Wochenschau #2/2018 – Empört Euch! Aber nicht immer erst nachher.

Die Musiklandschaft ist empört! Da gewinnen doch zwei selbsternannte Rapper Deutschlands „wichtigsten“ Musikpreis mit einem Album, das in einigen Lieder widerliche Formulierungen enthält, die so ziemlich alles beleidigen, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Frauen, Flüchtlinge und Juden. Also ganz gezielt Themen, die den Deutschen in Mark und Bein provozieren. Die Empörungsflut, die das auslöst, ist enorm. Andere Preisträger wollen ihren Echo zurückgeben, da werden Ethikkommisionen gegründet und der Echo überdenkt seine Regularien. Die beiden nuschelnden Vollpfosten, die da auf der Echo-Bühnen ihren Kram auch noch zum besten geben dürfen, freuen sich und zeigen ihre Muskeln. Doch die sind nur die Schirmchen in dem Cocktail, den sich die Musikindustrie da zusammengemischt hat. Denn darin schwimmen die stinkenden Eiswürfel, die den Mist produziert und vertrieben haben, die Werbung dafür gemacht haben, die sie zum Echo eingeladen haben und die dem Album letztendlich diese Bühne geboten haben. Jetzt machen alle den Rückzieher und sprechen davon, dass der „Echo in ein falsches Licht gerückt wird.“ Statement des Veranstalters: „Der Bundesverband Musikindustrie lehnt als Verband und als Veranstalter des ECHO jede Art von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Gewaltverherrlichung ab.“ Blöd nur, dass man dann den beiden rappenden Totalausfällen einen Preis verleiht, findet ihr nicht? Und übrigens: Vollpfosten sind keine Künstler. Aber manchmal werden aus Künstler auch Vollpfosten wie das Beispiel Morrisey in dieser Wochenschau zeigt.

The Real Human Body Decomposition | Learn Medical
Ich rate Menschen mit schwachen Magen unbedingt dazu, sich das Klicken des Links zu verkneifen, denn es geht um die Beschreibung und Darstellung des Verwesungsprozesses einer Leiche. Rein biologisch betrachtet, ein völlig natürlicher Prozess – wenn auch ein ziemlich ekliger. Bereits 4 Minuten, nachdem der molekulare Tod eingetreten ist, beginnt der Prozess der Zersetzung. Wie lange es dauert, bis nur noch die Knochen übrig geblieben sind, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Abgesehen von den ekligen Bildern des oben verlinkten Beitrags gibt es im Bestatterweblog dazu einen ausführlichen und nüchternen Artikel in deutscher Sprache.

Why Leicestershire Police want to speak to punks, emos and goths | Leicester Mercury
Die britische Polizei in Leicester stellt fest: „Punks, goths and emos have “the right to live their life without being bullied”. Ziel der Kampagne ist es, anschaulich darzustellen, dass man vom äußeren Erscheinungsbild nicht auf den Menschen dahinter schließen kann. Was uns möglicherweise logisch erscheint, muss (nicht nur) in Großbritannien deutlich gesagt werden. Hinter dem Hastag #BehindTheUniform zeigt die Polizei selbst, dass hinter ihren amtlichen Fassaden auch Menschen mit subkulturellen Hintergrund stecken.

„Niemand muss allein zum Schafott“ | Zeit Online
Der Philosoph Macho (so heißt er wirklich) hat eine fast schon ketzerische Ansicht zum Tod, den für ihn liegt in der Gemeinschaft des Todes eine gewissen Verbundenheit: „Es war einer der größten Fehler in der philosophischen Beschäftigung mit dem Sterben – am deutlichsten vielleicht bei Martin Heidegger – den Tod als einen Weg der radikalen Vereinzelung zu beschreiben. Also als Sein-zum-Tode, als etwas, das mich allein betrifft. Heidegger wertet das zum „Existenzial“ auf: Ich sterbe allein, das kann mir niemand abnehmen. Und in der Vorwegnahme dieses einsamen Sterbens soll ich zur Eigentlichkeit des Daseins finden. Dabei ist es doch so, dass wir genau dieses Schicksal, die Vereinzelung im Sterben, alle teilen. Wir sind alle sterbliche Wesen. Daraus könnte eine ganz elementare Solidarität erwachsen, die sich sogar noch auf die Tiere ausweiten ließe. Diese Gemeinsamkeit hat etwas Tröstliches. Ich glaube, das ist auch ein Grund, weshalb immer mehr Menschen im Hospiz sterben wollen. Das Hospiz verkörpert diese Idee, dass der Tod uns nicht trennt, sondern verbindet.“http://www.giessener-anzeiger.de/lokales/kultur/vom-moloch-bis-zum-wasserfall_18651455.htm

