Wave-Gotik-Treffen 2020: Veranstalter plant noch keine Absage (Update 06. April)

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In den sozialen Netzwerken und dem Forum des WGT überschlagen sich die Spekulationen. Gruftis aus aller Welt sind unsicher. Findet das weltweit größte Gothic-Festival nun statt oder nicht? Dabei ist aktuell nur eine Sache sicher: Die Corona-Pandemie breitet sich weiter aus und verhält sich dabei äußerst dynamisch. Niemand kann sagen, wie es Ende Mai in Leipzig, Deutschland oder weltweit aussehen wird. Wir haben dennoch Cornelius Brach, den Pressesprecher des WGT, um eine Stellungnahme gebeten und auch versucht, mit der Stadt Leipzig zu sprechen.

„Wir gehen davon aus, daß das WGT stattfinden kann.“

Wie uns Cornelius Brach in seiner heutigen Antwort (26. März 2020) bestätigt, geht man im Augenblick davon aus, dass das Wave-Gotik-Treffen 2020 stattfinden wird. „Wir planen weiterhin ganz normal und gehen davon aus, daß das WGT stattfinden kann.

Auch die Künstler und Bands gehen offensichtlich noch davon aus, dass das Festival stattfindet, denn wie uns Cornelius Brach schrieb, „hat bislang keine der von uns gebuchten Bands abgesagt.

Leipzig kündigt an: bis Ende des Jahres Einschränkungen

Auf die Frage, ob das Wave-Gotik-Treffen stattfinden kann, erhielten wir von der Stadt Leipzig keine Antwort. Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, teilte Stadtsprecher Matthias Hasberg bei der täglichen Sitzung des Krisenstabes heute (Stand 26.03.2020) mit, dass „noch bis Ende dieses Jahres die Leipziger mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens rechnen müssen.“ Bisher wurden allerdings erst bis zum 20. April 2020 alle Veranstaltungen untersagt. Bis zum 5. April gelten in Sachsen auch strikte Ausgangsbeschränkungen.

Leipzigs Gastronomen, darunter auch einige Veranstaltungsorte des WGT, wie beispielsweise der Auerbachs Keller, die Moritzbastei und das Werk II (Gothic Pogo Party), haben sich in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) gewandt, da sie um ihre Existenz fürchten und sich von der Stadt mehr Unterstützung erhoffen.

Kommentar: Spekulationen, Wut und Verzweiflung

Die Spekulationen der WGT-Besucher sind verständlich. Auch wir bangen darum, ob das WGT stattfindet und was im Falle einer Absage mit unserer bereits gebuchten Unterkunft passiert. Auf unsere Nachfrage räumte uns der Vermieter jedoch eine zusätzliche Kulanz ein, mit der wir die Unterkunft auch noch kurzfristig absagen können. Internationale Gäste stehen vor noch größeren Herausforderungen, schließlich sind Urlaube hart erarbeitet, Flugtickets möglicherweise gebucht und Reisen organisiert. Nicht alles davon kann kurzfristig storniert oder abgesagt werden, wenn sich herausstellen sollte, dass das Festival nicht stattfinden darf.

Leider gibt es keinen Schuldigen, den man für diese Unsicherheiten verantwortlich machen kann. Genau wie wir alle, die Stadt Leipzig, das Land Sachsen, Deutschland und auch die Veranstalter des Wave-Gotik-Treffens sind wir Opfer der Umstände. Und genau die ändern sich nahezu täglich. Wie sich die Corona-Pandemie entwickeln wird und was Ende Mai Stand der Dinge sein wird, weiß niemand.

Bleibt gesund, passt auf Euch und Eure Mitmenschen auf. Spontis hält Euch auf dem Laufenden.

Update vom 6. April 2020:

Ein Artikel in der Leipziger Volkszeitung bringt weiteres Licht hinter die Kulissen des Wave-Gotik-Treffens. So gab Pressesprecher Brach auf Nachfrage an, dass man nicht über eine Absage oder Verschiebung spekulieren wolle, solange kein behördliches Verbot vorliege. Dass der Vorverkauf entsprechend schleppend ist, bedarf keiner weiteren Erwähnung. „Die Leute sind ja nicht doof“, entgegnete Brach der LVZ.

Es war zu lesen, dass man bezweifelt, das Festival im Falle einer Absage auf einen neuen Termin, beispielsweise im Herbst, zu verlegen. Die komplexen Strukturen und Planungen von so vielen Künstlern auf rund 40 Bühnen im Leipziger Stadtgebiet macht es schwierig, einfach einen neuen Termin zu finden.

Immerhin. Finanziell macht man sich seitens der Treffen- und Festspielgesellschaft aber weniger Sorgen. Gegenüber der LVZ bestätigte Brach zwar, dass es finanzielle Einbußen geben würde, die Existenz aber nicht gefährdet sei.

Nachruf auf Gabi Delgado – Bitte denk an nichts, denn alles ist gut

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Guten Abend, Jungs und Mädchen! So eröffnete Gabi Delgado fast jedes Konzert der Band DAF, das ich in den letzten 15 Jahren erleben durfte. Ich habe mich immer gefragt, ob der Typ, der dort auf der Bühne tanzte, als gäbe es kein Morgen, jemals älter werden würde. Es war mit immer unbegreiflich, wie ein Mensch nur so viel Energie verströmen kann. Der Moment, wenn er einer der unzähligen Wasserflaschen, die auf der Bühne herumstanden, über seinem Kopf entleerte. Unbeschreiblich. Wenn der treibende Beat, den Robert Görl am Schlagzeug taktete, dich einfach aus der Lethargie des Alltags riss. „Als wärs das letzte mal„. Ich hielt Gabriel Delgado-López damals für unsterblich. Ich habe mich geirrt. Er starb vorgestern im Alter von 61 Jahren. Ich und die Wirklichkeit.

Ich fühle mich so seltsam

1978 begegneten sich Görl und Delgado zum ersten mal im Ratinger Hof in Düsseldorf. Görl, der seine Eltern bei einem Autounfall verlor und als Waise aufwuchs, war passionierter Drummer. Klassische Musikausbildung, Konservatorium, Hochschule. Görl war richtig gut. Für einen Aufenthalt in London unterbrach er sein Studium und entdeckte im Punk sein Ventil. Im Ratinger Hof war er auf der Suche nach jemandem, mit dem er sein neues musikalisches Selbstbewusstsein ausleben konnte. Er traf Gabi Delgado.

Der Sohn eines Gastarbeiters, der als Kind nach Deutschland gelangt, wird im Ruhrpott groß. Remscheid, Dortmund, Wuppertal, Düsseldorf. Im Punk findet er seinen Lebensentwurf. Aggressiv, laut und nihilistisch, so nahm er die Punk-Szene wahr. Delgado wollte dazugehören und er gehörte dazu. In der Band Mittagspause tanzte er neben Peter Hein, der später die Fehlfarben gründete. Görl hatte mal eine Single mit dem Plan gemacht. Sowieso wusste damals keiner so genau wer nun in welchen Bands spielte und wer Publikum und wer Musiker war.

Zusammen mit ein paar anderen Musikern gründen sie „im Rausch einer Nacht“ DAF und spielen im Ratinger Hof ihre ersten Konzerte. Heimspiele sozusagen. Doch die Heimat wurde ihnen zu Eng, auf der Suche nach Ruhm, Reichtum und einem Plattenvertrag zog die Band 1980 nach London. „Wir waren ja bei der EMI und haben denen unsere Sachen angeboten. Aber die meinten nur: ‚Das ist keine Musik! Wenn ihr irgendwann mal richtige Musik macht, dann kommt nochmal vorbei.‘“ (Gabi Delgado in der Biografie „Das ist DAF“)

In England schlagen sie ein. Der deutsche Sprechgesang und die hämmernde Beats treffen den rebellischen Zeitgeist im Kern. Für die englische Musikpresse werden sie zur „gegenwärtig wichtigsten kontinentalen Truppe“ und spielen die Band Wire, bei der sie das Publikum im Electric Ballroom als Vorband anheizen wollen, hemmungslos an die Wand. Kraftwerk, die deutschen Pioniere der elektronischen Musik, degradieren sie zu Wegbereitern echter „Electronic Body Music„. DAF, die mittlerweile zu einem Duo geschrumpft sind, füllen den Begriff mit Leben. Sie beeinflussen das, was die Menschen musikalisch bewegt, nachhaltig.

