Frei nach dem Motto „Besser spät als nie“ hat ColdAsLife seinen Beitrag, kurz bevor Marion mit ihrem Resümee zum April-Thema des Gothic Fridays fertig geworden ist, eingereicht. Eine Erwähnung im selbigen bleibt ihm damit verwehrt, ändert aber nichts an der Tatsache, dass auch sein Beitrag eine mehr als willkommene Bereicherung darstellt. Solltet ihr erst jetzt in die Gothic-Friday Aktion stolpern, würden wir uns sehr darüber freuen, auch Euren Beitrag als „Nachzügler“ in die großartige Reihe der Artikel einzureihen.
Die diesmonatige Thematik des Gothic Friday erschien mir – zunächst – vor allem aus rein voyeuristischer Perspektive heraus interessant: es wird die Möglichkeit geboten, womöglich schon einmal gesichtete Gesichter und deren dahinter befindliche Persönlichkeiten, in einem ihrer natürlichen Lebensräume gewissermaßen betrachten und einen Hauch von dem aufnehmen zu können, das sich im Dunstkreis der Privatsphäre ansiedeln lässt. Schließlich habe ich mich schon sehr oft gefragt, welche beruflichen Sparten in welcher Präsenz in der Szene verbreitet sind.
Um jedoch nicht nur Nutznießer der Beiträge vorheriger Teilnehmer zu sein, sollte ich selbst auch den anderen den Vorzug des Voyeurismus lassen und dem auch in mir angelegten Drang zum Exhibitionistischen einfach mal nachgeben. Mir fällt nämlich überdies zunehmend auf, dass es meinerseits zwischen biographischen Checkpoints, äußerer Optik und innerer Einstellung Korrelationen gibt, die in ihrer einzelnen Betrachtung zwar schlüssig, aber im Vergleich höchst unterschiedlich sind. Dennoch würde ich heute sagen, dass es immer eine latente Pfadabhängigkeit gegeben haben muss. Sonst wäre ich letztlich nicht zu dem Abschnitt meiner Wurzeln zurückgekehrt, der am massivsten und verwobensten ist. Den Abschnitt, den ich – und das steht nun fest – von allen am liebsten habe.
Dieser eine Abschnitt, der wirklich wichtig ist und bleibt und bleiben muss. Der Abschnitt, der nun kein bloßer Abschnitt bleiben soll, sondern mein eigenes, andauerndes Monument nur für mich selbst. Entsprechend der gezielten Frage nach dem Berufsleben beginnt für diesen Artikel die Stunde Null mit dem Zivildienst als erste tatsächliche Station beruflicher Heranführung, für den ich bereits einen Großteil meiner Bandshirts, Nieten und seitlich geschnürten Hosen abgelegt hatte. Schließlich musste ich mich von nun an beweisen. Und um im Gruft-Look Anerkennung zu erheischen, wie ich sie brauchte, um später einen Ausbildungsplatz bekommen zu können, fehlten mir nötiges Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen. Mit jedem der neun Monate Zivildienst in einer Düsseldorfer Werkstatt für Behinderte changierte das Dunklere zum Bunteren – was sich von da an für einige Jahre als vermeintlich angenehmer herausstellen sollte.
Immerhin braucht man sich für Bluejeans, Sneaker und Polohemd oder sonstige farbenfrohe Shirts mit Aufdrucken einstiger amerikanischer College-Sportteams weniger rechtfertigen, als für Boots und Ledermantel – so diktierte es mir mein damaliges Verlangen nach Anpassung. Mein schließlich selbstverdienter Ausbildungsplatz bestätigte mich in dieser Haltung. Es folgt also eine Ausbildung als Bürokaufmann in einem namhaften Textil-Unternehmen, deren Beginn in einem halben Jahr zehn Jahre zurückliegt. Natürlich erschrickt es mich gerade mittelschwer. Beruhigt aber auch. Denn zu dieser Zeit gab es nichts mehr, das mich mit Gothic auch nur im Entferntesten in Verbindung gebracht hätte – bis auf ein paar wenige CDs in meinem Regal und den tief verstauten Kisten im Keller.
Es war mir ein Bedürfnis, zu etwas zu gehören, das sich an Coolness-Faktoren orientierte. Intellektuelles, moralisches und emotionales Gebaren war anstrengend und zeitraubend, ebenso wie das Emporheben von Musik und Szene-Exzentrik zu (m)einer Kardinaltugend. Zu diesem Lebensabschnitt ist also betreffs der Ausgangsfragen dieses Gothic Fridays nicht viel zu sagen. Es gab mich dort nicht in der Szene. Es gab nicht mal Schwarz. Es schließt sich an die Zeit der Ausbildung das Zweifeln am einst erlernten Beruf an, und ich bin heute sehr dankbar, dass ich nicht sofort nach der Ausbildung eine Stelle offeriert bekam, die mir Spaß gemacht hätte. Es folgte eine Stelle, die mir alles andere als Spaß machte, als Einkaufs-Assistent in einem winzigen Handelsunternehmen für Medizinprodukte. Von Gothic nach wie vor keine Spur. Baldige Kündigung meinerseits. Neuorientierung. Ausrichtung überdenken. Vor allem: Rückbesinnung. Auf echte Werte, echte Gefühle, echte innere Stimme. Auf das, was ich wirklich bin. Nicht das, was ich vermeintlich gerne sein würde. Nachdem das funktioniert: neue Idole suchen. Ideale ausloten. Wieder selbstbestimmter werden – was quasi fast im Widerspruch zum vorherigen Satz steht. Zufriedenheit spüren. Idioten hinter sich lassen, undankbaren Freunden kündigen, nichtssagende und desinteressierte Bekanntschaften abschütteln. Oberflächlichem entsagen und eigenständig Denken lernen. Ganz zentral auch: Musik wiederentdecken. Das Alte, was gut war, zu Neuem machen, das noch besser ist. Der Begriff nervt zwar in heutigen Zeiten, aber er bedeutet mir trotzdem etwas: Individualisierung.
Der langen Rede kurzer Sinn: Das abgeschlossene Philosophie-Studium ist das Beste, das mir in meinem bisherigen Leben passiert ist, und die Arbeit, der ich derzeit nachgehe, das Zweitbeste: Pflege. An dieser Stelle passt es nun, auf die konkreten Fragen Bezug zu nehmen, denn der Eintritt in meine derzeitige Arbeit war der Zeitpunkt, ab dem sich auch mein – diesmal tatsächlicher – Einstieg in die Szene entwickelte.
Welchen Beruf übe ich also aus?
Ich arbeite in einem gemeinnützigen Pflegedienst, der körperlich Behinderten ein Leben in bestmöglicher Selbstbestimmung ermöglicht. Dabei stehe ich ihnen im Sinne einer Kompensation als Assistent für alles zur Verfügung, was sie aufgrund ihrer Einschränkung nicht selbst tun können – von Toilettengängen und Körperpflege über Nahrungsaufnahme und Haushalt bis hin zu Arztbesuchen und Amtsangelegenheiten. Fast alle haben bei uns aufgrund ihres Behinderungsgrades eine Genehmigung für eine 24-StundenBetreuung, was bedeutet, dass im Schichtsystem gearbeitet wird. Die Vor- und Nachteile hiervon kann man sich vermutlich denken. Erschöpfungszustände bleiben, wie bei jeder Arbeit, nicht aus, und wenn ich abends nach Hause komme, ist es mir ein reges Bedürfnis, den Raum in der Horizontalen zu bewachen – auf der Couch, vielleicht mit einem Glas Rotwein.
Ob sich Gothic und der Beruf verbinden lassen? Ich würde sagen, bedingt. Ist das überhaupt wichtig? Ich würde sagen, bedingt. Zu Ersterem: Ich lege auf der Arbeit weder Patchouli auf, noch
trage ich Ketten, Armbänder oder Pikes. Kein Flauschmantel, keine Jacquard-Hosen. Grundfarbe ist jedoch immer Schwarz, ab und zu mal Grau. Tasche mit Buttons gehört auch stets dazu. Daran stört sich niemand, und auch, wenn es etwas ausgefallener wäre, sollte es keine größeren Debatten darum geben. Weder mit den zu Assistierenden, noch den Kollegen, noch den Vorgesetzten. Diesbezüglich herrschen glücklicherweise relativ liberale Zustände, auch Tattoos sind kein Problem. Die Pflege muss halt optimal umgesetzt werden können, natürlich gilt es auch, sich an gesetzliche Vorgaben zu halten. Schmuck wie Ringe ist ohnehin nicht erlaubt, festes Schuhwerk Pflicht, lange Haare als Zopf ebenfalls. Knallenge Hosen empfinde ich als hinderlich. Damit sollte auch deutlich geworden sein, wie ich zur Wichtigkeit von Szene(optik) im Beruf stehe: eine Tendenz ist mir wichtig, aber nicht, dass ich so auftreten kann, wie es meine Garderobe hergeben könnte.
Abstriche würde ich nur soweit in Kauf nehmen, als von mir nicht verlangt werden würde, meinen Stil gegen einen aufgesetzten Stil zu tauschen. Wenn mir jemand sagen würde, bitte tragen Sie doch in Zukunft keine schwarzen Textilien mehr, sondern nur noch welche in beige und blau, dann würde ich das nicht mitmachen. Wenn es jedoch vom Arbeitgeber gestellte Kleidung wäre, die bei allen Mitarbeitern dieselbe ist, dann dürfte sie gerne auch beige und blau sein. Es ist jedoch relativ unwahrscheinlich, dass ich in einem uniformierungspflichtigen Unternehmen arbeiten würde. Frisuren und Haarfarbe muss ich darüber hinaus selbst wählen können dürfen. Wobei es in meinem Fall eh nicht aufsehenerregend ist, da ich weder toupiere noch abrasiere. Von Vorurteilen habe ich in meinem Arbeitsumfeld noch nie etwas mitbekommen. Wie gesagt, liberales Flair. Die meisten scheinen eher interessiert. Der Kreis hat sich also irgendwie wieder geschlossen, bin sowohl wieder bei der Arbeit mit Behinderten, als auch der Szene angelangt. Dort, wo ich ich sein kann.
Endlich Urlaub! Es wird allerhöchste Zeit meine Synapsen von den Pflichten den Berufslebens zu befreien, mich auf das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig vorzubereiten und dem „Vergnügen“ freien Lauf zu lassen. Für den Fall, dass mich jemand falsch versteht: Unter Vergnügen verstehe ich nicht den Besuch von Belantis, den offiziellen Austragungsort der Eröffnungsfeierlichkeiten, sondern vielmehr das Eintauchen in die Parallelwelt, die während des bunten Alltags eigentlich nur kurz überflogen wird. Weg von den Menschen, die ich tagtäglich neben mir ertragen muss und weg von den Kompromissen in Styling und Verhalten. Hinein in (m)eine schwarze Parallelwelt, umgeben von Gleichgesinnten, die ein bisschen so aussehen wie ich, die fast gleiche Musik hören und idealerweise auch noch gleiche Interessen, Ansichten und Lebensweisen nachgehen. Ich glaube, das wirklich Erholsame an der ganzen Sache ist die Erklärungslosigkeit und die völlige Rechtfertigungsfreiheit. Ich muss niemandem erklären, welche Musik ich höre, warum ich so rumlaufe und wieso ich das alles mache. Okay. Ganz so rosig ist es dann doch nicht. Ich muss mich zwar nicht mehr nach „Außen“ verteidigen, dafür tobt aber im „Innern“ der Szene ein Kampf. Eröffnungsfeier im Vergnügungspark, Gothic-Messen in der Kirche, Gothic-Fun-Run und Gothic-Fetisch-Party. Muss ich jetzt echt erklären warum das alles irgendwie komisch ist? Bin ich gar der Einzige, der das merkwürdig findet? Doch halt! Der Lichtblick ist nicht fern! Am Donnerstag vor dem WGT diskutiert man irgendwo in Leipzig darüber, wie man die Kontrolle über die Subkultur zurückerlangen könnte. Puh, endlich macht mal einer was. Hier die Links:
WGT-Spezial
WGT 2016: Ist das noch Lifestyle oder kann das weg? | Frontal
Onkel Tom drückt sich, wie er in seinem Blog-Artikel schreibt, schon eine ganze Weile in der düsteren Szene herum. Schon eine ganze Weile meidet er die großen Festivals, weil er mit den Entwicklungen derer nicht so ganz einverstanden ist. „Das schließt auch das Wave Gotik Treffen nicht aus, dessen letzter Besuch bei mir aus dem Jahre 1997 datiert und das ich in all der Zeit immer nur aus der Ferne betrachtet und mir gerade in den letzten Jahren meinen Teil gedacht habe. Vermutlich wäre es auch dabei geblieben, wenn sich die Veranstalter nicht zum 25 jährigen Bestehen eben jenes Festivals den größten Hirnfurz erdacht hätten, den es seit jeher gab und bei dem sich im Nachhinein bei mir der Wunsch einstellte, dass mit dem Bankrott des Festivals im Jahre 2000 dieses auch besser in die ewigen Jagdgründe eingegangen wäre: Eine Eröffnungsfeier im Vergnügungspark Belantis.“ In Zeiten, in denen man sich bei Facebook immer neuen Mut zuspricht, gemeinsam auf die Achterbahn zu gehen, eine erholsame Alternative. (Danke an Mone vom Rabenhorst)
WGT 2016: Bands, WGT-Planer, News und Co. | Monkeypress
Das Team von Monkeypress macht zur Zeit einen höllisch (gruftiges Wortspiel) guten Job. Sie sammeln akribisch musikalische Informationen rund um das WGT 2016 und bieten zur Zeit einen recht verlässlichen Kalender, um den Besucher schon im Vorfeld eine detaillierte Planung zu ermöglichen. Darüber hinaus finden sich dort auch alle relevanten Informationen und man nutzt auch die Gelegenheit, einzelne Genre der schwarzen Musik und die auftretenden Bands vorzustellen. Die Artikel zu Electro & Ambient, Neofolk & Neoklassik und Rock, Punk & Wave versuchen sich bereits an einer Einordnung der auftretenden Bands.
