedes Mal anders und aufregend ist. Wer ein Mal die ganzen Tage durchgeplant und festgestellt hat, dass das nicht, oder nur mit Hängen und Würgen funktioniert, hat sich schnell eines besseren besonnen und erwartet die Dinge, die da kommen mögen gelassen. Wer einmal berauscht in einer in der Musik gefangenen Menge eines Konzertes stand und dann beseelt durch den Nebel der Party in den Morgengrauen getanzt hat kommt immer wieder. Sehnt und träumt. Wartet auf die Tage außerhalb dieser Welt, in einer anderen Zeit, in einem anderen Raum.
Für andere wiederum wird es das erste Mal sein, dass sie die Veranstaltung besuchen. In der größten WGT Facebook-Gruppe häufen sich die Fragen. Wo kann man die Tickets abholen oder kaufen? Wann gibt es denn Spielplan? Wo kann man parken? Was darf man mit in die Veranstaltunsgräume nehmen? Und nicht zu Vergessen die Dauerbrennerfrage nach Tageskarten…Aufregung und Vorfreude sind hier besonders groß, aber auch die Ungewissheit. Was erwartet einen? Wie wird es sein? Was wird man erleben? Wird man sich angekommen fühlen?
Daher wollen wir von euch wissen: Wie war euer erstes WGT? Was habt ihr erlebt? Was ist ganz gründlich schiefgegangen? Was war ein besonderes Erlebnis für euch? Was hättet ihr lieber vorher gewusst? Teilt eure Gedanken und Erfahrungen hier oder bei Facebook. Wir werden sie überall einsammeln und in den nächsten Tagen immer wieder anhängen.

Erinnerungspinnwand (3)

Tanja: „Mein erstes WGT war vor 12 Jahren. Ich war unfassbar aufgeregt, weil ich endlich nach 4 Jahren Warten mit dabei sein konnte und ich weiß noch, wie ich schon allein beim Gang vom Parkplatz zum Campingbereich geflasht war von all den Eindrücken. Es war auch furchtbar kalt, so dass ich nur mit Pulli und Schal rumlief und mir geschworen habe, danach nicht noch mal zu zelten…naja wers glaubt. 

Patrick: „Vom Täubchenthal in’s Stadtbad? Das schaff ich bis zum nächsten Act! Viel zu viele Acts parallel eingeplant und mir zu wenig Zeit fürs drum herum genommen. Mehr Kultur statt bloß Konzerte…

Aristides: „Mein erstes WGT muss 2006 gewesen sein, auch hier wünschte ich mir schon einige Jahre vorher, endlich mal dorthin zu kommen. In dem Jahr dann sah es endlich so aus als würde es hinhauen, Studienkollegen von mir waren im Jahr davor schon, und hielten mir einen Platz in Zelt und Auto frei, also setzte ich mich auf den Hosenboden um für den Anlass ein relativ aufwendiges schwarzes Tournürenkleid zu nähen. Die sah man damals noch nicht so häufig und generell würde ich sagen – das „Wettrüsten“ mit Klamotten und möglichst dickem Kopfgerödel a la Pfingstochse war da noch lange nicht so ausgeprägt, auch wenn es natürlich schon Rudelknippser und dergleichen gab, doch soweit ich es noch weiß, noch in erträglichem Maße…Mehr dazu in seinem Blog!

Ronny: „Mein erstes WGT war 1994 und 1995 mit Tageskarte. Mein erstes gesamt WGT war 1996.
Da es damals ja noch recht überschaubar war , war ich meist im Werk II oder in der MB oder bei der Parkbühne. 1996 – habe ich das erste und einzige mal gezeltet . Nie wieder… danach entweder Hotel oder bei Freunden. So richtig kann ich mich daran gar nicht mehr erinnern, ich weiß nur noch das ich sehr aufgeregt war und noch mehr Haare hatte als jetzt…“ Mehr dazu in den Kommentaren unter diesem Artikel.

Gothic Shoe Company vor dem Aus? Gruftis warten seit Monaten auf ihre bestellten Pikes

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In den letzten Wochen häufen sich die Meldungen, dass hunderte Bestellungen bei der Gothic Shoe Company nicht ausgeliefert wurden und geprellte Kunden aus aller Welt sehnsüchtig auf ihre Pikes warten. Auch uns erreichen Nachrichten von Leuten, die über Spontis auf den Laden in England aufmerksam geworden sind, ob wir wüssten, wie man nun an seine bestellten und bezahlten Schuhe kommt. Einige Kunden warten bereits seit Februar auf ihre Bestellung, Nachfragen – so wird uns berichtet – werden ignoriert oder der Shop-Betreiber verstricke sich in Widersprüche.

Die Betreiber des Shops hüllen sich in Schweigen. Die Facebook-Präsenz, den Instagram-Account und auch den Shop bei Etsy hat der Betreiber offensichtlich ohne Vorankündigung geschlossen, lediglich die Homepage der Gothic Shoe Company ist noch erreichbar.

Wie der Vater so der Sohn?

Mir kommt das alles sehr bekannt vor, denn bereits in den 90er fertigte der Vater des aktuellen Inhabers Pikes für die Gruftis dieser Welt und vertrieb diese über Shops wie den von Pennangalan, Retroshu und andere Szene Shops. Bei Spontis beschäftigten wir uns bereits 2014 mit dem Thema. Damals spielte sich nahezu dasselbe ab. Kunden bekamen ihre Pikes nicht, Szene-Shops wurden nicht mehr beliefert oder stellten den Verkauf ein, weil die Qualität angeblich massiv schlechter wurde.

2014 tauchte dann überraschend die Gothic Shoe Company auf, die einen kometenhaften Aufstieg hinlegte. Endlich waren wieder Pikes verfügbar! Und tatsächlich schien der Sohn einiges richtiger machen zu wollen, als sein Vater. Man reagierte auf Kundenwünsche, entwickelte seine Pikes stets weiter und hielt einen fairen Preis aufrecht. Das Programm wurde stetig erweitert, die Präsenz in sozialen Medien massiv ausgebaut.

Erste Warnzeichen von zu viel zu spät gelieferten Schuhen und verschwundenen Lieferungen ignorierten die Gruftis, denn endlich waren qualitativ hochwertige und wirklich spitze Pikes verfügbar! Nun scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Leider.

Gothic Shoe Company für immer geschlossen? Bisher weiß noch niemand, wie es weitergeht.

Auch wir wissen nicht mehr über den Verbleib des begabten Schuhmachers aus dem britischen Romford. Ich bin der Meinung, dass es unter diesen Umständen jedenfalls keine gute Idee zu sein scheint, weiterhin dort Schuhe zu bestellen. Über Neuigkeiten in Bezug auf die Gothic Shoe Company würden wir uns in Kommentaren freuen. Spontis versucht Euch auch auf dem Laufenden zu halten.