Electronic und Body, Maschinen und Muskeln, Präzision und Ekstase. Toughness und Roughness.

Der Ärger, den es schon damals gab, als sie von Mussolini und Hitler sangen und die Ablehnung, die sie mit dem Aufruf seine „Jugend zu verschwenden“ erzeugten, war ihnen egal. Hinter ihrer Musik steckte keine Ideologie, nur getanzter Tabubruch. Für Delgado waren Worte das Instrument, das der Band fehlte. „Das hat mit der Semantik, mit der Bedeutung des Wortes, wirklich überhaupt gar nichts zu tun. Das ist nur die Sexyness des Wortes. Mussolini. Mousse au Chocolat. Lini. Einfach ein schönes Wort.“ Sprachlicher Minimalismus, die Vielseitigkeit der deutschen Sprache und der verbal-schmutzige Sex, der manchen Kreationen innewohnte, wurde ihr Markenzeichen. Die Reduzierung auf das Tanzbare der Musik

Alles ist gut

Nach drei Alben hatte Delgado genug von sprachlichen Orgasmen, hatte alles hinausgebrüllt, was ihn beschäftigte und Görl seine ganze Energie in die Drums geprügelt. DAF trennte sich. Es folgen einige Solo-Projekte und Ideen, doch der Zeitgeist war erschöpft, die Ideologie vom elektronische Körper schien verbraucht.

In den nächsten 30 Jahren kommt es zu zahlreichen weiteren Trennungen und Wiedervereinigungen. Immer dann, so scheint es, wenn Delgado Lust hat, seinen Sex von der Bühne zu versprühen und Görl wieder genug Wut gesammelt hat, um auf das Schlagzeug einzuschlagen, gehen sie auf Tour. Sie schaffen es in jeder Generation, die ihrer folgt, ein Staunen zu erzeugen, eben weil sie auch nach zahlreichen weiteren musikalischen Revolutionen, nichts von ihrer Relevanz eingebüßt haben.

Es dauerte in der Regel nur Sekunden, bis einige der 18-jährigen, die neugierig auf die „Urgesteine des deutschen NDW“ war,en zu den ersten Beats von „Verschwende deine Jugend“ ausrasteten. Bei jedem verdammten Konzert.

Ich habe DAF sechsmal erleben dürfen. Am eindrucksvollsten habe ich sie im Pulp 2010 in Erinnerung, wo sie vor „nur“ 600 Gästen gespielt haben, als gäbe es kein Morgen. Gabi Delgado erlebte den Morgen des 23. März 2020 nicht mehr. Er starb in der Nacht von Sonntag auf Montag in seiner Heimat Spanien.

Bitte denk‘ an nichts
Mach die Augen zu
Bitte denk an nichts
Sei still
Still

(ALLES IST GUT, DAF 1981)

Keine Subkultur ohne Musik, Kunst und Begegnung – Solidarität jetzt für die Subkultur der Zukunft

Es ist eine seltsame Zeit. Covid-19 hat die Welt fest im Griff. Das gesellschaftliche Leben ist weitgehend gecancelt, die Menschen sind zu Hause. Es fühlt sich an, als wäre man dauerhaft gefangen in den Tagen „zwischen den Jahren“. In einer seltsamen Schwebe, in der nichts und alles geht. Für Kunst- und Kulturschaffende geht nichts mehr. Was öffentliche Veranstaltungen betrifft, absolut gar nichts mehr. Viele Künstler*innen, Musiker,*innen DJ*anes, Veranstalter*innen etc. sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Finanzielle Unterstützung soll es geben, aber wie, wann und für wen unter welchen Bedingungen ist unklar – und auch hier gilt: Kredite sind zu tilgen. Klar ist bisher nur: Die Kunst- und Kulturszene wird nach Covid-19 nicht mehr die gleiche sein wie zuvor.

Betroffen sind davon natürlich auch Veranstalter*innen und Künstler*innen der „schwarzen Szene“. Bei Absagen befinden sich Veranstalter wohl dann auf der sichersten Seite, wenn eine Veranstaltung behördlich untersagt wurde. Sonst können neben den zu erstattenden Ticket- und Standgebühren auch noch Schadensersatzansprüche und Rückforderungen zu vergeblichen Aufwendungen auf die Veranstalter zu kommen. Juristisch und in voller Gänze geht Haerting auf die Problematik ein. Auch die Verbraucherzentrale äußert sich zu den Rechten von Besuchern.

Veranstalter*innen sehen sich in der momentanen Situation gleich mit mehreren Problemen konfrontiert: Sie müssen bereits eingenommene Gelder zurückzahlen, sie haben aber bereits zur Vorbereitung der Veranstaltung Ausgaben getätigt und es gibt keine Einnahmen, mit der an die Organisation des nachfolgenden Events gegangen werden kann. Dreifach doof.

Kultur und damit auch Szenen und Subkulturen leben aber von ihren Veranstaltungen. Viele Musiker*innen, Bands & DJ*anes stellen momentane virtuelle Streaming Alternativen auf die Beine. Diese heben uns ein kleine bisschen über die momentane Situation, füllen aber in der Regel keine leeren Kassen. Hier ist unsere Solidarität gefördert. Was können wir tun, um Veranstalter und Künstler*innen in der momentanen Zeit zu unterstützen, um in Zukunft ein lebendiges Szeneleben zu haben?

  • Online Musik kaufen: Bei Bandcamp gibt es darüber hinaus die Möglichkeit eine beliebige Summe über den normalen Kaufpreis zu wählen – damit könnt ihr Künstler*innen unterstützen
  • Merch kaufen: Ihr braucht eh ein neues Shirt und Band X fandet ihr schon immer ganz knorke: Warum kein Bandshirt?
  • Tickets kaufen und keine Erstattung einfordern, wird die Veranstaltung abgesagt: Klar, sitzt nicht bei jedem locker, viele sind von der momentanen (wirtschaftlichen) Situation betroffen, aber wer irgendwie die Möglichkeit hat, trägt somit dazu bei, dass die Veranstaltung weiter bestehen kann
  • Gutscheine kaufen, wenn diese angeboten werden: Selbsterklärend, oder?
  • Spenden: Wenn es die Möglichkeit gibt zu spenden und ihre euch das leisten könnt: Unterstützt eure Veranstaltungsstätten. So gibt es beispielsweise für die Leipziger Clubszene ein Soliticket, dass erworben werden kann

Die Leipziger Clubs sind nun auf eure Unterstützung angewiesen. Gemeinsam hoffen wir auf eure Solidarität und wollen diese auch unter uns mit einem gemeinsam Club-Soliticket beweisen. Die aktuelle Krise ist existenzbedrohend und in ihren Auswirkungen noch nicht einzuschätzen – jedoch die finanzielle Lage der Clubs schon: Wir sind durch die Bank weg von Insolvenz bedroht. Gehälter, Mieten und sonstige laufende Kosten können nicht mehr bezahlt werden und das jeweils in einem individuellen Maß.