WGT 2016: Wave-Gotik-Treffen-Guide App für Android und iOS | WGT-Guide
Wo wir schon mal – und fast unweigerlich – beim WGT sind, die mittlerweile schon ziemlich bekannte App „WGT-Guide“ von Tobias Theiss gehört ja schon irgendwie zum Pflichtprogramm der Smartphone-Gruftis. Dieses Jahr ist sie sogar kostenlos in den entsprechende Stores erhältlich, weil die App nun direkt von den Veranstaltern des Wave-Gotik-Treffens unterstützt wird. Als neue Funktion in diesem Jahr gibt es ein umfangreiches Händlerverzeichnis, an dem alle Geschäfte und Shops teilnehmen können, die auf dem WGT vertreten sind.
WGT 2016: Stadtmagazin „Zeitpunkt“ mit spezieller Ausgabe zum Wave-Gotik-Treffen | Zeitpunkt
Das Stadtmagazin für Leipzig „Zeitpunkt“ widmet sich in seiner Mai-Ausgabe dem Wave-Gotik-Treffen. Ein sehr schöner Artikel zu den Anfängen des Treffens erregte meine Aufmerksamkeit: „Es ist der 30. April 1988. Walpurgisnacht. Zwanzig Jugendliche verabreden sich zu einer kleinen Feier an der Schloßruine Belvedere in Potsdam. Darunter auch Michael. Er ist der spätere Initiator des ersten WGT: Michael W. Brunner. Den Treffpunkt hier im alten Cafè Heider für diesen Tag, hatte er mit ein paar Freunden schon lange ausgemacht. Doch dann, ganz ohne Handy, ohne Internet – allein durch Mundpropaganda werden aus den ursprünglich 20 Verabredeten, hunderte aus der schwarzen Szene. Sie reisen aus allen Teilen der Republik an. Das ist der Grund warum das traditionsreiche Café an diesem Tag voller „Grufties“ ist. “ Doch nicht nur diese Geschichte ist im Heft zu finden, sondern auch noch zahlreiche andere Geschichten und Artikel zum Treffen.
WGT 2016: Gruftis, Punks und Co. – Alternative Jugend im Visier der Stasi | BStU
Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen. Wer die Ausstellung über Gruftis in der DDR immer noch nicht gesehen haben sollte, erhält auch 2016 wieder die Möglichkeit, dem Museum der Stasi einen Besuch abzustatten. Am Samstag wird dort ab 11:00 ein Tag der offenen Tür eingerichtet, der Einblick in die Akten gewährt und auch zahlreiche Lesungen bietet.
WGT 2016: 10 Insider-Tipps zum Wave-Gotik-Treffen | Der schwarze Planet
Schon fast ein Klassiker die Tipps von Shan Dark, die nach 15 Jahren WGT tatsächlich von einer gewissen Erfahrung reden kann. Auch lesenswert und im gleichen Blog erschienen: 16 Tipps von guten Freunden.
WGT 2016: Das Wave-Gotik-Treffen beim Mitteldeutschen Rundfunk | MDR
Chapeau, lieber MDR, Chapeau! Zum Anstehenden Treffen in Leipzig hat der in der Stadt beheimatete öffentlich-rechtliche Sender eine spezielle Seite in seiner Webpräsenz eingerichtet. Und tatsächlich scheint man sehr bemüht, seinem Bildungsauftrag nachzukommen und präsentiert einen Haufen interessanter Artikel zum WGT, viele Interviews mit interessanten Leuten und scheut sich auch nicht davor, heiße Eisen in den Mund zu nehmen. Inga Siebert wurde nochmal zu ihrer Doku „Vita Negra“ befragt, die sie 2014 beim MDR vorstellte: Über das Leben in Schwarz und Steampunk-Rollenspiele. Uwe Roesch, der Macher des Grufti-Comic-Helden „Dead“ stand ebenfalls Rede und Antwort über seine Comics und die Szene selbst: „Der durchschnittliche junge Mann von nebenan, der im Eichensarg schläft.“ Daneben gibt der MDR auch noch Tipps für einen WGT-Besuch ohne Festivalbändchen, stellt Vionas Victorian Village vor und spart auch nicht mit unzähligen Fotos. Unfassbar: Ganz ohne Klischees nähert man sich der Faszination des Treffens in all seinen Facetten und legt offensichtlich Wert auf eine ausgeglichene Berichterstattung. Sehr schön!
Und sonst?
Im Gespräch mit Chris Corner (IAMX) | T-Arts
Edith und Marcus hatten die Gelegenheit, Chris Corner, der vor kurzem seine „Metanoia-Tour“ beendet hat, ein paar Fragen zu stellen. Eindrucksvoll, wie sie die Gelegenheit genutzt haben, denn selten liest man ein Interview in etablierten Düster-Magazinen mit Fragen abseits des Mainstreams, obwohl das doch eigentlich im Kern der Subkultur liegen sollte. T-Arts hält die Fahne der Andersartigkeit in den Wind der Belanglosigkeit und entlockt dem Künstler einige interessante Antworten: „T-Arts: Du bist Atheist, nicht wahr? Findet in Deinem Leben trotzdem eine Art von Spiritualität abseits der Religionen statt? Und wie gehst Du mit offensiv religiösen Menschen um? Chris Corner: Religiöse Menschen meide ich, wenn es geht. Ich vermeide sie deswegen, weil Glaube per Definition unvernünftig ist und sehr oft in tiefenpsychologischen Dingen wurzelt. Oder aber im Fehlen jeglicher intellektueller Neugier. Religion bedeutet, Deinem Wissen Grenzen zu setzen. Es bedeutet, ein Sicherheitsnetz zu knüpfen, durch welches Du durchs Leben getragen wirst. Ein großer Papa im Himmel findet dann Erklärungen für den Mist, den du hier verzapfst. Wissenschaft, Vernunft, Atheismus bedeuten, die Welt so hinzunehmen, wie sie sich darstellt. Und der existenten Welt alles zu entnehmen, was sie an Furcht oder Schönheit bietet. Lebe den Augenblick.“
Leaving a mark: How ash tattoos help the living remember the dead | National Post
Asche-Tattoos? Genau. Die Idee ist simpel: Die Asche eines Verstorbenen wird in einer entsprechenden Tinte aufbereitet und dann dem Trauernden als Tattoo unter die Haut gebracht. Eine Tätowierung MIT dem Verstorbenen. Noch ist das Ganze ziemlich Underground, weil sich Tätowierer noch nicht über die Risiken der Prozedur im Klaren sind, aber wer möchte, findet sicherlich jemanden, der bereit ist, das zu machen. „Trish Rodgers filled a small bottle cap with her dead aunt’s ashes and emptied it into a vial of black ink. In her apartment, the tattoo artist used the combination of human remains and tattoo pigment to draw the outline of a rose into her cousin’s shoulder. At that point, this was a practice that only tattoo artists used amongst themselves, Ms. Rodgers says. But since that evening in 2008, it has garnered attention of sociologists across the world and Canadian tattoo parlours are seeing requests for the procedure grow. But it remains largely underground, says Ms. Rodgers, and many artists refuse to offer it to the public, citing the “unknown risks.”„
French perfume maker bottles scent of the departed | The Guardian
Wenn wir jetzt schon das Bild von Oma auf dem Oberarm tätowiert haben, dann wollen wir auch riechen wie Oma immer gerochen hat, oder? Die Franzosen machen es möglich, denn da kreieren findige Leute aus den Hinterlassenschaften der Verstorbenen den unverwechselbaren Duft: „A French company has come up with a novel way to keep people close to their departed loved ones: bottling their unique scent as a perfume. Like many struggling to get over the death of a loved one, Katia Apalategui’s mum held on to her late husband’s pillowcase to keep the precious smell of the man she loved. It inspired the 52-year-old insurance saleswoman to think up ways to capture and preserve a person’s individual scent so people in her position would never have to long for a whiff of their loved one again. After years of knocking on doors to try and develop her idea, Apalategui was put in touch with the northwestern Havre university which has developed a technique to reproduce the human smell.„
Deutsche Jugendliche wollen Mainstream sein | Die Zeit
Schluss mit der Szene. Wie werden irgendwann aussterben. Der Grund: Der Nachwuchs hat es nicht mehr so mit der Rebellion und der Andersartigkeit: „Die auf Abgrenzung und Provokation zielenden großen Jugendsubkulturen gebe es kaum mehr. Mainstream gelte weniger als Schimpfwort, sondern als Schlüsselbegriff zur Selbstbeschreibung. Die Jugendlichen in Deutschland wollen sich demzufolge kaum mehr abgrenzen und streben gemeinsame Werte wie Freiheit, Aufklärung und Toleranz an. Der „Neo-Konventionalismus“ deute „auf eine gewachsene Sehnsucht nach Aufgehoben- und Akzeptiertsein, Geborgenheit, Halt sowie Orientierung in den zunehmend unübersichtlichen Verhältnissen einer globalisierten Welt“ hin, schreiben die Auftraggeber der Untersuchung.“ Die neuen Szenen orientieren sich am sozialen Hintergrund und den damit verbundenen Möglichkeiten. Ist das vielleicht der Boomerang unserer ausgelebten Individualität? Rebelliert die Jugend nun vielleicht gegen die Rebellion selbst?
Forschen über die Endlichkeit – 5 Fragen zum Tod | Spektrum
Stichwort Bildungsauftrag: Das Wissenschaftsmagazin beschäftigt sich mit dem Tod und allen verwandten Phänomenen, wie beispielsweise der Nahtoderfahrung: „Aus solchen Experimenten und Erfahrungen schließen die Wissenschaftler auf das Zustandekommen von Nahtoderfahrungen. „Es gibt Hinweise darauf, dass der Schläfen- und der Scheitellappen sowie ein Gebiet zwischen den beiden, der Gyrus angularis – eine wichtige Schaltstelle –, besonders empfindlich gegenüber einer extrem gestörten Ernährungssituation im Gehirn sind“, so Engmann. Eine eindeutige Zuordnung in dem Sinn, dass ein einzelnes Gebiet eine ganz bestimmte Nahtoderfahrung hervorruft, sei aber auf Grund des Netzwerkcharakters des Gehirns nicht möglich. „Der Nahtod ist Ausdruck einer Funktionsstörung im Gehirn. Wichtig ist hierbei: Wir sprechen wirklich nur vom Nahtod. Der Individualtod ist eben noch nicht eingetreten – zum Glück! Das wäre wieder ein anderer Zustand, über den uns wirklich keinerlei Erfahrungen vorliegen.„
Beyond Beauty: Südkoreas illegale Tätowiererszene | i-D
Grace Neutral ist selbst ein lebendes Beispiel für die Freiheit mit seinem Körper machen zu können, was man will. Für das i-D Magazin erforscht sie nun aber die Abgründe anderer Länder: „In der zweiten Folge der vierteiligen Reihe ist Grace in der Tätowiererszene Seouls unterwegs. Zwar ist es in dem Land gesellschaftlich akzeptiert, sich als junger Mensch unter das Messer zu legen (die Schönheitsindustrie ist sechs Milliarden Dollar schwer), aber Tätowierer zu sein, ist illegal. Von Underground-Tätowierern bis zu Partys, Grace trifft junge Südkoreaner, die Schönheitsideale jenseits von Mainstreamvorstellungen leben und wollte mehr darüber erfahren, was das für einen Einfluss auf die Leben junger Südkoreaner hat.„
Ganz in schwarz. Bleiche Gesichter. Toupierte Haare. Silberschmuck. Umweht von Patchouliduft.
