Gothic Friday: Schwarzer Fächer der Passionen

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Das Langzeitprojekt „Gothic Friday“ liegt nun schon einige Jahre zurück. Ich finde die Idee dahinter jedoch großartig und spannend und habe nun schon einige Themen interessiert mitverfolgt. Da keimte in mir die Lust auf,  mir diese Fragepunkte selbst einmal vorzunehmen. Ich bin nicht der einzige Nachzügler, den es angesichts der tollen Themen in den Fingern juckt und Robert erwägt nun sogar, eine Fortsetzung zu starten. Die bisherigen Themen bieten jedoch schon einmal eine Fülle an Inspiration, das Kopfkino ist mächtig in Gange und so nehme ich mir nach und nach einige der alten Themen vor – alle werde ich vermutlich nicht schaffen, aber mal sehen! Das März-Thema lautete: „Schwarzer Fächer der Passionen“.

Passionen, Leidenschaften. Eine seltsame Wortschöpfung, denn mit Leiden haben sie selten zu tun, eher mit Freuden! Es gibt vieles, das mich begeistert, so zum Beispiel das Zeichnen, Basteln, Dekorieren, Kochen, Lesen, Lyrik, Fotografieren und Wandern. Ich beschränke mich hier mal auf vier davon, zwei sehr aktuelle und zwei mangels neuer Inspiration etwas brach liegende Leidenschaften.

Malen und Zeichnen

Spitzendecken
links handgezeichnet (1990), rechts PC-bearbeitet (2003)

Meine älteste Leidenschaft ist das Malen bzw. Zeichnen. Schon in der Vorschule malte ich viel, mit Vorliebe Blumen und Schmetterlinge, in der Grundschule dann feuerspeiende Drachen und Pferde. Eine Aufgabe im Kunstunterricht, den Umriss eines riesigen Flaschengeistes mit Scriptoltinten-Schraffuren auszufüllen, kitzelte etwas in mir wach, was ich daraufhin die nächsten beiden Jahrzehnte mit Vorliebe tun sollte: freie Flächen mit grafischen Mustern und floralen Ornamenten (vorrangig in Schwarzweiß) auszufüllen. Ich zeichnete im Unterricht meinen ganzen Wochenplaner voll, weil ich mich so besser konzentrieren konnte. Die inzwischen beliebten detailreichen Malbuchvorlagen für Erwachsene erfreuen sich nicht umsonst so großer Beliebtheit, denn Malen und Zeichnen ist in unserer hektischen Zeit ein gutes Mittel, um sich mal aus dem Alltag auszuklinken und „runterzukommen“. Bevor ich wieder nach Berlin zog, zeichnete ich auch nach der Schule gemeinsam mit einer Freundin. Diese war es auch, die mich später zur düsteren Musik brachte und mit der ich dann stundenlang an Buntstift- oder Tusche-Kopien von Plattencovern einschlägiger Bands saß, die meine Zimmerwände zierten.

Isolde Ohlbaum
Foto von Isolde Ohlbaum, Acryl (2010)

Nach meinem Umzug nach Berlin fand ich nicht mehr ganz so oft Zeit zum Zeichnen, meist im Unterricht. Aber ich wollte auch gerne nach der Schule einen kreativen Beruf erlernen und wählte deshalb Kunst als Leistungsfach. Leider kann ich freihand weniger gut zeichnen als Motive von Fotos oder Bildern abmalen und Ornamente bzw. Muster gestalten. Auch weil ich direkt nach dem Abi noch keine Computergrafikkenntnisse hatte, hatte ich bei meinen Bewerbungen an Kunstschulen keinen Erfolg. Da ich auch gerne bastel und dekoriere, absolvierte ich eine Ausbildung zur Dekorateurin… Doch dieser Beruf ist leider weniger kreativ als gedacht, da man viel nach Vorlagen arbeiten muss und je nach Einsatzort mehr Kleidung bügelt als dekoriert. Als ich kurz nach der Jahrtausendwende von einem Freund Photoshop erklärt bekam, habe ich auch am Rechner gezeichnet und Bildcollagen erstellt. Und ich scannte meine alten Zeichnungen ein, die ich mit Farben und zum Teil auch diversen Effekten unterlegte, so dass manche fast 3D-Charakter bekamen. Für Familie und Freunde fertigte ich zu besonderen Anlässen (Ab-)Zeichnungen beliebter Motive an und relativ spät entdeckte ich das Malen mit Acrylfarbe. Inzwischen habe ich hier einige eigene Bilder an der Wand hängen, aber schon länger nichts Neues mehr gemalt. Die Leidenschaft schlummert gerade etwas. Ich warte darauf, dass es mich mal wieder „packt“. Lange dunkle Winter sind dafür ideal… die Stimmung muss passen.

Lyrik * Poesie * Gedichte

Eine weitere alte Passion ist das Lesen und Schreiben von Gedichten. Vor vielen, vielen Jahren begann ich selbst Gedichte zu schreiben und auch (Song-)Texte zu sammeln, die mir gefallen. Es begann damit, dass wir im Deutschunterricht ein paar sehr schöne Gedichte durchnahmen, so wie beispielsweise “Der Panther” von Rainer Maria Rilke. Ich habe es immer gehasst, Gedichte in Versmaße aufzuteilen und zu analysieren. Ich wollte das Geschriebene einfach so auf mich wirken lassen, mir schon Gedanken darum machen, aber ohne es zu zerpflücken. Letzteres raubt einem Gedicht den Zauber, finde ich.

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe 
so müd geworden, dass er nichts mehr hält. 
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe 
und hinter tausend Stäben keine Welt. 

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, 
der sich im allerkleinsten Kreise dreht, 
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, 
in der betäubt ein großer Wille steht. 

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille 
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein, 
geht durch der Glieder angespannte Stille – 
und hört im Herzen auf zu sein. 

(Rainer Maria Rilke, „Der Panther“)

Später fand ich auf den “rosa Seiten” im “Zillo” (Kleinanzeigen und Kontaktbörse) und ähnlichen einschlägigen Musikzeitschriften Inspirationen, auch wenn einige davon stark klischeelastig waren. Ich habe mich dann durch Bibliotheken gestöbert und mir alle Texte und Gedichte per Hand abgeschrieben oder fotokopiert, die mich ansprachen, vor allem aus der Zeit der Romantik. Als ich um die Jahrtausendwende meinen ersten eigenen PC mit Internetanschluss bekam, verbrachte ich Tage und Wochen damit, Lyrik-Seiten zu durchforsten und weitere Texte zu sammeln. Ich habe auch selbst einige Gedichte und Gedanken geschrieben, meist in extremen Gefühlssituationen wie Liebeskummer oder bei Beginn einer neuen Liebe. Aber auch wenn ich Ärger mit anderen Menschen hatte oder wenn mich irgendetwas besonders beeindruckte (z.B. eine Reise), aber auch einige Spottgedichte, wie zum Beispiel auf Lehrer. Sehr viele meiner Texte handeln vom Leben an sich, dem eigenen Lebensweg und Sinnsuche. Gereimt hat sich mein Geschriebenes selten, aber darauf kam es mir auch nicht an. Es sollte einfach meinen Gedankenfluss auffangen und bewahren. Manchmal habe ich dazu auch Zeichnungen angefertigt oder passende Bilder herausgesucht.

Die Mauer
Die Mauer, geschrieben 1995

Gegen 2001/2002 hatte ich mir sogar eine eigene Webseite erstellt, die inzwischen allerdings nicht mehr existiert. Dort habe ich meine Texte, Zeichnungen und Fotografien gezeigt. Als Myspace noch populär war, war ich auch dort vertreten. Inzwischen habe ich bis auf eine sehr reduzierte Mitgliedschaft bei der Fotocommunity gar keine Webpräsenz mehr. Ich dache, es interessiert sich bei der Masse an Veröffentlichungen sowieso vermutlich niemand für meine Werke… und wozu dann Geld für Webspace ausgeben? Nur einmal habe ich einen Text von mir eingeschickt, es gab einen Aufruf für einen Band des Deutschen Gedichts. Mein Gedicht wurde sogar darin abgedruckt. Aber von dem Angebot, das Buch zum “Vorzugspreis” für immer noch sehr viel Geld zu erwerben, sah ich dann doch lieber ab. Inzwischen schreibe ich nur noch sehr selten Texte, wenn ich aufgewühlt bin. Früher war ich da sehr viel produktiver, einmal habe ich in nur wenigen Wochen 80 Texte verfasst, aus Liebeskummer! Als junger Mensch hängt man sich in solche Themen irgendwie viel stärker rein, die Welt geht scheinbar schneller unter.

Fotografie – „Malen mit Licht“

Noch eine ältere Leidenschaft, die aber aktueller denn je ist, ist die Fotografie. Fotografiert habe ich schon als Kind gerne, vor allem meine zahlreichen Haustiere. Da ich aber nur wenig Taschengeld hatte und mein Vater überdies viel fotografierte, überließ ich ihm das Feld und erfreute mich an seinen Aufnahmen von Familie und Reisen. Als ich Anfang der 90er wieder nach Berlin zog und viel mit Freunden unterwegs war, hatte ich eigentlich immer eine kleine Kamera dabei und habe fast alle Aktivitäten festgehalten: private Treffen, Ausflüge, Clubbesuche, Konzerte, Friedhöfe und Architektur… allerdings hatte ich NULL Ahnung von der Technik dahinter und wollte mich auch nicht weiter damit beschäftigen geschweige denn eine bessere Kamera haben. Mein Vater hatte mir einmal den Umgang mit seiner analogen Spiegelreflexkamera erklärt, und trotz “Spickzettel” brachte ich damit nur unbefriedigende Aufnahmen zustande. Das hat mich nachhaltig so frustriert, dass ich mich nicht wieder mit so einem komplizierten “Monstrum” herumplagen wollte. Damals sah man seine Fotofehler ja erst Tage bis Wochen oder gar Monate nach der Aufnahme und konnte schwerlich rekonstruieren, was man denn nun genau falsch gemacht hatte. Nicht wie heute in der digitalen Fotografie, wo am Display schon das meiste gut zu erkennen und der Lerneffekt natürlich ein ganz anderer ist, von den gesparten Kosten für misslungene Abzüge ganz zu schweigen! Ich blieb also lange bei kleinen, kompakten Kameras und fotografierte nur mit der Automatik. Menschen habe ich eine Zeitlang kaum abgelichtet. Anfang der 90er habe ich im Freundes- und Verwandtenkreis recht ungehemmt fotografiert. Igendwann traute ich mich jedoch nicht mehr so recht, weil immer weniger Leute Lust hatten, fotografiert zu werden. Auch auf Veranstaltungen wie dem WGT habe ich aus Diskretion und Scheu Personen meist aus größerem Abstand oder nur von der Seite/von hinten fotografiert. Das ärgert mich jetzt sehr, weil dadurch natürlich viel Potential verschenkt wurde, gerade wenn man sich heutzutage über alte Szene-Fotos freut. Erst bei meinen letzten beiden WGTs, Ende der 90er, traute ich mich, auch mal andere direkt anzusprechen und um ein Foto zu bitten. Meine Fotokünste hielten sich dennoch weiterhin in Grenzen.

Horizonterweiterung
Um 2001 herum hatte ich einen Partner, der Fotografie gelernt hatte und sich dementsprechend auskannte. Er schenkte mir meine erste eigene Digitalkamera, die aber noch kein Display hatte und keine manuellen Eingriffsmöglichkeiten. Damals erlernte ich in einer DTP-Weiterbildung Bildbearbeitung am PC, was mir großen Spaß machte. Ich tobte mich kreativ ziemlich aus mit Photoshop-Filtern, Bildretusche, komponierte Fotocollagen und zeichnete auch direkt am Rechner. Aber mit Fototechnik hatte ich noch immer nichts am Hut, die Erfahrung mit der analogen Spiegelreflexkamera hatte mich damals zu sehr frustriert. Mit meiner kleinen digitalen Kompakten zog ich aber sehr häufig los und erkundete vor allem Berliner Friedhöfe, alte Gebäude, Parks und Natur. Dennoch blieb ich oft unzufrieden mit meinen Bildern, denn die lange Auslöseverzögerung der frühen Digitalkameras erschwerte es, bewegte Szenen einzufangen. Oft war das, was ich fotografieren wollte, schon wieder vorbei, als die Kamera endlich soweit war. Na toll!
Der erste größere Einschnitt geschah Anfang 2008, als ich mit meinem damaligen Freund nach Paris fahren wollte und wir beide dafür nach einer neuen Kompaktkamera Ausschau hielten. Das kleine Lumix-Modell, das wir erstanden, löste viel schneller aus und machte richtig Spaß. In Paris entstanden trotz ekelhaften Wetters massenhaft Bilder, die mir damals auch wirklich gut gefielen. Mein Freund brachte mich vor allem darauf, auch die kleinen Dinge abzulichten, ein Auge für Details und ungewöhnliche Motive zu bekommen. Seitdem hatte ich erst richtig Freude an der Fotografie! Ich konnte bessere und interessantere Bilder machen und auch am Rechner bearbeiten, wenn ich wollte. Ein herrliches kreatives Spielzeug! Aber auch jetzt blieb ich bei reiner Automatik.

Herrlich kreatives Spielzeug
“Klick” machte es dann mit dem Kauf einer gebrauchten, aber mit mehr manuellen Einstellungsmöglichkeiten versehenen Kompaktkamera, die ein Vielfaches an Zoomstärke meiner alten hatte. Ich hatte mir damals ein sehr gutes Einsteigerbuch zur Digitalfotografie gekauft, durch das ich zum ersten Mal a-ha-Erlebnisse hatte, was die Technik dahinter betrifft. Auch über Bildgestaltung stand dort sehr viel Interessantes und Lehrreiches drin. Ich wurde mutiger und entdeckte neue kreative Möglichkeiten, z.B. das Freistellen mittels größerer Brennweite. Ein einschneidendes Erlebnis war ein Friedhofsbesuch, wo ich eher zufällig herausfand, dass sich Details an rostigen, schnörkeligen Eisengittern aus größerer Entfernung wurderbar hervorheben konnte, indem der Hintergrund durch Unschärfe ausgeblendet wird. Ich wurde richtig euphorisch. Vorher war auf meinen Fotos zwar vieles scharf, aber auch oft überladen, unruhig. Jetzt merkte ich, dass ich bewusst eingreifen und gestalten kann. Und das war der wirkliche Durchbruch zur Leidenschaft.
Es dauerte nicht lange, und die nächste Kamera stand an, diesmal ein Bridgekamera. Hatte ich mich jahrelang dagegen gewehrt, eine Kamera zu benutzen, die nicht in die kleinste Tasche passt und die mehr als ein einfaches Klick erfordert, so wollte ich nun ein kreatives Spielzeug, das möglichst viele Sparten abdeckt. Eine Bridge schien mir ideal, weil weniger schwer als eine Spiegelreflex- oder Systemkamera und dennoch mit allem ausgestattet. Dazu der enorme Zoom und später entdeckte ich auch die Möglichkeit, mittels guter Nahlinsen (Achromaten) zum Davorsetzen faszinierende Einblicke in die Makrofotografie zu unternehmen. Mit einer Bridgekamera bin ich nun endgültig “happy”, Objektive wechseln wäre mir lästig und ich bin jemand, der gerne spontan und so wenig kopflastig wie möglich fotografiert, dabei flexibel ist: eben noch einen Käfer auf einer Blüte anvisiert und im nächsten Moment den Raubvogel “eingefangen”, der plötzlich am Himmel auftaucht. Auf Touren Details und entfernte Motive ablichten, ohne lange stehen bleiben zu müssen.
Meine Motive sind auch sehr breit gefächert: Menschen inzwischen seltener (hauptsächlich Familie, etwas Street), dafür vermehrt Natur und Landschaft, Flora und Fauna, historische Gebäude und Städte, Ruinen/Lost Places, alte Friedhöfe, Makrofotografie. Ich sehe vieles bewusster, entdecke kleine Dinge und habe oftmals das Gefühl, die Welt fast wieder wie mit Kinderaugen zu betrachten. Im Alltag geht man an so vielem unbewusst vorbei. Mit einer Kamera in der Hand und Neugier für alles, was einem begegnet — Schönes, Hässliches, Skurriles, Banales — fallen einem auf einmal Unmengen interessante Dinge auf. Selbst wenn man die Kamera gar nicht dabei hat, kann es passieren, dass dieser “erweiterte Blick” sich einstellt. Es ist wie ein Schleier, der von den Augen gezogen wurde und der alles überdeutlich hervortreten lässt. Ich bin immer wieder fasziniert von der Kreativität, die eine Kamera bietet, wenn mann ich ein bisschen auf das Dahinter einlässt. Weit über normale Sehgewohnheiten hinaus, allein z.B. durch Spiel mit Schärfe/Unschärfe, eingefrorenen oder verwischenden Bewegungsabläufen, Licht- und Schattenspielen usw.