  • Crowdfunding unterstützen: Vielerorts wurden Crowdfunding Aktionen ins Leben gerufen, um Kunst und Kulturschaffende zu unterstützen. So gibt es in Leipzig beispielsweise ein Crowdfunding unter dem Namen Leipziger Kulturfallschirm
  • Sparen für zukünftige Veranstaltungen: Veranstaltung, die nach der Krise stattfinden werden, benötigen unsere besondere Unterstützung, um wieder auf die Beine gestellt werden und langfristig überleben zu können. Wir können also das ganze Geld, dass wir jetzt sparen, weil wir zur Untätigkeit verdammt sind, für zukünftige Veranstaltungen vorsehen und dann dort einsetzen. Die Kreuzmühle beispielsweise plant mit „The Festival After We Died“ eine Veranstaltung, die sich nicht über Ticketverkäufe finanziert, sondern auf Spenden.
  • Händler*innen unterstützen: Viele Kreative vertreiben ihre Waren unter anderem auf Märkten und Veranstaltungen. Dass diese wegfallen, fällt für die Händler*innen eine Einkommensquelle weg. Die Onlineshops stehen euch aber wie gewohnt offen. Online einzukaufen bietet hier also eine Möglichkeit eure*n Lieblingshändler*in zu unterstützen.

Jetzt kein in der Realität stattfindendes, sondern nur ein virtuelles Szeneleben zu haben, ist für uns alle wenig erfreulich. Umso mehr liegt es an uns, die Zukunft der schwarzen Kunst- und Kulturszene mitzugestalten und zu fördern. Jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten.

Falls ihr weitere Ideen und konkrete Hinweise habt, wie Künstler*innen und Veranstalter*innen momentan unterstützt werden können, lasst uns bitte daran teilhaben.

Musikperlen: Liebestanz in der Isolation aus Spandex und Luzifers Engeln (Tauchgang #43)

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Also, das allerschönste, was Füße tun können, ist tanzen. Auch zu Hause. Heute ist Rememberance Day, Zeit in alten Schätze und Erinnerungen zu stöbern. Kein Grund, Down with the Sickness zu sein. Und da ist es auch überhaupt nicht schlimm, dass Youtube uns einfach HD gestrichen hat, um Bandbreite zu sparen. Kein Grund, gleich vom Weltuntergang zu singen. Schließlich scheint auch im Fernseher die Sonne, während draußen Absoluter Stillstand herrscht. Das Ende der Welt ist das aber noch lange nicht, vielleicht eine ernst gemeinte Warnung. Dancing with Tears in my Eyes.

Grauzone – Ich lieb Sie

Hätte ich damals schon meine Frau kennengelernt, wäre ich wohl in die Schweiz gefahren und hätte die Band Grauzone mit ihrem Song „Ich lieb Sie“ für ein exklusives Ständchen zu unserer Hochzeit gebucht. Blöd wäre allerdings gewesen, dass ich erst 8 Jahre alt war und mit Frauen im Grunde genommen noch nichts zu tun gehabt habe. Ich glaube, da habe ich wohl eher noch Lego-Welten entwickelt, einen grauen Pullunder getragen und unter dem Poster von Martin Gore Luftgitarre gespielt. Glücklicherweise brachte uns das Schicksal ja dann doch ein paar Jahrzehnte später zusammen und letztendlich auch vor die Standesbeamtin, doch da kannte ich den Song ja noch nicht mal. So bleibt ein Konstrukt aus Verliebtheit, verschwurbelter Fantasie und verschenkter Jugend die eigentlich nur zwei Schlüsse zulassen. Erstens: das Schicksal hat 30 Jahre gepennt und zweitens: niemand kann schöner Marmelade sagen, als Grauzone.

Mike Batt – Zero Zero Part 3

Tilly Electronics, die semi-erotischen Minimalisten aus Köln, die uns jüngst mit ihrer Synthie-Hymne über den Fahrstuhl-Boy beglückten, haben uns ihren legendären Vater auf sträfliche Weise verschwiegen. Die stylistische Ähnlichkeit mit Mike Batt, einem britischen Musiker und Komponist, ist irgendwo zwischen fatal bis deutlich zu erkennen und selbst musikalische Anleihen dürften dem aufmerksamen Zuhörer nicht entgangen sein. Sind die Kölner Spandex-Fetischisten ein Erbe angetreten? Treten sie in die Fußstapfen lockiger Briten mit Nummern auf der Stirn? Im Kommentarbereich erwarten wir, die Nichtsnutze aus der Musikredaktion, eine Erklärung.

U.K. Vision – Lucifer’s Friend

Okay. Ich habe keine Ahnung, warum dort in dem Video ein völlig deplatzierter Bass-Spieler und ein ebenso verstörend anmutender E-Gitarren Virtuose den Blick auf den super-süßen Sänger der Band U.K. Vision trüben, aber die gehörten wohl tatsächlich zur Band. Ob die dann irgendwie mit den Gah Ga’s verwandt sind, bleibt dann wohl auch ein Rätsel. Da blickt doch keiner mehr durch, wer in den 80ern alles eine Band mit irgendjemanden aus einer Band gründete, der schonmal in einer Band gespielt hat, die so wie eine andere Band klingen.

John Foxx – No One Driving

Schon damals ein Blick in die Zukunft, das war Dennis Leighs Intention während seines musikalischen Schaffens, das er 1985 zu Gunsten seiner Tätigkeit als Grafikdesigner wieder beendete. Glücklicherweise verlor „The Quiet Man“ sein Interesse nie vollständig und kehrte Ende der 90er Jahre zurück in die Ohren seiner Zuhörer. Die Aura seiner Musik, einen Blick in die Zukunft zu gewähren, ließ er jedoch in der Vergangenheit zurück.

The Danse Society – Angel

So liebe Leser, es gibt in Sachen Grufi-Mode der 80er noch viel zu lernen, wie diese Hochzeit aus einem alten Video über einen englischen Goth-Club und dem Song „Angel“ von The Danse Society beweist. Weiße Socken in Pikes sind cool, blaue Hemden werden schöner mit Netzshirts untendrunter und Bauchfrei kann gut aussehen, wenn man keinen Bauch hat. Auch der Totengräber-Tanz-Mythos muss nochmal aufpoliert werden, den hier wird auch noch hektischen mit den Armen geschubbert und gepumpt. Muss ich mir merken.

Isolation Berlin – Isolation

Okay, keine Perle – weil nicht alt – aber ebenso wertvoll. Vielleicht das einzige Cover von „Isolation“ das ich gut finde. Wirklich gelungen.

https://youtu.be/tM7kJMkLvJM

Terminsammlung: Konzerte und Veranstaltungen der schwarzen Szene im Stream (Update)

Das Corona-Virus zwingt das öffentliche Leben in Deutschland in die Knie. Natürlich auch die Gothic-Szene. Alle Veranstaltungen und Konzerte, die bis ungefähr Mitte April stattfinden sollten, wurden abgesagt. Sehr zum Leidwesen der Künstler, Veranstalter und natürlich der potenziellen Gäste. Doch in Zeiten von Streaming, das mit nahezu jedem Smartphone möglich ist, haben sich interessante Alternativen entwickelt. Einige Musiker, Bands und auch DJs haben sich dazu entschlossen, ihre Konzerte oder Veranstaltungen virtuell zu veranstalten. Auf Facebook gibt es auch eine entsprechende Gruppe dazu. Solltet ihr selbst etwas auf die Beine stellen wollen oder habt ihr Kenntnis von einem weiteren Stream-Event, hinterlasst einen Kommentar oder postet direkt in der FB-Gruppe.

Sonntag, 22. März 2020

  • Praga Khan Acoustic Live-Stream (20:00) Facebook
    As the world adjusts to the new reality of life under self-quarantine in the midst of the coronavirus pandemic, Praga Khan will perform an acoustic mini concert to share some musical joy during these trying times.
  • Sunday in Isolation #1 mit DJ Cyberpagan (16:00) Facebook-Event Live-Sets
  • Lost Messages Live Session (20:00) Facebook-Event
    Due to the situation caused by the great spread of Covid 19, all the art events were cancelled. We know well how hard it is sometimes to stay house-bound, so we decided to keep you company by setting up a live session in which we’ll play all the songs from our debut album ‚Modern Disease‘.