Schlagworte, die man in Berichten zu Grufties, ob in Zeitungen oder den digitalen Medien, meist immer irgendwann zu hören bekommt. Was sind Grufties? Diese Frage, die unsereins teilweise zu seitenlangen philosophischen, musiktheoretischen oder historischen Abhandlungen anregt, wird für Außenstehende mitunter (erschreckend?) leicht und mit eben jenen Schlagworten beantwortet: „Das sind die, die immer so schwarz rumrennen.“
Das ist im Prinzip auch nicht falsch. Es lässt sich nicht leugnen, dass neben der Musik, die in den Vormonaten Februar und März so intensiv diskutiert wurde, auch die Optik eine große Rolle in der Szene spielt. Sei es als Ausdruck einer gewissen Lebenseinstellung, als Abgrenzung, als Rebellion oder als Symbol der Zugehörigkeit. Ihr werdet es euch schon gedacht haben, werte Leser und Leserinnen, im Mai dreht es sich, wie sollte es im WGT-Monat auch anders sein, alles um Äußerlichkeiten: Haarstyling, Make-up, Schmuck, Outfit…
Bevor aber jetzt eine Debatte „Oberflächlichkeit vs. Tiefsinn“ das eigentliche Thema überschattet sei folgendes gesagt: Beim Gothic-Friday geht es darum sich mit unterschiedlichen Facetten der Szene zu befassen und mithilfe von Beiträgen der Teilnehmenden verschiedene Blickwinkel zu beleuchten. Bei all dem Bla Bla um das WGT als Familientreffen und gesamtkulturelles Erlebnis, kann wohl keiner leugnen, dass auch auch um eines geht: das Äußere und dass dieses womöglich präsenter ist als sonst.
Worum geht es also?
Es geht um das optische Zelebrieren des Gruftiseins.
Beschreibt euren Stil, zeigt eure Frisur, berichtet von Make-up Pannen, teilt Tipps und Tricks für das perfekte Zerreißen von Strumpfhosen bis hin zum makellosen Siouxsie Gedächtnis Look mit der Spontis Family.
Wie hat sich euer Stil über die Jahre verändert?
Oder wie würdet ihr euch gerne herrichten, gäbe es keine Hindernisse welcher Art auch immer (vom Zeitmangel über den konservativen Chef bis hin zur nicht kooperativen/vorhandenen Haarpracht)?
Habt ihr Styling-Vorbilder oder Inspirationen?
Welche Accessoires sind unumgänglich?
Für alle weniger visuell Orientierten: Ist das alles überhaupt wichtig? Empfindet ihr das alles als Teil der Szene?
Das Mai Thema bietet sich zudem dafür an, nicht hauptsächlich auf Textbeiträge zu setzen. Demnach ergibt sich hier auch für schreibfaule Zeitgenossen die Möglichkeit zur Teilnahme am Gothic Friday indem primär mit Bildern oder sogar Videos gearbeitet wird. Also, durchsucht die Speicher, schnappt euch das Handy oder den Fotoapparat, durchforstet das Internet nach euren Vorbildern und zeigt eure Variante des grufigen Äußeren! Sendet Eure Texte, Bilder und Videos bis spätestens zum 27. Mai 2016 ein. Ob Ihr das per E-Mail macht oder euren eigenen Blog benutzt, bleibt Euch überlassen. Mehr Informationen zur Teilnahme findet ihr hier. Es wäre schön, wenn Ihr die Kommentare – neben möglichen Fragen – auch dazu verwendet, Eure Einsendung oder Veröffentlichung (bitte auch verlinken!) mitzuteilen.
Nicht nur die große Bandbreite an kleinen Festivals zeigt: die Szene lebt, sondern auch die Fülle an aktueller dunkler Musik. Meine ganz persönlichen Klangperlen gebe ich hiermit einen Raum. Wer jetzt eine musikwissenschaftlich fundierte Kritik erwartet oder eine objektive Diskussion der modernen Klangkünstler oder zumindest eine basale Grundlage an musikalischen Ausdrücken darf jetzt oben rechts auf das kleine x klicken, zehn Jahre musikalische Erziehung haben sich leider nicht wirklich in meine Erinnerung eingeprägt – subjektiv und emotional ist die Devise. Und bitte, wer steht schon auf der Tanzfläche und denkt, dass das jetzt sehr sotto voce gesungen und allgemein sehr grave war?
Der Synthesizer spinnt ein sanft gleitendes Klangbild, fast wie Blätter im Wind wehen die Töne davon eine neblig-melancholische Ferne. Adams markante Stimme, in die er alles legt, was aus seinem tiefsten Inneren hervorzukriechen scheint, entfesselt dunkle Schwere:
„Where girls are turned into addicts, where dead kids play with mud and pricks, anxiety and cancer grows”
Ich schließe die Augen und beinah kann ich den Rauch der Nebelmaschine riechen, die flackernden Lichter der Tanzflächenbeleuchtung sehen oder den Duft und das flackernde Licht von Kerzen vernehmen, die einem dunklen Raum einen gemütlich-mystischen Touch verleihen. Mit tiefer Stimme im Outro gleitet das Lied davon. „Nausea calls“
Wie ich auf Adam Usi aufmerksam wurde kann ich zugegebener Maßen nicht mehr wirklich rekonstruieren, ich schätze eine der vielen Facebookseiten, die ich besuchte brachte mich auf den Pfad. Was ich noch weiß, ist dass das erste Lied, dass ich hörte Réumah war. Dessen tief und kurz, abgetrennt wirkenden Töne scheinen einen immer weiter in die Düsternis zu ziehen. Immer eindringlicher und fordernder bis sie von der Synthesizer-Welle hinfort getragen werden und Adam’s tiefe Stimme in den Fluss mit einströmt:
„I was going too far things just disappeared lost my self control, I can take all of that unresponsible, please just crush my head”
Gänsehaut, Melancholie. Leere. Depression. Die fundamentalen Zerwürfnisse des Seins.
Musik (hören) war für Adam schon immer bedeutend, da lag das selbst machen nicht mehr sonderlich fern. Dem Spaß am Singen entwuchs die erste Band und die musikalische Reise durch Indie, Pop, Punk und Post Hardcore endet in den jetzigen dunklen Klängen und dem ersten Solo Projekt Adam Ùsi.
Es beginnt mit einer „interessanten Melodie, die sich in den Gehörgang bohrt“ – zu den unmöglichsten Zeiten in den unmöglichsten Orten – Harmonien, Stimmen, Text, all das kommt dann ganz von alleine. Der Inhalt, so Adam, muss den Klang unterstützen, dass diese authentisch und gut werden kann. Gut ist sie dann, wenn sie ihm selbst gefällt, auch wenn Kritik und Zuspruch wichtig sind. Um was es geht? Authentizität. Um Ausdruck: von Sensibilität, Weltschmerz, Ärger, Ängsten und Missständen: Musik ist das Ventil
Zu den tiefsten Gefühlen zählen meiner Meinung nach Traurigkeit und Melancholie. Vermutlich liegt das an meinem Wesen, aber Glück und Freude sind für mich schon immer temporär gewesen und damit uninteressant. Ich glaube in der schwarzen Szene für meinen Anspruch eine gute Plattform gefunden zu haben für das, was ich kann und vor allem machen möchte.
Adam selbst beschreibt seine Musik als Spiegel und Ventil seiner Emotionen. Sensibilität, Weltschmerz, Ärger, Ängste, politische und private Missstände, all das packt er in seine Musik: „Es geht darum authentisch zu sein und zu bleiben“
Was mir neben der Eindringlichkeit der Musik und der Texte immer wieder auffiel war das Spiel mit Symbolik, Bildern, Videosequenzen und hebräischen Schriftzeichen, die dem Ganzen für mich einen mystischen und vemehrt artistischen Touch geben. Ganz Künstler sagt Adam: „Zu den Texten und auch der Symbolik möchte ich allerdings gar nicht zu viel sagen. Ich finde die Musik sollte viel mehr für sich sprechen.“ Nur so viel: Judentum und Holocaust zählen zu seinen Interessen und auch familiär ist er von der Sache nicht unberührt. Sein Großvater war jüdischer Exil-Ungar.
Ich versuche mit dieser Thematik zu spielen, immer wieder zu vergegenwärtigen wie Menschen handeln können, was Politik und Propaganda anrichten können.
Zu seinen Vorbildern dazu nennt er Paul Celan und Emanuel Ringelblum. Letzterer war Bewohner des Wahrschauer Ghettos. Statt vor der gezielten Aushungerung durch die Nationalsozialisten zu kapitulieren, wand er sich der Kunst zu. An seine Mitgefangenen appellierte er die Werke von jüdischen Gefangenen zu sammeln, Texte, Bilder, Fotographien, was es auch war. Die Menschen verhungerten, doch sammelten sie die Kunst ihrer Leidensgenossen – „Wir schreiben unsere Geschichte selbst“ so ein zugeordnetes Zitat.
Und das ist das was auch Adam Usi mit seinem Projekt tut. Die Interpretation seiner Wahrnehmungen und Gefühle in Töne gepackt für die Mitmenschen. In ihrer eigenen Sprachen, zur eigenen Interpretation.
Übrigens Adams erste LP Vakuum Mirage mit neun Songs erscheint am ersten September bei Young and Cold Records
Und wen es beruhigt: auch Adam kann keine Noten lesen…
Als allererstes möchte ich mich bedanken! 21 Leute haben am Gothic Friday im April teilgenommen (dazu kommen noch Shan Dark, die bereits 2013 einen Artikel zum Thema auf ihrem Schwarzen Planten veröffentliche und meine Wenigkeit) und nur eine Person davon musste ich zwingen motivieren doch auch mitzumachen. Damit macht ihr mir und dem gesamten Gothic Friday Team viel Freunde und viel Arbeit. Zudem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass diese rege Teilnahme unseren geschätzten Robert wohl am meisten überrascht hat.
Grufti Berufe
Gruftis und Gruftis, das scheint zusammen zu passen, also Gruftis aka Gothics und Gruftis aka Senioren. Vier der 23 Teilnehmer sind haben eine Ausbildung zum Altenpfleger oder sind in der mobilen Seniorenbetreuung. Zwei weitere lassen sich, als Erzieherin und Sozialarbeiterin ebenfalls dem Sektor Soziale Berufe zuordnen. Tanzfledermaus ortet ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Gothics und Sozialen Berufen und erklärt diesen in einem ihrer Kommentare wie folgt: „Sie fühlen selbst intensiv und sich daher gut in andere ein. Sie wollen die Gesellschaft, die sie in vielen Punkten kritisch betrachten, so weit es geht ein bisschen besser machen, ohne dabei laut zu werden und auf die Straße zu gehen. Eher im Stillen, Alltäglichen, wie auch schwarze Kleidung für viele eher ein stiller Protest ist.“
Welche Berufe üben die Spontis Leser noch aus?
Drei davon studieren, Rechtspsychologie, Visuelle Kommunikation und Geographie. Zwei sind Sekretärinnen. Eine ist Fachinformatikerin und ein anderer IT Fachmann mit Schwerpunkt CRM Software. Weitere Teilnehmer sind im Online Marketing oder als Online Redakteurin tätigt bzw. arbeiten im Kundenservice. Eine ist Werbeentwicklerin, eine gelernte Schauwerbegestalterin, wobei sie momentan als Köchin arbeitet und einer verdient sein Geld als selbstständiger Künstler. Des Weiteren befinden sich unter den Verfassern der Artikel ein Lokführer, ein Privat-Dozent, eine Rechtsanwaltsfachangestellte, eine Archäologin und ein Research Assistent.
Die beruflichen Werdegänge sind höchste unterschiedlich. Manche, wie Regin Leif, hatten von Kindheit an einen Traumberuf und arbeiten nun tatsächlich in diesem. Andere, wie Tanzfledermaus haben einen „Zickzack-Kurs“ beschritten und viel ausprobiert.