Der Weg ist das Ziel!

Nun komme ich zu meiner neuesten Leidenschaft: dem Wandern, oder besser  zu Fuß-Erkunden von Landschaften und interessanten Orten. Für schöne Landschaften oder historische Stätten konnte ich mich schon früh begeistern, jedoch war ich lange Zeit darauf angewiesen, dass mich entweder jemand irgendwohin mitnimmt oder mich begleitet. Da ich kein Auto besitze und mich nicht allein umherzureisen traute (bzw. auch lange kein Interesse an Alleingängen hatte), ergaben sich viele Jahre nur selten Gelegenheiten, etwas zu erkunden. Auf Reise zur Verwandschaft oder wenn Freunde mit Autos mich mitnahmen. Aber dann bleib es meist bei kurzen Stippvisiten vor Ort.

Berlin wird zu klein ;-)
 Ein guter Freund begann, Berlin abschnittsweise zu Fuß und mit der Kamera zu erkunden: erst die Spree entlang, dann dem Teltowkanal folgend und zuletzt den gesamten Mauerweg (ehemaliger Mauerstreifen um Berlin und durch die ehemals geteilte Stadt hindurch). Ich begleitete ihn auf vielen Touren. Er äußerte dann irgendwann den Wunsch nach einem nächsten Projekt zu Fuß, aber in Berlin hätte er seine Ideen ausgereizt. Da stieß ich auf ein Buch zu einer Rundwanderung in Tagesetappen rund um Berlin, dem 66-Seen-Weg. Ich dachte, das wäre was für ihn, aber er winkte ab: keine Lust, extra ewig ins Umland zu reisen und dafür auch noch Fahrgeld zu investieren. Ich fand das schade und kaufte mir das Buch dann selbst. Nun stand ich vor dem Dilemma, dass darin viel interessante Touren vorgestellt waren, sich aber niemand fand, der mich begleiten wollte! Ich wollte ungern allein losziehen, ohne die Möglichkeit sich unterwegs zu unterhalten und auch ohne das Gefühl, zu zweit sicherer zu sein. Auch dachte ich, dass ich mich bestimmt immer mal wieder verlaufen würde. Die Vorstellung, ohne Auto ins strukturschwache Brandenburg zu fahren, gruselte mir ebenfalls. Also legte ich das Projekt zunächst auf Eis. Ganz schön blöd, wie ich im Nachhinein denke.

Der erste Schritt ist der schwerste…
 Es brauchte dann noch eine ganze Weile, bis es auch hier “Klick” machte. Ich entdeckte noch ein Buch über schöne Touren in Brandenburg und stieß dabei auf eine Strecke gar nicht mal so weit weg von Berlin, das Briesetal bei Birkenwerder. Ein kleiner wilder Bach mit Erlenbrüchen, Biberstaudämmen und herrlichem Wald ringsherum. Die Fotos faszinierten mich. Da musste ich hin! Ich hatte keine Lust mehr, erfolglos zu warten, bis sich jemand anschließt. Außerdem hatte ich meine neue Bridgekamera und war unternehmungslustig. Und ich entdeckte, dass es gar nicht so kompliziert ist, sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Brandenburg zu bewegen, wie ich dachte. Dank Internet lässt sich eine Verbindung zu jeder Bushaltestelle in jedem noch so abseits gelegenen Ort herausfinden und eine Tour reibungslos planen. Und unterwegs stellte ich fest, dass zum einen das meiste auch gut ausgeschildert ist und zum anderen auch die Wanderbücher oft sehr detailgenau beschrieben sind, fast idiotensicher. Ich wurde bislang unterwegs weder dumm angemacht (es gibt in Brandenburg eh wenig Wanderer und die Einheimischen erwiesen sich bisher durch die Bank weg als sehr nett und aufgeschlossen) noch hatte ich Situationen, in denen ich mich ängstlich gefühlt habe. Und was das Wichtigste ist: es macht mir inzwischen großen Spaß, allein unterwegs zu sein! Es ist herrlich, seinen Gedanken nachhängen zu können, sein eigenes Tempo finden zu können und auch frei zu sein, wann man wo pausiert, abkürzt, verlängert… Und gerade zum Fotografieren ist es ideal. Stehen bleiben und schauen, fotografieren so oft ich möchte, und ich muss niemandem hinterherrennen oder auf andere warten. Wenn man allein unterwegs ist, ist das Erleben viel intensiver, weil niemand ablenkt und die Sinne frei werden. Es heißt ja immer wieder, dass Wandern ein Selbsterfahrungs-Trip sein kann. Das stimmt absolut. Selten habe ich so schön, intensive Momente erlebt wie allein zu Fuß in schöner Natur. Die Kamera steigert das Erleben noch, weil auch sie dazu führt, dass die Sinne geschärft werden.

Ich suche mir immer wieder unterschiedliche Touren und Orte aus, so dass es immer wieder spannend ist, was ich unterwegs so vorfinde. Entgegen der verbreiteten Vorstellung gibt es in Brandenburg auch nicht nur plattes Land, weite Öde und Kiefernmonokulturen, sondern erstaunlich viel Vielfalt wie unzählige Gewässer und auch Hügelland, herrlichen Laubwald, uralte Bäume und Moore. Ich bin nicht nur in Brandenburg unterwegs, aber da es für mich ohne Auto gut als Tagestour umsetztbar ist, und dazu auch noch viele Ecken nicht erkundet sind, bin ich hier erstmal gut beschäftigt. Bisher bin ich aber auch auf Rügen und in der Sächsischen Schweiz gewandert. Heute kann ich folgendes Zitat ganz fett unterstreichen:

„Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

Meine 5 Lieblings-Filme

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Über Filme zu schreiben, ist gar nicht so leicht. Ich bin jetzt nicht so die große Film-Kennerin, interessiere mich nicht für Regisseure und habe keine(n) Lieblingsschauspieler. Auch gehöre ich zu den Leuten, die äußerst selten vor dem Fernseher sitzen, manchmal bleibt die Kiste wochen- bis monatelang aus. DVDs habe ich inzwischen allerdings einige und es gibt auch Filme, die ich sehr mag. Aber ich erlebe es oft, dass ich mit Filmen, die Freunde gut finden, wenig oder nichts anfangen kann. Mein Geschmack scheint schon etwas spezieller zu sein ;-) Allzu skurril und abgedreht sollte es nicht werden, an Tim Burton-Filmen mag ich beispielsweise so gut wie keine. Mit Horror und Splatter kann ich auch nichts anfangen, aber Gruselfilme mag ich,  wie zum Beispiel ältere Vampirfilme. Außerdem Dramen, Komödien, kitscharme Liebes- und Historienfilme, ein bisschen Fantasy (Science Fiction dagegen weniger), Krimis, gut gemachte Naturdokumentationen und viele alte Kinderfilme, zum Beispiel von Astrid Lindgren. Hier also meine Top 5:

Die fabelhafte Welt der Amelie

Mein absoluter Lieblingsfilm. Dabei wollte ich damals erst gar nicht ins Kino! Als ich herauskam, war ich verzaubert und hatte ein erschöpftes Zwerchfell vom Lachen. Was für ein schöner, skurriler und zugleich humorvoller Film.

Eine junge Frau, Einzelgängerin und phantasievoll, findet ein Kästchen mit Erinnerungsschätzen eines Jungen, jetzt eines Mannes. Auf der Suche nach dem Besitzer kommt sie mit diversen Menschen in Kontakt und lernt auch ihre direkten Nachbarn erstmals näher kennen. So erfährt sie von den Sorgen und Nöten ihrer Mitmenschen und beginnt, Glücksfee zu spielen – und in einem Fall sogar auf amüsante Weise den Racheengel. Ein mysteriöser Vorgang rund um einen Foto-Fix-Automaten beschäftigt sie sehr und führt sie zu einem Mann, der sie fasziniert. Aber ihre Scheu steht ihr im Wege. Durch allerhand Verwirrspiel bringt sie den Ärmsten durcheinander und der Weg zum eigenen Glück ist skurril und voller Umwege.

Der Film ist gespickt mit schrägen Einlagen und Charakterbeschreibungen, die Charaktere mehr oder weniger verschroben und dennoch liebenswert. An keiner Stelle wirkt der Film platt oder klamaukig und ich muss jedesmal wieder lachen oder schmunzeln, egal wie oft ich ihn sehe. Anbei gibt es ein paar schöne Aufnahmen aus Paris. Ein bisschen altmodisches Flair ist auch dabei, die Stadt wirkt wie aus der Zeit gefallen, moderne Gebäude sind kaum zu sehen und auch die Wohnungseinrichtungen haben etwas Nostalgie an sich. Ein modernes Märchen, das insgesamt lustig und leicht daherkommt.

Chocolat

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch dieser Film, hier geht es ebenfalls um eine Frau, die mit Phantasie und Humor ihr Umfeld verwandelt – allerdings mit deutlich mehr Selbstbewusstsein als Amelie. Ein kleines französisches Städtchen in der Nachkriegszeit. Traditionen wie Kirchgang und andere religiöse Pflichten werden hochgehalten, wer aus der Reihe tanzt, wird ausgegrenzt. Heimlicher „Boss“ im Dorf ist der Priester, der zugleich wie ein Bürgermeister agiert und seine Schäfchen stets zu Zucht und Ordnung ermahnt. Er selbst erlaubt sich auch keinerlei Fehltritte. Da kommt ihm die lebenslustige Frau mit unehelicher Tochter gar nicht recht, die neu hinzuzieht, ausgerechnet zur Fastenzeit eine Chocolaterie eröffnet und sich außerdem weigert, den Gottesdienst zu besuchen. Es kommt zur „Kriegserklärung“ des Priesters an die Zugezogenen in Form eines Ladenboykotts und Rufschädigung. Dennoch erweckt der kleine Laden die Neugier der Bewohner, einige trauen sich sogar hienein und werden verzaubert von der Herzlichkeit der Besitzerin und ihrer leckeren Spezialitäten. Verbotenes reizt und neben dem Verkauf entwickelt sich der Laden zu einer Art Begegnungs- und Seelsorgestätte, was widerum dem Priester sauer aufstößt. Auch beginnen die Einwohner langsam, einiges zu hinterfragen, ihren Kopf zu benutzen und das Leben wieder zu genießen. Alte Feindschaften werden begraben und ungesunde Beziehungen gekappt. Das Dorf krempelt sich nach und nach um und der Priester kämpft immer verzweifelter dagegen an.

Es ist schön, dabei zuzusehen, wie die Menschen dieses Dorfes nach und nach innere wie äußere Zwänge abzulegen lernen und immer mehr aufblühen. Manchmal bedarf es nur eines Menschen, der auch mal zuhört, nach- und hinterfragt. Ein bißchen Mut zu Genuss und Lebensfreude wachkitzelt, was gut tut. Dann kommt eine Lawine ins Rollen, die schwer zu stoppen ist. Und wer versucht, da gegenzuhalten, muss sich die Frage stellen, ob er im Recht ist oder nicht veralteten Vorstellungen nachhängt.

Der Film ist trotz des durchaus ernsten Themas sehr humorvoll und die Charaktere machen nahezu alle eine innere Wandlung durch. Selbst die Hauptdarstellerin, die zum Großteil mit sich im Einklang zu sein scheint, hat ihre Momente, in denen sie mit sich selbst kämpft. Manches ist bewusst ein wenig überzeichnet und ausgeschmückt, aber nicht unglaubwürdig. Ein Film mit Herz, Humor und ein bisschen Zeigefinger in dem Sinne, sich nicht zu sehr von festgefahrenen Denkmustern und Traditionen einengen zu lassen – und andere/Fremde nicht vorschnell zu verurteilen.

Jenseits der Stille

Einer der besten deutschen Filme, finde ich. Eine Familie mit zwei Mädchen, die Eltern sind beide taubstumm, die ältere Tochter muss häufig für sie dolmetschen. Bei einem Familienbesuch findet sie über ihre Tante Zugang zur Musik, speziell zum Klarinettenspiel. Der Vater versteht ihre Leidenschaft zur Musik nicht, zumal es ihm missfällt, dass das Mädchen mit seiner ihm verhassten Schwester sympathisiert. Als die Mutter durch einen Unfall ums Leben kommt, stützt der Vater sich vermehrt auf seine Tochter, die diesem Druck und der Schwermut zu Hause nicht mehr standhält und nach Berlin zu ihrer lebenslustigen Tante flüchtet. Dort blüht sie auf, frönt der Musik, lernt neue Leute kennen und ihre erste Liebe. Mit der Zeit stellt sich heraus, dass auch die Tante das Mädchen nach ihren Vorstellungen formen möchte. Das Verhältnis zum Vater wird immer schwieriger, er lehnt ihren Willen nach Freiheit und ihre Liebe zur Musik ab, was ihr das Leben schwer macht. Erst nach langer Zeit und vorsichtiger Annäherung finden Vater und (große) Tochter wieder zusammen.
Es ist ein leiser Film mit vielen kleinen Gesten und Zwischentönen. Es geht ums Abnabeln, Erwachsenwerden und zugleich um das Verständnis füreinander, gegenseitige Akzeptanz. Besonders schön finde ich eine Szene, in Vater und Tochter hinaus in den fallenden Schnee blicken und sie ihm auf die Frage antwortet, was Schnee für ein Geräusch macht.