Update 26.05.2018

Neuigkeiten: Der verschwundene Betreiber der Gothic Shoe Company, der scheinbar hunderte Kunden nicht mit Pikes beliefert hat, ist wieder aufgetaucht. Laut britischer Registrierungsbehörden hat er ein neues Unternehmen gegründet:

History for The Gothic Shoe Company LTD: https://beta.companieshouse.gov.uk/company/09775927/filing-history

Neu eröffnet: London Apparelco Limited: https://beta.companieshouse.gov.uk/company/11378571

Nanu? Und tatsächlich scheint man wieder einen Schuladen eröffnet zu haben: http://www.londonapparelco.co.uk/ Im Programm: das nahezu identische Programm der Gothic Shoe Company.

Update 12.05.2019

Fast ein Jahr später scheinen auch „Goth Pikes“ Geschichte zu sein, nachdem auch ihre Internetpräsenzen nicht zu erreichen sind und zahlreiche Einträge in den sozialen Medien von „monatelanger Funkstille“ sprechen. Den meisten Leser und auch mir selbst ist es ein Rätsel, wie man offensichtlich stark nachgefragte Produkte und Shops so an die Wand fahren kann. Gerade in Zeiten, in denen Amazon immer mehr den Versandhandel bestimmt, fast schon ein Novum.

Stichwort Amazon. Dort sind Anbieten von Winkle-Pickern und Cuban Heels unter dem Namen „Retro of London“ aufgetaucht. Außerdem bieten einige Verkäufer auf E-Bay Pikes an, die unter dem Namen „Aztec Fashions LTD“ verkauft werden. Dies führt zur Internetseite „BootsandLeather.co.uk„, die auch einen mittlerweile geschlossenen Laden in Camden Town, London betrieben haben. Es ist jedoch unklar, ob die selbst Hersteller von Pikes sind, oder ob es sich um einen Abverkauf handelt.

Auf Instagram macht derweil ein alter Bekannter von sich reden. Pennangalan! Die wollen wieder einige Pikes ins Programm nehmen:

Auch hier ist unklar, aus welcher Quelle die Schuhe stammen. Nachdem einige Nutzer via Instagram Pennangalan genau darauf ansprachen, ob sie sich als Wiederverkäufer „tot geglaubter“ Pikes-Hersteller darstellen, versichert man dort, dass man weder mit Goth Pikes noch mit der Gothic Shoe Company etwas zu tun hätte und auch mit den ehemaligen Betreibern, die viele geprellte Kunden zurückließen, nichts zu tun hätte. Doch auch Pennangalan hat eine bewegte Vergangenheit und auch dort wurden bereits viele Kunden verprellt.

Es bleibt fraglich, ob Pennangalan an ihrem Plan festhält, Pikes zu verkaufen, wenn gleich von Beginn an die Community so großen Druck ausübt und eine Transparenz fordert, die britische Hersteller von subkultureller Bekleidung so noch nie gezeigt haben.

Für alle Neugierigen gibt es hier noch einige spannende Links, die mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten:

Folgt auch den Kommentaren hier unter dem Beitrag, in denen es immer viele neue Informationen zu entdecken gibt!

Crowdfundig erfolgreich: Spontis-Magazin und Buttons finanziert!

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Lieber Leser, liebe Spender! Ich gluckere so vor inneren Zufriedenheit vor mich hin und strahle über das ganze Gesicht wie ein Honigkuchenpferd. Freut Euch gemeinsam mit mir, denn mein kleiner Aufruf, den Druck des Magazins und die Herstellung der Buttons durch Euch finanzieren zu lassen, war erfolgreich. Sogar sehr erfolgreich, so dass wir finanziell über das Ziel hinausgeschossen sind. Außerdem darf ich im gleichen Atemzug mitteilen, dass sowohl Buttons als auch das Magazin bereits fertig sind und darauf warten, in Eure Hände zu gelangen.

350€ sollten gesammelt werden und 505€ sind zusammengekommen! Super! Die meisten Unterstützer haben sich auch für das „volle „Paket entschieden und nehmen auch noch den Jubiläums-Button mit, den eigentlich erst im August fällig ist, wenn Spontis tatsächlich 10 Jahren lang besteht.

Hier das Cover der neuesten Ausgabe, die Euch zum Wave-Gotik-Treffen erwartet. Für die, die es Unterstützt haben, auch mit einer Signatur auf der Rückseite. An dieser Stelle auch noch mal ein RIESEN Dankeschön an Sabrina Handt und meine liebliche Orphi, die das Magazin gestaltet, zusammengestellt und korrigiert haben. Die Bilder rausgesucht haben, die sich Helligkeiten bemühten und mit sonstigen Widrigkeiten kämpften. Ich muss jetzt nur noch einen hellen Edding kaufen und ein paar Ausgaben signieren.

Wie geht es jetzt weiter?

Unterstützer erhalten ihr Magazin und die Buttons in jedem Fall. Entweder auf dem Spontis-Treffen zum abholen, oder später auf dem Postweg. Die restlichen rund 100 Exemplare gehen in erster Linie an die, die das Spontis-Treffen besuchen. Sollten nach dem Wave-Gotik-Treffen noch Exemplare übrig bleiben, wird es wie immer die Möglichkeit geben, gegen Einsendung eines frankierten Rückumschlags an ein Exemplar zu kommen.

Was passiert mit den zuviel gezahlten Betrag?

Die Kosten betrugen 241,41€ für den Druck und 162€ für die Buttons, was einer Gesamtsumme von 406,41€ entschieden. Bei meiner damaligen Kalkulation hatte ich ein paar Kleinigkeiten, wie Versand, Verpackung  und Gebühren außer Acht gelassen, die noch oben drauf gekommen sind. Trotzdem bleibt ein Überzeichnungsbetrag von rund 90€ übrig, über dessen Verwendung ich die Unterstützer aktuell abstimmen lasse.

Zur Auswahl steht, den zuviel gezahlten Beitrag für das nächsten Jahr anzusparen, oder die 90€ in ein Abonnement einer rechtsanwaltlichen Betreuung der notwendigen Pflichtangaben einer Internetseite zu stecken. Das ist hinsichtlich neuer Datenschutzverordnungen (DSGVO, e-Privacy) dringend notwendig geworden. Niemand blickt hier noch durch, was man tun muss und was man besser sein lässt. Ein Abo bei e-recht24 versorgt mich mit den notwendigen Pflichtangaben und schützt ein kleines bisschen vor Ärger, hinsichtlich Datenerhebung und dem ganzen Kram. Ihr erinnert Euch sicher an die Abmahnung im Jahr 2017? Ich möchte das Risiko einfach soweit senken wie möglich.

Wie bereits erwähnt, landet nichts davon in meiner eigenen Tasche. Jeder Cent wird für die Gemeinschaft verwendet, die sich im Laufe der Jahre um diese Internetadresse gebildet hat.