Hervorheben möchte ich, dass durchwegs eine hohe Zufriedenheit im Beruf geäußert wurde. In den allermeisten Fällen scheint der Beruf auch eine Berufung zu sein, eine Tätigkeit, die zwar immer wieder neue Herausforderungen mit sich bringt, aber prinzipiell gerne ausgeübt wird.
Wie Gothic und Beruf verbunden werden
Fledermama aus Shanghai: „Ich bin Goth und ich habe einen Beruf. Punkt.“
Ob sich Gothic und Beruf verbinden lassen und ob eine solche Verbindung wünschenswert ist, darüber sind die Teilnehmer des Gothic Friday geteilter Meinung. Während einige strikt zwischen Gothic und Beruf, zwischen Arbeit und Freizeit unterscheiden sehen andere die Verbindung als ganz natürlich an. Manche sehen das Thema sehr rational, wie etwa Fledermama: „Ich bin Goth und ich habe einen Beruf. Punkt.“ Andere betrachten es eher emotional, wie beispielsweise Zaeddyst, der die Auffassung vertritt, dass, wer sich im Berufsleben genauso zeigen und geben kann wie er ist entspannter und glücklicher ist. Stoffel betrachtet die Materie differenziert und gibt zu bedenken, dass es von mehreren Faktoren abhängt, ob und wie sich Gothic und Beruf verbinden lassen, etwas von der eigenen Persönlichkeit, dem Arbeitgeber und dem gewählten Beruf. Guldhan nimmt sich bei der Beantwortung dieser Frage dezidiert heraus: „Die Beantwortung der Frage überlasse ich den Gothics.“ Regin Leif nennt Gothic zwar ihren Lebensstil, gibt aber zu, dass sich auch ihr die Frage nie stellte. Bei ihr liegt das allerdings daran, „dass Szene und Beruf bei mir sich wirklich gut miteinander verbinden lassen und ich mir da auch nie wirklich viele Gedanken dazu gemacht habe und machen musste.“
Die Altenpflegerin Mia gehört zu denjenigen, die Gothic und Beruf strikt trennen. Angefangen damit habe sie unbewusst, mittlerweile macht sie es allerdings bewusst. Genauso hält es auch GM, die als Sekretärin arbeitet: „Mein Privatleben trenne ich strikt von der Arbeit, ohne jedoch meine Persönlichkeit an der Eingangstür anzugeben.“ Auch Simagljubka nimmt das Gruftisein am liebsten nicht mit in die Arbeit, um diese nicht zu stören und um nicht allzu viele Fragen von Kollegen zu provozieren. Arbeit soll seiner Meinung nach primär Geld einbringen und nicht zwingend zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse dienen. „Mit dieser Einstellung fahre ich nicht immer ganz angenehm und sie schränkt mich fast immer auch ein, doch für das Zusammenleben in der Arbeitswelt hat sie sich als sehr brauchbar erwiesen.“ Auch für Mone vom Rabenhorst ist das Büro eine „andere Welt“, wo sie das Geld verdient, mit dem sie sich ihre Welt außerhalb der Arbeit gestalten kann. Auch für Svartur Nott gehört Gothic in den Freizeitbereich: „Gothic ist Interesse und Leidenschaft, gehört damit in den Bereich der Freizeit bzw. Nicht-Arbeitszeit.“
Für Fledermama haben Gothic und Beruf grundsätzlich nicht viel miteinander zu tun, da ihr Beruf nur ein Teil ihres Lebens ist und den Bereich der Freizeit nicht beeinflusst. Dass man sich einen Beruf aussucht, der zur eigenen Person passt und mit dem eigenen Lebensstil sowie als möglich kompatibel ist betrachtet sie als selbstverständlich. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und persönlichen Vorlieben ist somit keine Gothic spezifische.
Jana Strangeplant, die Rechtsanwaltsfachangestellte pflichtet Fledermama insofern bei, als dass sie sagt, dass (ihr) Beruf mit Gothic nichts zu tun hat. „Und dennoch funktioniert es für mich miteinander.“ Sich selbst in der einen wie in der anderen Welt, innerhalb und außerhalb des Büros treu zu bleiben ist ihr wichtig: „Ich kann mir nicht vorstellen, in Job und Privatleben unterschiedliche Personen zu verkörpern.“
Am anderen Ende des Spektrums findet sich unter anderem Diana. „Mir ist das schon wichtig, den ich BIN schwarz. Durch und durch. Ich möchte auch Kleidungsmäßig das tragen, was ich möchte. Und das ist nun mal schwarz.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, meine Szenezugehörigkeit zur Gothic-Szene an einer Einrichtungstür abzulegen, innerlich wie äußerlich.“ Auch für die Fachinformatikerin Traumverliebt gehören Gothic und Beruf zusammen, da sich diese beiden Komponenten quasi in ihrer Person vereinigen. „Gothic ist ein Teil von mir, ich bin einfach eine Gruftschnecke. Das hört nicht auf, wenn ich mit morgens an der Zeiterfassung einbuche.“ Für Zaeddyst, den Künstler geht „das Ganze sehr fließend ineinander über, da meine Kunden zum allergrößten Teil aus der schwarzen Szene stammen.“ Für ihn müssen Szenezugehörigkeit und Beruf bis zu einem gewissen Grad kompatibel sein, damit er sich wohl fühlt. Ronny identifiziert Ähnlichkeiten zwischen seinem Beruf des Altenpflegers und der Szene, da er sich hier wie dort mit dem Thema der Vergänglichkeit auseinandersetzt.
Manchmal sind Szenezugehörigkeit und Arbeit auch auf andere Art und Weise verbunden, in dem Sinne, dass eines zum anderen geführt hat. Dies funktioniert, wie die Teilnehmer des Gothic Friday beweisen in beide Richtungen. Morella, die Rechtspsychologiestudentin hat beispielsweise über die Szene zu ihrem Studium gefunden. „Ich denke, dass meine Erfahrungen in der „Gothicszene“ (Irgendwie sind wir so gleich und doch so anders) nun ausschlaggebend dafür waren, dass ich anfing, mich besonders für das Thema Mensch und all seine Facetten zu interessieren.“ Diana hingegen fand über ihre Arbeit als Erzieherin, genauer gesagt über einen Jugendlichen, der in der Wohngruppe lebte, in der sie arbeitete, zur Szene. Ralf, der Lokführer, fand ebenfalls erst zur Szene als er bereits begonnen hatte ins Berufsleben einzusteigen, durch den Austausch mit anderen Lehrlingen.
Welche Abstriche in Kauf genommen werden
Shan Dark vom schwarzen Planeten: „Haare. Auch im Job geht da einiges und man kann Akzente setzen. Meine Faustregel seit Jahren: Hingucker ja, Schocker nein.“
Die meisten haben absolut kein Problem damit Kompromisse einzugehen, dem Chef ein Stück weit entgegen zu kommen, für Hygiene- und Sicherheitsvorschriften auf bestimmte Schmuckstücke zu verzichten, hin und wieder Farbe zu tragen oder sogar eine Uniform anzulegen. Dennoch wird auch oft auf persönliche Grenzen und No-Goes verwiesen, die interessanterweise oft mit den Haaren zu tun haben. Shan Dark erkannte in ihrem Artikel somit ganz richtig, dass Haare für Grufties schon immer wichtig waren.
Einige Teilnehmer erwähnen, dass sie, seit sie beruflich aufpassen müssen was sie anziehen, es umso mehr genießen sich in ihrer Freizeit ausleben zu können. „Umso dringender habe ich immer auf Phasen der Freizeit gewartet wo ich all diesen Überlegungen deutlich weniger unterworfen war.“ Schreibt Simagljubka und Cookie mutmaßt, dass sie unbewusst privat etwas nachholen muss und daher ihr Freizeitoutfit wieder dunkler geworden ist.
Shan Dark gibt in ihrem Artikel Survival Tipps für berufstätige Grufties. Das Motto dabei lautet: „Reduce tot he max.“ Ergo: „Reduziere Deinen Stil zu Beginn auf ein Minimum, mit dem Du Dich noch wohl fühlst, aber die neuen Kollegen nicht mit Dir selbst überforderst.“
Dass Kompromisse gemacht werden müssen sehen die meisten entspannt, da es zum Berufsleben dazugehört sich optisch bis zu einem gewissen Grad anzupassen bzw. auf praktische Kleidung zurückzugreifen. Guldhan weist in seinem Artikel darauf hin, dass das Beharren auf die eigene Individualität im beruflichen Umfeld zu Spannungen führen kann, die nicht ein jeder aushalten kann oder will, weshalb man sich darauf gefasst machen sollte Abstiche machen zu müssen. „Denn das der Mensch nun einmal die Sympathiefrage, in erster Instanz, den Registern der Oberflächlichkeit unterwirft, dürfte nicht das größte Geheimnis sein. Und ist in Sachen Job oder Beruf recht deutlich anhand der Debatte zum Thema »Passbild bei Bewerbungen« zu erkennen.“
Fledermama hat zum Thema einen pragmatischen Zugang: „Wenn mein Beruf einen Dresscode erfodert – sei es Anzug und Schlips, Uniform oder Laborkittel oder sonstwas – dann ist das halt so!“ Trotzdem würde sie inzwischen keine Abstriche bei ihrem Äußeren mehr in Kauf nehmen. Sie hat bunte Haare, trägt schwarze Kleidung und versteckt weder ihre Tattoos noch ihren Sidecut: „Und wenn ein Arbeitgeber damit ein Problem hat, dann ist es nicht der richtige Arbeitgeber für mich.“ Früher war das noch anders, da sei sie zum Vorstellungsgespräch im mintgrünen bzw. roten Hosenanzug erschienen. Diana hat ebenfalls darauf geachtet beim Vorstellungsgespräch weniger schwarz zu tragen als sonst.
In Punkto Vorstellungsgespräch rät Shan Dark „auf jeden Fall das anzulegen, worauf du an dir selbst auf keinen Fall verzichten möchtest, wenn du die Stelle bekommst.“ Denn „es ist falsch, total stino zum Gespräch zu gehen und dann in der ersten Arbeitswoche den Obergruftie raushängen zu lassen. Das ist nicht ehrlich, nicht authentisch und verprellt nur die Leute.“
Wer sich gar nicht anpassen muss sind Zaeddyst, der Künstler und die Studenten, Morella, Magister Tinte und Svartur Nott. Sie alle genießen die Freiheit sich genauso zeigen zu können wie sie sich am wohlsten fühlen. Auch Tanzfledermaus musste, als sie noch in der Kreativbranche tätig war selten darauf achten was sie trägt, da dort, wie sie sagt ein individuelles Outfit durchaus gerne gesehen wird. In der Archäologie geht es auch entspannt und düster zu, da sich dort laut Regin Leif genug „Freaks“ rumtreiben.
Stoffel arbeitet zwar von zu Hause, muss aber regelmäßig ins Büro: „dadurch wurden die „Bürotauglichen“-Klamotten hervorgekramt, im freundlichen Schwarz versteht sich.“
Minimal anpassen müssen sich Cookie, Shan Dark, Diana oder GM. Sie tragen in der Arbeit größtenteils, aber nicht ausschließlich schwarz, schminken sich dezent und achten darauf, dass der Schmuck niemandem in die Quere kommt. Mone vom Rabenhorst betrachtet ihre „entschärften“ Klamotten als Berufskleidung und besitzt zudem „Büro-Pikes.“ Gewisse Kleidungsstücke sind für sie No-Goes: „Ein Kostüm mit hohen Schuhen oder sowas würde ich jedoch nie anziehen. Dann würde ich doch eher den Job wechseln, denn darin würde ich mich definitiv unwohl fühlen. So viel Geld könnte man mir gar nicht bezahlen.“ Ähnlich sieht es Seniorenbetreuerin Anna, die sich in bestimmten Sachen schlicht nicht wohlfühlen würde: „Müsste ich morgens mit Püntkchenrock und Blümchenbluse in Pastellpink aus dem Haus, wäre der Tag für mich gelaufen und genau das würde ich dann wohl auch ausstrahlen.“ Stoffel bezeichnet die Wahl von Kleidung oder Schmuck für das Büro als „Drahtseilakt“ zwischen dem, was sie gerne tragen würde und dem was von Seiten der Firma verlangt wird.
Fogger erzählt als einziger von Kompromissen abseits von Äußerlichkeiten. Der IT-Fachmann muss nämlich vor allem darauf achten was er auf Facebook postet und für wen welcher Post dort sichtbar ist, da sich dort sowohl Arbeitskollegen als auch Freunde aus der Szene tummeln.