Ronja Räubertochter

Ja, es ist eigentlich ein Kinderfilm. Aber, wie das meiste von Astrid Lindgren, derart schön und zeitlos, dass man sich auch als Erwachsener ohne zu Erröten als Fan bekennen kann. Ich habe den Film als Kind im Kino gesehen und seitdem etliche Male und ich liebe ihn immer noch. Übrigens der einzige Film, den ich kenne, der sich nahezu vollständig an die Buchvorlage hält. Die eigentlich simple Geschichte der Freundschaft zweier Kinder einander verfeindeter Familien wird wunderbar erzählt und ausgeschmückt mit herrlichen Bildern und Kulissen. Eine vom Blitz gespaltene Räuberburg, herrlich verwunschener Wald ringsherum, mit vielen schönen und gruseligen Kreaturen darin. Zwei Kinder, die die Welt entdecken wollen, Freundschaft empfinden und sich nicht darum scheren, was die Erwachsenen davon halten. Die den Erwachsenen beibringen, wie dumm ihre Fehde ist. Die Erwachsenen lernen, die Kinder ernst zu nehmen und sich selbst zu hinterfragen. Die Räuber werden als ein Haufen rauhbeiniger, übermütiger, aber humorvoller Kerle dargestellt und Ronjas Mutter ist ihnen gleichberechtigt. Ronja lernt Selbstbewusstsein, Mut und Vorsicht – aber sie hat auch ihren eigenen Kopf, testet Grenzen und Gefahren aus und bringt sich dadurch auch in solche. Ihren Vater liebt sie sehr, aber es kommt auch zum Bruch zwischen ihnen, als er ihre Freundschaft zu Birk, dem Sohn des verhassten Konkurrenten nicht akzeptiert. Auch Birk erträgt den Hass seiner Leute auf Ronjas Familie nicht mehr und die Kinder ziehen gemeinsam in eine Höhle im Wald. Dort leben sie nur für eine Weile in Eintracht, es kommt zu einem Streit um etwas Verlorenes und sie erleben selbst, wie schnell Konflikte auflodern und entzweien können.
Auch dies ist ein Film vom Erwachsenwerden, dem Finden des eigenen Wegs und eigener Ansichten, dem Hinterfragen vorgelebter Traditionen. Von Freundschaft entgegen der Konventionen, sich-wieder-Vertragen und Verzeihen.

https://www.youtube.com/watch?v=DcfFPqjKos0

 

Verblendung (Schweden/USA)

Hier kann ich mich schwer entscheiden, welche Verfilmung ich besser finde: die schwedische oder die spätere amerikanische. Normalerweise rege ich mich gern über die Marotte der Amis auf, statt einen fremdsprachigen Film zu synchronisieren, lieber gleich einen neuen Film zu drehen – viel mehr Aufwand und Kosten! Und oft schwingt dabei der schale Beigeschmack mit, dass die Inhalte dann auch „amerikanisiert“ werden, Schauplätze nach Amerika verlegt werden oder gleich noch mehr umgeschrieben wird. Doch diesmal war es anders, die Geschichte spielt weiterhin in Schweden und auch von der Handlung und der Aufmachung sind für mich beide Verfilmungen absolut gleichwertig.

Zunächst einmal nur zur Handlung, ohne näher auf die beiden Versionen einzugehen. Es handelt sich um den ersten Teil einer Trilogie, der jedoch auch für sich allein stehen könnte, denn hier geht es um die kriminalistische Auflösung eines Rätsels bzw. scheinbaren Mordes.

Ein angesehener Wirtschaftsjournalist wird bei der Recherche gegen einen korrupten Wirtschaftsboss gelinkt und verliert seinen Ruf. Dennoch wird er von einem alternden Industriellen aufgrund seiner guten „Spürnase“ beauftragt, das Verschwinden seiner Nichte vor 40 Jahren aufzuklären. Das Mädchen stand ihm sehr nahe und hätte das Potential gehabt, einmal die Firma zu übernehmen. Im Gegensatz zu den übrigen Familienmitgliedern, die fast alle Verrückte oder Taugenichtse sind. Doch auf mysteriösem Wege verschwand sie spurlos, alle Ermittlungen liefen ins Leere. Und dennoch erhält der alte Mann nach wie vor jedes Jahr zum Geburtstag anonym eine gerahmte, gepresste Blume geschickt, wie sie seine Nichte ihm immer geschenkt hatte. Vor seinem Tod möchte er endlich eine Aufklärung. Der Journalist bekommt Hilfe von einer Person, die ursprünglich dazu eingesetzt wurde, seine Seriösität zu überprüfen: die Hackerin Lisbeth.

Lisbeth ist keine gewöhnliche Frau, sie hat eine schlimme Vergangenheit, wurde entmündigt und entschied sich für ein Leben jenseits der Konventionen. Auch äußerlich rebelliert sie, durch schwarze Kleidung, Punkfrisur, viele Piercings und Tattoos. Sie vertraut niemandem, ist sehr verschlossen und unhöflich und eckt dadurch massiv an. Aber in ihrem Spezialgebiet ist sie genial und sie wird zur unentbehrlichen Hilfe bei der Suche nach der verschwundenen Frau. Sie entdecken Hinweise auf einen irren Serienmörder, der Frauen auf bestialische und skurrile Weise mordet. Bei ihren spannenden und ungewöhnlichen Recherchen geraten die beiden Ermittler zunehmend selbst in Lebensgefahr. Wer von der Industriellenfamilie versucht sie aus dem Weg zu schaffen?

Wie sie den Fall lösen, welche Puzzlestücke sich finden, ist ungemein spannend. Nebenbei wird auch ein Einblick in Lisbeths Leben gegeben. Sie hat seit ihrer Kindheit einen staatlichen Vormund, der nun krankheitsbedingt ausfällt. Sein Nachfolger ist ein Sadist, der die junge Frau erpresst, erniedrigt und missbraucht. Sie rächt sich an ihm. Ihre weitere Geschichte wird in den folgenden beiden Teilen erzählt, wobei ich sagen muss, dass mich die beiden Filme im Gegensatz zu den Büchern enttäuschten.

Vor allem der letzte Teil wird dem Buch kaum noch gerecht, da viele wichtige Personen und Geschehnisse verändert oder gestrichen wurden. Daher ist nur der erste Teil unter meinen Top-Filmen. Die US-Version hält sich zum Teil auch etwas dichter am Buch und Lisbeth wird hier etwas weniger verschroben und kaltschnäuzig dargestellt, sondern verletzlicher. Das Ende ist ein bisschen anders. Aber ansonsten ähneln sich die Handlungsstränge sehr, die Schauplätze auch. Die Kameraführung finde ich im US-Film etwas besser. Ansonsten kann ich keinen Favoriten benennen. Selbst die Schauspieler sind in beiden Fällen sehr gut – ich hätte es Daniel Craig nicht zugetraut.

Mein schaurig schönes Tagebuch – Episode 10: Bahnfahren

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Liebes Tagebuch! Ich habe Bahn fahren immer schon geliebt. Schon als Kind, als wir mit der Familie in den Schwarzwald gefahren sind, konnte ich nicht genug kriegen von Bahnhöfen, Tunneln und der unschlagbaren Strecke am Rhein entlang. Das Wandern konnte mir gestohlen bleiben, die 7-stündigen Fahrten zu Beginn und zum Ende des Urlaubs waren mein Highlight.

Neulich bin ich wieder einmal Bahn gefahren. An einem verlängerten Wochenende wollte ich nach Berlin, um endlich einmal Leute zu treffen, die man sonst nur über die sozialen Netzwerke kennt. Ich habe gründlich zwischen allen möglichen Verkehrsmittel abgewägt und mich ganz bewusst für die Bahn entschieden, die unterschwellige Hoffnung, etwas von meinem Kindheitsgefühl zurückzuholen, war sicherlich auch mit dabei.

Natürlich habe ich die Tickets Online gekauft und versucht, den Spagat zwischen günstiger und komfortabler Fahrweise zu bestehen. Spartickets, wie sie für 19 Euro auf der Homepage angepriesen werden, fielen aus, denn die findest du sowieso nur, wenn du mitten in der Woche, zu unheiligen Uhrzeiten und mit einer Mindestfahrtzeit von 6 Stunden leben kannst. Nichts für mich. So nahm ich den höheren Preis in Kauf und buchte den ICE. Ich musste lediglich einmal umsteigen und würde – laut Fahrplan – in insgesamt 4 Stunden in Berlin sein. Immerhin konnte ich für die Hinfahrt einen günstigeren Preis finden (mit Zugbindung) und habe dann auch noch die Bahn Card 25 auf Probe für 19€ beantragt, mit der ich wiederum 38,75€ des Gesamtpreis sparte. Logischerweise habe ich die Bahncard im gleichen Atemzug wieder zum Ablauf der 3 Monate gekündigt, damit man sie mir nicht unter dem Hintern zu einer Jahreskarte macht. Bin ich nicht ein Fuchs?

BahnfahrenNun ja. Das kann man sehen wie man möchte. Ich stand an diesem sau kalten Freitag Morgen in Mönchengladbach am Bahnhof, hatte mich mit Getränken und einem Frühstück in den Bahnhofsshops eingedeckt und der Regional-Express, der mich nach Duisburg bringen sollte, war pünktlich. Ich setzte mich in den fast leeren Zug, steckte mir die Kopfhörer in die Ohrmuscheln und schaute aus dem Fenster. Traumhaft, wie der mit Raureif bedeckte Niederrhein zu der Musik von X-mal Deutschland an mir vorbeizog. Ich war seelig und erinnerte mich an früher. Da hatten wir immer ein ganzes Abteil für uns und breiteten dann unsere selbst mitgebrachten Brote und Getränke aus. Fein säuberlich mit Servietten als Mini-Tischdeckchen, Löffeln für die Eier und Salz im praktischen Reisestreuer. Am Fenster beobachtete ich die Schiffe auf dem Rhein und freute mich auf die Tunnel, die der Lokführer mit seiner Pfeife ankündigte. Ich mochte das Picknick im Zug nicht wirklich, schmeckte es doch alles wie zu Hause und auf einer großen Reise will man auch irgendwie die große Welt schmecken. Möglicherweise kaufe ich mir deswegen am Bahnhof die gut aussehenden Unterwegs-Snacks und den frisch gepressten Orangensaft. Spät-Rebellion vielleicht. Das ich damit natürlich jede im Vorfeld gemachte Ersparnis zunichte mache, ist mir dann mal gepflegt egal.

In Duisburg warte ich dann mit etwa 200 Reisenden auf den ICE. Reisegrüppchen im Prosecco-Rausch, eifrige Geschäftsleute mit Laptop und Blackberry und viele Studenten auf dem Weg nach Hause. Erstaunlich. Die junge Studentin neben mir schafft es, ihre Hausarbeit im Stehen zu schreiben. Mit Stift und Papier. Es geht um das Ruhrgebiet und die wirtschaftliche Entwicklung zwischen 2005 und 2015.  Interessant was man während der obligatorischen 20-minütigen Verspätung des ICE so alles beobachten kann. In Minute 25 der angekündigten Verspätung dann ein Durchsage: „Achtung auf Gleis 13. Wegen einer Weichenstörung entfällt der ICE 847 von Duisburg nach Berlin. Wir bitten um ihr Verständnis.“ Natürlich. Alle Reisenden nicken verständnisvoll, murmeln was von „Kann ja mal passieren“ und trollen sich. So ein Quatsch! Über den Köpfen der Wartenden erscheinen diese weißen Sprechblasen wie in Comics, in den meisten davon ist ein einfaches Fragezeichen zu sehen. In meinem übrigens auch. Und nein, mein Verständnis bekommt ihr nicht. Ich schließe mich also der schlecht gelaunten Polonäse in Richtung Reisezentrum an.

Die 4 anwesenden Mitarbeiter sind völlig überrascht vom plötzlichen Ansturm. Mitarbeiter 2 macht das einzig Richtige und stellt ein Schild auf sein Pult „An diesem Schalter wird zur Zeit nicht bedient„, deckt seinen Monitor ab und entfleucht aus dem Hintertürchen. Nach 45 Minuten Wartezeit kann ich dann endlich bei meinem Online-Ticket die Zugbindung wegstempeln lassen. Der Mitarbeiter gibt sich ehrliche Mühe und erklärt mir freundlich, dass ich nun jeden ICE nutzen kann, drückt mir ein Fahrgastrechteformular in die Hand und empfiehlt die Reise mit dem ICE, der eine Stunde später fährt. Eine Platzreservierung sei leider nicht mehr möglich, so der Mitarbeiter, weil der Zug bereits in Bonn losgefahren ist und ausgebucht ist.

Und tatsächlich. Nach bangen Minuten und ohne Verspätung besteige ich den ICE in Richtung Berlin. Nun muss man nur noch einen Platz finden. Über jeden Sitzplatz zeigt eine kleine Anzeige die Reservierungen an und offensichtlich ist alles reserviert. Auf einem Platz steht „Düsseldorf – Berlin“ und da wir in Duisburg sind, denke ich mir, dass der Platz nun frei ist, weil der Reisende nicht konnte. Doch weit gefehlt. In Essen werde ich verscheucht und darauf aufmerksam gemacht, dass die Reservierung von Düsseldorf bis Berlin gilt und man diese auch durchaus später in Anspruch nehmen kann. Was für ein Blödsinn. Ich trolle mich erneut und finde 2 Waggons weiter eine Reihe von Plätzen, die mit „bahn.comfort“ und „ggf. Freimachen“ bezeichnet sind. Ob das besonders bequeme Sitzplätze sind? In völliger Unwissenheit setze ich mich auf einen freien „bahn.comfort“ Platz und habe Ruhe bis Dortmund, wo Kunde Arsch zusteigt. Den nenne ich jetzt mal so, weil es Menschen, die in ihrer Gesamtheit nur aus Arsch bestehen, immer gibt und jeder mindestens einen kennt und weiß was gemeint ist. Der nähert sich von hinten den mit „bahn.comfort“ ausgewiesenen Plätzen und fragt den ersten Herrn: „Ich nehme an, sie sind bahn.comfort Kunde?“ Der Typ scheint zuzustimmen, denn Kunde Arsch geht eine Reihe weiter, direkt hinter mir. Er wiederholt seine Frage an einem jungen Pärchen. Sind sie natürlich nicht, wie sie einräumen. „Dann hätte ich diesen Platz gerne, darauf habe ich ein Anrecht!“ enttäuscht aber einsichtig entscheidet sich der Mann den Platz zu räumen und überlässt seiner Freundin den Fensterplatz. „Nein, ich will den Fensterplatz.“ Die beiden ziehen ab und Kunde Arsch hat seinen Fensterplatz. Immerhin lässt er eine ältere Frau neben sich sitzen, die auf ebenfalls auf der Suche nach einer Sitzmöglichkeit ist. Als der Zug dann Dortmund verlässt,  zwängt er der älteren Dame ein Gespräch auf und erklärt der armen Frau, dass er Geschäftsreisender ist, aus Stuttgart kommt, in Neuss lebt, in Dortmund arbeitet, eine Freundin in Berlin hat und für die Bahncard 100 wahnsinnig viel Geld bezahlt und sich mit den bahn.comfort Bonuspunkten den Luxus gönnen kann, nicht reservieren zu müssen. Kunde Arsch eben.