Vom Moloch bis zum Wasserfall | Gießener Anzeiger
Konrad ist ein Fotografengrufti, was er schon auf einigen Spontis-Family-Treffen und auch in seinem Artikel über die radioaktiv verseuchte Stadt Tschernobyl unter Beweis gestellt hat. Nun durfte er seine erste Ausstellung mit Fotos aus Taiwan einrichten. Ich muss da einfach mal bringen, weil ich Konrads „Blick für das wesentliche“ ebenso schätze, wie der Freundeskreis Hesse-Taiwan, der diese Ausstellung veranstaltet. „Der Friedberger Hobbyfotograf Konrad Funke, geboren 1989, „kam durch Zufall“ an eine familiäre Einladung nach Taiwan. „Ich hab’s nicht bereut“, sagte der Erzieher bei der Eröffnung der Schau. „Ich habe versucht, ein breites Spektrum einzufangen“, und das ist ihm wirklich gelungen. Aus tausenden Bildern stellte er Motive zu den Themen Stadt, Natur und Kultur zusammen.

Big Mouth strikes Again | Diverse
Morrissey hat dem Spiegel ein Interview gegeben und der macht daraus einen Artikel, der den Ex-Frontmann der Smith in einem ganz üblen Licht erscheinen lässt. Der Musikexpress entschärft dann ein bisschen, während Morrissey selbst die Sache in Stellungnahmen und Beteuerungen nicht viel besser macht. „Anlässlich seines neuen Albums LOW IN HIGH SCHOOL hatte Morrissey der „Spiegel“-Journalistin Juliane Liebert ein exklusives Interview gegeben, das weltweit für Aufregung sorgte. Morrissey verteidigte darin indirekt Harvey Weinstein und Kevin Spacey, beschuldigte deren mutmaßliche Opfer, bezeichnete Berlin wegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik als „Vergewaltigungshauptstadt“ und bestätigte, dass er Donald Trump töten würde, wenn dafür ein Knopfdruck reiche. Einige dieser Aussagen traf er danach erneut.“ Vielleicht sollten manche Leute einfach nur singen um sich mit der Präsenz als Kunstfigur zufrieden geben, anstatt zu allem und jedem eine Meinung zu haben.

Grab the Black Eyeliner, The Cure’s Robert Smith is Curating Meltdown 2018 | Noisey
Tatsächlich! Robert Smith kümmert sich um die musikalische Auswahl des diesjährigen Meltdown Festival in London. „I am honoured and excited to be curating the 25th Meltdown. More than 30 of my all-time favourite artists – some of the most exciting, inspirational, intense and influential performers of the last 40 years – will make sure this 10-night extravaganza is the must-see event of the summer!“ Sagt er und bringt Bands wie Nine Inch Nails, Placebo, My Bloody Valentine, The Libertines, Deftones, Manic Street Preachers, Mogwai, 65daysofstatic, Mono, The Notwist, The Psychedelic Furs und Alcest auf die Bühne.

Emos, Goths, Nu Metaler: Es gibt keine neuen Jugendkulturen mehr | Noisey
Zunächst einmal ist es erstaunlich, dass der so betitelte Artikel selbst keine Rückschlüsse auf diese Behauptung zulässt. Aber sei es drum. „Aber die Abgrenzung zur Außenwelt und die Konzentration auf die eigene Gefühlswelt könnte durch die politischen Umbrüche, in denen wir uns derzeit befinden, schnell wieder ein Ende nehmen: „Vielleicht sind die momentanen politischen Ereignisse auch ein Auslöser dafür, dass die Popmusik wieder politischer wird – aber es ist momentan noch kaum ein Anzeichen dafür zu erkennen.“ Möglicherweise ist auch einfach die Zeit musikalisch geprägter Jugendkulturen vorbei, denn anderen Subkulturen gedeihen ja prächtig, vor allem in der digitalen Landschaft, oder?

