Musikperlen – Deutsche Wellen als Teil der musikalischen Revolution (Tauchgang #38)

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New Wave. Der englische Begriff einer Musikform, die Ende der 70er Jahre den Plattenmarkt überflutete, klingt im Gegensatz zum deutschen Pendant „Neue deutsche Welle“ viel erhabener und edler. Schuld ist aber nicht die Begrifflichkeit, sondern eher die Tatsache, dass die eingedeutschte Welle, die von der englischen Insel an unserer Küste brandete, ziemlich schnell kommerzialisiert wurde und als Schlager mit elektronischen Beats vermarktet wurde und somit die wahren Perlen dieser Musikkultur im Untergrund versenkte. Heute wühlen wir jedoch in der „richtigen“ deutschen Welle. Stücke mit Geschichte und Geschichten, die längst hätten erzählt werden sollen.

Die neue deutsche Welle war eine großartige Musikrichtung. Niemand war sich zu schade, Musik mit allen Möglichkeiten zu machen, die sich damals boten. Deutsche Texte erlebten eine nie dagewesene Präsenz, die Abseits von Schlager und Volksmusik zu manchmal bizarren und zu manchmal großartigen Stilblüten führten. Zusammen mit dem Model Elke Steinberg gründeten Nick Mono und Clemens Fobianke die Band Monopol 1982 in Hannover. Die damalige Promoinfo zur Veröffentlichung ihres Albums war wohl ebenso verschwurbelt wie die Band selbst: „Nick Mono, Ostagent hat den Auftrag, einen Computerspezialisten einer westlichen Firma zu bespitzeln. Sein Name Cle. Es geht um das Geheimnis der neuen Computer-Musik, die Entspannung in der vierten Dimension. bei dem Entführungsversuch des Computerspezialisten durch Nick, stößt eine Blondine zu ihnen. Völliger Zusammenbruch der Aktion. Die Dame sucht Schutz vor Verfolgern aus der Unter/Oberwelt. Nick und Cle helfen bei der Flucht. Man kommt sich näher. Musik ist die Geheimformel! Das Aussteigen beginnt! Blondine läßt Jet-Set Jet-Set sein! Agent beantragt Asyl im Westen! Hochbezahlter Computerfachmann läßt Karriere sausen!“

Gleitzeit – Ich komme aus der DDR

Atomarer Holocaust über Hamburg. Heller als tausend Sonnen detoniert eine H-Bombe von einer Megatonne. Die Bilanz: 900.000 Tote in einer Sekunde, ebenso viele Verletzte. Wer überlebt hat, beneidet die Toten. Die wenigen, die sich in Atombunkern retten konnten, leben weiter in einer apokalyptischen Todes-Wüste. Vision oder Wirklichkeit? TV-Journalist Tom Broken erhält vom Verteidigungsministerium den Auftrag, einen Film über ‚richtiges Verhalten bei nuklearen Kampfhandlungen‘ zu drehen, und gerät in ein alptraumhaftes Horror-Szenarium, das auf Knopfdruck sofort Wirklichkeit sein kann.“ Diese nun wirklich unbekannte Perle der deutschen Filmkunst erreicht nie ein großes Publikum, als er 1982 erscheint. Und dennoch ist auch er voll mit Zeitgeist, so pur und so intensiv, dass die Darsteller mitunter wie Karrikaturen einer Zeit wirken, die eben diese Ängste schürte. Darin auch eine Discoszene mit dem legendären Stück „Ich komme aus der DDR“ von Gleitzeit. Toll!