Bahnfahren - Berlin Hauptbahnhof
Sonnenuntergang am Berliner Hauptbahnhof. Ich bin angekommen. 2 Stunden später als erwartet.

Ich will mir gerade die Kopfhörer in den Schädel drücken um das Gelaber zu muten, da kommt der Schaffner durch die Reihen und verlangt die Fahrkarten. Der Typ, den Kunde Arsch zuerst gefragt hat, entpuppt sich dabei als nicht bahn.comfort Kunde! Jetzt ist es vorbei mit Kunde Arsch. Lautstark sagt er: „Prima! Jetzt muss ich auch noch mit Lügnern im selben Abteil sitzen.“ Eine „Frechheit“ sei das, ihn um seinen Platz zu betrügen. „Für 4000€ im Jahr kann ich ja was erwarten!“ In diesen Augenblicken wäre ich gerne mal nicht ich selbst. Dann wäre ich wohl möglich aufgestanden und hätten dem Kunden Arsch meinen heißen Kaffee mit den Worten „mein besonderer Service für Bahn.Comfort Kunden“ in den Schoß gekippt. Ich bin aber Grufti, schweige meine Wut in mich hinein, versenke die Kopfhörer in meinen Ohren und wähle diesen Song für mein Seelenheil.

In Berlin angekommen beschließe ich, für die Rückfahrt eine Reservierung zu buchen. Blöd nur, dass ich keine einzige Verbindung zu halbwegs vernünftigen Uhrzeiten reservieren kann. Die Automaten verweigern dabei den Dienst und weitere 45 Minuten im Reisezentrum in Berlin wollte ich nicht in Kauf nehmen. Wird schon klappen. Dachte ich. Liebes Tagebuch. Vielleicht erzähle ich Dir irgendwann einmal, was ich in Berlin erlebt habe, doch zur Zeit muss ich erstmal die Reise aus dem Kopf bekommen. Ich bitte um Dein Verständnis.

Murphy’s Law, liebes Tagebuch

Bahnfahren - Der Weihnachtsbaum in Berlin
Wenigstens steht in Berlin eine Sehenswürdigkeit: Der hässlichste Weihnachtsbaum, den ich bis dato gesehen habe. Respekt.

Sonntag Mittag. Ich bin überpünktlich am Bahnhof und versorge mich im Supermarkt auf Ebene 3 mit Getränken. Der Bahnsteig ist voll. Sehr voll. Wollen die alle in den ICE? Als der Zug einfährt und ich einen Waggon besteige, geht die Suche nach einem freien Platz los. Diesmal versuche ich es mit einem „ggf. freimachen“ Platz und bin froh, dass ich schnell genug bin um mir einen solchen neben ein Typ zu sichern, der gerade sein Döner verspeist. Er entschuldigt sich für die unansehnliche Weise sein Mittagessen zu verspeisen, aber „so ein Döner ist eigentlich vollkommen überfordert mit seiner Rolle als Fastfood„. Bange Minuten. Als die Türen schließen entbrennt einige Reihen vor uns der Streit um einen Behindertenplatz und überall stehen Menschen herum. Es ist VOLL. Blöd, dass nun ein Ehepaar anmaschiert, das mit einem Zettel vor unserer Nase wedelt. Reserviert hätten sie und wir würden quasi auf ihren Plätzen sitzen. Ganz großartig. Gemeinsam mit dem Döner-Typ trolle ich mich und kämpfe mich durch Berge von Menschen und Koffern. Überall sitzen und stehen sie. Auf dem Boden, den Zwischenräumen, den Gängen, und den Einstiegen. Erst als ich ganz vorne bin, entdeckte ich einen freien Platz auf dem Gang der 1. Klasse.

Sonderlich bequem ist es hier nicht, schräg gegenüber sitzt der Döner-Typ noch auf dem Boden der zweiten Klasse und liest Zeitung. Jedenfalls fühle ich mich so nicht allein. Es zieht zwar wie Hechtsuppe und ständig bedient einer die Toilettentür falsch, aber was will man für 86€ Rückfahrtpreis auch erwarten? Und mal ehrlich, Deutsche Bahn. Diese Toilettentüren! Von außen musst du den Griff betätigen, woraufhin sich die Schiebetür öffnet. Wenn du aber drinstehst und die Tür wieder zumachen willst, geht das nicht etwa wieder mit dem Griff, sondern mit einem von drei Knöpfen, die allesamt auch nicht zeitnah reagieren. So versuchen gestandene 1. Klasse Männer die Tür mit Muskelkraft zuzuziehen, während die Frauen dann doch lieber wieder resigniert zum Platz gehen. Meine gut gemeinten Ratschläge aus Bodennähe verhallen ungehört. Irgendwann entdeckt der ein- oder andere dann den Knopf und kann die Tür schließen.  Ganz nebenbei kann ich auf den Displays beobachten, wie der Lokführer versucht die Verspätung wettzumachen, die man sich durch den hoffnungslos überfüllte Zug zugezogen hat und rast mit 159 km/h durch Niedersachsen. Wahnsinn dieser ICE.

Nach 3 Dosen Cola Zero und leckeren Keksen von meinen neuen Freunden aus Berlin ist auch noch mein Akku leer. Inzwischen sind wir kurz vor Hamm (Westfalen) und ich habe mitbekommen, dass der Zug leerer geworden ist. Ob ich einen freien Platz finde? Pustekuchen. Der Eindruck hat getäuscht, es ist immer noch brechend voll. Ich bekomme mit, wie eine größere Reisegruppe in Dortmund aussteigen möchte und beschließe, die restlichen 28 Minuten im Gang stehen zu bleiben. Mein Erstaunen, wie manche Leute im Stehen schreiben können wird nur durch die aufgebrachte Asiatin unterbrochen, die wild gestikulierend und völlig aufgelöst durch die Gänge irrt. Offensichtlich ist ihr blauer Koffer weg. In meiner unmittelbaren Nähe befindet sich das Schaffner-Büro, in dem Zugbegleiter sich aufhalten. Sie wendet sich an den Schaffner, der gerade noch eine Durchsage gemacht hat und will ihr Problem schildern. „Do you speak English?“ Fragt sie, nachdem sie bemerkt hat dass er offensichtlich nicht begreift, was sie will. „Deutsch!„, entgegnet der Schaffner. Die Asiatin weiß sich nicht zu helfen, plappert heulend los. „Du musst Deutsch sprechen!„, wiederholt der Schaffner. Glücklicherweise schaltet sich ein junger Mann in der Nähe ein und erklärt dem Herrn, was die Asiatin sucht. Ich weiß nicht, ob sie ihren Koffer bekommen hat, die lustlose Durchsage „ob jemand einen Koffer hat, der ihm nicht gehört“ wird wohl keine Früchte getragen haben.

Tagebuch Bahnfahren - Sitzplatz erster KlasseKurz vor Dortmund ist es dann soweit. Ein freier Platz mit Tisch und Steckdose! Ist zwar ein Behindertenplatz, aber mit ein bisschen Glück kommt ja keiner mehr. Da der Platz direkt vor den Eingängen des Wagens ist, habe ich alle einsteigenden im Blick und kann meiner Leidenschaft, Menschen zu beobachten, nachgehen. In Dortmund steigen eine Reihe Fußballfans zu. Ruhig, gesittet und überhaupt nicht laut. Ein junger Mann mit Dortmund-Schal geht auf die Schaffnerin zu, die bestimmt gleich die Türen schließen möchte. „Can i buy a Ticket on Board?“ Die Frau zuckt wortlos mit den Schultern. Er wiederholt seine Frage woraufhin die Schaffnerin sagt: „Is‘ teuer!“ – Der Mann nickt und fragt nach einem Ticket. „Nich bei mir, ich hab kein Gerät.„, und winkt in eine andere Richtung des Zugs. „Is this train going to Düsseldorf?“ fügt er noch hinzu. Sie zuckt wieder mit den Schultern. Der Mann spricht langsamer: „Düs-sel-dorf?“ Wortlos geht die Schaffnerin zur Anzeigetafel und tippt mit ihren Fingern auf das Display, auf dem die Zielbahnhöfe stehen. Wieder juckt der Mann und vertieft sich in das Display seiner Smartphones. Die Frau schließt die Türen, während der Schaffner die Fahrgäste über die Lautsprecher begrüßt. 2-sprachig. Naja, dachte ich mir, vielleicht nur die Türschließerin. Ist nicht ihre Aufgabe mit diesem Englisch.

Liebes Tagebuch, manchmal schäme ich mich für die Deutschen. In Zügen ist der Anteil derer, die ich nicht leiden kann, erschreckend hoch. Ich schäme mich auch für die Deutsche Bahn, die aus dem schönen Zugfahren eine Frechheit macht. In einem Werbeversprechen heißt es: „Für unsere Kunden setzen wir alles in Bewegung, damit sie ihre Ziele einfach, zuverlässig und sicher erreichen.“ Wenigstens hat man schnell und komfortabel weggelassen. Die wissen schon warum.

Ich schaffe es zu einem Anschlusszug in Düsseldorf, den glücklicherweise erreiche, weil ich 25 Minuten verspätet bin. Im Regional-Express nach Mönchengladbach ist es ebenso voll wie im ICE, der Fußballsonntag und ein Tag an den Rheinpromenaden hinterlässt seine Spuren. Ich bleibe gleich mal im Gang stehen und ertragen die 25-minütige Heimreise mit Fassung. Am Bahnhof in Mönchengladbach lasse ich mich von einem Taxi nach Hause bringen. Warum ich schwarz tragen würde, fragt mich der Fahrer.  Ich erzähle ihm kurz was über meine Subkultur, für ein längeres Gespräch reicht die Zeit nicht. Ich glaube ja, dass Gruftis invertierte Menschen sind. Während die breite Masse im Innern schwarz, trostlos, engstirnig und unfreundlich ist und der Außenwelt ihre Vielfältig durch bunte Klamotten vorgaukelt, ist es bei uns irgendwie andersrum. Leider kommen unsere Versuche der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, nicht wirklich an. Koffer tragen, Tür aufhalten und ein freundlich gemeintes Gespräch für 6,50€ inklusive. Ich habe 8€ Kleingeld, stimmt so. Immerhin, denke ich, bekommt man beim Taxifahren ein bisschen bessere Welt für sein Geld.

Gothic Berlin. Teil 3: Eine schwarze Hauptstadt? Caros Berlin heute

Gothic Berlin erzählt die Geschichte von Caro (41), einem Grufti aus Leidenschaft, mit einer bilderreichen Reise durch die 90er. Im ersten Teil haben wir erfahren, warum Caro Berlin verlassen musste und wie sie auf der Ferieninsel Sylt zum Grufti heranwuchs. Im zweiten Teil, der 1992 beginnt, ist es endlich soweit. Caro zieht zurück nach Berlin und taucht in das pulsierende Szene-Leben der frisch gebackenen Hauptstadt. Doch Zeiten ändern sich und bereits Mitte der 90er Jahre kündigen sich Veränderungen an. Auch das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig, das Caro von 1993 an besucht, verändert sich. Einige Bilder von den ersten Treffen zeigen den stetigen Wandel. Wie ist aber Berlin heute? Und wer ist überhaupt diese Caro? Der dritte und letzte Teil soll diese Fragen beantworten, soll zeigen, wie sich die Berliner Szene entwickelt hat und wie viel Rebellion in der Frau steckt, die mittlerweile seit 25 Jahren in Schwarz herumläuft. Urteilt selbst, ob Berlin auch eine schwarze Hauptstadt ist.

Caro ist ein Grufti voller Erlebnisse, Geschichten und mit Fotoalben voller Erinnerungen, die sie mit Spontis und seinen Lesern teilen möchte. Ich gespannt, ob sich einige Leser in „Gothic Berlin“, den Einblicken in ihr Leben, der Berliner Szene der 90er oder den ersten Besuchen auf den ersten Wave-Gotik-Treffen wiederfinden, und ob Ihr Caros Blick auf die immer neuen Veränderungen der Szene teilen könnt.

Gothic Berlin: Das Wave-Gotik-Treffen 1993-1999

Auf dem WGT war ich jedes Jahr von 1993 bis einschließlich 1999 (außer 1995), danach fuhr ich nur noch zum Flanieren und Fotografieren über Pfingsten nach Leipzig. Irgendwie schade, aber seit die neuen Betreiber das WGT organisieren, also nach dem Desaster im Jahre 2000, hat das WGT für mich viel vom ursprünglichen Flair verloren. Jedes Jahr überlege ich erneut, mal wieder hinzufahren, aber letztlich fehlt doch der letzte Anreiz. Ich fühle mich in der „neuen dunkelbunten“ Masse irgendwie fehl am Platz, das Treffen ist zu groß geworden. Natürlich finden sich dort auch viele ältere Szenegänger und auch Programm für diese, aber ich mag es überschaubarer, familiärer und weniger kommerziell. Schon allein, dass man kein Essen und keine Getränke mehr auf den Zeltplatz mitbringen darf, finde ich unmöglich. Was bleibt, sind Fotos und Erinnerungen an chaotische, lustige, stressige und faszinierende Tage unter Gleichgesinnten.

Gothic Berlin: Die Szene heute?

Wenn ich daran denke, was wir früher – trotz Schule, Uni, Hausarbeiten und Familienverpflichtungen alles gemeinsam unternommen haben, werde ich schon sehr wehmütig. Meist war ich es, die die Clique immer wieder zusammengetrommelt hat, um was zu unternehmen. Als ich durch beruflichem Stress dann mal eine Zeitlang pausiert habe mit dem Weggehen, habe ich etwas den Anschluss verloren, da man sich mit den meisten Leuten außerhalb der Diskos kaum noch treffen konnte, weil Partner oder andere Hobbies ihre spärlichen Freizeit dominierten. Mein alter Freundeskreis, in dem sich fast alle untereinander lange und gut kannten, spaltete sich aus diversen Gründen auf und zu einigen brach der Kontakt für längere Zeit oder sogar ganz ab. Das ist schon schade, aber ich war nach der Arbeit oft auch zu erledigt, um noch groß Kontaktpflege zu betreiben. Ich leb(t)e irgendwie neben der Szene her, bleibe ihr aber trotzdem treu. Ich gehe kaum noch tanzen, auch wenn ich das eigentlich sehr gern tue, denn Tanzen ist für mich ein ideales Ventil für Stimmungen aller Art. Im Laufe der Jahre wurde es immer später, bis sich die Berliner Clubs füllen, und ich hab keine Lust und Energie, ewig zu warten, bis es sich lohnt, hinzugehen. Und dann kommt hinzu, dass ich nicht allein herumhocken mag, wenn sonst niemand dort ist, den ich kenne. Mir fehlt dieses Gemeinsamkeits-Gefühl sehr, zumal die Disko einer der wenigen Anlässe blieb, um sich mal wieder zu treffen. Zugegeben, zum richtig Unterhalten und fürs tiefsinnige Gespräche führen ist eine Disko nicht der ideale Ort, außer es gibt ruhigere Bereiche. Facebook & Co. sind für mich kein Ersatz für echte Treffen oder zumindest ausführliche Telefonate!

