Gothic Friday Februar: What else is there?

Damals, 2005, als die letzte große Grufti-Mode-Welle gerade ihren Höhepunkt überschritten hatte und wieder im Sinkflug begriffen war, begann Flederflausch ihre ersten Flugversuche durch die schwarze Gefilde. Hier also mein Beitrag zum Gothic Friday und der Frage nach dem Szene-Einstieg.

Begonnen hat es, wohl wie bei vielen, mit dem Gefühl irgendwie anders zu sein, mit der Suche nach einem geistigen zu Hause, der eigenen Identität, der Antwort auf die Fragen des Seins und ja, mit dem pubertären Bedürfnis nach Abgrenzung und Provokation. Allem voran aber mit der Faszination für alles Dunkle und Düstere, für den Stil und das Auftreten einiger schwarze Gestalten an meiner Schule. Ja, es war tatsächlich die Faszination der Ästhetik, denn mit der entsprechenden Musik hatte ich zunächst einmal nichts am Hut – auch wenn sich mein Horizont bald in eine andere Richtung verschieben sollte. Unglaublich faszinierend wirkten sie damals auf mich, die Schwarzkittel, denen ich begegnete. Ganz in schwarz – lange, wehende Mäntel, schwere Schuhe (hallo Klischee…) – erhabend gleitend durch die bunten Massen der betongrauen Schulgänge und bunten Halbstarkenmassen. Unzählige Pause verbrachte ich damit sie zu beobachten und unzählige Schul- und Freistunden mit der Auseinandersetzung mit dem Sinn des Lebens, mit dem Tod und all den düsteren Aspekten des Lebens und dem Anschmachten eines der düsteren Gestalten dort. Zu dieser Zeit wanden sich auch einige Bekannte der dunklen Seite des Lebens zu.

2010 - Eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen man mich vor statt hinter die Linse bekommen hat
2010 – Eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen man mich vor statt hinter die Linse bekommen hat

Mein musikalischer Einschwung in die Richtung erfolgte über Bands, die sich damals unter den Halbstarken an Beliebtheit erfreuten, aber noch nicht wirklich unter Szene-Musik gezählt werden kann: Linkin Park, System of a Down, Evanesvcence, Within Tempation. Meine erste selbst gekaufte CD mit dunklerer Tendenz war dann eine Metal Platte von Dark Seed, die ich damals noch sorgfältig in der CD-Abteilung der Drogerie auswählte und bis zum erbrechen Rauf und Runter hörte, bis mein damaliger Freund, mir sein unerschöpfliches Sammelsurium an Musik aus dem Bereich Metal, Gothic Rock und was es alles war eröffnete. Unzählige Abende und Nächte verbrachten wir beim Schein von Kerzen und im Dunkeln bei schweren Klängen und philosophischen Gesprächen, zurückgezogen von der Welt, mit der wir nichts anzufangen wussten.

Und natürlich arbeite ich an meiner Garderobe. Jedes bisschen Taschen- und Kleidungsgeld investierte ich in schwarze Kleidung und kämpfte bei jedem Mal, das meine Mutter beschloss, dass ich etwas neues brauchte um schwarze Ausstattung. Meine ersten Teile aus den lokalen „Grufti-Shops“ trug ich bis wirklich nichts mehr ging (mein erstes Shirt habe ich tatsächlich nach gut zehn Jahren immer noch). Mein Äußeres war lange Zeit sehr schlicht schwarz und meine persönliche Rebellion und Abgrenzung gegen die oberflächliche, ignorante Gesellschaft. Auffallen ja, einen extrovertierten Kleidungsstil pflege ich zunächst nicht.

In der Musik fand ich Gedanken, Gefühle und Situationen ausgedrückt, die ich selbst nicht in Worte fassen konnte. Dort fand ich mich verstanden. Mit dem seichten Einerlei der Pop-Musik oder dem eintönigen Dudeln von House konnte ich nichts anfangen. Ebenso fremd waren mir die Themen und Probleme meiner Mitschüler. Die Filme, die diese sahen, die Bücher, die diese lasen. Ich konnte darin keine Tiefe erkennen und ihre Ansichten waren mir in der Regel zu oberflächlich und sozial normiert. So verbrachte ich die Schulzeit meist mit meinem damaligen Freund und meinen paar Freunden, die jedoch mit meiner Musik nur bedingt etwas anzufangen wussten. Den rockigen und schwarzen Gestalten, die sich Freitagsabend im Jugendclub im Dorf nebenan versammelten konnte ich nichts abgewinnen, zu spaßorientiert und angepasst erschienen mir diese, zelebrierte ich doch meinen Weltschmerz, und zu sehr irritierte mich das Verhalten „normaler“ Teenager.