Kritik und Verbesserungspotential

Leider konnten nicht alle Spendenwilligen spenden, weil man dazu eine Kreditkarte brauchte. Das ist blöd und das habe ich bei meiner Überlegung außer Acht gelassen. Für die nächste Spendenkampagne 2019 werde ich die Plattform mit mehr Bedacht aussuchen. Auch wurde die Laufzeit bemängelt, weil viele erst zu spät auf die Aktion aufmerksam wurden (hängen ja nicht alle so vor dem Rechner). Im nächsten Jahr beginne ich daher früher damit. Habt ihr noch Vorschläge was man besser machen kann? Wie gewohnt habe ich immer ein offenes Ohr für Eure Vorschläge!

 

Flic Flac macht Zirkus. Dass die das überlebt haben, ist ein Wunder!

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Zirkus Flic Flac – Ich finde ja, das klingt so ein bisschen nach Kindertheater. „Guck mal, Mama! Ich kann schon FlicFlac!“ Ein Kinderspiel war das allerdings nicht, was die Artisten unterm Zeltdach so getrieben haben. Flic Flac klingt jedenfalls viel zu harmlos.

Ästhetik versus Elefanten

Eigentlich gehe ich nicht gerne in den Zirkus, weil ich keine Tiere in der Manege mag. Selbst dressierte Hunde im Rampenlicht sind mir ein Graus, obwohl ich ja meiner Großspitzin auch ein paar Kommandos beigebracht habe – allerdings eher, um einen reibungslosen Tagesablauf zu garantieren und sie zu schützen und nicht, um sie vorzuführen. Wie oft habe ich mir schon gedacht, dass die Dompteure sich doch mal selber in die Manege stellen sollten, um durch brennende Reifen zu springen oder um waghalsige Balanceakte wider ihrer Natur hinzulegen. Zirkus Flic Flac hat diese Mischung aus Wunsch und Fluch wohl gehört.

Es gibt keine Tiere, nur Artisten. Man setzt auf Ästhetik, Stil und atemberaubende Stunts. Ein kluger Schachzug, um dem Zeitgeist gerecht zu werden. Trotzdem hatte ich, als wir ankamen, noch dieses alte Bild vom Zirkus im Kopf: Clowns, bunte Farben, Jongleure, Geruch nach Pferden, exotischen Tieren, Sägespänen und Popcorn – eine Mischung aus Kirmes und Bauernhof. Die Realität sah natürlich anders aus. Es gab im gelb-schwarzen Zelt einen Merchandise-Stand, einen Bildschirm, auf dem Trailer liefen, Brezel, Getränke, aber nirgendwo knatschbunte Luftballons, Luftschlangen, Leiermann und Liebesperlen in kleinen Fläschchen. Ein ganz kleines bisschen fand ich das schade.

Zirkus Flic Flac

Ist das schon böse Sensationsgier?

Die Nostalgie hatte ich mit dem ersten Auftritt der Artisten vergessen. Die Vorstellung begann spektakulär. Ein großes Rad, mehrere junge Männer, die innen und außen auf ihm herumkletterten, Sprünge wagten und durch die Luft flogen. Ich hatte so eine Angst, dass einer runterfällt. Das war ja nun auch der Sinn der Sache, denke ich. Ist gelungen! Ich erwischte mich immer wieder dabei, dass ich mich fragte, ob es okay ist, sowas anzuschauen. Schließlich bringen sich hier junge Menschen für ein sensationslüsterndes Publikum, zu dem ich mich in diesem Moment auch zählen musste, in Lebensgefahr – kein Netz, kein doppelter Boden, keine Sicherungsseile. Höher, schneller, weiter, gefährlicher. Mit Netzen bekommt man die Generation der computeranimierten Special Effects wahrscheinlich nicht mehr zum Staunen. Vielleicht ist nicht jeder so ein Schisser wie ich, aber trotzdem … ich kam gar nicht dazu, diese Gedanken weiterzuspinnen, denn ein Highlight jagte das nächste.

Zirkus Flic Flac

Zirkus Flic Flac: Orphi in Lebensgefahr!

Eine Nummer blieb mir besonders in Erinnerung, denn bei der waren nicht nur die Artisten, sondern auch ich in Lebensgefahr. Vermutlich nicht wirklich, aber es fühlte sich so an. Ich saß direkt am Gang und es begab sich, dass es plötzlich intensiv nach Benzin roch und dass Motorräder wie aus dem Nichts in die Manege katapultiert wurden. Die kamen aber gar nicht aus dem Nichts, sondern aus dem Gang direkt neben mir. Da hatte man die Rampe aufgebaut. Den Blick gen Manege überlegte ich dümmlich, wo die überhaupt herkommen, diese Motorräder. Da fing ich den Blick einer Dame auf, die auf der anderen Seite auch direkt am Gang saß. Sie starrte mich angsterfüllt an und ihr Blick suchte Bestätigung – geteiltes Leid ist halbes Leid. In dem Moment kapierte ich, dass die Dinger 20 cm von meinem linken Ohr entfernt über die Rampe schossen. Natürlich habe ich mir nichts anmerken lassen und habe cool und lässig weiter zugeschaut. In echt aber hätte ich am liebsten wie die Frau gegenüber geguckt und mich dann unterm Stuhl versteckt. Wenigstens hat mich der Clown nicht in die Manege geholt. Der war übrigens auch nicht bunt und er hatte auch keine rote Nase. Er erinnerte eher an einen wortgewandten Kleinkünstler auf dem Mittelaltermarkt. Ich kann ja Publikumsbeteiligung nicht leiden!

Zirkus Flic Flac

Und die Moral von der Geschicht …

Nun, ich habe es überlebt, die Frau hat es überlebt und zum Glück haben es auch die Artisten überlebt. Es war absolut faszinierend – eine Mischung aus Musical, Tanztheater, Artistik und Rammstein. Jeder, der in seiner Stadt Plakate von Flic Flac sieht, sollte sich unbedingt Karten kaufen. Die Vorstellung ist wirklich atemberaubend. Es gibt noch ein ganz persönliches Fazit: Ich bin kurze Zeit vor diesem Zirkusbesuch an der Niers spazierengegangen und in einem Anfall von jugendlichem Leichtsinn auf Baumstämme am Wegesrand geklettert. Dabei kam ich mir vor, als sei ich 99 Jahre alt und ich glaube, es sah auch nicht sehr elegant aus. Wenn man also sieht, was der menschliche Körper offensichtlich kann – Flic Flac hat es bewiesen – und was mein Körper alles nicht kann, dann … Doch nochmal ein bisschen Sport machen?