Neue Leute lernt man im heutigen Berlin nur sehr schwer kennen. Die Anonymität der Großstadt spiegelt den Zeitgeist. Cliquen bleiben meist unter sich und erscheinen mir sehr wählerisch mit der Akzeptanz neuer Menschen. 2014 und 2015 gab es zwar einen neuen Versuch, in Berlin ein Gothic Treffen aufzuziehen, doch es gab wenig Resonanz. Kaum ein Berliner ließ sich blicken und das Ganze wirkte auch etwas sehr bemüht – mit dem Brandenburger Tor als Treffpunkt, bewusst eingeplanten Fotoshootings und einem Picknick an einem Vormittag(!) nach den Abendveranstaltungen. Es gab ein Grüppchen von Berlinern, die unter dem Namen „Trashcave“ in größeren Abständen kreativ tätig waren und unkonventionelle Partys organisierten, meist mit einem Motto wie zum Beispiel „Rocky Horror Picture Show“ oder „Formel Eins“ (gemeint ist die kultige Musiksendung aus den 80ern). Aber es wurde recht still um sie. Die älteren Gründungsmitglieder sind zum Großteil aus Zeitmangel ausgestiegen und dem „Nachwuchs“ fehlt es scheinbar an Biss und Ideen.

Konzerte besuche ich mittlerweile kaum noch, zum einen aus finanziellen Gründen und zum anderen habe ich die mir wichtigsten Bands fast alle schon live erlebt. Inzwischen höre ich außer Metal, Industrial und Hardcore-Krach-Electro (und Grufti-Schlager a la Unheilig) eigentlich alles, was man grob der Schwarzen Szene zuordnen kann. Am liebsten sind mir allerdings klassischer Gothic Rock, Gitarrenwave und Postpunk, meine Lieblingsband sind die Chameleons. An neuen Bands mag ich vor allem IAMX. Ich verschließe mich neuen Strömungen und Einflüssen nicht, muss aber zugeben, dass ich mit sehr vielem, was heutzutage als „Gothic“ gilt, nicht viel anfangen kann. Der Begriff wird immer mehr verwässert und aufgeweicht und gleicht einem Schmelztiegel der Musikstile. Sicher ist Gothic schwer definierbar und es gab schon lange verschiedene Stilrichtungen, die in der Szene unterkamen. Inzwischen wird jedoch alles, was nur entfernt schwarz und anders erscheint, mit „Gothic“ betitelt und als Stilrichtung in die Szene geworfen. Es stimmt, dass die Szene sich gewandelt hat. Das ist keine Nostalgie oder Verklärung der Vergangenheit. Vielleicht ein natürlicher Prozess, doch ich kann mit vielen Veränderungen wenig anfangen.

Ganz furchtbar finde ich persönlich dieses ganze Cyber-Styling, angefangen von den Neonfarben, dem Gepuschel, den Plateauschuhen und vor allem den Mundschutz. Die meisten von ihnen grenzen sich ja ganz bewusst von den „Schwarzen“ ab, daher frage ich mich, warum sie überhaupt mit ihnen in einen Topf geworfen werden und warum das WGT so dermaßen von dieser Strömung „unterwandert“ wurde, dass inzwischen Otto Normalverbraucher denken muss, dass Gothics so aussehen? Überhaupt diese ganzen Verkleidungen, die mehr an S/M-Studio, Karneval oder Fasching erinnern, sind mir suspekt. Auffallen um jeden Preis. Allein dem Steampunk-Style kann ich noch etwas abgewinnen, weil hier sehr viel Kreativität und ein Hang zum Historischen und Romantischen deutlich wird.

Da ich die 80er in der Szene leider nur aus Erzählungen kenne, kann ich hier keine persönlichen Eindrücke oder Vergleiche schildern, aber allein der Umbruch zwischen Anfang und Ende der 90er war schon recht groß, allein durch die Teil-Symbiose mit der Metal-Szene. Viele klassische Gothic-Bands, wie beispielsweise die „Fields“ oder „Love like Blood“ wurden plötzlich metal-lastig. Auch auf dem WGT änderte sich vieles, es wurde kommerzieller, oberflächlicher, viel zu groß und letztlich ein reines Schaulaufen, Wettrüsten der Eitelkeit. Auch früher gab es ein „Wetteifern“ um den originellsten Look, den höchsten Iro oder „Turm“ und natürlich wurde auch gelästert – aber nicht in diesem Maße. Es gab immer noch mehr „dazwischen“, was verband. Die Freude, auf Gleichgesinnte zu stoßen, interessante Leute kennenzulernen oder sich gegenseitig zu inspirieren. Musik wird inzwischen scheinbar immer nebensächlicher, auch die Beschäftigung mit Texten, Inhalten. Das haben wir früher sehr intensiv gemacht. Wir haben auch Gedichte gelesen und eigene geschrieben.

Gothic Berlin: Bewusste Abgrenzung vom Mainstream?

Gothic Berlin - Caros schwarze Hauptstadt - WGT 1993
Caro 1993 – Auf dem Zeltplatz des zweiten Wave-Gothic-Treffens in Leipzig

Ich bin kein Mensch, der es mag, aufzufallen. Ich hasse es, angestarrt zu werden und provozieren wollte ich mit meinem Outfit nie. Ich wollte immer nur das tragen, was ich als ästhetisch und „zu mir passend“ empfand. Schwarz hat für mich etwas Cooles und Edles, gerade in Kombination mit silbernen Assessoires. Ich trage jetzt seit 26 Jahren Schwarz, ab und zu mit etwas Rot, Lila oder Weiß kombiniert, so fühle ich mich einfach am wohlsten. Ich schwanke zwischen dem Gefühl, mich anders als andere und doch zugleich völlig „normal“ zu fühlen – zum einen verträumter, nachdenklicher, bewusster lebend und zum anderen normal in dem Sinne, dass ich mich nicht als gestört empfinde, wie manche sensationsgeilen Medienberichte gerne behaupten. Ich gebe zu, dass ich mich im Alltag oft unwohl fühle, wenn ich erlebe, wie aggressiv, rücksichtslos, gedankenlos, egoistisch, marken-, statussymbol- und komsumgeil sich viele Leute verhalten. Davon grenze ich mich schon bewusst ab, will aber zugleich kein verschrobener Außenseiter sein, suche Akzeptanz und Wertschätzung und will nicht nach meinen Äußerlichkeiten beurteilt und verurteilt werden.

In Berlin war es damals relativ entspannt für mich, zumindest im Alltags-/Schul-Schwarz-Outfit, auch wenn ich früher nie ungeschminkt rausging. Machte ich mich für Veranstaltungen zurecht, stellte mir die Haare hoch, benutzte noch mehr Schminke und trug auch schonmal aufgerollte Schnabelschuhe, war ich immer froh, wenn ich was zum Lesen in Bahn und Bus dabei hatte, um die blöden Blicke ausblenden zu können.

Angst hatte ich nur früher manchmal im ehemaligen Ostteil der Stadt, weil damals öfter Übergriffe von Skins auf Gruftis stattfanden – die waren vorrangig im ehemaligen Ostberlin unterwegs. Zwei heikle Situationen habe ich dennoch erlebt: Einmal wollten mich zwei Typen aus der S-Bahn schubsen, sie taten zumindest so und ließen zum Glück wieder ab, als sich die Tür nicht richtig öffnen ließ. Und einmal wurde meine Clique nach einem Besuch der „Insel“ in Treptow von einer Horde Skinheads durch den nächtlichen Plänterwald gejagt. Wir sind dann den ganzen Weg bis zur S-Bahnstation gerannt, um zu entkommen. Meiner Schwester erging es ähnlich. Sie erlebte mit ihren Freunden rechte Übergriffe an der S-Bahnstation Bornholmer Straße, wo sie von einem Taxifahrer gerettet wurde und in einer Regionalbahn, als Skins im Zug randalierten, gegen das Mobiliar traten und gegen die Fensterscheiben rotzten. Mehr ist zum Glück damals nicht passiert. Aber es soll leider auch ein paar wirklich krasse Vorfälle gegeben haben.

Heutzutage ist es – zumindest in Berlin – zum Glück kaum noch eine Besonderheit, mit bunten Haarsträhnen oder irgendwie alternativ herumzulaufen und rechte Übergriffe sind seltener geworden. Zu Schulzeiten und während meiner Ausbildung zur Dekorateurin hatte ich trotzdem mehr „Narrenfreiheit“, die ich ein wenig vermisse. Im Alltag bin ich häufig ungeschminkt, was nicht zuletzt an meiner neu hinzugekommenen Brille liegt. Ich trage wenig Schmuck und style meine Haare auch weniger auffällig. Ich fühle mich aber am wohlsten, wenn ich mich zumindest ein bisschen “flippig“ zurechtmachen kann. In den meisten Jobs musste ich mich nicht allzu sehr anpassen, „schlichtes Schwarz“ war bisher kein Problem. Als Dekorateurin arbeitete ich nicht lange (kein Job mit Zukunft), danach war ich Verkäuferin in Bioläden, dann 4 Jahre selbständige Ernährungsberaterin und seit 2 Jahren nun Kita-Köchin, was mir viel Spaß macht, da auch Kochen letztlich eine kreative Tätigkeit ist. Durch Kleidung und Deko meiner Wohnung drücke ich mich aber immer noch aus.

 

Auch wenn ich die Szene nur noch am Rande mitverfolge, ist sie immer noch das, womit ich mich am ehesten identifizieren kann und was meinen Musik- und Klamottengeschmack nachhaltig beeinflusst hat. Ich kann mir nach der langen Zeit nicht wirklich vorstellen, wieder ganz stinknormal und „bunt“ herumzulaufen. Es ist einfach so, dass ich meinen Stil gefunden habe und mich darin weder eingeschränkt noch langweilig fühle. Genau wie die Szene-Musik sehr vielfältig ist und für jede Stimmung etwas bietet – von düster, traurig, romantisch, energiegeladen oder aggressiv, mal mehr oder weniger eingängig – ist es doch mit der Kleidung ähnlich. Es gibt nicht „DAS Szene-Outfit“ und keinen Dresscode, man hat viel Spielraum, sich in diesem Rahmen auszutoben und auch im Alltag nicht verstellen zu müssen. In der Szene tummeln sich auch mittlerweile so viele Altersgruppen, dass man nicht auffällt, wenn man auch jenseits der 40 noch auf Veranstaltungen auftaucht.

Inzwischen bin ich mehr mit meiner Kamera in der Stadt, in der Natur und zu Fuß im Berliner Umland unterwegs, als dass ich mir die Nacht in Clubs um die Ohren schlage und den Tag danach verschlafen bin. Aber ich fühle mich innerlich kaum anders als mit 20 oder 30 Jahren und kann mir schwer vorstellen, dass da noch extreme Umbrüche stattfinden werden. Vielleicht schau ich mir 2016 mal wieder das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig an und besuche dann das Spontis-Treffen dort: Das wäre zumindest mal wieder ein echter Anreiz, bei so vielen Leuten, die noch ältere Szene-Werte und Stylings schätzen!

2015 - Caro
Caro, die Tanzfledermaus. Seit nunmehr 26 Jahren mit der Szene und Berlin verbunden. Obwohl sie sich äußerlich immer wieder verändert, ist sie sich selbst treu geblieben. Auf einem 3-tägigen Urlaub in Berlin konnte ich sie ein wenig näher kennenlernen, mit ihr ins Nachtleben eintauchen und ihre Sammelleidenschaft bewundern. Ich hoffe, dass wir sie auf dem WGT 2016 auf der Wiese hinter der Moritzbastei begrüßen können – Gothic Berlin Bild #97

Letzte Ruhe in der goldenen Stadt der 100 Türme – Vyšehrader Friedhof

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Friedhöfe haben mich schon immer fasziniert. Ganz besonders jene, auf welchen Gräber aus lang vergangener Zeit zu finden sind. Die Grabsteine von der Witterung umschmeichelt und von der Zeit gezeichnet, von Pflanzen umrankt und im Schatten uralter Bäume. Wer waren die Menschen, die dort begraben liegen? Wie haben sie gelebt? Was hätten sie zu erzählen? Wen haben sie geliebt und wer hat sie geliebt? Was von dem was auf den Grabsteinen geschrieben steht wurde wirklich so empfunden und was gliederte sich nur ein in eine gesellschaftliche Begräbnispraxis? Was erfahren wir über den Umgang mit dem Tod zur früheren, wenn wir vor diesen alten Steinen stehen? Ein Friedhof strahlen für mich eine sanfte Ruhe aus die eine unendliche Spanne von Gefühlen beinhaltet und werfen mich zurück auf die einzige Wahrheit, die das Leben zu bieten hat: Wir werden alle sterben. Das ist die einzige Sicherheit, die in uns angelegt ist.

Wenn ich andere Städte besuche, besuche ich unglaublich gerne alte Friedhöfe, wenn die Zeit es her gibt und so kam ich beim Besuch Prags im Herbst letzten Jahres natürlich nicht darum herum, den Friedhof der „zweiten Prager Burg“ – Vyšehrad – zu besuchen. Prag an sich ist immer eine Reise (oder eher zwei, drei, vier…) wert und im Herbst ganz besonders. Die Geschichte der Stadt reicht zurück bis in die Steinzeit und gehörte zu den am durchgängigsten und dichtbesiedelten Gebieten im Böhmen der Ur- und Frühgeschichte. Keltische, germanische und slawische Stämme ließen sich dort nieder und im 9. bzw. 10. Jahrhundert konnte sich die Stadt bereits mit zwei Burgen rühmen. Die zweite Prager Burg, zu der auch der Friedhof gehört, thront auf dem Vyšehrad über der Moldau südlicher der Prager Neustadt. Die zugehörige St. Peter und Paul Kirche wurde Ende des 11. Jahrhunderts als Kollegiatstifts- und Grabkirche im romanischen Stil errichtet, mehrfach vergrößert, nach einem Brand im führgotischen Stil erneuert und bei weiteren Umbauten von barocken und neogotischen Einflüssen geprägt.

Schon auf dem Weg von der Bahnstation zum Friedhof und auf dem Burggelände empfängt einen eine wohltuende Ruhe nach den Menschenmengen an den Sehenswürdigkeiten und so genossen wir in der warmen Herbstsonne zunächst den Ausblick von der Burganlage auf die Stadt, die Karlsbrücke und die erste Prager Burg, die sich im Dunst über der Stadt abzeichnete und wurden Zeugen einer tschechischen Hochzeitsgesellschaft, die, bei grauenvoller (Schlager-?)Musik das gleiche Tamtam um das bildliche Festhalten das Ereignisses veranstaltete, wie meine Familie es zu tun pflegt (jetzt das Brautpaar mit den Eltern, das Brautpaar mit den Eltern des Bräutigams, das Brautpaar mit den Eltern der Braut, das Brautpaar mit den Großeltern, das Brautpaar mit den Cousinen und Cousins, das Brautpaar in liebevoller Umarmung, da Brautpaar stehend, das Brautpaar sitzend und sich nicht anmerken lassend, dass es keine Lust mehr auf weitere tausend Fotokonstellationen hat usw.). Mit diesem Bild des Lebens näherten wir uns der Stätte der Toten.