Arbeitskleidung tragen müssen die Altenpfleger unter den Teilnehmern, welche in ihrem Fall weiß ist. Die Fachinformatikerin Traumverliebt muss Sicherheitsschuhe tragen, Lokführer Ralf muss sich an die Kleidervorschrift, gelbe Sicherheitsjacke und Helm halten.
Guldhan und Tanzfledermaus haben ebenfalls bereits Erfahrungen mit dem Tragen einer Uniform gesammelt. In Guldhans Fall war diese blau, weiß oder türkis und sah, wie er zugibt, scheiße aus. Heute, als Privat-Dozent ist er froh um das Privileg „unzensiert“ auftreten zu können und sich dabei keine Sorgen um eventuelle Konsequenzen machen zu müssen. Tanzfledermaus musste, während sie in einem Bioladen gearbeitet hat, eine neongrüne Uniform tragen, eine Erfahrung die sie als „grenzwertig“ beschreibt. Inzwischen ist sie als Köchin tätigt, wobei schwarze Kleidung kein Problem darstellt. Diese fällt in ihrem Fall zumeist unspektakulär aus: „Da ist mir etwas mehr Schlaf mittlerweile wichtiger als äußerliche Selbstverwirklichung.“ Des Weiteren schreibt sie: „Ich für meinen Teil kann mit Kompromissen in Bezug auf Arbeitskleidung leben, sofern mir eine gewisse Narrenfreiheit in Sachen Frisur und Haarfarbe gewährt wird.“
Frisur, Haare, Haarfarbe – das sind die Bereiche in denen die wenigsten bereit sind sich auf Kompromisse einzulassen. Viele haben bunte Haare oder einen Sidecut, der mal versteckt, wie im Fall von Shan Dark oder Mone vom Rabenhorst, mal offen, wie beispielsweise bei Feldermama getragen wird. Sogar Guldhan, der es für lächerlich hält sich aufgrund von Kleinigkeiten wie der Farbe der Hose oder eines Armbandes die Chance auf Arbeit zu verspielen, beschreibt sich in einem Punkt als radikal: Niemals kann er sich vorstellen sich dauerhaft den Bart komplett zu rasieren. Er könnte, wie er schreibt „wohl auch wahnsinnig genug sein, damit eine berufliche Zukunft oder gar Karriere zu verweigern. Denn ganz ehrlich, was nützt schon Karriere, wann man sich dafür nicht mehr im Spiegel betrachten kann.“ Svartur Nott meint zwar nicht die Haare im Gesicht, sondern die auf seinem Kopf, schließt sich aber ansonsten Guldhan an: „Wenn man mir beispielsweise damit kommen würde, ich solle doch bitte meine Haare kurz schneiden lassen (sie sind aktuell ziemlich lang), wäre das für mich ein NoGo.“ Mia, an deren Sidecut sich bis dato noch niemand gestört hat, empfände es als lächerlich wegen ihrer Frisur nicht eingestellt zu werden. Shan Dark empfiehlt bei Haaren das Motto: „Hingucker ja, Schocker nein.“
In den meisten Fällen sind bunte Haare für niemanden ein Problem. Wobei manche Chefs bei diesem Thema ganz klare Vorstellungen zu haben scheinen. So wurde etwa Mone vom Rabenhorst aufgefordert ihre Haare bloß nicht blau zu färben. Anna hingegen erzählt, dass sich die Leute über „Farbtupfer“, sei es in Form von Haarfarbe oder in Form von Tätowierungen freuen würden.
Die Reaktionen der anderen
Wie eingangs bereits erwähnt sind die meisten Teilnehmer des Gothic Friday mit ihrem momentanen Beruf zufrieden. Das liegt mitunter auch daran, dass sie sich dafür nicht großartig verkleiden und verbiegen müssen und auch kaum negative Reaktionen, sei es von Kunden, Kollegen oder Chefs bezüglich ihres Auftretens bekommen. Negative Reaktionen kamen zumeist von einer bestimmten Person und nicht beispielsweise von Kollegen oder Kunden allgemein. Zum Großteil wird den Grufties im Job Interesse entgegen gebracht und diese scheuen sich nicht davor ihre Szene zu erklären, Bands vorzustellen oder selbstgenähte Kleidung zu präsentieren. Akzeptanz ist zumeist kein Problem.
Shan Dark, Mia, Diana, GM und Ralf haben in ihrer beruflichen Laufbahn allerdings auch schon schlechte Erfahrungen gemacht.
Shan berichtet folgendes: „Ich kannte mal einen Abteilungsleiter in der IT, mit dem ich öfters mal zu tun hatte und der sich immer abweisend und mürrisch mir gegenüber verhielt.“ Später fand sie heraus, dass er sich deshalb so verhielt, weil er ihr, die ihr übertragenen Kompetenzen aufgrund ihres Äußeren nicht zutraute. Mia berichtet von einer Bewohnerin, welche die Pflege durch sie verweigerte, da sie sich an ihrem Aussehen störte und Diana wurde in der Probezeit gekündigt, da ihre Chefin, die früher selbst schwarz gewesen ist, ihre gruftige Kleidung als Zeichen dafür, dass Diana eben noch nicht erwachsen war, angesehen hat. GM muss sich zeitweise mit „dümmlichen, unreflektierten Fragen“ auseinandersetzen. Kollegen geben ihr ungefragt Stylingtipps, fragen ob Kirchen durch Gruftis entweiht werden oder halten sie für eine Domina. Ralf musste mehrere Gespräche mit seinem Dienststellenleiter und seinem Personalchef führen, wobei es vor allem um sein Erscheinungsbild ging. Wirklich ergiebig waren diese Gespräche allerdings nicht: „Auf die Beantwortung meiner Frage, ob es eine Farbvorschrift für Haare oder das Erscheinungsbild geben würde warte ich bis heute.“
Die positiven Reaktionen umfassen interessiertes Nachfragen, beispielsweise zu Tattoos oder Bands und Komplimente zu Frisur und Outfit. „Meist ist auch das Interesse an der Szene größer als die Abneigung.“ Meint Regin Leif, wenn sie mal wieder von Kollegen ausgefragt oder von Kunden beäugt wird. Manchmal führt ein schwarzes Outfit auch zu netten Assoziationen und Spitznamen. Die Kinder, mit denen Diana arbeitet mögen ihr Aussehen etwa, weil es sie an Piraten erinnert und die Kollegen in Mones Büro nennen sie „Schwarze Hexe“, aber auch „Engelchen.“
Marion Levi: „…ich genieße die relative Freiheit nicht großartig zwischen Arbeits- und Freizeitkleidung unterscheiden zu müssen.“ Marion ist Mitglied des Gothic-Friday Teams und hat sich diesem April-Thema gewidmet.
Einige haben die Erfahrung gemacht, dass ihr alternatives Aussehen ihnen dabei hilft, mit Kunden in Kontakt und ins Gespräch zu kommen. Anna hat beobachtet: „Das Interesse ist immer riesig und es gibt immer ein Gesprächsthema.“ Simagljubka beschreibt: „Weder KooperationspartnerInnen noch Versuchsteilnehmer haben sich jemals kritisch geäußert oder verhalten, im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, dass sie sich so schneller geöffnet haben als ich das sonst erwartet hätte und die Zusammenarbeit besonders angenehm war.“ Auch Ralf hat in diese Richtung gehendes erlebt. Ihm fiel auf, dass wenn er mit Kollegen in einer Gruppe zusammenstand meist er derjenige war, der von den Reisenden angesprochen und um Auskunft gebeten wurde.
Summa summarum
Im Endeffekt bringt es Svartur Nott auf den Punkt: „Gothic und Beruf können zusammengehören, müssen es aber partout nicht.“
Viele haben in ihren Artikeln oder Kommentaren zum Ausdruck gebracht, dass sie sich anfangs unsicher waren, ob sie denn überhaupt etwas zum Thema „Gothic und Beruf“ beizutragen hätten. Diese Unsicherheit resultierte möglicherweise daraus, dass viele ihre Geschichten und ihren beruflichen Werdegang nicht als interessant genug, ergo nicht als erzählenswert empfunden haben. All die eingegangenen Artikel beweisen das Gegenteil und ich freue mich, dass sich so viele dazu entschlossen haben ihre Erfahrungen mit der Spontis Family zu teilen. Ich war überrascht über die Vielfalt der Berufe und fand es immer wieder schön zu lesen, wie alle ihren Weg gegangen sind und dass sie etwas gefunden haben das sie gerne tun und das sich auch, mal mehr mal weniger mit ihrer schwarzen Lebensweise vereinbaren lässt.
Abgesehen davon sind die eingetroffenen Eintrittskarten auch die Gelegenheit, das alljährliche Spontis-Family-Treffen anzukündigen, das zum 25. Jubiläum des WGT bereits zum 6. mal stattfindet. Jeder, der Spontis aus welchen Beweggründen auch immer, interessant findet, ist eingeladen, sich am Montag, dem 16. Mai 2016 ab 14:00 zu einem zwanglosen Treffen im Park hinter der Moritzbastei in Leipzig einzufinden. Wir freuen uns über jeden unangekündigten und angekündigten Menschen, denn jeder ist dazu eingeladen, die Leute hinter den Kommentaren und Artikeln kennen zulernen. Es gibt keinerlei Verpflichtungen, es kostet nichts und ein Festivalbändchen ist auch nicht notwendig. Facebooker können ihre Absicht auf einer entsprechenden Veranstaltungsseite bekunden, eine Anmeldung ist jedoch zum Besuch des Treffens nicht zwingend erforderlich.
Was wird geboten?
Gruftis aus ganz Deutschland, die auf ähnlicher Wellenlänge zwischen Melancholie und Heiterkeit schweben.
Der kostenlosen und obligatorische Button zum Spontis-Family-Treffen 2016, der in diesem Jahr von Sabrina Handt in umwerfender Art und Weise gestaltet wurde.
Das mittlerweile legendäre, streng limitierte (100 Exemplare) und höchst informative Spontis-Magazin 2016, das – ja, tatsächlich! – bereits fertig gedruckt ist.
Die unbezahlbare Möglichkeit, Kontakte aus dem virtuellen in das echte Leben zu überführen.
Kekse, weil man auf der dunkle Seite des Lebens immer Kekse haben sollte.
Eine unvergessliche Erinnerung und eine Hommage an die Wurzeln der Szene in Form einer Teilnahme am größte Pikes-Sitz-Kreis des WGT.
Was musst Du mitbringen?
Ein Decke oder Sitzunterlage, je nach Witterung auch einen Regenschirm
Verpflegung in Form von Getränken
Unvoreingenommenheit und Neugier
Wenn vorhanden: Deine Foto- oder Videokamera und die Lust das Geschehen und die Menschen zu dokumentieren
Wegbeschreibung für Erstbesucher
Das Treffen findet im kleinen Park hinter der Moritzbastei (auf der Karte rechts oben) statt, also direkt im Zentrum von Leipzig. Von der Innenstadt kommend lasst ihr die Moritzbastei links liegen bis ihr an der Kreuzung Schillerstraße/Universitätsstraße steht, hier könnt ihr den Park bereits sehen. Ihr geht ein Stück links und folgt dem ersten Weg durch den Park (die Moritzbastei liegt in Eurem Rücken). Habt ihr die Gabelung erreicht, solltet ihr einen großen Baum sehen unter dem ein paar Menschen herumstehen oder rumsitzen. Das sollten wir sein. Von der Haltestelle der Tram (auf dem Bild der linke Startpunkt) ist es ebenso leicht. Nehmt einfach die Linie 11 von der Agra oder vom Hauptbahnhof aus und merkt euch die Haltestelle “Wilhelm-Leuschner-Platz”. Ihr überquert die Ampel am Ende der Haltestelle (bei Grün) und folgt dem kleinen Weg in den Park um dann gleich rechts über die Wiese zu laufen und unter dem großen Baum die netten Menschen zu treffen. Die unmittelbare Nähe zum HBF und auch im Umfeld befindliche Parkplätze machen es sogar möglich, das Treffen
Hinweise
Das Treffen findet bei jeder Witterung statt, obwohl wir natürlich hoffen, dass es so schön wird, wie in den vergangenen Jahren. Sollte sich dennoch etwas ändern, wir darüber HIER (und bei FB) informiert. Uns ist bewusst, dass wir nicht jedem gerecht werden können und garantiert mit der Terminplanung (wenn der Programmplan des WGT erscheint) des ein oder anderen kollidiert. Jeder ist willkommen, egal ob man nur 10 Minuten bleibt oder länger verweilt, was ich persönlich natürlich hoffe. Da dies ein öffentlicher Park ist, bitte ich um Rücksicht auf Mitmenschen, Stinos, Umwelt und Natur :-)
Das ist ja wohl das Letzte! Richtig. Der Artikel von Svartur Nott, selbst ein Mitglied des Gothic-Friday-Teams, ist der letzte Teilnehmer des April-Themas. Nach anfänglichem Zögern haben sich (sehr zu meinem Erstaunen) immer mehr Leute angesprochen gefühlt, einen Beitrag einzureichen, was mich sehr freut. Svartur ist noch auf dem Weg der Bildung und beschäftigt sich vornehmlich mit unserer Landschaft. Irgendwie jedenfalls. Noch genießt er das Studentenleben hinsichtlich seines Äußeren, ist aber durchaus bereit, Abstriche zu machen, wenn der „Ernst“ des Lebens beginnt.