Orphi Kletterversuch

1996: Gruftis im Schülerfernsehen – Berichterstattung vom 5. Wave-Gotik-Treffen in Leipzig

Die bewegte Berichterstattung über die Szene war in den 90ern sehr durchwachsen und geprägt von haltlosen Anschuldigungen und Vorurteilen. Auffällig war, das stets von „Oben“ nach „Unten“ berichtet wurde, also von der „Erwachsenen Gesellschaft“ auf die Lebenswelten der undurchsichtigehn Jugend. Das Schülerfernsehen Kitzscher (SFK) aus der gleichnamigen Stadt in Sachsen wollte 1996 einen anderen Weg gehen und schickte Schüler der Oberschule zum 5. Wave-Gotik-Treffen nach Leipzig. Die sollten in ihrem „Randgruppenreport“ herausfinden, was gleichaltrige und ältere Jugendliche dazu veranlasste, sich schwarz zu kleiden und sich zum WGT zu versammeln. Ein schönes Video, auf das uns Andreas aufmerksam gemacht hat, mit vielen Eindrücken von einem sehr frühen WGT, einem noch recht unkommerziellen Treffen und Interviews auf Augenhöhe.

1996 scheint das WGT in Leipzig noch recht unbemerkt stattzufinden, obwohl sich bereits einige tausend Gruftis in der Stadt herumtreiben müssen. Die Leipziger zeigen sich zwar hier und da skeptisch, scheinen aber sonst offen und neugierig zu sein, was da in ihrer Stadt geschieht.

(5:14) „Fühlen Sie sich von solchen Jugendlichen belästigt? Ach überhaupt nicht! Gestern waren wir noch ein bisschen im Mühlholz, ich mein wir sehen jetzt nicht so aus wie die, mein Freund und ich, aber war ein total schöner Abend. Es war irgendwie so der Eindruck, als wäre ich gar nicht in Leipzig.

(12:50) „Wissen Sie was Gruftis sind? – Das hängt mit dem Tod zusammen, nicht? Den Tod nicht scheuen. Sind meistens Jugendlichen. Aber man soll die Leute ja nicht vom ersten Eindruck her gleich verurteilen.“ – „Vorurteile? Auf keinen Fall! Mein Enkel könnten das ja auch noch werden.

Die Einzigen, die die Gruftis für „balla balla“ halten sind zwei kleine Jungs (14:31). Einer trägt eine Schirmmütze mit eingebautem Ventilator, der von einer Solarzelle auf der Oberseite gespeist wird. Was hier gekühlt werden soll, entzieht sich jedoch meiner Kenntnis. Diese Kritik kann ich dann nun wirklich nicht ernst nehmen.

Wir sind mit unserer Musik eben nicht Top-10 tauglich, meint der junge Mann von der Band Dorsetshire. Müssen wir auch gar nicht, denke ich so bei mir, während er ausführt, warum dem so ist. Zum Schluss kommt die sogenannte „Selbstauskunft“, ein Interview mit 3 jungen Besuchern des Treffens, die ehrlich und authentisch erzählen, warum sie in der Szene sind, wie sie diese für sich Interpretieren und was sie darin finden.

Das Interessante am Tod ist doch, das keiner was darüber weiß […] Das Leben muss irgendwo hingehen, es kann nicht einfach aufhören. Die Seele in einem Menschen stirbt ja nicht. Mit der muss ja auch irgendwas passieren.

Im Grunde spricht das Interview für sich selbst. Es fühlt einfach richtig an, wenn die Jugendliche nicht in Erklärungsnot geraten, weil übereifrige Interviewer versuchen, die Crux der Gothic-Szene aus ihnen zu quetschen. Es fühlt sich schön an, wenn man von Gewaltfreiheit erzählt, von Romantik, von Gefühlen und Gedanken – die thematisch das spiegeln, was die Szene auf der Bühne zu vermitteln versucht. Es ist diese naive und leidenschaftliche Welt der Jugendlichen, zu denen Älteren oftmals der Zugang fehlt.

Möglicherweise geht es dem ein oder anderen von Euch genau so. Ihr belächelt die 3 Gruftis im Gras, schüttelt voller Weisheit den Kopf und resümiert, was für einen Quatsch die da erzählen. Und drei Gedankengänge später findet ihr Euch dann im Trauergesang über das „früher“ in der Szene, wie toll das alles damals war und wie kommerziell alles heute geworden ist. Ihr sehnt Euch nach den „echten“ Gruftis von 1996 zurück und lästert insgeheim über die heutzutage verkleideten Elfen, Ritter, Zombies und Pferde.

Vielleicht hat sich nicht die Szene verändert, sondern wir. Mein Spiegelbild stimmt mir jedenfalls zu. Während ich daran vorbeischlendere nehme ich mir vor, nicht wie der vermeintliche Sokrates über die Jugend zu schimpfen, sondern sie als den lebendigen Teil unserer Szene zu verstehen. Mit all den „Au weias“ und den „Wows!“, die das so mit sich bringt.

SFK 1996 - Gruftis auf dem 5. Wave-Gotik-Treffen
Brillen-Gruftis und Zylinder-Goten sind keinesfalls uncool, sondern immer schon Teil der Szene.

Discothek Shadow in Leverkusen völlig ausgebrannt

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Und das zur Walpurgisnacht! Ein verheerender Brand am frühen Sonntag Morgen in der Discothek Shadow in Leverkusen, hat den legendären Tanztempel völlig ruiniert. Wie die Rheinische Post berichtet, ist der Feuerwehr gegen 10 Uhr starke Rauchentwicklung auf dem Dach des Gebäudes, in dem sich die Discothek befindet, gemeldet worden. „40 Feuerwehrmänner in zehn Fahrzeugen rückten zum Brandort aus. Dort erkundeten sie die Rauchquelle an einem Lüftungsschacht und verfolgte sie hinunter in den Keller. Hinter einer verschlossenen Tür, die aufgebrochen wurde, befand sich der Brandherd, den die Einsatzkräfte löschten.

Wie die Betreiber auf Facebook schreiben, scheint die Ursache ein Kabelbrand der Thekenkühlschränke gewesen zu sein. Die Bilder bestätigen den Eindruck, dass hier auf unbestimmte Zeit keine Veranstaltung mehr stattfinden kann.

Wir sind unendlich traurig, stehen vor den Trümmern von fast 18 Jahren Herzblut, Hingabe und Spaß mit Euch.

Doch trotz aller Traurigkeit wegen der Ereignisse steckt in Leverkusen niemand den Kopf in den Sand. Bereits jetzt hat das Team eine Ausweichlocation in unmittelbarer Umgebung des Shadow aufgetan, in der die Walpurgisnacht stattfinden wird. Bleibt zu hoffen, dass der Brand keine Folgen für die Location hat und dem Shadow nicht das gleiche Schicksal droht, wie dem Zwischenfall in Bochum, das seine Türen für immer schließen musste.