Neben der Kirche, unter Bäumen und mit dem Säulengang über den randseitigen Gräbern lädt der Friedhof, der 1869 eröffnet wurde, zu einem kleinen Rundgang ein.  Klein – denn er ist wirklich nicht sonderlich groß, die Gräber drängen sich dicht an dicht. Doch durch die Begrenzung durch den Säulengang an der linken und der hinteren Friedhofsseite, der üppigen Bepflanzung und der Kirche neben dem Eingang wirkt der Friedhof wie ein Pol der Stille und Ruhe. Zahlreiche Persönlichkeiten der tschechischen Geschichte, Komponisten,  Wissenschaftler, Maler, Nobelpreisträger haben dort ihre letzte Ruhe gefunden – einige von ihnen im Slavín auf der östlichen Seite des Friedhofs, ein Mausoleum des Bildhauers Antonín Wiehl – die letzte Ruhestätte für besonders verdienter Persönlichkeiten.

Fasziniert hat mich der Detailreichtum vieler Gräber, der zum Verweilen und Betrachten einlädt, die Gesamtkomposition, die sich aus den dicht gedrängten Reihen ergibt und die Weitläufigkeit, die durch die vielen schmalen Reihen aus Gräber und den großen Platz vor dem Slavín entsteht. Wunderbar festgehalten auch von Marcus Rietzsch.

Gothic Berlin. Teil 2: Zurück in die Hauptstadt!

Gothic Berlin erzählt die Geschichte von Caro, einem Grufti aus Leidenschaft, mit einer bilderreichen Reise durch die 90er. Im ersten Teil haben wir erfahren, warum Caro Berlin verlassen musste und wie sie auf der Ferieninsel Sylt zum Grufti heranwuchs. Die Sehnsucht, nach Berlin zurückzukehren, war damals riesengroß. 1992 ist es endlich soweit, sie zieht zu ihrem Vater in die frisch gebackene Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschland. Kann sich Caro hier entfalten? Brieffreundinnen erleichtern ihr den Einstieg und sie beginnt damit, einen ganz eigenen Stil zu finden. Sie stürzt sich in das Berliner Nachtleben, erlebt am eigenen Leib, wie sich Mitte der 90er Jahre alles verändert. Die unzähligen Bilder in diesem zweiten Teil Caros dreiteiliger Lebensgeschichte sind wie eine Zeitreise in die Berliner Gothic-Szene der 90er. Sie zeigen nicht nur Caros äußerlichen Veränderungen, sondern auch seltene Einblicke in das Kreuzberger Grufti-Treffen der frühen 90er und die ersten Wave-Gotik-Treffen in Leipzig.

Caro ist ein Grufti voller Erlebnisse, Geschichten und mit Fotoalben voller Erinnerungen, die sie mit Spontis und seinen Lesern teilen möchte. Ich gespannt, ob sich einige Leser in „Gothic Berlin“, den Einblicken in ihr Leben, der Berliner Szene der 90er oder den ersten Besuchen auf den ersten Wave-Gotik-Treffen wiederfinden, und ob Ihr Caros Blick auf die immer neuen Veränderungen der Szene teilen könnt.

Gothic Berlin – Teil 2

Passbilder 1990 - 2011
Passbilder, die zwischen 1990 und 2011 aufgenommen wurden, skizzieren Caros schwarzen Werdegang – Gothic Berlin Bild #13

1992 hatte ich meine Eltern endlich soweit, dass sie meinem Umzug zu meinem Vater zustimmten. Ich jubelte: endlich nach Berlin! Hier fand ich erstaunlich schnell Akzeptanz und Anerkennung unter den neuen Klassenkameraden. Es gipfelte darin, dass sie mich später in unserer Abi-Zeitung zur drittbestgekleidetsten Schülerin unseres Jahrgangs kürten!

Kaum in Berlin angekommen, begann ich damit, mich auszuprobieren, um meinen eigenen Stil zu finden. Durch eine Berliner Brieffreundin, die 6 Jahre älter und seit den frühen 80ern in der Szene unterwegs war, lernte ich nicht nur etliche Berliner Alt-Gruftis, sondern auch viel interessante Musik kennen. Viele überließen mir auch ihre abgelegten Klamotten – unter anderem mein erstes Paar Pikes, das nach völligem Kaputtlatschen wieder aufgemöbelt wurde und noch bis heute existiert. Flohmärkte und gemeinsame Näh- und Bastelstunden brachten dann bald einen ganzen Fundus an Klamotten und Accessoires zusammen. Zum Beginn meiner Berliner Zeit trug ich viel Spitzen- und (Panne)samt-Kram, mit Schnürung, Spiegelstückchen, Trompetenärmeln, Zipfeln und Rüschen. Dann – je nach Lust und Laune – auch 80er-Jahre-Zeug wie Fledermausärmel und Leggings mit Leopardenmuster oder auch Zebramuster.

Irgendwann habe ich dann die Samt- und Spitzenklamotten sowie fast alle Kleider wieder ausgemistet, weil ich keine sehr weibliche Figur besitze und auch sonst irgendwie das doofe Gefühl hatte, dass diese romantischen Sachen weniger zu mir passten als das eher punkig-wavige Zeug. Vielleicht liegt das an meinen dünnen und kraftlosen Haaren, die ich lang einfach scheußlich finde. Wie gerne hätte ich sie mir lang wachsen lassen und aufwändige Frisuren gebastelt. Doch ich landete immer wieder bei kurzen und strubbeligen Looks, die mir laut Aussage vieler Leute besser stehen. Daran hielt ich mich fest und experimentierte dann lieber mit Schminke und Haarfarbe. Rein haartechnisch hatte ich 1994 meine Suche beendet. Mit der Haarfarbenkombination „rot-schwarz“, die ich damals immer wieder ausprobierte, laufe ich auch heute noch herum.

Caro von 1992-1999

Ich genoss das Berliner Nachtleben in vollen Zügen, sofern mein etwas kontrollfreakiger Vater das zuließ. Es ging nur, wenn ich am Wochenende bei Freunden übernachtete. Das hatte natürlich auch seine Vorzüge. Wir brezelten uns gemeinsam oder gegenseitig auf, stimmten uns mit Musik ein und gingen dann gemeinsam tanzen oder auf Privatpartys. Am Tag darauf besuchten wir dann Flohmärkte oder machten eine Fototour. Es gab auch Aktionen wie nächtliche Feiern auf stillgelegten S-Bahn-Brücken oder dem damals ebenfalls brachliegenden Olympiabahnhof. Irgendwann sind wir mal in voller Partymontur auf den Berliner Funkturm und in das darin befindliche Restaurant gefahren. Das war dann schon irgendwie skurril: neben uns war eine piekfeine Gesellschaft, deren Gäste sich mit zunehmendem Alkoholkonsum total daneben benahmen. Und da waren wir schwarz-bunten und schrillen Gestalten, die manierlich ihren Tee tranken, sich gesittet verhielten und die schöne Aussicht genossen.

Gelegentlich machten wir auch Ausflüge ins Umland, wie beispielsweise zur einer möglicherweise illegalen Disko in einer Kirchenruine irgendwo in Brandenburg. Es war eine sehr aktive und aufregende Zeit zu Beginn der 90er Jahre. Die legendären Grufti-Treffen an der Gedächtniskirche habe ich leider nicht mehr erlebt, aber es gab später ein paar Treffen auf dem Kreuzberg, die zwar nicht groß besucht, aber recht lustig waren.

Gemeinsame Unternehmungen 1992-1999

Gothic Berlin – Die Clubszene und die Zeit des Umbruchs

Mitte der 90er Jahre dünnten sich die schwarzen Clubs in Berlin sehr stark aus. Die meisten Clubs der damaligen Zeit habe ich glücklicherweise noch kennenlernen dürfen: Das Linientreu auf dem Kudamm, das Rock it, die Kulturfabrik in Moabit, die Insel, den Lifeclub, den Duncker im Prenzlauer Berg, den Cisch-Club in Schöneweide und den Pfefferberg, ebenfalls im Prenzlauer Berg. Das „Linientreu“ fiel bald (zum Glück nur vorübergehend) weg, weil es zunehmend in Techno-Gefilde abdriftete. Das „Rock it“ zog von Neukölln nach Schöneberg um und veränderte sich dann ebenfalls musikalisch. Die „Insel“ schloss zwischenzeitlich wegen Umbau und der „Lifeclub“ verschwand gänzlich. Der Club „Eisenbahner“, als Bestandteil eines besetzten Hauses, machte ebenfalls zu – da war ich aber nur ein mal, denn es war mir schlicht und einfach zu dreckig. So blieben letztlich nur noch die „Kulturfabrik“ und der „Duncker“ übrig. Im Laufe der Jahre habe ich viele Locations kommen und gehen gesehen, zumindest gibt es dort keine „schwarzen“ Partys mehr: z.B. die“Wille“, den „BKA-Club“, das „Nontox“, die“Garage“, die „Turbine“, das „Schwuz“,  und das „Kato“. Und die legendären Mystic-Partys im „Joy“ endeten kurz nach der Jahrtausendwende, inzwischen heißt der Laden „Insomnia“ und veranstaltet dunkle Swinger-Partys.

Das „K17“, das mit einem kleinen Club begann und erst Jahre später in die große Location umzog, trug letztlich dazu bei, dass sich in Berlin seit vielen Jahren nur noch sehr schwer neue Party und Locations etablieren können. Berlin ist übersättigt. In meinen ersten Disko-Jahren in Berlin war die Szene überschaubar, man kannte sich (zumindest vom Sehen), es gab noch so etwas wie ein „familiäres“ Gefühl und man kam eher miteinander ins Gespräch. Entweder, weil man gemeinsame Bekannte hatte oder sich eben häufig sah und so weniger fremd war als in anonymer „Masse“. Als es nur noch wenige Clubs gab, war das natürlich noch extremer.

Eintrittskarten, Clubflyer und Programmhefte der 90er Jahre

Die Schnelllebigkeit der Berliner Partyszene hinterließ ihre Spuren. Neue Partys wurden seltsamerweise nicht etwa begeistert gefeiert, sondern nach dem Motto verfahren: „Mal schauen, was die erzählen, die beim ersten Mal dort waren, ob es sich überhaupt lohnt.“ So ergab es sich, dass viele Veranstaltungen nur zögerlich oder gar nicht anliefen. Die Gothic-Szene in Berlin wurde mit den zunehmden Einflüssen der Metal-, Cyber- und Fetisch-Szenen immer größer und obwohl sie schon immer sehr vielseitig war, änderte sich einiges. Nischen-Partys entstanden, das K17 bot gleich mehreren Splittergruppen einen Treffpunkt, aber zugleich entfielen viele gemischte One-Floor-Partys, wo man sich traf und zusammen feierte. Es gab dann irgendwann auch ein zu großes Angebot, Cliquen zersplitterten sich aufgrund ihrer musikalischen Unterschiede. Es kommt nicht selten vor, dass man in Berlin auf eine Szene-Veranstaltung geht, ohne überhaupt Bekannte anzutreffen – als wäre man ein Tourist in der eigenen Stadt…

Auch das Styling der Leute änderte sich. Sah man in Berlin Anfang der Neunziger noch viele Punk & Waver Frisuren (Vogelnester, Türme, Teller, Iros, Under- & Sidecuts), trugen die Grufti-Herren irgendwann nur noch abrasierte Seiten und Zöpfe, während die Grufti-Damen ihre Haare glatt trugen oder sich einen Zopf machten. Toupieren? Hochstellen? Aufwändig färben? Den meisten war das wohl zu mühsam geworden. Gegen Ende der 90er kam dann durch Extensions wieder ein gegenteiliger Eindruck auf – jetzt wurde wieder „gebastelt“ was das Zeug hielt, aber doch ganz anders als zuvor. Haarteile, Zöpfe, Spangen und andere Accessoires wurden zum Trend. Das war zwar wieder etwas kreativer, aber „Oldschool-Looks“ wurden zunehmend seltener. Das ist immer noch so, einzig die Batcaver/Deathrocker haben (selbst die jüngeren von ihnen) noch so eine Anlehnung an die 80er, allein durch den deutlichen Punkeinfluss.

Obwohl ich stilistisch stark von den 80ern und frühen 90ern geprägt wurde, variiert mein Styling immer mal wieder, je nach Stimmung und Anlass (z. B. 80er Party) mal gruftiger und mal punkiger.

Caro in den Jahren 2000-2010

 

Frag ein Klischee: Hatten Gruftis früher keine Freunde?

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Ein Video von hyperboleTV schmeißt ein paar der unzähligen Klischees gegen Gruftis schamlos auf die betreffende Randgruppe, im Film durch Nancy (32) repräsentiert. Auch klar, dass man das an Halloween veröffentlichen musste. Das war zwar schon 2014, aber Klischees sind ja auch zeitlos. Übrigens machen die auch noch zahlreiche andere Videos mit den lustigsten (und unlustigsten) Gesellen. Da wird ein Lehrer nach Gewaltphantasien gefragt, eine Dragqueen nach ihrer Unterwäsche und ein Türke nach dem 3er BMW. Gepaart mit vernünftigen Antworten wird daraus ein prima Tellerrand, über den man mal hinausgucken kann. Ist schon irgendwie spannend zu erfahren, mit welchen Klischees andere Leute so konfrontiert werden. Zurück zu unserem Vorzeige-Grufti Nancy.

Klischee 1: Hatten wir früher keine Freunde?

Unter den zahllosen lächerlichen Klischees wie „Schlaft ihr in Särgen“ oder „Schändet ihr Nachts Friedhöfe?“ und „Seid ihr Satanisten?“ hat man sich ein fast glaubwürdiges Klischee herausgepickt. Obwohl ich mich korrigieren muss, einer hat im Sarg geschlafen. Ist mir jetzt irgendwie peinlich. Wie dem auch sein, jedenfalls fragt Hans Meise die Nancy, ihres Zeichens Grufti, ob sie früher keine Freunde gehabt hat und ob das der Grund sei, warum sie jetzt ein Grufti ist. Natürlich, so Nancy, hatte sie Freunde – sie schiebt ihre Szenezugehörigkeit auf die unzähligen Bösewichte, die sie immer toller fand, auf die Dunkelheit, die sie nicht schlimm fand und fügt hinzu, dass sie sich gerne gruselt.

Ich hatte übrigens früher auch Freunde. Das Verrückte ist, die sind auch irgendwie schuld daran, dass ich überhaupt Grufti geworden bin. Hätte ich keine Freunde gehabt, wäre ich möglicherweise jetzt Briefmarkensammler. Oder so ähnlich.

Klischee 2: Depressionen durch schwarzes Umfeld?

Sofia F. fragt anschließend, ob man nicht total depressiv wird, wenn man sich nur mit Schwarz, Tod und Blut umgibt. Gar nicht schlecht! Nancys Antworten sind aus dem schwarzen Bilderbuch. Lob und Anerkennung! Nur ein Beispiel: Gruftis sind sich darüber bewusst, dass der Mensch und die Dinge vergänglich sind, warum sollte uns das depressiv machen? Und natürlich geht Nancy auch gerne auf den Friedhof, weil das eben ein schöner und ruhiger Ort für uns ist.