Montag, 23. März 2020

  • LEDING Live-Stream mit kompletter Band (20:00) Facebook-Event
    The virus over Europe, borders are closed, touring nearly impossible. Want to see a live concert in your living room? We will broadcast a live show from out of our Sultan Studios Detmold

Freitag, 27. April 2020

Samstag 4. April 2020

  • Virtual Steamball V by Feline&Strange Facebook-Event
    Wir halten den Steamball als virtuelles Event ab. Alle Tickets behalten ihre Gültigkeit. Alle Ticketinhaber/innen erhalten eine Einladung zur virtuellen Party über rund 12 Stunden! Wir spielen uns um die Erdkugel herum, denn die Stars aus Übersee spielen in ihren eigenen Studios zuhause in ihrer eigenen Zeitzone. Ein ganz besonderer Einblick! Außerdem wird das Panel als Konferenzchat stattfinden. Es werden Workshops abgehalten. Und natürlich gibt es die Burlesque- und die Tangoshow. Wirf Dich in Dein großartigstes Outfit, poste Dein Foto im Event, oder noch besser, film Dich beim Tanzen zu unserer Musik!

Mittwoch, 22. April 2020

Vergangene Streams als Video zum Anschauen

Musikalischer Briefkasten #9 – Eine Einheit Fledermäuse und der Sturz der Monarchie

Tag für Tag gelangt man nach Hause, schaut auf die Uhr und fragt sich, wohin nur all die Zeit entflohen ist. Wofür ging sie dahin? Was bleibt? Und dann kommt der Moment, an dem man sich fragt, wann zuletzt der musikalische Briefkasten inspiziert wurde…

Ich finde einen Haufen Mails, die sehnlichst auf einen Leser warten. Gefühlt 75% davon sind Hinweise auf Neuveröffentlichungen von drei altbekannten Labels, welche Spontis quasi mit Tipps zuspammen. Mich wundert einerseits, dass die Auswahl jener Labels bisher noch so übersichtlich ist. Gibt es neben A+W, Mannequin, Dead Wax nicht noch mehr Labels, die Spontis auf dem Schirm haben und mit Einsendungen bombardieren wollen?

Hier stehe ich andererseits vor einem Dilemma: Was davon nehme ich in den Beitrag und was nicht? Eigentlich ist der Anspruch, euch das vorzustellen, was an Spontis herangetragen wird, aber nähme ich alles der genannten Labels, machte dies auch keinen Sinn. So lese ich denn künftig die „guten ins Töpfchen und schlechten ins Kröpfchen“ – Soll heißen, ich stelle euch die aus meiner Sicht relevanten Tipps vor und liste die anderen am Ende des Beitrags einfach auf – sofern die Menge nicht Überhand nimmt. Direkte Einsendungen über das Kontaktformular von Künstlern werden unabhängig davon berücksichtigt.

Nach ein wenig Sortieren schnappe ich mir nun meine Kopfhörer und lausche in das erste Projekt…

DIAF – LIACHT

Dort weist das im Werden befindliche Projekt DIAF um Path of Samsara-Mitstreiter Niko B. Spontis auf seine vom „80er Goth und Neuer Deutscher Welle“ beeinflusste Debüt-Single LIACHT hin. Also fackele ich nicht lange und höre rein.

Auch wenn ich abgesehen von den Drums/der Perkussion keine Parallelen zum Goth raushöre, kommt das mit dem NDW-Einfluss deutlich eher hin: Denn dieses Stück ist sehr eigen (und das meine ich wertschätzend!), sowohl, was den Gesang, als auch den Text betrifft, erzeugt aber im Zusammenspiel von synthetischer Basslinie und genannter Perkussion eine animierende Stimmung, wie nicht selten auch bei typischen NDW-Stücken anzufinden. Der Einsatz der Gitarre wirkt da fast auch mich etwas deplatziert, ist aber letztlich nur eine Befindlichkeit am Rande.

Während des Hörens kann ich bei jedem Mal ein Schmunzeln nicht vermeiden, irgendwie finde ich das Stück auf seine Art komisch. Aber vielleicht bin auch einfach zu müde. Oder habe zuviele Fastnet-Clowns verspeist. Egal, bildet euch eure Meinung einfach selbst:

Division Fledermaus – Unter Bewusstsein

Ein erster Blick auf die Bandcampseite lässt meinen Blick sofort auf das hinterlegte Motiv gleiten. Sofort kommt die Assoziation des Kieler Matrosenaufstandes vom November 1918 – und siehe da, das Duo der Division Fledermaus kommt aus eben jenem Städtchen – genau 100 Jahre später. Eine nette Verbindung von Gründung(sort) der Gruppe und Zeitgeschichte. Man könnte fast (aber auch nur fast) Martial Industrial o.ä. erwarten, stattdessen höre ich mich hinein und vernehme elektronische Klänge. Also auf ins Gefecht.

Ist das instrumental gehaltene Intro noch leicht synthwavig-melodischer Natur, entpuppt sich vor meinen Ohren spätestens mit Black Magic und der angezerrten Stimme als tendenziell dunklere Elektronik, welche manchen Protagonisten von A+W recht ähnlich klingt. Mit weiterem Hören wirken die Stücke „Unter Bewusstsein Part I – VIII“ als optische und klangliche Heraushebung von den eher mollig intonierten Stücken dazwischen. Erinnert ein wenig an Wellen und ist vielleicht sogar Absicht.

Die „Hauptstücke“ des Albums sind, wenn auch überwiegend elektronisch gehalten, teils mit leichter Stimmenverzerrung und taktbetont (interessante, neofolkig anmutende Ausnahme: Im Feuer), BPM-technisch im eher ruhigeren Bereich gehalten, was ich als adäquat erachte, da so die besungenen, gefühlsbezogenen Thematiken besser zum Tragen kommen. Nichtsdestotrotz hat die Division Fledermaus auch „härtere“ Stücke im Gepäck, wie beispielsweise In deinem Bann. Aber auch klassisch elektro-wavige Klänge aus den 80s tauchen auf, so beim Stück vive le mort.

Mich freut es, dass auch der Norden der Republik mit guter, handgemachter Musik versorgt wird, die Division Fledermaus hat hier ein in meinen Augen durchaus hörbares und gut aufeinander abgestimmtes Album produziert. Hört hinein, vielleicht auch in das etwas speziellere Stück „Puppenjungs“ mit einem gewissen Herrn Haarmann als Thematik…

Dishymn – Der Weg ist weit

Hinfort von Kiel, spült sich Welle um Welle das just geborene Ein-Mensch-Projekt DISHYMN auf Spontis kleine Insel. Im letzten Jahr mit „über zwei Jahrzehnten währender Vorlaufzeit“ in Dortmund geboren, veröffentlichte Mastermind Daniel K. scheinbar unter dem Eindruck Dantes ‚Göttlicher Komödie‘ um die Weihnachtszeit das erste Demo-Stück „Weit ist der Weg“.

Dort begleiten ruhige, melancholische Gitarrenklänge den Sänger und hinterlassen im Zusammenspiel mit dem Text auch nach dem fünften Durchhören einen sehnlichen, verträumten aber auch resignierenden Eindruck. Ein ausgesprochen guter Auftakt für weitere, in Arbeit befindliche Stücke dieses Projektes.

Dune Messiah – I Headed For The Dancers

Die melancholische Stimmung ausnutzend, seien die Leser und Hörer als Nächstes auf die Formation Dune Messiah aufmerksam gemacht, welche vielleicht durch seinen Auftritt bei der „Nocturnal Culture Night“ dem ein oder anderen etwas sagt.