Gothic über 50? Make-Up wird die Sache schon richten | Queenie Black

Kurzfilm: 8238 | KFMW
8328 is about an unexpected encounter between young Hugo and Raymond, to whom life has given few gifts… except a few wooden carvings.“ (Ein Film über häusliche Gewalt an Kindern)

Nachgereicht: Der WDR hat Ende März eine Dokumentation zur „Dunklen Seite des deutschen Rap“ veröffentlicht, die ich Euch als Ergänzung der Empörung nicht vorenthalten will.

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Axel
Axel(@axel)
Vor 6 Jahre

Der wichtigste (also wirklich objektiv wichtigste) Musikpreis in Deutschland ist übrigens der Preis der deutschen Schallplattenkritik. http://www.schallplattenkritik.de
Allein für das Ding schon nominiert zu werden ist ne riesige Ehre. Nur komisch, über den Preis wird medial so garnicht berichtet. Diese ganze Echo Farce ist IMO nur Ablenkung, etwa vom neuen Polizeiarbeitsgesetz, dass in Bayern, Sachsen und NRW in Vorbereitung ist und einen riesigen Polizeistaat Tür und Tor öffnet.

Öko-Theosoph
Öko-Theosoph (@guest_56888)
Vor 6 Jahre

Homosexuelle dürfen nicht diskriminiert werden. Aber es darf auch keine Homo-Ehe geben. Wir brauchen eine öko-konservative Politik. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).

Victor von Void
Victor von Void(@vivovo)
Vor 6 Jahre

Aus meiner Sicht das größte Problem mit dieser Preisverleihung ist, dass erst dadurch aufgefallen ist, was für einen Sch… die Herren da rappen. Offensichtlich ist es ok, den Mist jahrelang zu verbreiten (und daran zu verdienen), solange kein Pseudo-Preis dafür vergeben wird. Dann fällt BMG plötzlich und überraschend auf, dass das ja vielleicht doch nicht ganz so cool ist? Hat sich dort niemand angehört, was man produziert und verkauft? Offenbar macht Geld taub und dämlich….

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 6 Jahre

Öko-Theosoph: hast Du keine andere Plattform, auf der Du Deine seltsamen geistigen Ergüsse loswerden kannst? Hier interessiert sich vermutlich niemand für sowas. Langsam nervt Dein Geschwafel wirklich. Und sicher nicht nur mich.

Axel
Axel(@axel)
Antwort an  Robert
Vor 6 Jahre

Der Echo war noch nie renommiert, weil es schon immer nur und NUR um die meisten Verkäufe ging. Dieses ganze Trara ist in dem Maßen verlogen, weil der Preis natürlich auch eine Gesellschaft abbildet, die nunmal in den letzten 10 Jahren sehr viel konservativer und rechtsorientierter geworden ist. Bei Freiwild regt sich doch auch niemand mehr auf, dass die in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Und bei den Heinis hier wird dasselbe geschehen. Und in ein paar Jahren steht doch garantiert auch eine Katja Krasavice dort auf der Bühne und dann wird diese verlogene Empörungsnummer wieder durchs Dorf getrieben. Es ist immer dasselbe. Mit immer weiteren „Provokationen“ werden Sprache und somit auch die dahinterstehenden Gedanken gesellschaftsfähig. Und das ist von Bertelsmann und Co. natürlich so gewollt. Denn damit lässt sich Geld machen. Die Leute sollen nicht nachdenken, sondern konsumieren. Die Leute sollen du,m gehalten werden.

Die könnten ja auch ne intelligente Rapperin wie Lena Stoehrfaktor (https://www.youtube.com/watch?v=5KLo0352Fuw) unter Vertrag nehmen. Die schreibt wirklich verdammt gute Texte mit Inhalt. Sie verkörpert durch und durch ein positives Geschlechterbild und steht für Humanismus, Gleichberechtigung, Toleranz. Aber in einer Gesellschaft, wo das Werte sind, die nicht gefragt sind, lässt sich damit auch kein Geld verdienen.

Sylvia_Plath
Sylvia_Plath (@guest_56929)
Antwort an  Robert
Vor 6 Jahre

 Axel: Ich bin schockiert. Woher kennst du Katja Krasavice? Die ist ja nun gar nicht Gothic-relevant?!

Axel
Axel(@axel)
Antwort an  Sylvia_Plath
Vor 6 Jahre

@Sylvia Nunja, wenn man schon deutsche Popkultur als Feindbild hat, sollte man zumindestens nen groben Überblick drüber haben. ;-) Wenn man nicht gerade von ner 15 jährigen Tochter der Freundin damit genervt wird. Oder im Bus zur Hauptstoßzeit wenn die ganzen Kids zur Schule fahren. Das eigentlich schockierende ist: Mädels im Teenie-Alter finden diese sexistische Scheisse auch noch toll.