Ich glaube für schwarze Wände bin ich viel zu spießig. Mone vom Rabenhorst hatte mal schwarze Wände in ihrer wilden Jugend. Und die Ratte auch. Ansonsten umgebe ich mich gerne mit der Ästhetik des Todes und habe entsprechend auch keine Leichen im Keller, sondern höchstens Kreuze an den Wänden und Totenköpfe im Regal.

Klischee 3: Wieviele Babytiere hast du schon geopfert?

War ja klar. Irgend so ein Dennis musste natürlich dann doch in die Scherzartikel-Kiste greifen.  Dabei ist Nancy tierlieb und geht heimlich in den Streichelzoo. Tieren ist nämlich egal wie wir so rumlaufen. Und weil sie gerade dabei ist, räumt sie auch gleich weiter auf und sagt, dass sie natürlich nicht in Särgen schläft. (Das macht nur der Eine)

Ich habe schon mal ein Kaninchen getötet. Das war krank, lag seit 1 Woche im Sterben und konnte nur mit einer Spritze ernährt werden.  Daran habe ich immer noch zu knabbern. Ich glaube ich bin einfach nicht dafür geeignet irgendwas umzubringen! Außer Mücken. Die zählen nicht.

Klischee 4: Was ist ein Grufti?

Ist eigentlich kein Klischee, will der Marvin aber wissen. Nancy antwortet wahrheitsgemäß: Subkultur, 80er, aus’m Punk, lieben Dunkelheit, Musikkultur. Also jetzt in Kurzform.

Genau so ist es. Klingt jetzt unspektakulär und vielleicht auch ein wenig langweilig, aber zu fast jeder Musikkultur, die das Zeug zur Subkultur hat, gehört eine Art Dresscode. Identifizierst du Dich mit Hilfe von Musik oder Bands, passt du auch dein Äußeres an und das nicht nur am Wochenende. Der eine mehr, der andere weniger. Bei den Gruftis kommt da noch eine Prise Punk-Haltung dazu, denn für manche heißt Schwarz immer noch: Es ist nicht nur der Spaß, der das Leben ausmacht. Daher hat die Kleidung bei uns auch eine Art Botschaft. Machst du das dann lange genug, wird aus der jugendlichen Rebellion eine Lebensart und letztendlich bleibst du dann ein Grufti. Heutzutage ist sogar der Quereinstieg möglich. Soll heißen, dass du nicht unbedingt damit in der Jugend anfangen musst und so bleibst, sondern dass man sich durchaus als Erwachsener noch für diese Subkultur entscheiden kann. Der eine mehr, der andere weniger.

Aber jetzt bin ich neugierig geworden. Wie würdet ihr auf diese 4 Klischees antworten? Hattest DU früher Freunde?

Gothic Berlin. Teil 1: Sylt ist doch nur eine Ferieninsel

Gothic Berlin erzählt die Geschichte von Caro (41), einem Grufti aus Leidenschaft, mit einer bilderreichen Reise durch die 90er. Der erste Teil ihrer 3-teiligen Lebensgeschichte beginnt – wie könnte es anders sein – mit ihrer Kindheit. 1974 wird sie in die damals noch geteilte Stadt Berlin geboren, wächst mit den Büchern und der Serie vom kleinen Vampir auf, ist schüchterne Einzelgängerin und wird in der Schule gemobbt. Als sich ihre Eltern 1987 trennen, zieht sie mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester auf die Insel Sylt. Kann sie hier ein neues Leben ohne Mobbing beginnen? Zunächst ändert sich nur ihr Musikgeschmack, Bands wie Depeche Mode oder The Cure wecken ihr Interesse, dem wavigen Schlabberlook ihrer einzigen Freundin kann sie zunächst wenig abgewinnen. Sie überspielt Caro ihre The Cure Sammlung und die Alben „Disintegration“ und „Faith“ infizieren sie mit dem Virus der Band, obwohl sie an Robert Smith, dem Leadsänger, eigentlich nur die Frisur toll findet. Ist das der berühmte Einstieg in die Szene? 

Caro ist ein Grufti voller Erlebnisse, Geschichten und mit Fotoalben voller Erinnerungen, die sie mit Spontis und seinen Lesern teilen möchte. Ich gespannt, ob sich einige Leser in „Gothic Berlin“, den Einblicken in ihr Leben, der Berliner Szene der 90er oder den ersten Besuchen auf den ersten Wave-Gotik-Treffen wiederfinden, und ob Ihr Caros Blick auf die immer neuen Veränderungen der Szene teilen könnt.

Gothic Berlin – Teil 1

In der Schule war ich ein schüchterner Außenseiter, wurde gemobbt und hatte nur wenige, aber dafür sehr gute Freunde. Ich war gerne allein und habe mich viel mit mir selbst beschäftigt, ich malte, las gerne, kümmerte mich um meine Haustiere, schrieb eigene Erlebnisse und erfundene Geschichten auf. Es klingt zwar jetzt verdächtig klischeehaft, aber ich hatte ein Faible für Vampire und Fledermäuse, seit ich in der 2. oder 3. Klasse das Buch „Der kleine Vampir“ geschenkt bekam. Meine Schwester und ich verkleideten uns in der Folge häufig als Vampire und auch generell waren meine Verkleidungen auf Faschingsfeiern eher untypisch für ein Mädchen meines Alters. In den Kindergarten ging ich als Teufelchen, in die Vorschule als Skelett. Schuld war eigentlich meine Mutter, die sich die Kostüme ausdachte und einen schwarzen Turnanzug mit aufgemalten Knochen in ein Skelett-Kostüm verwandelte. Keine Ahnung, woher sie diese Eingebungen hatte, meine Mutter hat sonst gar nichts Morbides an sich oder gar ein Faible für solche Dinge. Sie ist eher fröhlich, lustig und ganz normal.

Gothic Berlin - Kostüme
Schon als Kind wollte Caro nie Prinzessin sein, sondern lief als Teufelchen, Skelett oder als Vampir durch die Gegend – Gothic Berlin Bild #1

Später, als ich selbst auf Ideen für Verkleidungen kam, wollte ich auch Pirat und Ritter sein. Prinzessin oder etwas anderes typisch mädchenhaftes kam für mich nie in Frage, der Vampir war mir aber mit Abstand am liebsten. Ganz neidisch war ich auf einen Klassenkameraden, der von seinem Vater, der von Beruf Zahnarzt war, zum Fasching täuschend echt aussehende Kunstzähne gebastelt bekam. Sowas wollte ich auch haben!

1987 trennten sich meine Eltern ganz überraschend und meine Mutter beschloss, mit mir und meiner kleinen Schwester nach Sylt zu ziehen. Ich sah diese Veränderung mit gemischten Gefühlen. Klar war es zunächst spannend, ans Meer auf eine Nordseeinsel zu ziehen und ein neues Leben ohne Mobbing zu beginnen, aber das Aufbrechen meiner Familie machte mir sehr zu schaffen. Ich wurde auf Sylt nie richtig heimisch, letztendlich ist auch das Leben auf einer Ferieninsel Alltag und das Meer etwas Alltägliches. Ich blieb dort zunächst das, was ich war: ein stilles, schüchternes und eher kreativ-verträumtes Kind, das lieber malte, las und Geschichten schrieb, als sich für Trends und Mode zu interessieren.

Während meine neuen Klassenkameraden eben diesen Trends nacheiferten und sich aufwändig stylten, trug ich abgelegte Klamotten auf und war kein bisschen eitel – für die anderen war ich daher langweilig. Auch fiel ich musikalisch etwas aus dem Raster, hörte ich doch vorrangig Musik von Jean Michel Jarre und Tangerine Dream (von meinem Vater übernommen) sowie von Peter Schilling. Schon damals bevorzugte ich vor allem eher nachdenkliche Texte und getragenere Klänge wie beispielsweise in dem Song „Hurricane“ von Peter Schilling. Mein Vater, der sonst eher andere Musik hörte, brachte mich auf Visage und Ultravox, während Jean Michel Jarre und die Pet Shop Boys zu unseren gemeinsamen Lieblingen zählten. Leider war mein Vater bis auf seine gute Phasen ein sehr schwieriger Mensch, der mit seinen psychische Störungen kämpfte und sich mit seiner Alkoholsucht zugrunde richtete. Er starb 2010.

Auf einer Klassenfahrt 1988 infizierte mich eine Klassenkameradin, die man ebenfalls zu den Außenseitern zählen konnte, mit den Songs von Depeche Mode, woraufhin uns der Rest der Klasse ignorierte und wir uns gemeinsam noch weiter abkapselten. Etwa ein Jahr später kamen wir dann durch The Cures “Lullaby“, das überraschend in den Charts erschien, zum ersten Mal mit „schwarzer“ Musik in Berührung. Meine Freundin wurde noch vor mir zum Waver, lief mit wirrem Haar und in schwarzen Schlabberpullis und Herrenhemden durch die Gegend. Ich war zunächst irritiert, weil ich dem Schlabberlook wenig abgewinnen konnte. Man möge mich steinigen, aber an Robert Smith fand ich – natürlich neben seiner Musik – eigentlich immer nur die Frisur cool. Meine Freundin kaufte sich als erstes das Album „Boys don’t cry“ von The Cure, das mir damals nicht wirklich zusagte, war es doch für meinen Geschmack deutlich rockiger und rauer als das, was ich sonst hörte.

Als sie mir dann ihre sämtlichen Cure-Platten zum Überspielen auf Kassette brachte und ich so auch die Alben „Disintegration“ und „Faith“ kennenlernte, schlug der Cure-Virus dann doch bei mir zu. Ich weiß noch genau, wie wir uns gemeinsam das Album „Pornography“ zulegten, ihr Zimmer abdunkelten, um uns dann bei Kerzenschein völlig in der Musik zu verlieren. So nahm alles seinen Lauf. Im Spätsommer 1989 bin ich dann zunehmend in Schwarz herumgelaufen, durfte allerdings meine blonden Haare nicht schwarz färben, weil meine Mutter mir das nicht erlaubte.

In der Schule gab es mit meinem neuen Outfit kaum Probleme, wirklich auffällig bin ich ja damals noch nicht rumgelaufen, nur schlichte schwarze Klamotten und mal ein Band-T-Shirt, später dann aber auch selbst bemalte Shirts und Jacken. Mein Taschengeld war trotz Aufstockung durch Zeitungsaustragen recht dürftig. Ich musste mich also immer entscheiden, wo rein ich vorrangig investieren wollte: Musik oder Klamotten? Zunächst siegte die Musik, die zu einer „akustischen Droge“ wurde. Auf Sylt gab es zudem wenig Chancen, an coole Klamotten heranzukommen, also wurden meine Freundin und ich selbst tätig, um zusammen zu nähen, zu stricken und Schmuck aus FIMO zu basteln. Wir betätigten uns auch darüber hinaus kreativ, gestalteten jede aufgenommene Musikkassette inklusive Cover und zeichneten Plattencover sowie Bandposter ab – meine Wände waren voll damit.

1990 entdeckten wir an einem Kiosk eine der ersten „Zillo“-Ausgaben, die unseren musikalischen Horizont erweiterte und – dank der enthaltenen Kontaktanzeigen – zu diversen Brieffreundschaften auf dem „Festland“ führte, mit denen man dann auch Musik-Kassetten tauschte. Eine Brieffreundin von mir, mit der ich 12 Jahre in Kontakt stehen sollte, kam aus dem Ruhrgebiet und berichtete mir von den Clubs „Zwischenfall“, „Exit“ und „Kontrast“, die sie regelmäßig besuchte. Im Sommer 1992, kurz vor meinem Umzug nach Berlin, habe ich sie dann dort besucht und konnte so auch die Clubs kennenlernen.

Auf Sylt gab es nichts Vergleichbares, nur die Musikkneipe „Thommy’s„, die aber nicht zum Tanzen taugte und in der gelegentlich mal The Cure, Sisters of Mercy oder Indiekram gespielt wurde. Sowieso gab es auf Sylt außer meiner Freundin und mir eigentlich nur 2 Gruftis – ein Typ eine Klasse über uns lief, soweit ich mich erinnern kann, aufgrund einer verlorenen Wette ein Jahr lang als totale Robert Smith-Kopie herum und meine eigene Schwester begann (mit etwas Verzögerung) ebenfalls damit, Schwarz zu tragen. Meine Eltern waren natürlich anfangs sehr skeptisch, was da mit ihren Töchtern vor sich ging. War das jetzt etwa der Einfluss einer Sekte? War das gefährlich? Nur eine Phase? Und warum sollten die „ach so schönen“ blonde Haare plötzlich schwarz gefärbt werden? Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen! Das hört bestimmt wieder auf!

Mit der Zeit entspannten sie sich und lernten auch die Freunde von meiner Schwester und mir kennen und schätzen. „Ach, die sind ja wirklich nett, höflich und auch noch kulturell interessiert!“ Inzwischen kommt von meiner Mutter gelegentlich mal die Frage, wann ich denn anfange, mich „altersgemäß“ zu kleiden. Was auch immer das bitteschön bedeuten soll.

Caro 1992
Im zweiten Teil von Caros Geschichte öffnet sich die Tür zu völlig neuen Erfahrungen – Gothic Berlin Bild #12

Bei einer Klassenfahrt im Januar 1991, die uns nach Berlin führte, stand ich ganz unglücklich vor dem „Linientreu“ und sah die ganzen interessanten, düsteren und schrillen Gestalten hineingehen. Der Rest meiner Schulklasse feierte im benachbarten Club „Society“, den ich furchtbar langweilig fand. Leider habe ich mich nicht getraut, reinzugehen, denn meine damalige Freundin, mit der ich zum Grufti geworden bin, war auf eine andere Schule gewechselt. Ich kannte dort ja niemanden sonst und ich traute mich nicht, einfach jemanden anzusprechen, oder mich sogar einer Gruppe anzuschließen. In den Osterferien des gleichen Jahres, die ich wieder bei meinem Vater in Berlin verbrachte, war es dann endlich soweit.

Mit meiner Brieffreundin aus dem Ruhrgebiet, die mich während der Ferien in Berlin besuchte, durfte ich endlich ins Linientreu (Eigentlich Tanz-Arena Linientreu aber von den meisten einfach nur „Treu“ genannt). Leider war mein erster Besuch recht kurz, ich musste los bevor es richtig losging. Ich war damals 16 Jahre alt und mein Vater bestand auf die penible Einhaltung des Jugendschutzes, was für mich bedeutete, dass ich um 22 Uhr wieder gehen musste. Man kann sich vorstellen, dass es bis dahin recht leer geblieben war und sich nur vereinzelte Gruftis dorthin verirrten. Mir war das egal, die Musik gefiel mir sehr gut und solange ich bleiben konnte, tanzte ich. Ich habe immer schon gerne getanzt.

Auch heute habe ich bei flotter Musik einen eher expressiven und bewegungsreichen Tanzstil – man hat mich mal als ein wildes Tanzteufelchen bezeichnet.