Das 2014 gegründete Nachfolgeprojekt von Magnus Westergaard, welcher zuvor bei der dänischen Post-Punk-Formation „The Woken Trees“ Guitarrero war, hat just auf dem Label A+W nach drei größeren Veröffentlichungen eine neue 1-Track-Single, I Headed For The Dancers, veröffentlicht.

Geprägt von Country, dunkelfolkigen und post-punkigen 80s singt sich Magnus hier unter Begleitung von ebenfalls ruhiger Gitarre, leichten, hintergründigen Synthies und tanzbarem Takt mit seiner treffsicheren Stimme in seine Gefühls- und Gedankenwelt. Eingängig und auf seine Art berührend werde zumindest ich abgeholt und dorthin mitgenommen…

Wem dem der von A+W angepriesene und unten präsentierte Song nicht zusagt, mag auch gerne in dieses Stück oder das Folgende schauen. Vielleicht ist dies etwas für den geneigten Hörer?

 

June – Silver Demon

Bereits erwähnte Mannequin Records haben vor Kurzem das dritte, größere Werk des 2010 gegründeten minimal-elektronischen Projektes June veröffentlicht. Hinter dem doch recht vielgenutzten Projektnamen verbirgt sich Einzelkämpfer Tsampikos Fronas, welcher ursprünglich aus der House-Ecke kommt und die Welt der analogen Synthesizer für sich und seine Lauscher entdeckt hat. Soweit so gut.

Aber wie klingt die Silver Demon LP denn nun? Von den Sounds her so sehr nach 80ern, Futurespace, Elektrotechnik und falschen Erinnerungen, dass man denkt, man wäre irgendwie durch ein Wurmloch „zurückgeschickt“ worden. So kuschele ich mich gemütlich in meinem Sessel… Um dann bei Exit Strategy durch einen front-fähigen EBM-Rythmus wieder aus der Ruhe gerissen zu werden. Nett. Danach wirds aber irgendwie zwischendurch recht eintönig… Der gute Herr probiert sich aus und erschafft instrumentale, repetitive Soundlandschaften, die mich etwas gelangweilt zurücklassen. Und gerade wo ich denke, dass dies so bleibt, zeigt sich, dass das Album dann durchaus noch einige Vorzeigestücke zu bieten hat: Klingt der Track Odyssey in meinen Ohren recht „kantig“/elektro-wave-typisch, ja, irgendwie futuristisch, ist Behind the Walls in meinen Ohren das Hochlicht: Kraftwerkesquer Klang, erweitert durch den Sprechgesang von Tsampikos, verschafft dem Stück die eingängigste Atmosphäre der Veröffentlichung. Abgerundet wird das alles durch den dystopischen und zugleich verspielten Track Silver Demon:

Alphamay – Retrographie

Eigentlich möchte uns die Osnabrücker Formation Alphamay ihre aktuelle Single Afterglow vorstellen. Aber irgendwie finde ich, dass die spätestens seit 2015 leicht euphemistisch als „electric avantgarde“ in Öffentlichkeit präsente Gruppe mehr zu zeigen hat, als ein paar eher mäßige Remixe des titelgebenden Stücks durch bekanntere und unbekanntere Elektro-Acteure. Daher schwenke ich kurzerhand auf das aktuelle Best-Of-Album РЕТРОГРАФИЯ (Retrographie) um, welches die kreative Breite der beiden Künstlern Henning H. und Chris F. deutlich besser widerspiegelt.

Von der Instrumentalisierung klar synthietetisch-elektronisch gehalten, erinnern Stücke des Albums wie The Carousel oder Love Must Die deutlich an jene musikalische Vorbilder mit denen die Gruppe bereits auf Tour war: Deine Lakaien. Neben eher „weicheren“ Stücken gibt es alternativ auch vergleichsweise „härtere“, mit üblichen Elektro-Sounds versehen, wie beispielsweise The Pilgrims Weep. Diese werden jedoch direkt darauf folgend kontrastiert durch minimal-synthetische Arrangements wie „Weak Philosophies“, oder auch mal eine Mischung aus beidem, wie bei dem Stück C=64 (Old Friend).

Alphamay, als audio-visuelles Gesamtkunstwerk verstanden, bietet hier soliden Elektro-Pop mit diversen Einflüssen der elektronischen Musik. Gut gemacht! Warum höre ich was von denen eigentlich in keinem Club oder gar auf Arbeit im Radio?

Elvis de Sade – Angelus Novus

Dass München aktuell wavig-/gruftigen Sound zu bieten hat war mir bisher nicht bekannt. Oder ich habe es vergessen. Egal. Dies ändert sich nun mit der 4-köpfigen Formation um Andreas R. (Komposition), Leo S. (Gesang), Felix H. (Bass) und Cosima W. (Synthie) und ihrer EP Angelus Novus, im Dezember 2019 erschienen bei Y&C Records. Allein der Bandname und seine Herleitung klingen verdammt bestechend:

Elvis de Sade stehen musikalisch für Exzess und Verfall – wie ihre Namensgeber: die Popkultur-Tragödie Elvis Presley und Marquis de Sade, der Philosoph des Schreckens, der Amoral, der Pervertierung der Dinge.

So beginnt der erste Song „Cheerings From The Other Side“ (siehe Video) – wie passend – mit einem Trump-Zitat. Und setzt dann den Gesang mit den Worten „Hello my Darkness, meeting you again“ entgegen. Klare Ansage. Zeitgeist. Und der an einen gewissen Ian C. erinnernde Gesang schafft dann irgendwie eine Verbindung an Zeiten, die sich seitdem in Manchem nicht geändert haben. Ich bin hängengeblieben, höre die EP infolgedessen gleich mehrmals in Folge.

Dabei bleiben vor allem Track Nummer drei, Sorrows Vanish These Nights und das finale Stück, Mirror Reflection, in meinen Ohren hängen. Und lassen mein eingerostetes Tanzbein gehörig zucken.

Euch erwarten warme Synthies, klare Wave-Gitarre, mitnehmende Texte und Rhythmen, dies alles aufeinander abgestimmt dürfte eigentlich jedem Interessierten ein seliges Lächeln auf die Lippen zaubern. Ach ja, und die Süddeutsche Zeitung hat Elvis de Sade auch schon im Visier gehabt.

Pisse – LP

Wer eine der besten, aktiven deutschen Punkbands dieser Tage nicht kennt, sollte unbedingt eine Bildungslücke schließen. Vor allem dann, wenn m/w/d auch nur ein bisschen Interesse an solcherlei Sound und Habitus hat.

Denn Pisse haben Ende Januar nach vorangegangenen EPs (Mit Schinken durch die Menopause et al.) nun ihre erste LP auf die Menschheit losgelassen. Mit schreiendem Gesang, simplen Melodien, prägnanten Texten, schrammelnden Gitarren, nem Synthie und einer Mischung aus Wut und einer Prise Gaga haben Sie sich jetzt schon in mein Ohr gespielt. Verdammt. Ich habe offenbar eine Schwäche für diese Kombi und bin eindeutig parteiisch…

Tipps: der selbst-recycelte Opener Die Fetten Kinder, Duracell, Zu viel Speed, und natürlich, weil so schön aktuell…

Damit bleibt zum Abschluss eine Auflistung, was sonst noch so (doppelt und dreifach) ins Postfach flog. Fühlt euch frei, auch dort mal hineinzuhören, vielleicht gefällt auch davon was. Bis irgendwann…

Coronavirus sogt für erste Festivalabsage: E-Tropolis in Oberhausen findet am 14. März nicht statt

Die Verbreitung des Coronavirus in NRW hat Ministerpräsident Armin Laschet gestern zu einer folgenreichen Entscheidung veranlasst: „Demnach sollen die örtlichen Behörden Veranstaltungen mit mehr als 1.000 zu erwartenden Besucherinnen und Besuchern grundsätzlich absagen.“ Das E-Tropolis Festival, das am 14. März stattfinden sollte, wurde durch die Stadt Oberhausen abgesagt. Die Veranstalter des Festivals, das in der Turbinenhalle zu Gast sein sollte, bedauern diesen Schritt, hatten sie noch bis zum Schluss gehofft, um eine Absage herumzukommen: „Gerne hätten wir am kommenden Wochenende mit euch unser 10. E-tropolis Festival gefeiert, doch die aktuelle Ausbreitung des Coronavirus macht uns allen ein Strich durch diese Rechnung.“

E-Tropolis abgesagt grossEin Nachholtermin ist glücklicherweise bereits gefunden. Das Festival soll am 20. Juni 2020 nachgeholt werden, alle bereits gekauften Tickets behalten ihre Gültigkeit, die meisten Bands – darunter auch die Headliner Front 242, Covenant und Diorama – haben den neuen Termin ebenfalls bestätigt.