Drahtkur – Die letzten Tage

Es gibt immer wieder Stücke, die geistern bis zur Unkenntlichkeit getarnt auf Kassetten aus den 80ern. Bands, die es nie über einige Versuche, Musik zu machen, hinaus geschafft haben. Und dennoch gibt es Forscher und Entdecker, die diese Sache ausgraben und als Cover in die heutige Zeit tragen. So wie Zwarte Poezie, die sich ebenfalls als Musikperlentaucher betätigten und das Stück in die Neuzeit transformierten. Interessant ist Tatsache, dass der im Original schwer verständliche Text von rund 6 Jahren vom damaligen Bassisten der Band Dieter Geiß unter das Youtube-Video gesetzt wurde, den dann Edwin van der Welde zum Anlass nahm, ihn ins Niederländische zu übersetzen. Das Netz schreibt eben seine eigenen Geschichten: „Jeder fühlt es, das kann ich nur sagen; Es beherrscht ihre Sinne und die Zeit die sie haben; Ich fühl nichts, bin ich nicht mehr normal; Bin ich lebendig begraben? – Keine Panik, das kann ich nur sagen; Dass die Angst sich verselbstständigt kann ich nicht ertragen; Doch nach jedem Rasieren hab‘ ich Blut auf dem Kragen; Ja es war nie so schlimm wie in den letzten Tagen.

1983: Dublins Subkulturen im Gespräch mit dem irischen Late-Night-Talker Gay Byrne

Punks, Mods, Rockers, Teds, Greasers, Futuristics, New Romantics, Blitz Kids, Skinheads, Rudie Skinheads, Boot Boys, Hells Angels, Bikers and Ska Boys.“ Die Subkulturen, die Gay Byrne 1983 in seiner Late-Late-Show anmoderiert, sind vielfältig und offenbar ein Abbild dessen, was man seinerzeit auf den Straßen Dublins beobachten konnte. Er wollte der Frage auf den Grund gehen, warum man sich aus der Lust an Individualität einer speziellen Gruppe anschließt und welche Form von Rebellion dahintersteckt.

Dazu hat er sich 4 Gäste auf seine Sitzgelegenheiten eingeladen: Die beiden Punks Donnacha (20) und Siobhán (19), den illustren Mode-Studenten John (20) und den – etwas gegensätzlich wirkenden – Mod Gerard (20), die alle aus verschiedenen Stadtteilen Dublins stammen und ihre ganz eigenen Ansichten mitgebracht haben.

A rebellion against the old system, the system, that we were born into and are supposed to live by but we don’t agree with today’s system so we rebel against it in our appearance, the way we dress and the way we think.

Auf wenn es diffus und wenig geplant klingt, ist diese Sichtweise möglicherweise die Essenz dessen, wie junge Erwachsene ihr Leben in Dublin verbrachten. Zum Entwickeln geboren wissen sie, dass sie anders sein wollen als das, was ihnen wie ein Leben aus dem Lehrbuch erscheint. Sie wollen selbstbestimmt herausfinden, wo sie ihr Leben hinführt. Ihr äußeres Erscheinungsbild soll ihr Attitüde unterstreichen, das System mit seinen ungeschriebenen ästhetischen Regeln brechen und letztendlich auch für ein Gemeinschaftsgefühl mit denen sorgen, die eben so denken, wie sie selbst.

Ein schönes Zeitdokument der Realität. Ohne bedeutungsschwangere Rebellionserklärungen, zielgerichtete Antihaltung gegenüber definierten Zwängen oder gar einer politischen Protesthaltung gegen weltpolitische Entwicklungen. Nichts von all dem liegt den Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Sinn. Es geht um das Anders-Sein, das einsame Gefühl etwas zu wollen, mit dem keiner etwas anfangen kann und das abzulehnen, was man von Ihnen im Irland 1983 erwartet.

Angesichts aktueller Jugendstudien, die 2017/2018 von einer nie dagewesenen Anzahl von „Angepassten“ sprechen, halte ich die die 80er und 90er tatsächlich für mitunter unangepasstesten Jahrzehnte. Woran das liegt? Ich habe keine Ahnung. Vielleicht geht es uns zu gut und kaum jemand spürt echte Hoffnungslosigkeit oder Zukunftsangst. Vielleicht sind wir völlig überreizt oder es gibt zu viele Ablenkungen und Zerstreuung in unserem Alltag. Doch alles bleibt Spekulation.