Die Bilder, die uns freundlicherweise vom Shadow zur Verfügung gestellt wurden, sehen nach viel Arbeit aus:

Auf zahlreiche Bitten der Fans, Besucher und Liebhaber, etwas zum Wiederaufbau beizutragen, wurde ebenfalls reagiert und man hat eine langfristige Spendenkampagne ins Leben gerufen, die den Wiederaufbau des Ladens unterstützen soll. Innerhalb der letzten Stunden sind bereits über 3.500€ eingegangen!

Shadow Leverkusen - Feuer am 29.04.2018 (7)
Bei solchen Bildern wird deutlich, dass 18 Jahre Shadow auch in den Herzen der Besucher nicht spurlos vorübergegangen sind. Blumen und Lichter sollen Hoffnung spenden.

 

Interview: Your Younger Days Festival in Augsburg

Kleine, undergroundige Festivals scheinen in den letzten Jahren nur so im Untergrund zu kreuchen und fleuchen. Sie decken eine große Breite der „schwarzen Szenemusik“ ab und bieten zahlreichen neuen und alten Künstlern eine Bühne und ihrem Publikum eine Tanzfläche. Groß im Kommen sind in letzter Zeit wieder (wasauchimmerfüreinSparten) Wave und Post-Punk, welche mit den Anfängen der „schwarzen Szene“ untrennbar verwoben sind. Auch die Macher von Young&Cold Records haben mit dem Young&Cold Festival, über welches bei Spontis immer wieder berichtet wurde, eine Nische neben zahlreichen anderen geschaffen. Minimal Wave wird hier ganz groß geschrieben. Mit ihrem neuen Festivalprojekt Your Younger Days widmen sich die Veranstalter jedoch ganz dem Post-Punk mit seinen Gitarren und Schlagzeugen. Zeit für Spontis bei Marcel einmal nachzufragen.

Spontis: Wie ist das „Your Younger Days“ entstanden? Wie kam es zu der Idee und was ist der Hintergrund?

Marcel: Das Your Younger Days ist eigentlich schon 2015 entstanden. Damals war bereits nach einigen Wochen das Young&Cold Festival III im Frühjahr ausverkauft. Viele Leute kamen auf uns zu und fragten, warum wir nur dem Minimal Wave so große Beachtung schenken würden und die Gitarren / Bässe und vor allem Schlagzeuge bei uns keine Beachtung finden würden. Wir versuchten ein Konzept zu erarbeiten – was auch relativ schnell gelang. Leider fehlte uns die passende Location. Wir wollten damals das Festival bewusst nicht in der Ballonfabrik machen, damit der Vergleich zum Young&Cold nicht zu identisch ist. Leider fanden wir keine passende und bezahlbare Option weder in Augsburg noch in München (was tatsächlich in Frage kam).

Die Zeit verflog und dann war 2016 auch keine Luft dafür, da die Deca Dance 5 Jahre (Festival) anstand. Wir wollten unser Team nicht mit drei Festivals überschütten und ihnen das zumuten. Letztendlich fiel dann letztes Jahr im Spätsommer die Entscheidung das Your Younger Days nun doch in der Ballonfabrik zu starten. Der Hintergrund zum Your Younger Days ist vor allem im Gegensatz zum Young&Cold (wo alte Legenden auf frische Bands treffen) hier jungen Bands eine Bühne zu bieten. Natürlich auch Bands von unserem Label.

Spontis: Wie entscheidet ihr euch für die Bands?
Marcel: Das Team ist immer das gleiche. Wobei jedoch nur ein kleiner Kern die finale Bandauswahl am Ende trifft. Vorschläge vom Team und unseren Fans nehmen wir uns gerne immer zu Herzen und werden auch mit in die Entscheidungen einbezogen.

Spontis: Würdest du uns die Bands kurz vorstellen?
Marcel: Holygram spielten bereits auf einer Deca Dance Veranstaltung, die wir auch organisieren. Wird fanden die Band professionell hervorragend und zählen sie definitiv zu eine der Bands, die in diesem musikalischen Bereich, in ein paar Jahren in der oberen Liga spielen wird, wenn sie am Ball bleibt. Elvira and the Bats waren bereits auch schon Gäste beim Young&Cold Festival. Mit neuen Songs kehren sie zurück nach Augsburg. Ihr Album erscheint im Winter ’18 bei Young and Cold Records. Nach 10 Jahren Bandgeschichte wird es langsam Zeit für den ersten Tonträger der Band.

Schonwald hab ich vor Jahren in München live gesehen. Die beiden fand ich so sympathisch, dass es nur eine Frage der Zeit war, sie nach Augsburg zu holen. Suir und Under The Skin sind durch die Fanvotings zum Festival gestoßen. Beides sehr interessante Projekte. Kadeadkas sind unser Labelzugpferd im Bereich Post-Punk. Wir arbeiten intensiv am Album in CD und Vinylformat.

Spontis: Das Young&Cold wird umrahmt von einer liebevoll, selbstgebastelten Dekoration. Wird das beim Your Younger Days ebenso sein?

Marcel: Unser Dekoteam plant natürlich wieder eine ausgefallene Deko zum Festival. Wie jedes Jahr lässt sich Babsi, die bei uns für die Deko zuständig ist, von der Musik inspirieren und gestaltet dann…Anfangs steht immer kein Konzept. Das ist das Konzept.

Your Younger Days finden am 08. und 09. Juni 2018 in Augsburg statt. Mehr Informationen gibt es in unserem Festivalkalender.

Wochenschau #2/2018 – Empört Euch! Aber nicht immer erst nachher.

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Die Musiklandschaft ist empört! Da gewinnen doch zwei selbsternannte Rapper Deutschlands „wichtigsten“ Musikpreis mit einem Album, das in einigen Lieder widerliche Formulierungen enthält, die so ziemlich alles beleidigen, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Frauen, Flüchtlinge und Juden. Also ganz gezielt Themen, die den Deutschen in Mark und Bein provozieren. Die Empörungsflut, die das auslöst, ist enorm. Andere Preisträger wollen ihren Echo zurückgeben, da werden Ethikkommisionen gegründet und der Echo überdenkt seine Regularien. Die beiden nuschelnden Vollpfosten, die da auf der Echo-Bühnen ihren Kram auch noch zum besten geben dürfen, freuen sich und zeigen ihre Muskeln. Doch die sind nur die Schirmchen in dem Cocktail, den sich die Musikindustrie da zusammengemischt hat. Denn darin schwimmen die stinkenden Eiswürfel, die den Mist produziert und vertrieben haben, die Werbung dafür gemacht haben, die sie zum Echo eingeladen haben und die dem Album letztendlich diese Bühne geboten haben. Jetzt machen alle den Rückzieher und sprechen davon, dass der „Echo in ein falsches Licht gerückt wird.“ Statement des Veranstalters: „Der Bundesverband Musikindustrie lehnt als Verband und als Veranstalter des ECHO jede Art von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Gewaltverherrlichung ab.“ Blöd nur, dass man dann den beiden rappenden Totalausfällen einen Preis verleiht, findet ihr nicht? Und übrigens: Vollpfosten sind keine Künstler. Aber manchmal werden aus Künstler auch Vollpfosten wie das Beispiel Morrisey in dieser Wochenschau zeigt.