Ob weitere Festivals, wie zum Beispiel das Dark Skies Over Witten Vi (28. März) oder das in Berlin stattfindende 11. Dark Spring Festival in Berlin abgesagt werden, kann man noch nicht sagen. Auch ließ man offen, wie lange der von Laschet angekündigte Veranstaltungsstopp gilt.

Ob das Wave-Gotik-Treffen, das Ende Mai veranstaltet werden soll, wie geplant ablaufen wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Stadt Leipzig plant vorerst keine Veranstaltungsverbote, wie die LVZ berichtet, macht aber die Entscheidung vom Robert Koch Institut abhängig. Wir werden Euch auf dem Laufenden halten.

Der Grufti-Film aus Hamburg: Heute bringe ich mich um!!

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Steht ein Grufti vor der Psychiatrie. So eindrucksvoll unbedeutend und doch vielsagend in seiner Bildsprache beginnt der Film mit dem Titel „Heute bringe ich mich um!!“ aus der alternativen Hamburger Filmschmiede Kino ohne Talent. Es dauert nur Sekunden bis aus der Kombination von „Gothic vor der Psychiatrie“ und dem Titel des Films die übliche Erwartungshaltung gedeiht. Beim Betrachter sausen die vertrauten Bilder durch den Kopf. Man erwartet quasi eine weitere hanebüchene Verbindung von Szene und Selbstmord, psychischen Störungen und Depressionen. Glücklicherweise erfüllt der Film diese Erwartungen nicht. Vielmehr ist es eine DIY-Filmproduktion von alternativen Hamburger Filmemachern, die vor brisanten Themen nicht zurückschrecken und sich dem Thema psychischer Krankheiten auf Augenhöhe nähern.

Die Geschichte

Grufti Marianne ist nach einem 6-monatigen Aufenthalt in der Psychiatrie am Ende. Ein Drogendeal, den sie vor der Einweisung mit ihrer Freundin Katrin durchziehen wollte, ist schiefgegangen. Jetzt hat sie bei den falschen Leuten 20.000 Euro Schulden und hat keine Ahnung, wie sie das Geld auftreiben soll. Die einzige Hoffnung, die sie hat, ist ihr eigener Roman „Heute bringe ich mich um!!“, an dem sie schreibt. Doch anstatt den fertig zu stellen, bricht ihr das Leben unter den Pikes weg.

Der Film

Gedreht wurde der Film im Sommer 2013 mit rund 90 Beteiligten in Hamburg, doch erst zwei Jahre später feierte er Premiere. Jetzt kann man ihn bei YouTube in voller Länge genießen:

Das sagt der Regisseur zum Film

Felix Gerbrod nahm vor einer Weile Kontakt zu mir auf und bot an, etwas  über den Film zu diesem Artikel zu ergänzen. Darüber war ich sehr froh, denn es fällt mir als Nicht-Betroffener schwer, den Gedankenwelten der Figuren und dem Konstrukt des Films zu folgen.

Marianne kommt aus der Psychiatrie. Dort hat sie Mut gesammelt und Handwerkszeug für den Umgang mit Problemen bekommen. Geheilt ist sie nicht, das ist niemand, der aus der Psychiatrie kommt. In der echten Welt scheinen sich alle gegen Marianne verschworen zu haben, dennoch schlägt sie sich trotz aller Rückschläge tapfer. Traum und Realität mischen sich, bis sie kaum noch voneinander unterscheidbar sind. Lediglich ihr Roman gibt ihr einen Lebenssinn.

Im Gegensatz dazu hat Alexander nicht allzu viel aus seinem Aufenthalt in der Psychiatrie gelernt. Seine destruktive Grundeinstellung bringt ihn immer weiter Richtung Abgrund. Spiegelbildlich zu Mariannes Erlangen von (Handlungs)freiheit engt sich seine Welt immer weiter ein. Er schafft es nicht, sich dem Leben zu stellen, bis zwangsläufig die Katastrophe passiert.

Wir erzählen die Geschichte gemächlich. Der Zuschauer soll sich wie Marianne fühlen und in der (neuen) Welt vortasten. Oft ist nicht klar, was echt und was Einbildung ist. Die auswegloser werdende Lebenssituation äußert sich in ihrem Roman, ihrem Erleben, ihrer immer leerer werdenden Wohnung und dem Schicksal Alexanders. Das versöhnliche Ende ist der Dank für Mariannes unablässigen Kampf um ihr Leben.

Die Meinung

Lassen wir einfach mal den DIY-Charakter des Films außen vor und widmen uns nur dem Inhalt. Wir haben hier einen ganzen Haufen Klischees, die immer wieder den Film fest im Griff haben. Die beiden Protagonisten Marianne und ihr Freund Alexander sind offensichtlich in der Gothic-Szene angesiedelt und haben Probleme in ihrem Leben. Während sich Marianne nach ihrem Aufenthalt in der Psychiatrie geläutert gibt, ist Alexander Alkohol und später auch wieder Drogen nicht abgeneigt. Die beiden reden öfter davon sich gemeinsam umzubringen und kriegen auch sonst irgendwie nichts auf die Reihe. Der Film steigert sich dann auch in seinen Klischees unaufhaltsam weiter. Selbstverletzendes Verhalten, Selbstmord und Leute, die aus Särgen steigen.

Jetzt könnte man sich natürlich umgehend echauffieren, warum Gothics wieder mit solchen Dingen in Zusammenhang gebracht werden und was die Szene mit ebendiesen Dingen zu tun hat. Doch das ist meiner Ansicht nach viel zu Oberflächlich in diesem Fall. Denn tatsächlich finden die Themen „Gothic“ und „Die Szene“ in keinster Weise Verwendung. Einen Zusammenhang zwischen Szene und dem im Film dargestellten Dingen kann man auf sachlicher Ebene einfach nicht herstellen.

Wir haben hier einfach nur einen Film von Leuten aus einer alternativen Umgebung zu tun, die sich im Filmemachen versuchen. Die Geschichte ist möglicherweise aus dem leben gegriffen und schildert eindringlich, wie Verzweiflung und Ausweglosigkeit enden können. Dass es sich dabei um Gruftis handelt, ist eher nebensächlich, als das sich diese Tatsache in den Vordergrund spielt. Ich bin gespannt wie ihr das seht.

Mir hat er gut gefallen, vor allem der Soundtrack der Band Livia, in der auch der Hauptdarsteller Olgé de Waldfee aktiv ist, hat mich begeistert. Schneiderin Chris Yane, die die Marianne spielt, kümmert sich um die Kostüme, Drehbuch und Maske und Felix Gerbrod, der Filmemacher, führt nicht nur Regie, sondern auch die Kamera, macht den Schnitt und letztendlich auch die Produktion. Dass dabei kein visueller und filmischer Leckerbissen über den Bildschirm flimmert, dürfte klar sein. DIY eben. Aber inhaltlich tausendmal besser als die 600-ste Folge einer völlig überflüssigen Krankenhaus-Serie.