Kontakt zu anderen Szenemitgliedern knüpfte ich erst in der Oberstufe im Internet. Hatte ich dieses in den Jahren zuvor vor allem genutzt um mich über Musik zu informieren und interessante fotografische und künsterlische Werke zu finden, wurde ich in dieser Zeit in einem Forum aktiv – Nachtwelten, welche heute nur noch in sehr abgespeckter Form existieren –  und zu welchen ich aber schon lange den Bezug verloren habe. Zum Zeitpunkt meiner Anmeldung war das Forum schon im Sterben begriffen, nichtsdestotrotz wurden dort damals noch viele interessante Diskussionen geführt, ich entdeckte weitere neue Musik und tauschte mich aus. Viele interessante Menschen waren dort unterwegs, viele Ansichten, viele Menschen, die Einblick in ihr Leben gewährten, von denen ich gerne lass, die mich weniger unverstanden mit meinen Gedanken und Gefühlen fühlen ließen.

Das Ausgehen habe ich erst mit meinem Auszug für mich entdeckt. Zu Teenagerzeiten fand ich die Musik, die ich damals hörte eher nicht außerhalb meiner eigenen vier Wände und ich wusste nicht, was ich in einem Club, in dem die selben gehypten und meiner Ansicht nach nicht wirklich hochklassischen Bands immer wieder durch die Boxen gejagt wurden und die wo die eine Hälfte der Besucher betrunken war und die andere sich nur für das Äußere interessierten, sollte. Zugegeben, wenn der einzige Club in der Nähe, der wirklich läuft die Rock-Fabrik ist, ist diese Ansicht auch nicht gerade verwunderlich. Wirklich zu genießen begann ich Tanzveranstaltungen erst mit Beginn meines Studiums und dem Umzug nach Jena. Nicht nur meine Spannbreite an Musik hatte sich deutlich verbreitert, auch war und sind dort die Veranstaltungen differenzierter und bieten das ein oder andere Schmanckerln, wenn ich auch dort richtig undergroundiges und unbekanntes dort von Zeit zu Zeit vermisse. Aber was der Schwarzträger dort nicht kennt, zu dem tanzt er nicht…So suche ich mir diese Einblicke heute im Internet, höre gerne bei dem rein, was Facebook-Freunde hören und liken, lese in Blogs und besuche Veranstaltungen weiter weg, welche die Subkultur am Leben halten.

Mittlerweile habe ich wohl in so ziemlich jedem musikalischen Bereich der schwarzen Szene mal reingehört und mir das bewahrt was mir zusagt, auch wenn ich heute irgendwo im Bereich Wave, Post-Punk und Goth-Rock zu Hause bin. Musik von Bands wie Ascetic:, The Frozen Autumn, Hante, gehören zu meinem gute gehüteten Schatz. Bis heute faszinieren mich die unterschiedlichen Charaktere und deren Äußeres.

Hat es mich früher nur bedingt tangiert, verbringe ich heute gerne Zeit damit mir meine Kleidung Stück für Stück zusammen zu suchen und mich zurecht zu machen – mit dem Gefühl dabei ich selbst zu sein und mich ausdrücken zu können. Immer wieder fühle ich mich angekommen bei den Gesprächen mit den unterschiedlichsten Menschen der Subkultur über alle möglichen Themen, bin fasziniert von den unterschiedlichsten Sichtweisen.

Viele gute Freunde und Bekannte habe ich dort gefunden, Menschen, die ich nicht mehr missen möchte und Menschen, denen ich immer wieder begegne deren Gesellschaft ich jedes Mal erneut genieße. Jedes Mal, wenn ich mich zurecht mache, ein neues Kleidungs- oder Schmuckstück finde, mich für’s Ausgehen zurecht mache, eine weiteres interessantes Gespräch führe oder einfach nur mit Menschen eine einen schönen Abend verbringe, weiß ich, ich bin angekommen.

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Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 8 Jahre

Oh ja, das mit den anderen Themen, Interessen und Problemen im Vergleich zu den Mitschülen kommt mir sehr vertraut vor…
Und Hante. sind eine wirklich schöne neuere musikalische Entdeckung :-)

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