The Real Human Body Decomposition | Learn Medical
Ich rate Menschen mit schwachen Magen unbedingt dazu, sich das Klicken des Links zu verkneifen, denn es geht um die Beschreibung und Darstellung des Verwesungsprozesses einer Leiche. Rein biologisch betrachtet, ein völlig natürlicher Prozess – wenn auch ein ziemlich ekliger. Bereits 4 Minuten, nachdem der molekulare Tod eingetreten ist, beginnt der Prozess der Zersetzung. Wie lange es dauert, bis nur noch die Knochen übrig geblieben sind, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Abgesehen von den ekligen Bildern des oben verlinkten Beitrags gibt es im Bestatterweblog dazu einen ausführlichen und nüchternen Artikel in deutscher Sprache.

Why Leicestershire Police want to speak to punks, emos and goths | Leicester Mercury
Die britische Polizei in Leicester stellt fest: „Punks, goths and emos have “the right to live their life without being bullied”. Ziel der Kampagne ist es, anschaulich darzustellen, dass man vom äußeren Erscheinungsbild nicht auf den Menschen dahinter schließen kann. Was uns möglicherweise logisch erscheint, muss (nicht nur) in Großbritannien deutlich gesagt werden. Hinter dem Hastag #BehindTheUniform zeigt die Polizei selbst, dass hinter ihren amtlichen Fassaden auch Menschen mit subkulturellen Hintergrund stecken.

„Niemand muss allein zum Schafott“ | Zeit Online
Der Philosoph Macho (so heißt er wirklich) hat eine fast schon ketzerische Ansicht zum Tod, den für ihn liegt in der Gemeinschaft des Todes eine gewissen Verbundenheit: „Es war einer der größten Fehler in der philosophischen Beschäftigung mit dem Sterben – am deutlichsten vielleicht bei Martin Heidegger – den Tod als einen Weg der radikalen Vereinzelung zu beschreiben. Also als Sein-zum-Tode, als etwas, das mich allein betrifft. Heidegger wertet das zum „Existenzial“ auf: Ich sterbe allein, das kann mir niemand abnehmen. Und in der Vorwegnahme dieses einsamen Sterbens soll ich zur Eigentlichkeit des Daseins finden. Dabei ist es doch so, dass wir genau dieses Schicksal, die Vereinzelung im Sterben, alle teilen. Wir sind alle sterbliche Wesen. Daraus könnte eine ganz elementare Solidarität erwachsen, die sich sogar noch auf die Tiere ausweiten ließe. Diese Gemeinsamkeit hat etwas Tröstliches. Ich glaube, das ist auch ein Grund, weshalb immer mehr Menschen im Hospiz sterben wollen. Das Hospiz verkörpert diese Idee, dass der Tod uns nicht trennt, sondern verbindet.“http://www.giessener-anzeiger.de/lokales/kultur/vom-moloch-bis-zum-wasserfall_18651455.htm

Vom Moloch bis zum Wasserfall | Gießener Anzeiger
Konrad ist ein Fotografengrufti, was er schon auf einigen Spontis-Family-Treffen und auch in seinem Artikel über die radioaktiv verseuchte Stadt Tschernobyl unter Beweis gestellt hat. Nun durfte er seine erste Ausstellung mit Fotos aus Taiwan einrichten. Ich muss da einfach mal bringen, weil ich Konrads „Blick für das wesentliche“ ebenso schätze, wie der Freundeskreis Hesse-Taiwan, der diese Ausstellung veranstaltet. „Der Friedberger Hobbyfotograf Konrad Funke, geboren 1989, „kam durch Zufall“ an eine familiäre Einladung nach Taiwan. „Ich hab’s nicht bereut“, sagte der Erzieher bei der Eröffnung der Schau. „Ich habe versucht, ein breites Spektrum einzufangen“, und das ist ihm wirklich gelungen. Aus tausenden Bildern stellte er Motive zu den Themen Stadt, Natur und Kultur zusammen.

Big Mouth strikes Again | Diverse
Morrissey hat dem Spiegel ein Interview gegeben und der macht daraus einen Artikel, der den Ex-Frontmann der Smith in einem ganz üblen Licht erscheinen lässt. Der Musikexpress entschärft dann ein bisschen, während Morrissey selbst die Sache in Stellungnahmen und Beteuerungen nicht viel besser macht. „Anlässlich seines neuen Albums LOW IN HIGH SCHOOL hatte Morrissey der „Spiegel“-Journalistin Juliane Liebert ein exklusives Interview gegeben, das weltweit für Aufregung sorgte. Morrissey verteidigte darin indirekt Harvey Weinstein und Kevin Spacey, beschuldigte deren mutmaßliche Opfer, bezeichnete Berlin wegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik als „Vergewaltigungshauptstadt“ und bestätigte, dass er Donald Trump töten würde, wenn dafür ein Knopfdruck reiche. Einige dieser Aussagen traf er danach erneut.“ Vielleicht sollten manche Leute einfach nur singen um sich mit der Präsenz als Kunstfigur zufrieden geben, anstatt zu allem und jedem eine Meinung zu haben.

Grab the Black Eyeliner, The Cure’s Robert Smith is Curating Meltdown 2018 | Noisey
Tatsächlich! Robert Smith kümmert sich um die musikalische Auswahl des diesjährigen Meltdown Festival in London. „I am honoured and excited to be curating the 25th Meltdown. More than 30 of my all-time favourite artists – some of the most exciting, inspirational, intense and influential performers of the last 40 years – will make sure this 10-night extravaganza is the must-see event of the summer!“ Sagt er und bringt Bands wie Nine Inch Nails, Placebo, My Bloody Valentine, The Libertines, Deftones, Manic Street Preachers, Mogwai, 65daysofstatic, Mono, The Notwist, The Psychedelic Furs und Alcest auf die Bühne.

Emos, Goths, Nu Metaler: Es gibt keine neuen Jugendkulturen mehr | Noisey
Zunächst einmal ist es erstaunlich, dass der so betitelte Artikel selbst keine Rückschlüsse auf diese Behauptung zulässt. Aber sei es drum. „Aber die Abgrenzung zur Außenwelt und die Konzentration auf die eigene Gefühlswelt könnte durch die politischen Umbrüche, in denen wir uns derzeit befinden, schnell wieder ein Ende nehmen: „Vielleicht sind die momentanen politischen Ereignisse auch ein Auslöser dafür, dass die Popmusik wieder politischer wird – aber es ist momentan noch kaum ein Anzeichen dafür zu erkennen.“ Möglicherweise ist auch einfach die Zeit musikalisch geprägter Jugendkulturen vorbei, denn anderen Subkulturen gedeihen ja prächtig, vor allem in der digitalen Landschaft, oder?