(Aber wer mich kennt, der weiß eh, dass Gothic nur einen kleinen Teil meines Musikgeschmacks ausmacht. :D )

Sylvia_Plath
Sylvia_Plath (@guest_56940)
Antwort an  Axel
Vor 6 Jahre

 Axel: Danke für deine Erklärung. :) Ich sehe Katja nur als logisches Produkt einer übersexualisierten Gesellschaft + YouTubes allgemeinen Sexismus. Die ist quasi ne lebendige Gummipuppe, die auf Alex Christensen-Niveau singt. XD

Daniel
Daniel (@guest_56895)
Vor 6 Jahre

Ehrlich gesagt, verstehe ich diese ganze Echo-Farce dahingehend nicht, warum sie medial – sogar hier – derart durchgekaut werdn muss. Fakt ist: Labels wie Aggro Berlin haben bereits vor mehr als 15 Jahren Deutsch-Rapper unter Vertrag genommen, die homophobe, latent rassistische und frauenfeindliche Texte veröffentlicht haben, um ein germanisches Äquivalent zum amerikanischen Gangsta-Rap zu generieren. All dies wurde über die ganzen Jahre eher verdrängt und erhielt auch nie den wirklich großen medialen Zuspruch (von einigen Bedenkenträgern mal abgesehen). Sie fanden einfach nicht statt (nur bei den Jugendlichen, die es unglaublich geil finden, wenn Worte wie „Fotze“, „Schwanz“ und „Arschfick“ aus den Lautsprecherboxen tönen)

Solche Heinis gibt es also schon länger, wurden aber eigentlich ignoriert, was in meinen Augen das beste ist, was man machen kann. Wer nicht in den Medien stattfindet, existiert auch nicht. Da aber nun ausgerechnet ein Campino (offen gestanden kann ich seine Wandlung vom Punk-Saulus zum Konservativen-Paulus nicht ertragen) dieses Thema für sich beansprucht und er als Mensch der Öffentlichkeit auch als Multiplikator einer Sache fungiert, zerreißen sich auf einmal alle das Maul um die Jungs, die sich wierum freuen dürfen, weil sie dadurch eine kostenlose Publicity allererster Güte bekommen. Denn schlechte Werbung ist auch Werbung.

Sicherlich darf man auch die Veranstalter kritisieren, wenn sie diese „Künstler“ bei einer solchen Gala zulassen. Aber der größere Fehler liegt meiner Meinung nach im Aufbauschen eines Sujets, das bereits seit mehreren Jahren mehr oder weniger unbeachtet existiert. Sich jetzt auf einmal so hinzustellen, als wäre es wahnsinnig schockierend, was die da machen, ist in meinen Augen nur lächerlich. Oder wie es Robert geschrieben hat: Sich empören ja, aber nicht erst, wenn eigentlich schon alles zu spät ist.

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Antwort an  Daniel
Vor 6 Jahre

Daniel, das Problem an der Sache ist ja nicht (nur), dass die solche Texte machen, sondern dass sie offensichtlich solchen Erfolg damit haben, dass sie einen solchen Preis erhalten. Dass hier unreflektiert nur über Verkaufszahlen prämiert wurde, ohne dass anscheinend im Vorfeld geschaut wurde, was die da für einen üblen Bullshit von sich geben, ist der wahre Aufreger. Und ich kann verstehen, wenn andere sich nicht auf einer Stufe mit solchen „Künstlern“ sehen wollen und eine Prämierung im selben Atemzug ablehnen. Wenn schon solcher Mist „gewürdigt“ wird, was ist der Preis an und für sich dann überhaupt noch wert?

Daniel
Daniel (@guest_56897)
Antwort an  Tanzfledermaus
Vor 6 Jahre

Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien die Echos verliehen werden. Wenn es aber nur nach den harten Verkaufszahlen geht, ist die Frage, ob es sich dabei um CD- oder Internetverkäufe handelt. Ist es ersteres, dann finde ich es wenig relevant, denn der Online-Markt hat den CD-Markt längst überholt. Ob sie dann wirklich so erfolgreich sind, bleibt dann zu hinterfragen. Es ist eine Frage der Relation: Wenn die Band vor 20 Jahren ihre Musik gemacht hätte und damit vielleicht 100.000 Platten verkauft hat, würde das nur unter „ferner liefen“ zu finden sein. Heutzutage ist ein solcher Absatz an CDs mittlerweile sehr hoch. Deswegen bekommen sie dann einen Preis, weil sie die meisten Platten verkauft haben. Wirklich „erfolgreicher“ sind sie aber dann de facto auch nicht.