Gay Byrne macht seine Sache jedenfalls gar nicht schlecht in diesem kurzen Ausschnitt, auch wenn er sich gelegentlich in Effekthascherei verfängt. „Wir lassen uns nichts diktieren!„, sagt der junge Punk. „Aber lasst ihr euch nicht bereits etwas diktieren, wenn sie euch nicht in Pubs oder Discotheken lassen?“ Darauf hat der junge Punk keine Antwort. Byrne stellt kluge Fragen und versucht die Oberfläche ein wenig zu verlassen und die Beweggründe der jungen Leute zu verstehen. Doch möglicherweisen haben sie ja gar keine Beweggründe. Müssen sie auch gar nicht.

Quelle: RTÉ Archives – Gangs of Dublin: Rebelling against the System (1983)

Spontis Family Treffen 2018 auf dem 27. Wave-Gotik-Treffen in Leipzig

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Der frühe Grufti fängt den Wurm! (Natürlich nur den virtuellen Wurm, für die Mitgliedschaft in einer Subkultur muss nichts und niemand sterben.) Noch bevor ich dieses Jahr die Eintrittskarten in den Händen halte, lade ich schon zum Family-Treffen 2018. Hui! Während die Bandankündigungen in den E-Mail Eingang platschen und sich die WGT-Gruppe fragt, was sie anziehen soll, perlen große Aufregungen wegen mangelnder Schlafplätze, zu hoher Eintrittpreise und sonstigen Unmöglichkeiten an meiner schwarzen Kutte ab. Die Leipziger Bierbörse am Völkerschlachtdenkmal (wie passend) perlt ebenso spurlos an der besagten Kutte der äußerlichen Mainstream-Verachtung ab, wie all die anderen Fallstricke gesellschaftlicher Zwänge.

Doch ganz so kühl wie ich mich gebe, bin ich nicht. Denn am Montag, den 21. Mai 2018 findet ab 14:00 das mittlerweile 8. Spontis-Family-Treffen statt, zu dem wieder alle Leser, Autoren, Sympathisanten, Neugierige, Freunde und sonstige schwarze Gestalten eingeladen sind, die Spontis so ein bisschen wertvoll finden. Schon ist die beruhigende Kühle dem pochenden Vulkan meiner Leidenschaft gewichen, der sich von der Neugier, der Wiedersehensfreude und den guten Geschichten nährt, die ihr mir auf der Wiese im Park hinter der Moritzbastei entgegen bringt. Knabbernde Ängste wegen schlechtem Wetter, menschlichen oder namentlichen Versagen meinerseits eingeschlossen.

Krautfaunding!

Erstmals starte ich den Versuch, das Spontis-Magazin über Crowdfunding finanzieren zu lassen. Helft mir und anderen, dieses seltene Stück Zeitgeschichte in den Händen zu halten. Mit einem Projekt bei Kickstarter möchte ich versuchen, die Druckkosten für das ca. 20-seitige Magazin und die Buttons wieder reinzuholen, die ich bislang aus eigener Tasche vorstrecke. So eröffne ich das Magazin und die Idee einer Gemeinschaft mehr Lesern und Gruftis, die in den Genuss kommen wollen einen gedruckte „Jahresrückblick“ in den Händen zu halten. Orphi und Sabrina Handt, sind schon fleißig dabei die Inhalte zusammenzustellen und das Layout zu designen, es lohnt sich also, mitzumachen.

Was wird also geboten?

  • Leser aus ganz Europa auf einer Wiese, verbunden durch die gleiche Wellenlänge des Goth-Seins.
  • Der kostenlose und obligatorische Button zum Spontis-Family-Treffen 2018, der in diesem Jahr von Ronny Rabe gestaltet wurde und den Sabrina verfeinert hat.
  • Das legendäre, streng limitierte, crowdgefoundete Spontis-Magazin 2018!
  • Die unbezahlbare Möglichkeit Kontakte zu knüpfen und Leute hinter den virtuellen Kulissen kennenzulernen.
  • Kekse. Weil man auf der dunklen Seite des Lebens immer Kekse haben sollte.
  • Eine unvergessliche Erinnerung und eine Hommage an die Wurzeln der Szene in Form einer Teilnahme am größten Sitz-Kreis des WGT! Pikes sind nicht mehr Voraussetzung und Träger anderen Schuhwerks werden jetzt aktiv mit eingeschlossen!