Gothic über 50? Make-Up wird die Sache schon richten | Queenie Black

Kurzfilm: 8238 | KFMW
8328 is about an unexpected encounter between young Hugo and Raymond, to whom life has given few gifts… except a few wooden carvings.“ (Ein Film über häusliche Gewalt an Kindern)

Nachgereicht: Der WDR hat Ende März eine Dokumentation zur „Dunklen Seite des deutschen Rap“ veröffentlicht, die ich Euch als Ergänzung der Empörung nicht vorenthalten will.

Glitter + Trauma: Interview mit Zacker, dem Veranstalter der düster-queeren Party während des WGT 2018

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Glitter + Trauma ist eine düster-queere Party, die zwar während der Pfingsttage in Leipzig stattfindet, aber nicht zum offiziellen Programm des Wave-Gotik-Treffens gehört. Am Pfingstsamstag, den 19. Mai 2018 feiert der Teil der schwarzen Szene, der den Regenbogen im Herzen spannt, seine ganz eigene Party im Leipziger Institut für Zukunft. Ich wollte von Veranstalter Zacker wissen, was hinter dem Konzept steckt und wieso es auch innerhalb der schwarzen Szene immer noch notwendig zu sein scheint, sich durch eine eigene und queere Veranstaltung abzugrenzen.

Das düstere Lebensgefühl erschließt alle Bereiche menschlicher Leidenschaften und im Grunde genommen sollte es keinerlei Reibungspunkte zwischen den Lebensentwürfen geben, schließlich ist die Szene seit je her ein Refugium für alle möglichen geschlechtlichen und sexuellen Identitäten. Doch was in meiner Theorie so einfach und harmonisch klingt, scheint in der Realität immer wieder zu Problemen zu führen. Von Sprüchen und Anfeindungen ist da die Rede, von Intoleranz und Heimatlosigkeit. Das Interview mit Zacker sollte daher Licht in mein eigenes Dunkel bringen und herausfinden, warum es 2018 noch notwendig zu sein scheint, sich innerhalb der Szene und während des Wave-Gotik-Treffens durch eine eigene Party abzugrenzen.

Zacker
Trotz langjähriger Erfahrung werden die Partys für Zacker keine Routine, sondern sind stets leidenschaftliche Nächte mit viel Herzblut.(Bild: (c) Hagen Wolf)

Die Glitter + Trauma Party ist bereits jetzt schon eine etablierte, ja fast schon Traditionelle düster-queere Veranstaltung für alle Gruftis, die sich ganz bewusst außerhalb traditioneller Geschlechterrollen bewegen.

Bereits vor 15 Jahren begann Veranstalter Zacker damit, sich seine ganz eigene Heimat in Leipzig zu schaffen: „Ende der 90er Jahre – so ganz ohne Internet, Facebook & Co. – fühlte ich mich als ‚schwuler Grufti‘ nirgends zu Hause. Die Düster-Szene war wenig tolerant – die Homo-Szene noch weniger. Daraus entstand die Idee der eigenen Reihe – den Zacker Nights. Hier feierten Anfang 2000 homos, heteros, nononos bzw. Männer, Frauen, davor, danach, dazwischen zusammen – das war eine wirklich eklektische Mischung.

Die Zacker-Nights sind mittlerweile dem Zeitgeist gewichen und trotzdem scheint sein Gründer nicht, wie in einem Artikel von 2010 angekündigt, kürzer getreten zu sein. Regelmäßige Party-Reihen in Leipzig sprechen eine andere Sprache. Vielleicht kann er nicht anders und vielleicht ist das auch gut so.

Nach einem einschneidenden Erlebnis in den frühen 90ern setze sich Zacker mit dunklen Themen und Gedanken auseinander und fand zur schwarze Szene. Musikalisch zogen die Cranberries mit „No need to Argue“ und Depeche Mode mit ihren „Songs oft Faith and Devotion“ ihn mit ihren melancholischen Sounds in den Bann. Darin ist er hängen geblieben, sowohl inhaltlich als auch musikalisch. Leipzig scheint als Petri-Schale ein idealer Nährboden für alternative Lebensgefühle zu sein. Das Wave-Gotik-Treffen ist nur eine Kultur, die sich darauf gebildet hat.

Spontis: Zacker, wie kam es dazu, die GLITTER + TRAUMA Party zum Wave-Gotik-Treffen aus der Taufe zu heben?

Zacker: Ich war vor der ersten GLITTER+TRAUMA-Party bereits Veranstalter im Düster-Queer-Sektor. Mein Ansatz war es, auch für das WGT einen festen Anlaufpunkt für die Zielgruppe zu schaffen. Die ersten Partys liefen auch noch als offizieller WGT-Programmpunkt – diese Kooperation hat aber für mich nicht gut funktioniert. Seitdem läuft die GLITTER+TRAUMA erfolgreich als Teil des stetig wachsenden ‚Ohne-Bändchen-Programms‘ – ähnlich, wie es unsere Freunde des Gothic-Pogo-Festivals handhaben.

Beginnen die Party mit Glitter und enden im Trauma oder woher kommt der Name der Party?

Exakt! Mittlerweile geben sich unsere Gäste viel Mühe, zu Beginn mit ihren Outfits und Make-Up zu „glittern“ und am Ende in Schweiß und Extase zu Enden. Haha. Nein, das ist nur die halbe Wahrheit. Durch meine DJ-Aktivität bekam ich früher noch Promo-CDs. Auf einer davon war der Track ‚Glitter and Trauma‘ von Biffy Clyro. Musikalisch völlig woanders verortet. Das CD-Cover zeigte einen nackte Figur mit diabolischer Gasmaske – das und der Trackname sind irgendwie hängen geblieben. Eigentlich war ‘Glitter und Trauma‘ nur der Arbeitstitel – und der existiert nun seit 13 Jahren.

In der Beschreibung ist von einer queeren Subkultur die Rede, wie würdest du das jemandem beschreiben, dem diese Begrifflichkeit fremd ist?

Ich spreche bei meiner Arbeit gern von einem ‚queeren Background‘ – das gibt mir mehr Spielraum im Bezug auf die festgefahrene, politisch definierte Begrifflichkeit von „Queer“. Für mich geht es dabei in erster Linie um Selbstdefinition und das Durchbrechen heternormativer Muster. Mann/Frau/davor/danach/dazwischen und damit verbundene gesellschaftliche Erwartungen – was macht das mit uns? Darüber hinaus spielt natürlich auch die Definition – oder besser gesagt – Nichtdefinition der Sexualität eine inhaltliche Rolle. Homo/Hetero/Bi – das sind Attribute, die man überall aufsetzen kann. Was bedeuten diese heute noch?