Heute bringe ich mich um (Plakat-gross)

Mein schaurig schönes Tagebuch #23: In die Empörungsfalle getappt, die Provokateure aufgestellt haben

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Liebes Tagebuch, neulich musste ich so ziemlich das Schlimmste machen, was ich mir in meiner Tätigkeit als schreibender Grufti vorstellen kann. Ich musste einen Artikel löschen – geschriebene Gedanken und Meinungen sozusagen zensieren. Einzig die Tatsache, dass ich mich in dem Falle selbst zensiert habe, spendet einen Hauch von Rechtfertigung. Aufmerksamen Lesern werden die 4 Stunden nicht entgangen sein, in denen der Artikel online gewesen ist. Es gab sogar zahlreiche Kommentare dazu, die aber nur bedingt Einfluss darauf gehabt haben, warum es zu der Entscheidung gekommen ist. Hauptsächlich bin ich in die Empörungsfalle getappt, bin beruflichen Provokateuren auf den Leim gegangen und habe mich verleiten lassen, Aufmerksamkeit für sie zu generieren.

Liebes Tagebuch, lieber Leser. Es war aber auch zu verlockend. Wieder hat eine von den Bands, denen es nicht um Kunst oder Inhalt geht, es geschafft, zu provozieren. Sie haben mit plumpen Mitteln Aufmerksamkeit erzeugt, indem sie das nutzen, wozu jeder eine Meinung hat oder eine Position vertritt: Politik, Krieg, Gewalt. Warum? Sie wollen durch Provokation Geld verdienen. Um eine künstlerische oder kritische Auseinandersetzung geht es ihnen dabei nicht.

Ich bin mitten reingelatscht in diese Falle. Habe mich provozieren lassen. Von der Band und von dem, was diejenigen gemacht haben, die sich auch provoziert fühlten. Für mich erschien das wie eine Möglichkeit, etwas von der Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, auf diesen Blog vielleicht und auf die Sache an sich. Ich habe es für eine Art Pflicht gehalten, darüber zu berichten, um …. ja, warum eigentlich?

Ich wusste, was passieren würde, wenn man solchen Bands und ihrem Mist eine Plattform bietet. Genau das, was auch mir passiert ist. Man empört sich, fühlt sich genötigt, Stellung zu beziehen, seine Position klarzumachen. Es beginnt ein Diskussions-Strudel. Der zieht die Diskussion immer weiter weg vom eigentlichen Kern der Sache und immer tiefer in persönliche politische Haltungen und animiert die Menschen, in den Kommentarspalten ebenfalls zu provozieren, was wiederum andere provoziert. Und zack, irgendjemand wird beleidigt, weil jemand wieder lauter brüllen wollte als die andere Löwen. Im Mittelpunkt die Band. Die klickt jetzt natürlich jeder an und will wissen, was die überhaupt macht, will hören, was die da singen und sehen, was andere schildern.

Spiel, Satz und Sieg für die provokanten Manipulateure.

Liebes Tagebuch, nicht dass du mich falsch verstehst, ich finde es wichtig, eine klare politische Haltung zu haben und dafür einzustehen, Rassismus, Hass, Hetze, Gewalt und Krieg keinen Platz in unserer Gesellschaft einzuräumen. An der Wahlurne, bei der Demonstration oder eben dort, wo genau solche Dinge hingehören. Manchmal sogar in diesen Blog. Für die Demonstration auf dem WGT, die auf das Artensterben aufmerksam machen wollte oder den Gothic-Autor, der aufgrund von persönlichem Protest verurteilt wird.

Aber eben nicht, wenn es jemand darauf anlegt, ins Gespräch zu kommen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, Marketing zu betreiben und Profit daraus zu generieren – ganz gezielt mit den Mitteln, die uns am meisten aufregen und empören. Oder auch sehr geschickt mit Outfits, die uns dieser Tage eben immer noch triggern.

Genau in diese Falle bin ich getappt. Ich dachte, ich müsste genau an dieser Stelle klarmachen, wie bescheuert das alles ist, wie doof ich die Band finde und dass man doch darüber sprechen müsse. Ganz nebenbei fand ich die Idee toll, mit einem brisanten Thema zur Interaktion mit dieser Seite zu animieren. Ein echt behämmerte Idee. Leider war meine oberflächliche Überzeugung, etwas Wichtiges und Richtiges zu tun, zu stark. Der Impuls der eigenen Empörung über das Thema hat das Nachdenken deaktiviert.

Spontis ist in erster Linie ein Refugium für Gruftis die auf der Suche nach neuer Musik sind, die Klatsch & Tratsch aus der Szene lesen wollen, die sich über Outfits, Klamotten oder über eine ihrer zahlreichen und morbiden Leidenschaften austauschen wollen. Spontis berichtet mit einem zwinkernden kajal-umrandeten Auge über alte Bravos, aktuelle Berichte, über Filme und Serien. Wir wollen zum Nachdenken anregen, zum Mitmachen  und zum Wohlfühlen. Eine kleines Gothic-Paralleluniversum. Brisante Themen gehören genauso dazu, wenn sie im Zusammenhang mit der Szene, ihrem Erhalt und ihrer Entwicklung stehen. Uniform-Fetischisten, die provozieren wollen, um wahrgenommen zu werden und Platten zu verkaufen, gehören nicht dazu.

Ich entschuldige mich dafür, einen Artikel und eure Kommentare dazu, gelöscht zu haben. Ich hoffe ein bisschen, ihr könnt nachvollziehen, warum ich das gemacht habe.

Ich danke vor allem meiner Orphi, die sich von meinem Dickkopf nicht beeindrucken ließ und mich intensiv darauf aufmerksam gemacht, dass ich mich zum Werkzeug dieser Band mache und Spontis und seine eigentliche Aufgabe zugunsten von Aufmerksamkeit aus den Augen verloren habe. Ich auch danke Daniel, Schatten und dem Geläuterten für ihre sehr guten Kommentare, die ebenfalls einen Beitrag zu meiner Entscheidung geleistet haben.

 

 

Fans von Nachtmahr bei Konzert in Basel von Antifa-Anhängern verprügelt

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Dieser Artikel wurde wieder zurückgezogen, weil wir vermeiden wollten, dem Konflikt und vor allem der Band „Nachtmahr“ eine Öffentlichkeit zu bieten, die sie mit ihrem provozierenden Verhalten erreichen möchten. 

Die österreichische Band Nachtmahr möchte ihr Publikum provozieren. Uniformen, die an dunkle Zeiten erinnern, laszive Soldaten-Erotik mit leicht bekleideten Damen und hier und da ein paar Armbinden mit Symbolen und gelegentlich auch Fahnen, die auf der Bühne geschwenkt werden. Dazu serviert: Leicht verdaulicher Düster-Techno, der von Vaterland, Krieg und Heldenblut handelt. Natürlich, so versichert Nachtmahr, ohne rechtsextremen Hintergrund. Mit ihrem Auftritt am 22. Februar in Basel provozieren sie allerdings auch die örtliche Antifa-Bewegung, die mit rund 15 Demonstranten vor dem Veranstaltungsort auftauchten und offenbar auf 4 Besucher einprügelten.

Schon im Vorfeld des Auftritts erregt die Band Aufmerksamkeit, wie die Antifa-Seite barrikade.info berichtet: „Als die Bandmitglieder am frühen Nachmittag im Kleinbasel unterwegs waren, sind sie schnell aufgefallen. Der Sänger trug ein T-Shirt mit der grossen Aufschrift „Weltmacht oder Niedergang“ auf dem Rücken.“ Ein Slogan, der auch von der rechtsextremen Band Totenburg benutzt wird. Offenbar entschließt man sich, der Band eine „Abreibung“ zu verpassen, wie es auf der Internetseite heißt.