Die Ferien-Aufenthalte bei meinem Vater weckten immer wieder die unstillbare Sehnsucht in das inzwischen wieder zur Hauptstadt erhobene Berlin zurückzuziehen. Nichts hielt mich mehr auf der Ferieninsel!

Heute schon was vor? Klaus Märkert liest in Mönchengladbach

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Klaus Märkert schreibt raffinierte Geschichten. Mit Begebenheiten, wie sie jedem passieren könnten entlocken dem Zuhörer die Aufmerksamkeit, entführen ihn auf einer Straße des Humors in ungeahnte Gedankenspiele und ungewöhnliche Ansichten. Heute, am 19. November 2015 um 17:30 liest Klaus ein paar seiner Geschichten im Café van Dooren in Mönchengladbach, gleich bei mir um die Ecke. Wenn das mal keine Gelegenheit ist! Auf Facebook habe ich diese Veranstaltung von der Mönchengladbacher Stadtzeitschrift „Hindenburger“ bereits geteilt. Die Leser ohne Zugang zum sozialen Netzwerk habe ich sträflich vernachlässigt. Als kleine Entschädigung für alle, die sich kurzentschlossen freimachen und kommen, bringe ich heute Abend einen Stapel Spontis-Magazine und Buttons mit. Der Eintritt zur Lesung ist frei!

Was erwartet euch und wer ist überhaupt dieser Märkert? Geschichten aus dem Leben eines Sozialarbeiters, Taxifahrers, DJ, Schallplattenverkäufers, Discothekenbetreibers und Musikredakteurs aus Bochum. Vom DJ-Pult beobachtet er beispielsweise die Entwicklung der Grufti-Szene im Ruhrgebiet der frühen 80er und beschreibt seine Eindrücke auf ganz vortreffliche Weise:

Vor ein paar Monaten baute sich während meiner DJ-Schicht im Zwischenfall ein Sauerländer Brillengrufti mit durchweg schwarzen Klamotten, spitzen Schuhen, Kette mit umgedrehtem Kreuz als Anhänger, perfektem Tellerhaarschnitt, dazu aber einer stinknormal braun eingefassten Kassengestellbrille vor mir auf: „Wenn du jetzt nicht endlich Push von den Invisible Limits spielst, dann fahren wir alle woanders hin.“ Er deutete und winkte zugleich in Richtung einer Gruppen von Dark Wavern, die geschlossen zurückwinkten. „Wir sind mit zehn Leuten hier!“, brüllte er gegen den Sound von Skinny Puppy an. Das geschah an einem Samstagabend, das Zwischenfall hatte gerade einmal eine knappe Stunde geöffnet, und es waren insgesamt etwa dreißig Leute im Laden. Da fiel schon auf, als die zehn Sauerländer drei Songs später einer nach dem anderen mit bösen Blicken und Scheibenwischer-Gestik in meine Richtung die Treppe zum Ausgang nahmen. Du hättest die Invisible Limits doch auflegen können, es gibt ja weit Schlimmeres, dachte ich wenig später, aber ich wusste auch, wer einmal droht, droht wieder.“ (Aus: „Hab Sonne“ 2. Auflagen 2014 – Eisenhutverlag Bochum – Erhältlich unter anderem bei AMAZON)

Die Geschichten aus seinem Munde zu hören, sorgt für doppelten Genuss. Denn mit seiner Portion Ruhrpott-Charme und seinem trockenen Humor fängt er die meisten Zuhörer ein. Er ist einfach unglaublich authentisch. Nicht nur ich würde mich freuen, euch heute Abend begrüßen zu dürfen!

Karte van Dooren

Spontis Wochenschau #05/2015

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Ein Krieg beginnt im Kopf und kann auch nur dort gewonnen werden. Mein Krieg geht so: Da sitzt du nun vor deinem Bildschirm und denkst darüber nach, ob du was unheimlich wichtiges, gehaltvolles und aussagekräftiges schreiben sollst, oder ob du stattdessen so tust als sei nichts gewesen. Soziale Netzwerke machen es dir einfach. Hier mal schnell ein Profilbild anpassen, dort ein „Gefällt mir“ hinterlassen, einen traurigen Song einfügen oder einen solidarisierenden Hashtag setzen. Fertig ist das Statement und gleich fühlt sich das Leben wieder ein bisschen erleichterter an. Spinner werden entfreundet, Kontroverses aus der Chronik entfernt. Ganz einfach. Mit der zunehmenden Flut an Informationen sind auch die Möglichkeiten gewachsen, diese zu verdrängen. Habe ich jetzt schon etwas Gehaltvolles geschrieben? Habe ich meinen Standpunkt und meine Meinung klar zum Ausdruck gebracht? Vielleicht bin ich auch nur ein Rädchen am Wagen der Betroffenheit. Ich habe keine Ahnung. Immerhin weiß ich endlich wieder, warum ich schwarze Klamotten trage. Und jetzt sitze ich immer noch da überlege ich mir ernsthaft, was ich nun verlinken darf und was nicht, nur weil irgendwo auf der Welt etwas Schlimmes passiert. Das Böse siegt immer? Nicht in dieser Wochenschau:

  • Zweiter Heavy-Metal Gottesdienst in Nortrup | Osnabrücker Zeitung
    Es begann 2013 mit einer Gothic-Messe, da hatte Pfarrer Uwe Brand von der Gemeinde in Nortrup die Idee, junge Leute wieder für die Kirche zu begeistern. Immerhin kein ganz so neuer Trend, denn mittlerweile haben sich Gothic-Gottesdienste bereits auf dem WGT etabliert. „Nortrup. Eine zweite Heavy Metal Messe füllte die Nortruper Dorotheenkirche am Freitagabend. Der Tod ging durch die Reihen, Jesus aber auch. Die Szene-Anhänger freuten sich, die Oma von nebenan aber auch. Lautstarke Musik von Solution Cycle wurde unter das Volk gebracht, das Wort Gottes aber auch. Kirche ganz anders. Berufsschulpfarrer Uwe Brand hat da mittlerweile Routine.“ Immerhin, der sogenannte „Christliche Metal“ hat sich schon länger einen Platz unter den Schwermetallern erspielt und bildet auch ein eigenes Genre. Ein bisschen  graut es mir vor „Christian Gothic“ als eigener Musikrichtung, bei der Sänger und Band ihre religiöse Ideologie über die schwarze Gemeinde ausschütten. Muss ich nicht haben.
  • Jugendliche aus der Gothic-Szene anfälliger für Depressionen | Wochenblatt
    In Großbritannien wurde eine Studie veröffentlicht, die aussagt, dass Jugendliche aus der Gothic-Szene ein dreimal höheres Risiko haben, an einer Depression zu erkranken. „Wissenschaftler um Lucy Bowes von der Universität Oxford befragten in einer Langzeitstudie zunächst mehr als 2300 britische 15-Jährige, welcher Jugendszene sie sich zugehörig fühlen und wie stark diese Verbindung ist. Drei Jahre später wurden die Studienteilnehmer auf mögliche Depressionen und Fälle von Selbstverletzung hin untersucht. Dabei fiel die besondere Anfälligkeit der Gothic-Anhänger für Depressionen auf.“ Vor allem in England lässt das Thema die Medien nicht los, auf allen Kanälen wird darüber berichtet, auch „The Blogging Goth“ war mit von Partie und berichtet darüber. Ich finde die Ergebnisse durchaus interessant, obwohl ich mit solchen Schlagzeilen vorsichtig wäre, sie implizieren eine Gefahr, wo keine ist. Ich habe da ein paar Ideen für einen Artikel. (Danke Sophie)
  • Zwischenfall brennt schon wieder | WAZ
    Die Geister der Vergangenheit treiben in der verfallenden Ruine des Zwischenfalls in Bochum-Langendreer ihr unwesen. Ende Oktober brannte es dort erneut, angeblich hatte sich Unrat entzündet. Wir wissen natürlich, dass viel mehr dahintersteckt!  43 Bewohner verloren beim Großbrand 2011 ihr Zuhause, tausende Grufties ihre Heimat, Kinderstube, Entwicklungshilfe, Lebensraum. No Tears for the Creatures of the Night.
  • Projekt: Me&Beyond | Maria MantisIst das alles Verkleidung? Auf dem Wave-Gotik-Treffen sieht man hunderte von imposanten Kostümen, die an das viktorianische Zeitalter erinnern, vielleicht auch an einen guten Vampirfilm oder eine oppulente Szene aus einem Fantasy-Streifen. Was steckt dahinter? Alles Maske? Fotografin Maria Mantis hat sich Menschen wie diesen einmal angenommen und versucht sie in beiden Welten zu zeigen: „me&beyond bedeutet Portraits von Menschen, die mehr sind, als sie im Alltag  von sich preisgeben. Menschen, die – im Gegensatz zu weitläufigen Meinungen – nicht in Verkleidung schlüpfen,  um sich lediglich rein optisch von der Masse abzuheben, sondern Menschen, die diese Art von Wandel leben, lieben und darin aufgehen. Für mein Projekt erlauben mir diese Menschen, sie sowohl im Alltagslook, als auch gänzlich verwandelt portraitieren zu dürfen und erzählen mir eine kleine Geschichte rund um diese Art von „Metamorphose“ – ihre Beweggründe, ihr Herzblut…“ Erstaunliche Antworten sind zusammengekommen. Während für die einen Herzblut an Kreativität drinsteckt und andere ihre Liebe zur Selbstinszenierung verwirklichen, ist die Gothic-Szene für manche einfach nur der Spielplatz ihrer Eitelkeiten.
  • Gothic-Entstehung und heutiger Kult | CT-Radio
    Das Campus-Radio der Ruhr-Universität Bochum „CT“ hat sich in ihrer Sendung Melancholia dem Thema „Gothic“ gewidmet. Im Studio zu Gast sind Sybille Nix von „Funkelglanz“ und Holger Wagner von der Band In Mitra Medusa Inri, die über ihren Zugang zur Szene berichten und ihre Gedanken zu „Gothic“ formulieren. Ist von allem was dabei, ein bisschen persönliche Vergangenheit, ein paar Erfahrungsberichte, was den beiden in der heutigen Szene fehlt und wie sie für sich die Szene erleben und was sie an ihr schätzen. Kann man nicht drüber meckern. Ich muss jedoch zugegeben, dass ich die ganze Sendung nicht geschafft habe, dafür ist mir alles etwas zu oberflächlich gewesen. (Danke Mone vom Rabenhorst)
  • Fledermama und The Baby Bat | Blogvorstellung
    Ob es der Welt passt, oder nicht: Grufties können schwanger werden. Also die Weibchen jetzt. Zwei ganz besondere Exemplare haben sich auch entschlossen, darüber zu bloggen. Janina aus Shanghai (treue Leser erinnern sich an Gothic Shanghai) ist „Fledermama“ und Libbet von Karnstein bloggt bei „The Baby Bat“. Janina kämpft in Shanghai mit fremder Scham: „14:45 Stillen. In Ermangelung einer „stillfreundlich“ platzierten Bank setzte ich mich auf ein paar Stufen mit Büschen an den Seiten. Das Haselchen und sein Schwesterchen stehen mit aufgespannten Regenschirmen vor mir und Schwiegermama macht am anderen Ende der kleinen Treppe den Security Guard, damit wir von allen Seiten vor neugierigen Blicken abgeschirmt sind. Ich finde meine Brüste nun nicht derart spektakulär, um so viel Theater darum zu veranstalten. “ Und Libbit von Karnstein kämpft offen mit ihrer Mutterrolle: „Wenn ich mich also jemandem damit anvertraue, dass ich momentan wieder Depressionen habe, nur heule, mich nicht aufraffen kann und mich die Panikattacken plagen – mir dann zusätzlich auch noch anzuhören, dass ich es doch gut habe, dass doch eigentlich alles okay ist, dann kann ich nur noch müde lächelnd nicken und nichts mehr sagen. Denn Hauptsache, dem Baby gehts gut.“ Ratschläge können beiden nicht gebrauchen. Meistens reicht ein klein wenig Beachtung und ein paar nette Kommentare.
  • Health Goth: Farfetch Autumn Winter fashion! My diet & fitness routine, Gothic workout clothes | La Carmina
    Meine persönliche Prinzessin der Oberflächlichkeit hat ihren Status erneut und zielsicher bestätigt. „Have you heard of the term Health Goth? The media has been talking about the trend of people wearing black, Gothic-looking activewear. But in fact, this has nothing to do with the subculture, and the sportsgear is still by mainstream brands.“ Sprach sie, machte reichlich Werbung, formte ihren Körper nach dem gesellschaftlichen Idealbild um nachher mit Handschuhen im Leopardenmuster und mit aufgenähten Herzen nicht an der Kälte der Menschheit zu erfrieren.
  • Krampuslauf: Brauchtum statt Gothic-Schwachsinn | NÖN
    In Österreich legt man viel Wert auf das Brauchtum. Mit einer Vereinnahmung ihres Krampuslaufs durch „Okkultismus, Satanismus oder Gothic“ wollen sie nichts zu tun haben: „Was ihn ärgert: „Leider kommt es seit einigen Jahren immer mehr zu diversen Verschmelzungen mit anderen Thematiken, die mit Winterbrauchtum nichts zu tun haben. Etwa Okkultismus, Satanismus oder Gothic. Wir legen auf das Brauchtum großen Wert. Heraus kommt Schwachsinn. Ein weiteres Problem ist, dass auch bei vielen Läufern und sogar ganzen Gruppen scheinbar die einschlägige Bildung äußerst limitiert ist, viele Aktive wissen teilweise offenbar gar nicht, welches Brauchtum sie ausüben.“ Also bitte! Wer in Teufelsgestalt oder in Form von mystischen Tiergestalten durch die Straßen läuft, damit eine okkulte Tradition feiert auf die mal die Todesstrafe stand, sollte sich nicht wundern, wenn er von Subkulturen mit ähnliche Interessen vereinnahmt wird. Das ist ja das tolle am 21. Jahrhundert. Aus Traditionen werden Volksfeste, geht dem hiesigen Karneval, dem Osterfest oder auch der Walpurgisnacht genauso.
  • Alice is still in Wonderland | BBC4 Radio
    Goth-Ikone Siouxsie Sioux erklärt dem BBC4 Radio anlässlich des 150. Geburtstags des Buchs „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll ihre Sicht der Dinge auf dieses Meisterwerk der Literatur und zeigt uns die düstere und finstere Seite dieser Geschichte. Denn für sie war Alice mehr als eine unterhaltende Geschichte: „But there was something else that drew me into Wonderland that I couldn’t have named then, though I sensed its irreverence – something darker about adults and their rules and their craziness and endless unreasonableness. Alice was an ally and the book helped me dream myself out of the London suburbs.“ (Direktlink zur Sendung)
  • Aus Sicherheitsgründen! Helge Schneider sagt Lesung in Hannover ab | Helgeshow
    Genau.
  • The 80s | YT
    Alles kommt wieder. In den 80ern rebellierte die Gesellschaft gegen sich selbst und erfindet sich neu. Mit fragwürdigen Facetten. Es ist der Siegeszug des alltäglichen Wahnsinns der Reizüberflutung. Ein schrecklich schöne Zeit. (via KFMW)