Dass sich die Leute jetzt auf einmal so echauffieren, ist für mich allerdings immer noch wenig nachvollziehbar. Wie gesagt, diese Musik gibt es seit mehreren Jahren und wurde geduldet. Sobald aber diese Menschen auch einen Preis dafür bekommen, ist es auf einmal bäh. Da hätte man vielleicht auch schon mal vorher Stellung beziehen können. Und ich gebe dir recht, Tanzfledermaus, die Veranstalter hätten im Vorfeld da schon mal ein Auge resp. ein Ohr drauf werfen können.

Axel
Axel(@axel)
Antwort an  Daniel
Vor 6 Jahre

Rap wurde nicht erst 2003 mit Aggro Berlin schrecklich an das deutsche Publikum angepasst – und damit seine sozialkritische Komponente beraubt. Sondern bereits 10 Jahre vorher mit den Fanta 4. Vorher gab es im Underground ja den Oldschool wie Advanced Chemistry. Das war damals auch, kurz vor dem Erscheinen der Fanta 4 auch auf dem Weg ein Hit zu werden. Dann jedoch schossen sich alle Medien, etc. auf die Fantas ein. Die waren witzig, harmlos und lange nicht so unbequem. Unbequem sein, die richtigen Fragen stellen und Missstände in der Gesellschaft aufzeigen. Darum geht es im guten Conscious Rap. Es ist ein Jammer, dass dieses Stilmittel in Deutschland seit jeher immer nur im Underground anzutreffen war und ist. Was übrigens auch den eigentlichen Schatten auf die deutsche Musik- und Medienbranche wirft.

Wann immer jemand unbequem in seiner Musik wird, kannste sichergehen, dass er dann, selbst mit Label im Rücken, von Medien nicht mehr abgebildet wird. Das ist nicht nur bei Rap so, sondern auch anderen Genres wie Singer/Songwriter. Eine gute Bekannte von mir ist Singer/Songwriterin. Musikalisch und technisch in der obersten Liga. Textlich aber sehr unbequem, sehr gesellschaftspolitisch. Und sie hätte schon bei Universal oder Warner unterkommen können, mit der Auflage: „Mach mal nicht solche harten Texte. Sei ein wenig weiblicher, schreib über Liebesthemen.“ – Ihr wundert euch, warum der Echo sexistisch und antisemitisch ist? Weil die Majors selbst dermaßen sexistisch und antisemitisch sind, dass es wirklich schmerzt. Und wenn sich Menschen, die sich aufgrund solcher Erfahrungen in die Öffentlichkeit stellen und das hart anprangern, dann kriegen das die meisten nicht mit, weil von Medien nicht weitergetragen. Und selbst wenn, würde von den allermeisten Leuten kommen „Ach, stell Dich nicht so an.“

DAS sind die tatsächlichen Probleme. Das Empören über irgendwelche Musikpreise geht komplett, aber mal so dermaßen komplett, an die Wurzeln der Probleme vorbei.

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Antwort an  Axel
Vor 6 Jahre

Hmmm… es gibt doch durchaus Künstler mit sehr kritischen Texten, die auch Erfolg haben und sehr bekannt sind. Ganz spontan und in knapper Zeit morgens fällt mir da Reinhard Mey ein, z.B. seine Songs „Sei wachsam“, „Wahlsonntag“, „das Narrenschiff“, „Was in der Zeitung steht“ und einige weitere.

Axel
Axel(@axel)
Antwort an  Tanzfledermaus
Vor 6 Jahre

So Leute wie Reinhard Mey, Funny van Dannen u.ä. kommen aber aus einer anderen Zeit. Nämlich den 60ern und 70ern. Da war die Musik allgemein sehr viel politischer. Aber grenze das mal in den letzten 20 Jahren ein. Kennst Du irgendeinen Singer/Songwriter oder Pop/Rock-Musiker, der deutschlandweit so richtig bekannt ist und sehr direkte, sehr kritische Texte schreibt? Es ist nicht so, dass es diese Musiker nicht gäbe. Die gibt es wie Sand am Meer. Aber mehr als bestenfalls bekanntheit in der eigenen Umgebung oder innerhalb einer Hardcore-Community ist da auch nicht drin. Selbst bei so vergleichsweise bekannten KüsntlerInnen wie Sookee würde ich nicht von Mainstream sprechen wollen.