Die am Abend verständigte Polizei, die dann beim Veranstaltungsort „Paterre One“ eintrifft, konnte jedoch keine Personen mehr festnehmen und von den anwesenden Personen wollte niemand Anzeige erstatten. Offenbar hatte es einen Tumult und kleinere Handgreiflichkeiten gegeben, aber keine ernsthafte Auseinandersetzung.

Nachtmahr – Rechte Band und prügelnde Linke?

Nachdem die örtliche Basler Antifa dann das „Bekennerschreiben“ auf barrikade.info veröffentlicht, berichtet auch die Basler Zeitung über den Vorfall und titelt: „Während mutmaßlich rechte Band aufspielt, prügeln Linke drein.“ Thomas Rainer, der Veranstalter „schwarz.ton“ und die Verantwortlichen des Basler Kulturbetriebs „Paterre One“ sehen sich zu Stellungnahmen gezwungen.

Schon in der Vergangenheit bestritt Frontmann Thomas Rainer stets seine Nähe zum Rechtsextremismus. 2012 sagt er in einem Interview: „Ich bin Österreicher und Patriot. Ich kann per Definition kein Nazi sein.“ In seiner Stellungnahme zum Vorfall, die er über den Veranstalter Schwarz.Ton verbreitet, führt er weiter aus: „Politischer Extremismus ist etwas was wir von woher er auch immer kommt, zutiefst verachten und gerade unser Standpunkt gegen rechts findet sich auch in diversen unserer Songs…

Stellungnahme schwarz.ton
Stellungnahme des Veranstalters „schwarz.ton“ zum Vorfall am 22. Februar 2020

Er verbindet die Bühnenoutfits mit Uniformfetischismus und sieht darin eine Nähe zum BDSM, mit der Rainer auch seine persönlichen Vorlieben beschreibt. Er empfinde „das Gefühl von Macht“ wenn er eine Uniform trägt, wie er gegenüber dem Musikmagazin I DIE:YOU DIE angibt. Körperliche Gewalt, wie bei dem Vorfall in Basel, lehnt er aber in seiner Stellungnahme kategorisch ab: „Da wir prinzipiell jede Form körperlicher Gewalt ablehnen, bin ich immer noch schockiert von dem Angriff auf unsere Fans.

Der Veranstalter Schwarz.Ton, der in der Vergangenheit zahlreiche Events für die schwarze Szene organisiert hat, bekräftigt Rainers Ansichten. Das Musikgenre Industrial, zu denen man auch Nachtmahr zählt, „war und ist die Provokation entlang der äußersten Ränder des Erträglichen„. Auch in vielen Songs der Band würde man die Distanzierung von rechtem Gedankengut klar erkennen.

Das gerne als Beleg für rechte Tendenzen genommene Stück „Die Fahnen unserer Väter“ … handelt beispielsweise von den österreichischen Fahnen des Widerstands gegen die Nazis. Der Track „Mütterchen Russland“ ist zwar klar militärisch … aber bezieht sich auf den Kampf der Roten Armee gegen die Nazis. Im Track „I hate Berlin“… macht die Refrainzeile „für das, was war“ auch die klar anti-rechte Linie deutlich. Nachtmahr steht nicht für rechte Musik, sondern für einen Uniform-Fetisch mit BDSM Aspekten!

Die Songs sind zwar militärisch, die Fahnen der Väter galten dem Widerstand und „I hate Berlin“ spricht darauf an, dass man Berlin als Nazi-Hauptstadt identifiziert und dafür hasst? Es wird deutlich, das man sich viel Interpretationsspielraum lässt, um die Inhalte zu deuten. Ob Second Decay, von denen der Song „I hate Berlin“ ursprünglich stammt, auch darauf Bezug nahmen? Das Ziel scheint einmal mehr die Provokation zu sein, weder eine klare politische Haltung noch Inhalte, die das Dargestellte und die damit verbundenen Assoziationen infrage stellen.

Der Förderkreis für Kultur- und Sozialprojekte, der auch den Veranstaltungsort „Parterre One“ betreibt, kollidiert im Nachgang mit ihren eigenen Zielen. Obwohl sie bereits beim Soundcheck Bedenken hatten, dass die Songtexte seien „sehr düster und gewaltverherrlichend wirken“ entschied man sich dafür, die Veranstaltung nicht abzusagen. Vor allem, weil Veranstalter schwarz.ton versicherte, man würde „nie eine rechte Band buchen„. Nachdem man sich aber nach der Veranstaltung mit den Vorfällen und den verschiedenen Informationsquellen auseinandergesetzt habe, sah man sich zu einer eigenen Stellungnahme genötigt:

Wir distanzieren uns klar und vehement von jeglichen Extremen an beiden Enden des politischen Spektrums. Wir kritisieren die Verherrlichung von Gewalt und Krieg, sowie jegliche Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung. Wir haben im Parterre One eine Bühne, die offen ist für kulturellen Austausch, die kritisch sein und zum Denken anregen, nie jedoch ein Ort für politische Extreme sein darf.

Weitere Veranstaltungen mit schwarz.ton will man in Zukunft genau prüfen. Eine Garantie, das man auch bei zukünftigen Veranstaltungen zusammenarbeite, so der Förderkreis, gebe es nicht.

Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich leichter?

So einfach ist es nicht. Gewalt, egal von welcher Seite aus, ist grundsätzlich zu verurteilen. Die Antifaschisten haben ein trauriges Bild ihrer Bewegung hinterlassen, das Publikum eines Konzertes anzugehen. Die Musiker, an die sich der Protest richtete, haben davon überhaupt nicht mitbekommen. „Vermöbeln“, wie sie es auf ihrer Homepage nennen, ist kein geeignetes Mittel, vermeintlichen Neonazis den Raum zu nehmen. Damit unterscheidet man sich in keinster Weise von denen, die man eigentlich zu bekämpfen versucht.

Nachtmahr ist eine umstrittene Band. Ich denke, Thomas Rainer provoziert bewusst mit Ästhetik und Inhalten, um sich interessanter und spannender zu machen. Sein Uniform-Fetisch, den er damit anscheinend auslebt, sei dem 41-jährigen Österreicher gegönnt. Warum er daraus eine Kunstform kreieren möchte, um es musikalisch auf der Bühne zu präsentieren, dürfte klar sein. Welcher Musiker möchte nicht von seiner Musik leben können?

Wenn ihr mich fragt, haben wir genug Krieg auf dieser Welt. Eine Band, die militärisch auftritt, sich mit bescheuerten Texten und in Uniform-Outfit einen kriegerischen Anstrich leistet, ist völlig überflüssig. Nicht nur, dass man damit Extremisten beider Lager auf den Plan ruft, sondern auch der BDSM-Szene eine Vertonung aufzwingt, die sie möglicherweise gar nicht will.

Was hat denn das mit Gothic zu tun?

Das ist der Punkt. Nichts. Weder linke und antifaschistische „Vermöblungs-Aktionen“ noch „patriotische“ Künstler mit Düster-Techno und Uniform-Fetisch. Trotzdem bietet man Nachtmahr auch weiterhin in Gothic-Clubs und auf Gothic-Festivals eine Bühne, nur um sich dann – wenn Gemüter hochkochen oder Situationen eskalieren – wieder zu erklären und zu distanzieren.

Ich habe mich gefragt, ob ich mich nicht ebenso in eine Zwangslage bringe, wenn ich darüber berichte. Muss ich dann nicht das „unpolitische“ das der Szene innewohnt verlassen und selbst Stellung beziehen? Sollte man solche Vorfälle und Zusammenhänge in Zukunft lieber lassen und nicht über solche Dinge berichten? Hinterlasst doch einen Kommentar und schreibt, wie ihr das seht. Notwendige Berichterstattung um die Sinne zu schärfen oder überflüssige Artikel die der Sache nicht wirklich dienen, sondern nur für kostenlose Werbung für die Band sind?