Welchen Beruf strebe ich an?
Ich bin Geograph, bzw. Student der Geographie mit naturwissenschaftlicher Ausrichtung. Falls jetzt jemand das Gesellschaftsspiel, welches ich als Aufhänger genommen habe, im Sinn hat, dem möchte ich die Ansicht etwas geraderücken: Geographen beschäftigen sich mit dem System Erde und wie es in Beziehung mit dem Menschen funktioniert. Es gibt eine sozialwissenschaftliche Ausrichtung, die Humangeographie, welche sich beispielsweise mit Stadtplanung, Landesplanung, Infrastruktur, Geldströmen, Geopolitik und dem teils abstrakten Raum-Begriff etc. befasst.
Auf der anderen Seite steht dann die Naturwissenschaftliche Ausrichtung, die Physische Geographie. Da geht es um Landschaften & ihre Entwicklung, Geologie, Böden, Hydrologie, Klima, Vegetation, und vieles, vieles mehr. Ein wichtiges Werkzeug sind Karten, welche für Analysen genutzt, aber auch selbst mithilfe von Geographischen Informationssystemen (kurz: GIS) zur Darstellung von Sachverhalten erstellt werden. Dies als knappe Erläuterung, damit der Leser ungefähr eine Vorstellung hat, womit ich mich beschäftige.
Dieses Studium habe ich seinerzeit gewählt, da ich wissen wollte (und will), wie die Welt, in der ich lebe, funktioniert. Ich war seit jeher fasziniert von der Vielfalt, die unsere Erde und das Miteinander uns bietet, wollte hinter die Kulissen schauen und nicht nur die Fassade betrachten. In die Richtung getrieben bin ich wohl schon in früher Kindheit: Zu Beginn des Lesen-Lernens schenkten mir meine Eltern einen großen dicken Weltatlas, welcher wohl im Nachhinein gesehen, wegweisend war (Die Bilder darin waren einfach klasse). Generell bin ich schon immer gerne im Grünen gewesen, habe mich in Wald und Wiesen herumgetrieben (Berge gabs bei mir in der Heimat keine, höchstens kleine Hügelchen) und kenne quasi jede noch so unzugängliche Ecke im Umkreis von 20 km um meinen damaligen Wohnort. In der Schule habe ich, wenn es langweilig wurde, Karten über Karten gemalt , was die Lehrer größtenteils hinnahmen (manche Kunstwerke besitze ich heute noch), nur der Geographie-Unterricht war IMMER interessant – was sicher nicht zuletzt an den kompetenten Lehrern lag. Und als die Schule vorbei war, habe ich mich umgesehen, was ich mit meinen Fertigkeiten anfangen kann. Ich wollte irgendetwas machen, was all meine diversen Interessengebiete möglichst vereinen sollte. Ausbildungen gaben mir diese Möglichkeit nicht, so lief es rasch auf ein Studium hinaus und die Wahl fiel mir nicht schwer. Neben Geschichte und Politikwissenschaften war eben die Geographie meine Wahl. Auch deshalb, weil der Matheanteil – zumindest dachte ich das damals – relativ gering ist.
Nach Jahren des Studiums schreibe ich nun aktuell an meiner Masterarbeit. Was danach kommt: Arbeit. Notfalls irgendwo, deutschlandweit. Auch wenn es dann hieße, liebgewonnene Menschen zurücklassen zu müssen, ich kann da nicht sehr wählerisch sein und will ja schließlich mal nicht mehr nur von der Hand in dem Mund leben. Als Geograph ist man eine Art Generalist, man hat in Vieles schon einmal reingeschnuppert, was von Vorteil sein kann. Ein Nachteil ist jedoch, dass die Berufsbezeichnung extrem selten genutzt wird, passende Stellen häufig über andere Berufsbezeichnungen laufen (bspw. Klimaschutzmanager, Stadtplaner, Verkehrsplaner, Ingenieur für Baugrund, GIS-Analyst, etc.). Tja, und manche Arbeitgeber haben schlicht keine Vorstellung davon, was wir können. Hinzu kommt die sowieso bescheidene Arbeitsmarktlage, auch für Wissenschaftler. Sehen wir mal, was die Zukunft bringt und wo es mich hinverschlagen wird…
(Wie) Lassen sich Gothic und Beruf verbinden und ist mir das überhaupt wichtig?
Nun, ich sehe das ganz simpel: Gothic und Beruf können (in den seltensten Fällen) zusammengehören, müssen es aber partout nicht. Ein Job ist dazu da, seine Qualifikation auszuführen, nebenbei ausreichend Geld zu verdienen, etwas zu bewirken und sich nach Möglichkeit selbst zu verwirklichen. Gothic ist Interesse und Leidenschaft, gehört damit in den Bereich der Freizeit bzw. Nicht-Arbeitszeit.
Welche Abstriche würde ich in Kauf nehmen?
Eine Frage, die mich schon länger beschäftigt. Der Arbeitgeber kann einerseits mehr oder minder vorschreiben, wie man auf Arbeit rumzurennen hat, siehe ‚Corporate Identity‘ oder ‚seriöses Auftreten‘. Wenn ich einen Job haben will, ist daher ein wenig Anpassung unvermeidlich – es sei denn ich lande irgendwo, wo es vollkommen egal ist, wie ich rumlaufe.
Andererseits hätte ich ein arges Problem damit, mich komplett glattbügeln zu lassen und mich verleugnen zu müssen. Nein, sorry, ohne mich. Wenn man mir bspw. damit kommen würde, ich solle doch bitte meine Haare kurz schneiden lassen (sie sind aktuell ziemlich lang), wäre das für mich ein NoGo. Einerseits weil ich mit komplett kurzen Haaren so richtig besch…eiden aussehe, andererseits betrachte ich sie in Zeiten, in denen ehemals subkulturell besetzte und nun Mode seiende (ein tolles Wort) Frisuren von jedem Volldepp getragen werden, als ein Statement. Und auch wenn ich schön ausrasierte und evtl. aufgestellte Haare – auch an mir – toll finde, bin ich Realist genug, um zu erkennen, dass man so wohl eher schwer an einen Job rankommt. Da bleibe ich dann doch lieber bei meinem Kompromiss.
Ich sehe den kommenden Vorstellungsgesprächen daher letztlich mit gemischten Gefühlen entgegen…
Welche Vorurteile oder Probleme tauchten bisher im Umgang mit Chefs, Kollegen oder Kunden auf?
Zur letzten Frage kann ich leider keine konkrete Antwort geben. Im universitären Umfeld ist es bisher problemlos möglich gewesen so rumzurennen, wie man möchte, da war bzw. ist das Umfeld sehr liberal. Ob nun wie frisch aus dem Bett gefallen wie einige Zeitgenossen oder gestriegelt wie andere. Es interessiert das Lehr- und Forschungspersonal nicht die Bohne. Ich bin jedenfalls bisher noch nicht angeeckt, laufe allerdings jetzt auch nicht aufgetakelt durch die Gegend bzw. falle unter den Mitmenschen scheinbar nicht weiter auf. Wie das später sein wird, keine Ahnung. Wenn es da ein Problem geben sollte, wird das halt in aller Ruhe beredet oder zivilisiert ausdiskutiert ^^.
Die ehemalig „Egalisierte“ Pikes-Liebhaberin, die den Lesern unter ihrem Pseudonym Mone vom Rabenhorst bekannt sein dürfte, fügt sich dem Gruppenzwang und folgt ihrem Ehemann und vielen anderen Lesern als Teilnehmerin des Gothic Fridays. Was es mit dem „Egalisierten“ auf sich hat, was Mone beruflich macht und wie Szene-Zugehörigkeit und Berufsleben unter einen Iro bringt, erfahren wir in ihrem Artikel zum April-Thema SchwarzArbeit.
Ok. Ich schreibe dann jetzt auch mal was. Könnte man jetzt Gruppenzwang nennen, weil mein Gatte abgeliefert hat, oder auch damit begründen, dass mein Chef gerade in Urlaub ist und ich die Mittagspause gut zum Schreiben nutzen kann. Also los geht’s.
Seit Kleinkindesbeinen an bin ich mit dem Ponyvirus infiziert. Könnt Ihr gerne drüber lachen, ist aber nun mal so. Fellgesichter im Allgemeinen waren mir schon grundsätzlich immer lieber als Menschen. Daher wollte ich natürlich auch beruflich etwas mit Pferden machen. Im Teenageralter absolvierte ich daher mein Schulpraktikum 14 Tage lang auf einer Trabrennbahn, im März, es war von den Temperaturen her noch richtig Winter. Ihr könnt Euch im Traum nicht vorstellen, wie arschkalt es auf einem Sulky – selbst mit den dicksten Klamotten und drei Paar Handschuhen – hinter einem Trabrennpferd auf der Trainingsbahn ist! Nach den 14 Tagen war ich dann fertig mit „Pferden im Beruf“. Ich wollte dann doch lieber einen kuscheligen, warmen, gemütlichen Bürojob, denn Papierkram (Schule, Briefe schreiben, Organisation, Listenkram) mochte ich auch schon immer.
Zu meiner Jugendzeit konnte man sich noch mit einem guten Zeugnis die Lehrstelle auswählen. Und so entschied ich mich – aus 5 Angeboten heraus – im September 1989 für eine Ausbildung in einem großen Industrieunternehmen, in dem ich übrigens bis heute tätig bin, auch wenn der Name sich unzählige Male verändert hat oder die Firma verkauft und/oder umorganisiert wurde. Ich wollte nun unbedingt Sekretärin werden. Was ich dann auch wurde.
Mir bereitet es große Freude, mein/e Chef/s zu terminieren, zu organisieren und durch die große weite Welt zu schicken, hier steht ganz klar mein Organisationstalent im Vordergrund, ich kann mich voll einbringen und entfalten und niemand fuhrwerkt mir dazwischen. Zusätzlich arbeite ich auch noch als Einkaufs-Sachbearbeiterin. So wird es nie langweilig, es macht richtig Spaß. Und ich bekomme auch noch Geld dafür!
Von der „mit der Ratte auf der Schulter“ zur egalisierten Ponyhof-Betreiberin
Während der Berufsschule war ich natürlich das schwarze Schaf der Klasse, ich hatte kein Problem damit, mit toupierten Haaren, Minirock, zerfetzten Strumpfhosen und Pikes dorthin zu gehen. Im Büro selbst habe ich mich natürlich etwas angepasst. Ich trug zum Beispiel Pikes, schwarze Jeans und auch mal lila Pullis oder Blusen, dazu eigentlich immer einen Zopf, weil mir die langen Haare im Gesicht auf den Zeiger gingen. Mein Sidecut war nicht bis zu den Schläfen hoch, daher bei blonden/blondierten Haaren auch kein Problem. Ich hatte damals – wie heute – nie ein Problem damit, mit „entschärftem“ Outfit ins Büro zu gehen. Zum einen muss es morgens schnell gehen, zum anderen sehe ich das einfach als Berufskleidung, es ist für mich eine andere Welt. Irgendwo muss die Kohle herkommen, mit der ich mir meine Welt außerhalb der Arbeit schön mache.
Mein jetziger Chef kennt mich noch „von früher“. Er erzählt schon mal gerne in lustiger Kollegen-Runde, wie ich früher herumgelaufen bin „mit der Ratte auf der Schulter“ und den „hohen Schnallenstiefeln“. Jaja. :-)
Mit diesem leicht angepassten Outfit konnte ich kurz nach meiner Ausbildung (1991) auch den ersten festen Job als Sekretärin im Vorzimmer bekommen. Ich konnte den damaligen Chef – schon während der Ausbildung – mit meinem Können überzeugen. Er sagte immer: „Laufen Sie rum wie Sie möchten, so lange Sie sich die Haare nicht blau färben…!“ Ok, prima.