Morrissey sagte dazu bereits 1985 sehr passend: “Begriffe, wie heterosexuell, homosexuell und bisexuell akzeptiere ich nicht – und ich halte es für wichtig, dass es so jemanden in der Popmusik gibt. Diese Worte richten immensen Schaden an, sie verwirren die Menschen und machen sie unglücklich. Deshalb würde ich sie gerne abschaffen!

Und mit Subkultur meine ich tatsächlich die Wave/Gothic/Dark-Szene. Denn auch, wenn in den letzten Jahren Wave/Synth-Bands wieder auffällig durchstarten und kalter Industrie-Sound durch den erfolgreichen Brückenschlag zu neuem düsterem Techno eine sehr breite Masse erreicht, bleibt es doch Off-Kultur.

Mein kleiner Beitrag ist es also, in einem geschützten Raum gewisse Ketten zu sprengen. Was jeder mit nach Hause nimmt oder im Herz behält, weiß ich nicht.

Wie unterscheidet sich die Glitter + Trauma Party von den anderen Partys die während des WGT stattfinden?

Das kann ich selber nicht beurteilen. Von dem, was ich als Feedback bekomme, ist es tatsächlich die Verbindung von „Queer“ und „Dark“ und die daraus resultierende Mischung der Gäste. Hier kann jeder sein und lieben wie er mag. Sexualität, Geschlecht, Aussehen spielen nur eine Nebenrolle. Du kannst knutschen, tanzen und Gleichgesinnte sowie Freunde treffen. Über die letzten Jahre ist ein kleines großes Stammpublikum gewachsen, das meinen Weg mitgeht. Das fühlt sich jedes Jahr an wie Familie – das ist für mich ‘Community‘.

Darüber hinaus ist unsere Musikmischung sehr bewusst – aber auch bewusst unaufgeregt. Wir haben keine Angst vor populären Gassenhauern, lieben neuen Hipster-Kram, bekommen Wehmut bei alten Grufti-Schinken, stampfen nach krachigem Elektro und scheuen weder 80s-Kitsch noch Homo-Hit: ’The Soft Moon’ meets ‘The Sound‘ meets ‘The Smiths’ meets ‘The Supremes’  oder so.

Ich persönlich habe die Szene immer schon für Geschlechtsneutral gehalten. Es spielte innerhalb der Szene nie eine Rolle, welches Geschlecht man hat, welchem man sich zugehörig fühlt oder welches man verkörpert. Erst neulich stellte ich ein Video von 1983 vor, das genau das herausstellt. Wieso braucht die Szene – oder das WGT – eine queere Party?

Weil die Realität anders aussieht. Es ist ein Unterschied, ob man aus einer sicheren Position mit Geschlechterrollen spielt oder als zum Beispiel schwuler Boy oder Transgender den blöden Spruch von beispielsweise hyper-männlichen EBM-Bürsten überhört. Es mag schon sein, dass die schwarze Szene diesbezüglich tendenziell entspannter ist. Das heißt jedoch nicht, dass Transphobie, Homophobie und „Arschlochism“ nicht auch stattfinden. Ein Paar Pikes machen nicht automatisch einen besseren Menschen.

Das ist der eine Grund. Der andere klingt banaler, ist aber ebenso wichtig: Die Party ist ein Treffpunkt für die düster-queere Szene, um in einem geschützten Raum Freunde zu treffen, neue Leute kennenzulernen oder auch Sex zu haben.

In Eurem Text zur Party heißt es weiter: “so haben wir die Möglichkeit einen Raum zu erschaffen, in dem wir uns alle wohl fühlen können – unabhängig von Geschlecht, Sexualität, Herkunft, Hautfarbe oder Schönheitsnormen.“ Ist das innerhalb der Szene überhaupt ein Problem?

Ja! Absolut. Das war Anfang der 90er nicht anders als heute. Aber das ist nicht verwerflich – weil Gothics auch nur Menschen sind und der Mensch nicht unfehlbar ist. Ich möchte das nicht moralisch aufgeblasen bewerten, jedoch spüre ich ganz klar einen Graben zwischen dem, wie sich die Schwarze Szene selber sieht, welche Attribute Gothics sich auf die Fahne schreiben und der Realität – im Bezug auf alle oben gelisteten Punkte.

Seit über 10 Jahren gibt es die Party schon. Wenn du zurück blickst, welches Ereignis ist dir besonders positiv und welches besonders negativ in Erinnerung geblieben?

Positiv ganz klar das Lächeln der Gäste. Ich spüre, dass sie meinen Weg mitgehen und verstehen, was mir die Party bedeutet. Die Liebe der Glitter + Trauma Familie wächst von Jahr zu Jahr – das schönste Ereignis. Negative Erinnerungen interessieren mich nicht mehr.

 

Organisierst oder engagierst du Dich auch außerhalb des Wave-Gotik-Treffens für die schwarze, queere Subkultur?

Ja. Seit 10 Jahren veranstalte ich die Reihe NO NO NO! Der Fokus liegt hier eher auf elektronischer Clubmusik und Indie-Sounds, aber die Bookings haben oft einen Bezug zu meinen Wurzeln: Sei es ein gewisser 80s-Elektro-Vibe in meinen DJ-Sets, die wavige Cure-Gitarre auf dem Indie-Floor, aktuelle Hipster-Synth-Bands auf der Bühne oder rau-industrieller Techno im Nebel.

Darüber hinaus veranstalte ich noch eine ‘reguläre‘ Düster-Reihe mit dem Namen TEARS RUN RINGS. Bei dieser Party unterstützen mich am DJ-Pult meine vier Freunde und Grufti-Urgesteine Thomas Thyssen, Knüpfi und Dark Sounds ein. Ein stets wilder Abend – mit Unmengen von Eierlikör.

Kein Dunkel-DJ ohne persönliche Top 10 – Wie würde Deine Aussehen?

Unmöglich. Dafür ist mein Musikgeschmack zu breit gefächert und es gibt zu viel, was mich bewegt. Ich kann aber KünstlerInnen benennen, die mich nachhaltigst geprägt haben. Da ist zum Beispiel Antony Hegarty/Anohni. Sie steht für so ziemlich alles und kaum jemand hat mich in den letzten 10 Jahren so berührt und in meinem Wirken beeinflusst. Naja – und dann ist da noch die gute Frau Ciccone. Hier bin ich ein hoffnungsloser Fall – Fanbouy Nr.1 sozusagen!

We glitter, you Pogo!

Glitter + Trauma
Am 19.05.2018 findet in Leipzig die Glitter + Trauma Party statt und lädt alle Queeren- und Queer-Denkenden Menschen zu einem Besuch ein.

Links: FB-Event zur Party, Homepage der Party, Homepage der nononos, Homepage der Tears run Rings Partys