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Antwort an  Axel
Vor 6 Jahre

Da ich weder Radio höre noch mich sonst mit aktueller Mainstream-Musik beschäftige, kann ich diesbezüglich leider keine Beispiele nennen.
Die Toten Hosen und Die Ärzte hätte ich sonst noch als Beispiele genannt, die haben ja auch einige sehr gesellschaftskritische/politische Texte. Aber die gibt’s ja auch schon länger als 20 Jahre…

Axel
Axel(@axel)
Antwort an  Tanzfledermaus
Vor 6 Jahre

Und zumindest DTH sind sehr unpolitisch geworden. Die Ärzte waren schon immer recht unpolitisch. Klar, Allgemeinplätze wie „Nazis sind Arschlöcher“ oder „Geh mal wieder Demonstrieren“ waren da schon drin. Aber das tut ja niemanden weh.

Was ich meine: Abseits von so unbekannteren Leuten gibt es echt niemanden, der aktuelle Themen aufgreift. Da gäbe es ja einiges: Burn-Out, immer mehr psychische Krankheiten allgemein, Alltagssexismus, Rassismus, Internetsucht, Überwachungsstaat, immer mehr Gesetze die nicht demokrarisch legitimiert werden, Armut, Auseinanderdriften der Gesellschaft, und und und. Der Themen gäbe es wirklich sehr viele. Aber in der kommerziellen Musik finden diese schlicht nicht statt. Und schon gleich dreimal nicht von Frauen vorgetragen.

Axel
Axel(@axel)
Antwort an  Robert
Vor 6 Jahre

Das ist aber auch schon lange her mit dem Neofolk-Bereich. Bis auf die alten, typischen Nasen gibt es doch da kaum jemanden, der da noch mit rechten Symbolen „provoziert“. Eigentlich ganz im Gegenteil: Die allermeisten Neofolk-Musiker, die ich in den letzten Jahren so kennengelernt habe, sind recht linksalternativ unterwegs. Tatsächlich bekam ich im Vorfeld der letzten Snowflakes Nummern immer von den Neofolk-Musikern erstmal die Ansage, dass die auf keinen Fall wo stattfinden wollen, wo auch Nazis einen Platz bekommen. Da herrscht gerade unter den jüngeren Musikern eine erfreulich wache Sensibilisierung zum Thema. Tatsächlich würde ich Snowflakes V als den Sampler mit den meisten linken Musikern bezeichnen. Auch wenn es musikalisch so garnicht rüberkommt.

Sehr viel schlimmer sind da Erzeugnisse wie Mein Land von Letzte Instanz. Darüber kann, nein, muss man sich empören. Weil es 1a diese „Wir sind keine Nazis, aber doch irgendwie rechts“ Idioten abholt.

Axel
Axel(@axel)
Antwort an  Robert
Vor 6 Jahre

Doch schon, es ist aus meiner Perspektive ein Taschenspieler für rechte Ideologien. Allein der Duktus des Songs erfüllt die Themen rechtskonservativer Kräfte:
Hier haben wir unser Land. Unsere Kinder. Beides müssen wir verteidigen. Gegen denen, welche unsere Heimat angreifen.

In dem Song kommt derselbe Duktus zum Ausdruck, wie man ihn auch in jedem Freiwild-Song findet. Mit einem Unterschied: Man bleibt sprachlich indirekt. Es wird was von einer Gefahr erzählt, aber nicht konkretisiert welche Gefahr eigentlich. Es wird eine unterbewusste Angst ins Feld geführt, ohne zu sagen vor wem. Der Duktus bleibt aber gleich: Unser Land, unsere Kinder.

Übrigens, auch PEGIDA startete mal als „Demonstration für den Frieden“. Das ist ja das schlimme, dass rechtskonservative Kräfte bewusst Sprache aus dem linken Spektrum nehmen – wie „Fremd im eigenen Land“, was in den 80ern ein Ausspruch der Juden in Deutschland und in den 90ern von den Kindern der in den 70ern nach Westdeutschland gekommenen Gastarbeiten genutzt wurde. Oder eben auch wenn von „Frieden“ die Rede ist.

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