Ende 1992 hatten mein Gatte und ich vorübergehend andere Dinge zu tun, anstatt uns um Outfits Gedanken zu machen oder uns um sonstige Szenedinge zu kümmern. Und mit dem Einzug in unseren Rabenhorst auf dem Land traten so viele freiwillige und schöne Baustellen an uns heran, dass wir auch keine Zeit mehr zum Weggehen hatten. Mein schwarzer Humor, meine persönlichen Eigenschaften und Vorlieben und natürlich mein großartiger Musikgeschmack (haha) blieben mir selbstverständlich in dieser Zeit erhalten. Ich selbst egalisierte in dieser Zeit mein Äußeres völlig. Fotos aus dieser Zeit von mir sind so gut wie nicht vorhanden, es sei denn, ein Fellgesicht ist mit drauf und ich bin im Hintergrund. Ich gefiel mir nie auf den Bildern, war völlig unfotogen. Wir gingen nie weg (warum auch, die Musik auf normalen Partys war halt doof) und die meiste Zeit verbrachte ich mit der Ausübung meiner zahlreichen Hobbys rund um die Fellgesichter und dem Rabenhorst. Demzufolge gab es in dieser Zeit auch keine „optischen“ Probleme am Arbeitsplatz. Meine coolen Bilder „von früher“ zeigte ich immer gern, wenn ich von Kollegen oder Bekannten danach gefragt wurde und ich war sehr stolz darauf.
Irgendwas läuft falsch
Knapp 20 Jahre später – und aufgrund der Egalisierung mittlerweile 99 Kilo auf die Waage bringend -, also Anfang 2012, merkte ich, dass irgendwas fehlt und falsch läuft mit mir. Was es war, merkte ich dann definitiv, als ich diverse Leute „von früher“ bei Facebook traf und mich durch hunderte unserer alten Szene-Bilder klickte. Es traf mich quasi über Nacht. Ich wollte mich wieder mehr um mich selbst kümmern, auch äußerlich. Und weg gehen wollte ich auch mal wieder. Und so begann im Jahre 2012 die äußerliche Verwandlung in eine Person, die sich auch mal selbst wieder im Spiegel gefällt (wenn nur nicht diese mittlerweile aufgetauchten doofen Falten wären). Die ersten 20 Kilo verschwanden wieder auf der Waage. Dies stellte ich mir selbst als Grundbedingung, bevor ich wieder weg gehen wollte.
Einige meiner zahlreichen Freizeit-Beschäftigungen wurden ebenfalls eingeschränkt und/oder optimiert, so dass wir dann endlich wieder zu schwarzen Veranstaltungen gehen konnten. Die Klamotten im Kleiderschrank wurden nach und nach wieder dunkler und ich gehe inzwischen mit einer Leidenschaft für schwarze Klamotten shoppen (Second Hand, Trödelmärkte, C&A, P+C und Co.), die ihresgleichen sucht. Kein Wunder, wenn einem 20 Jahre lang egal ist, was man trägt. Und so – um mal wieder zum Berufsthema zurück zu kommen – wurde natürlich auch die Kleidung im Büro wieder dunkler. Ich kombiniere, genau wie früher, schwarze Hosen und dunkle, andersfarbige Oberteile oder Jeans/schwarze Oberteile. Dazu trage ich Silberschmuck und schwarze Schuhe, natürlich habe ich mir auch ein paar „Büro-Pikes“ in England bauen lassen, haha.
Die krasseste Veränderung war natürlich das Umfärben meiner Haare von Weissblond auf Schwarz im Mai 2014. Mein armer Chef war völlig irritiert, als er morgens ins Büro kam und anstelle einer Blondine nun „etwas Schwarzes“ vor seiner Tür hockte. Viermal am ersten Tag äußerte er sich insofern, dass er sich daran erst einmal gewöhnen müsse. Ungewöhnlich für einen Chef, der sonst NIE irgendwelche privaten Äußerungen von sich gibt. Aber letztendlich – habe ich so im Gefühl – fand er die Verwandlung prima, vielleicht auch, weil ich abgenommen hatte. Zeitgleich trug ich meine ersten Kontaktlinsen anstelle Brille und alleine diese Tatsache ließ mich vermutlich Zufriedenheit mit mir selbst ausstrahlen.
Man nennt Sie „Engelchen“
Mit meinem schwarzen Humor kommen aber alle Kollegen (die übrigens auch alle immer gern selbst böse Witze reißen) prima klar und die liebevolle Bezeichnungen meiner Kollegen für mich reicht von „Chefin“ (ich muss als rechte Hand des Chefs auch viel Arbeit an sie delegieren – haha) über „Wachhund“ über die „schwarze Hexe“ bis zum ……………. „Engelchen“….. aaaargh! ENGELCHEN!!!
Meine direkten Kollegen wissen alle, was ich „früher“ getrieben und wie ich ausgesehen habe und sie wissen auch, was ich heute so privat treibe, sie kennen auch viele aktuelle Fotos von mir und können es kaum fassen, wie ich – graue Maus – mich verwandeln kann. Und wenn sie es – nicht selten – riskieren, mal wieder auf meine Kosten einen Lacher herauszuholen, ob ich Karneval am Wochenende hatte oder ähnliches, kontere ich einfach mit: „Na? Und selbst so? Couch, Bier und Fußball?? Super!“ Diese kleinen (eigentlich lieb gemeinten ) Mobbingangriffe gehen in der Regel zu 100 % für mich aus, da habe ich schon gutes Training.
Mein Sidecut ist bereits relativ hoch. Ich hätte ihn eigentlich gerne noch höher, aber das könnte mit der Tarnung im Büro problematisch werden. Ich muss meine Haare leider immer offen tragen, um diesen zu verbergen. Nicht, dass meine Kollegen oder mein Chef Probleme damit hätten, aber ich denke nun einmal ein bisschen weiter. Ich liebe meinen Job ohne Ende und möchte ihn auch die nächsten 20 Jahre noch behalten.
Eine „alte Frau mit 45 Jahren, Glatze an der Seite und angemalten Augenbrauen (das muss ich machen, weil ich blond bin und sonst komisch aussehe)“ passt halt optisch nicht in ein Vorzimmer von wichtigen Chefs, die mit anderen wichtigen Chefs zu tun haben. Die reden ja auch mal (privat) miteinander und ich möchte nicht, dass mein Chef dann „doof dasteht“ mit seinem Fang (also mir) ;-). Also übertreibe ich nicht. In den nächsten 2 Jahren wird mein Chef vermutlich in Rente gehen und ein Nachfolger wird (hoffentlich) kommen. Es gibt hier auch noch viele andere „hübsche, junge Damen in schicken Klamotten und High Heels“ – um es mal etwas überspitzt auszudrücken. Wer will dann schon mich – egal was ich kann??? Ein Kostüm mit hohen Schuhen oder sowas würde ich jedoch nie anziehen. Dann würde ich doch eher den Job wechseln, denn darin würde ich mich definitiv unwohl fühlen. So viel Geld könnte man mir gar nicht bezahlen.
Wieder ist ein völlig neues Gesicht, oder besser gesagt ein völlig neuer Name, im Post-Eingang des Gothic Friday erschienen. Simagljubka steht im russischen wohl für „Winterlieb“, wie mir der Verfasser der E-Mail offenbart. Im Anhang: sein Beitrag für das Thema des Gothic-Friday im April. Ein wenig beeindruckt war ich dann beim Öffnen schon, als ein recht wortgewaltiger Beitrag meine ganze Konzentration einforderte und ich mich die ein- oder andere Formulierung zum hochziehen meiner Augenbrauen brachte. Im Fazit hat es mich neugierig gemacht auf den Menschen hinter der kleinen, weißen Blume.
Mein erster Spontis Beitrag, und gleich auch ein positiver, obwohl vielleicht auch einer der Feigheit und in der Ermöglichung von Feigheit natürlich auch Negatives offenbart.
Bevor ich nun meine Arbeitserfahrung schildere, möchte ich kurz erläutern, was ich mit diesem Satz meine. Erstens, ich hatte nie Probleme da ich auch Uniformen immer akzeptiert habe, fast immer war auch Schwarz kein Problem. Besonders unberührt war ich vermutlich als jemand nicht in der Szene angekommener, doch trotzdem in dieser Hinsicht auffälliger und zumindest in der NDW verhafteter Mensch. Probleme hatte ich auch daher keine, da ich im Falle von Kleidungszwang diesen als Uniformzwang (Pinguin) hingenommen habe, doch zumindest meistens und in all meinen regulären Stellen wurde im förmlichsten Fall ein schwarzes Hemd mit Anzug akzeptiert.
TEIL EINS: DER WERDEGANG
Arbeiten – leben in nach Vorurteilen vorgefertigten Gesellschaften als Quereinsteiger.
Doch von Vorne und das heißt vom Anfang aufgezwungener und quereingestiegener, also nicht ab Geburt mitgewachsener, durch mich belebter Gesellschaften von verdienstgewohnten Menschen.
Kurzarbeiten.
Für mich heißt das, der Anfang beginnt mit Ferienjobs die in kurzen Saisonjobs und später in Tourismusjobs übergehen. All diesen Jobs ist ihr baldiges Ablaufdatum gemein und in all diesen Jobs wurde ich bemerkt, hinterfragt und auch gefragt, wie das mit der Hitze beim Tragen schwarzer Kleidung insbesondere im Hochsommer sei. Nicht stärker Schwitzend als andere war mit einer Antwort ala „Für mich ist die Hitze so nicht wesentlich unangenehmer, meine Haut verträgt bloß die Sonne nicht weswegen ich regelmäßig und nicht nur im Freien den Sunblocker verwende, das klebt auch nicht schlimm.“ das Thema abgeschlossen. Die Frage wurde meist kombiniert gestellt.
Eine Antwort für die ganze Firma – es dürfte Gespräche geben.
Interessanterweise hat meist eine Antwort für die gesamte Belegschaft gereicht, ich war wohl doch auffälliger als ich aktiv mitbekommen habe. Sozialisierung hin zu Freundschaften ist im Arbeitsleben bis heute nicht meine Stärke, sodass ich entsprechendes Gemunkel nur wenig mitbekomme. Die einmalige Beantwortung einer möglicherweise allgemeinen Frage zeigt aber doch ein gewisses allgemeines Interesse der Gerüchteküche an.
Soweit zu den Gruppen mit denen ich nur kurzzeitig zusammengearbeitet habe.
Auch als uniformierter Kellner beim Heurigen und als ansatzweise uniformierter Portier war der Response nicht anders. Als Heurigenkellner hatten wir eine trachtige Uniform, meine schwarze Hose, nicht Jeans, nicht Anzug (Anzughose oder Lederhose) war akzeptiert, sodass weitere Gespräche entfielen. Als Portier und Frühstückskellner konnte ich schnell den Pinguin gegen ein ganz in schwarz gekleidetes frei zusammengestelltes aber eindeutig elegantes Kleidungsbewusstsein tauschen.
Bis zu dieser Stelle war Nagellack unmöglich, und in dieser letzten Stelle wurden mir selbst gestärkte Hemdkrägen nahegelegt. Es brauchte Zeit zur gegenseitigen Anpassung. Gestärkte Hemden gab es beim Heurigen bereits, doch dessen karierte Hemden wurden dort gebügelt. In den Jahren als Portier musste ich das selber machen wenn diese, besonders in der Anfangszeit, auch noch in weiß gefordert waren.
Die IT – mehr Mut mehr Freiheiten und lauteres Gemurmel
Erst meine letzte und langfristigste Stelle brachte neue Fragen durch oben thematisierte Kolleginnen mit sich, aber mit diesen Fragen und einer von außerhalb der Firma kommenden mit mir arbeitenden Kolleginnenschaft aus Studienfreundschaften, die mich bestärkte, kam auch eine erweiterte Freiheit der Kleidung – nun auch bei Oberteilen -und des Nagellackes, der anfänglich in der Firma farblos und am Ende Schwarzrot war. Diese Arbeitsstelle als Assistent eines Wissenschaftlers zur Durchführung von Studien zur Anwendbarkeit neuer Softwareoberflächen bei technischen Geräten einer mittleren IT-Forschungsfirma brachte aber bereits von Beginn an das „Okay“ für legere Kleidung. Von Beginn an waren auch die in den vorigen Stellen aktiv gesehenen aber akzeptierten Hosen hier nun überhaupt keine Irritation. Irritation war nun vor allem, und das sollte bis zum Ende hin immer deutlicher werden, die unpassende Ausbildung als Biologe anstelle des firmenkanonischen IT- maximal Psychologieabschlusses.
Diskussionen statt Rücksicht – größere Freiheit
Nicht nur der Nagellack, auch die etwas angenehmere Kleidung wurde in weiterer Folge durch Gewöhnung, ein paar Fragen oder Äußerungen und nicht zuletzt durch die Studiengruppe ermöglicht. Ich unterstreiche diesen Werdegang der Freiheiten deshalb, weil ich glaube, dass mit weniger gesellschaftliche Rücksicht und mehr Diskussionen dies vielleicht von Anfang an möglich gewesen wäre. Jedenfalls wurden enge Leibchen und auch deutlich designte Oberteile nicht spürbar unangenehm bemerkt, leicht genderabweichende Hosen waren ebenfalls überhaupt kein Thema.
Trotz allem – Freak
Trotzdem: Erst das Bewusstsein als Freak gesehen zu werden, dass sich im Laufe der Jahre hier einstellte, und zuletzt auch das sukzessive Sterben der Firma, ließen für mich Schuhe mit einer gewissen Höhe zu.
___________________________________________ Nun soweit der Versuch einer objektiven Schilderung, doch was hat zu den persönlichen Erkenntnissen in dieser letzten langjährigen Stellung geführt und warum empfinde ich sie als wesentlicher als die anderen ebenfalls oft kundennahen Positionen?
TEIL ZWEI: SORGEN GEGENÜBER DEM ANDEREN (von Menschen) OFFENHEIT BEI ÜBERWUNDENEN SORGEN (von mir)
Zuerst die Besonderheit der Stellung: diese Stellung war in einer Subgesellschaft (IT-ler) der die theoretisch vorurteilsbehafteten Gesellschaft sehr bewusst sein muss, und in der ich nicht nur aus vielen Gründen ein Außenseiter war, sondern zusätzlich auch einen sensiblen Bereich der Öffentlichkeitsarbeit eigenverantwortlich innehatte. Ich habe mit firmenfremden Leuten die Studien durchgeführt, deren Daten dann einen Teil der verkaufbaren Ergebnisse meiner Abteilung in der Firma ausgemacht haben. In diesem Zusammenhang habe ich nur im notwendigen Zusammenspiel mit Menschen aus Kooperationen Sorgen (der Firma) zu meiner Person gespürt. Diese Sorgen haben sich auf getarntes Nachfragen, dann doch wieder weniger auf mein Erscheinungsbild, sondern auf meine andersartige Ausbildung, die ich phasenweise sogar vor den Mitarbeitern der eigenen Firma verschönern berziehungsweise verheimlichen sollte, bezogen.
So wurden meine Aufgabengebiete nicht wegen meiner Erscheinung nur unter der Hand erweitert, sondern der fachfremden Ausbildung wegen.
Gäste außerhalb der Hierarchie reagieren positiv.
Weder KooperationspartnerInnen noch Versuchsteilnehmer haben sich jemals Kritisch geäußert oder Verhalten, im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, dass sie sich so schneller geöffnet haben als ich das sonst erwartet hätte und die Zusammenarbeit besonders angenehm war.
Der zweite Teil, das Zusammenleben mit der von mir in diesem Artikel thematisierten Gesellschaft, das Zusammenleben mit meinen Arbeitskollegen war durch Unsicherheit von meiner Seite geprägt, die sich nur langsam entspannt hat.
Diese Unsicherheit war aber eher der familiären und schulischen Erfahrung, sowie der späteren Ausbildung und den Aktivitäten in eingeschworenen geschlossenen Gruppen wie einem kurzen Rettungsschwimmerdasein geschuldet. Aktive Bemerkungen zu meinem Äußeren und meiner Angehörigkeit zu einer anderen Subkultur abseits von Ausbildungsunterschieden waren extrem selten, sodass ich hier nahezu alle Bringen kann: Dies waren
die Sorge um meine Schlankheit – nein ich habe keine mir bekannte Essensstörung.
bist du Angehöriger der Death -Metal Szene und kannst du mir Bands oder Lokale empfehlen – auch hier musste ich verneinen.
du trägst die Band „Die Ärzte“ auf deinem Leibchen, können wir über die Band philosophieren.
ich finde deine Kleidung/Nagellack toll, schön dass du das hier trägst. Das freut mich zwar, aber es braucht bis ich akzeptieren kann, dass es auch so gemeint ist und ich nicht bloß als Vorführobjekt diene – doch diese Sorge hat sich bald als falsch herausgestellt.
natürlich hat es die Frage gegeben, warum ich den Nagellack trage, warum ich Schwarz trage, doch als Antwort war, weil ich gestern/das Wochenende weg war beziehungsweise, weil ich es am angenehmsten finde immer ausreichend.
____________________________________________________ Ich bin aufgrund der geschilderten Erfahrungen der Meinung, dass ich immer großes Glück hatte und für mich den Arbeitsplatz mit mehr Mut noch angenehmer und vorallem auch wesentlich schneller angenehmer gestaltet hätte. Ob das Stimmt traue ich mich aber nicht zu beurteilen.
TEIL DREI: SCHLUSSWORT
Mein Konzept in der Arbeitswelt
Generell versuche ich immer so an den Arbeitsplatz zu kommen, dass meiner Erwartung nach nicht viele Fragen auftreten und somit die Arbeit nicht gestört wird. Für mich ist Arbeit aus dem thematischen Blickpunkt der persönlichen Erscheinung betrachtet zuerst Geld verdienen, dann die Erfordernisse der Arbeit erfüllen, und erst zuletzt persönliche Bedürfnisse berücksichtigen oder gar Toleranz durch Einfordern zu erreichen und zu Stärken.
Einschränkung als Arbeitshilfe – dringender Bedarf an Freizeit
Mit dieser Einstellung fahre ich nicht immer ganz angenehm und sie schränkt mich fast immer auch ein, doch für das Zusammenleben in der Arbeitswelt hat sie sich als sehr brauchbar erwiesen. Umso dringender habe ich immer auf Phasen der Freizeit gewartet wo ich all diesen Überlegungen deutlich weniger unterworfen war. Freizeit abseits von gesellschaftlichen Abhängigkeiten. Ich glaube ich hatte Glück, es wird sich zeigen, ob dieses Konzept auch weiterhin und besonders in der Jobsuche funktioniert.
Jetzt kommt die Initiatorin selbst zu Wort. Marion Levi hat sich in unserem „Brainstorming“ mit diesem Thema für den April durchgesetzt. Zu Recht, wie sich mittlerweile herausgestellt hat, denn trotz meiner Bedenken habe doch erfreulich viele Leser etwas zum Thema beizutragen und gestalten damit einen sehr interessanten und aufschlussreichen Gothic Friday im April.
Ich habe gerade festgestellt, dass es nicht leichter ist zum „eigenen“ Gothic Friday Thema etwas zu schreiben, als zu einem, das jemand anderes vorgegeben hat. Aber sei es drum, gehen wir gleich in medias res: Ich bin Sozialarbeiterin.
Manchmal wundert mich das, weil mein Selbstbild mir eigentlich vermittelt, dass ich jemand bin der nicht besonders gut mit Menschen kann. Jemand, der sich schwer tut Kontakte aufzubauen und oft lieber für sich ist. Trotzdem arbeite ich mit Ihnen oder vielleicht nicht trotzdem, sondern genau deswegen. Um mir zu beweisen, dass ich es eben doch kann: mit Menschen umgehen.
Was mache ich eigentlich genau? Ich arbeite in einer Wohngruppe, in der Kinder und Jugendliche betreut werden, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bei ihren Familien leben können. Die Hälfte dieser Kinder/Jugendlichen sind momentan unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Der Job ist oft anstrengend, aber ich mache genau das, was ich machen will. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung. Es passieren jeden Tag Katastrophen, aber jeden Tag auch wundervolle Dinge.
Gothic und Beruf?
Mein Vorstellungsgespräch fand an einem dieser 35 Grad heißen Sommertage statt, weshalb ich schon aus rein gesundheitlichen Gründen nicht super gruftig unterwegs war. Komplett schwarze, wenn auch schlichte Kleidung, reichte für meine zukünftige Chefin aber offenbar aus, um zu fragen, ob ich denn einer bestimmten Szene angehöre und wie sich diese nennen würde. Mit einer kurzen Erklärung meinerseits gab sie sich zufrieden, es schien neu für sie zu sein, sie allerdings nicht zu stören. „Aber“, sagte sie, „zieh bitte nichts mit Totenköpfen an, das könnte die Kinder erschrecken.“ Ich teile diese Meinung zwar nicht, habe mich aber trotzdem daran gehalten.
Das Vereinbaren von Szenezugehörigkeit und Beruf fällt mir nicht schwer. Vielleicht liegt es daran, dass ich in einem Bereich arbeite, in dem es relativ leger zugeht. Bunte Haare, Piercings im Gesicht oder sichtbare Tattoos (wie Kolleginnen sie haben) sind kaum der Rede wert. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich kein „Übergruftie“ bin. Beim Arbeiten trage ich meist schlichte, schwarze Kleidung. Jeans und Band Shirt. Es muss vor allem praktisch sein. Tattoos und Piercings habe ich keine, es sei denn meine sieben Ohrringe zählen. Am auffälligsten sind da, meiner Meinung nach noch meine New Rock Boots und meine aufgemalten Augenbrauen.
Welche Abstriche nehme ich in Kauf oder würde ich in Kauf nehmen?
Neben den Totenköpfen verzichte ich auf Nieten und zu lange Fingernägel (Verletzungsgefahr), oder Kleidungsstücke mit Glockenärmeln, Bändern, Spitze und dergleichen (das ist schlicht zu sehr im Weg oder könnte kaputt gehen). Geschminkt bin ich in der Arbeit nur dezent und wenn wir einen Tag schwimmen gehen oder Ski fahren, verzichte ich auch komplett auf Make-up (was mir, ob der dann fehlenden Augenbrauen mitunter sehr seltsame Blicke einbringt). Zu Teambesprechungen, wo ich ausschließlich meine Kollegen treffe, komme ich allerdings auch oft mit Plateaustiefeln oder mehr Make-up. Eine gute Gelegenheit um zu testen wie was ankommt. Im Arbeitsalltag hingegen streue ich hier und da auch etwas Farbe ein, zum Beispiel für offizielle Termine mit dem Jugendamt oder in Schulen. Damit habe ich absolut kein Problem und ich würde es auch öfter tun, wenn es verlangt werden würde. Eine rote Weste oder ein dunkelblaues Shirt kratzen nicht an meiner „Gruftie Identität“. Solange ich mich nicht tagtäglich verkleiden muss komme ich anderen gerne entgegen.
Mit verkleiden meine ich übrigens nicht eine eventuelle Arbeitskleidung oder Uniform. In einem früheren Job musste ich für bestimmte Events ein rotes Shirt oder eine graue Weste tragen und das hat mich nie gestört. Schwarz in die Arbeit gehen, umziehen, Event über die Bühne bringen, umziehen und schwarz wieder Heim gehen. Etwas anderes wäre es für mich, wenn ich von der Chefetage oder auch Kollegen zu hören bekommen würde ich sollte mich „normal“ oder „erwachsen“ kleiden. Dies ist jedoch nicht der Fall und ich genieße die relative Freiheit nicht großartig zwischen Arbeits- und Freizeitkleidung unterscheiden zu müssen.
Vorurteile und Probleme?
Glücklicherweise hatte ich bisher kaum mit Vorurteilen oder Problemen zu kämpfen. Dass ich beinahe ausschließlich schwarz trage wird zwar zur Kenntnis genommen und auch kommentiert, meist geschieht dies aber durch interessiertes Nachfragen. Die Kollegen wollen vor allem wissen, welche Musik ich denn hören würde, was die Gothic Szene denn nun ist und wie ich dazu gekommen bin. Die Kinder und Jugendlichen sind generell sehr offen und neugierig und ich habe das Gefühl, dass mir mein alternatives Aussehen in der Arbeit mit ihnen nicht im Wege steht, sondern diese im Gegenteil erleichtert. Sie finden vor allem meine Stiefel sehr faszinierend und wollen sie oft anprobieren. Auch zu meinen Bandshirts kommen viele Fragen. Ein Gesprächseinstieg ist somit schnell gefunden.