Was musst Du mitbringen?

  • Ein Decke oder Sitzunterlage, je nach Witterung auch einen Regenschirm.
  • Verpflegung in Form von Getränken, vielleicht auch Knabberreien.
  • Unvoreingenommenheit, Neugier und ein wenig Mut.
  • Freund und Bekannte, die sich möglicherweise zur dunklen Seite der Spontis-Leser bekennen würden.
  • Wenn vorhanden: Deine Foto- oder Videokamera und die Lust das Geschehen und die Menschen zu dokumentieren.

Wegbeschreibung für Erstbesucher

Das Treffen findet im kleinen Park hinter der Moritzbastei (siehe Karte) statt, also direkt im Zentrum von Leipzig. Von der Innenstadt kommend lasst ihr die Moritzbastei links liegen bis ihr an der Kreuzung Schillerstraße/Universitätsstraße steht, hier könnt ihr den Park bereits sehen. Ihr geht ein Stück links und folgt dem ersten Weg durch den Park (die Moritzbastei liegt in eurem Rücken). Habt ihr die Gabelung erreicht, solltet ihr einen großen Baum sehen unter dem ein paar Menschen rumstehen oder rumsitzen. Das sollten wir sein. Von der Haltestelle der Tram (auf dem Bild der linke Startpunkt) ist es ebenso leicht. Nehmt einfach die Linie 11 von der Agra oder vom Hauptbahnhof aus und merkt euch die Haltestelle “Wilhelm-Leuschner-Platz”. Ihr überquert die Ampel am Ende der Haltestelle (bei Grün) und folgt dem kleinen Weg in den Park um dann gleich rechts über die Wiese zu laufen und unter dem großen Baum die netten Menschen zu treffen. Die unmittelbare Nähe zum HBF und auch im Umfeld befindliche Parkplätze machen es sogar möglich, das Treffen kurz vor der Abreise mit dem Zug zu besuchen.

Hinweise

Das Treffen findet bei jeder Witterung statt, obwohl wir natürlich hoffen, dass es so schön wird und bleibt – eine Flucht vor einsetzendem Regen schweißt auch zusammen. Sollte sich dennoch etwas ändern, wir darüber HIER (und bei FB) informiert. Uns ist bewusst, dass wir nicht jedem gerecht werden können und garantiert mit der Terminplanung (wenn der Programmplan des WGT erscheint) des ein oder anderen kollidiert. Daran kann man leider nichts ändern, egal an welchem Tag man das Treffen veranstalten würde. Jeder ist willkommen, egal ob man nur 10 Minuten bleibt oder länger verweilt, was ich persönlich natürlich hoffe.

Da dies ein öffentlicher Park ist, bitte ich um Rücksicht auf Mitmenschen, Stinos, Umwelt und Natur :-) Nehmt Euren Müll wieder mit, mögliche Opfergaben nur in jugendfreier Form und verwendet nur Haarspray, dass die Ozon-Schicht nicht schädigt.

Gothic und die Netzkultur – ARTE BiTS klärt auf

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Die Angst hat die Gabe uns an das zu erinnern, was wir lieber vergessen wollen.“ Im wöchentlichen Webmagazin „BiTS“, das im Netz bei arte zu finden ist, hat man sich der Netzkultur verschrieben und möchte die „geekige Welt in allen ihren Erscheinungsformen“ zeigen. Und tatsächlich ist auch Gothic mittlerweile ein Teil der Netzkultur geworden. Denn neben einigen interessanten Phänomen die tatsächlich erst mit dem Internet selbst aufgekommen sind, hat sich die daraus gewachsene Netzkultur auch die meisten analogen Subkulturen einverleibt, um diese in immer neuen Ausdrucksformen zu verändern und weiterzuentwickeln – und möglicherweise so am Leben erhalten.

So versucht das Webmagazin nicht etwa die x-te unsinnige Erfassung einer Subkultur, sondern versucht einen gemeinsamen Nenner zu finden, der Gothic und seine Strömungen vereint. Und auch wenn sich die ewig-gestrigen auf Musik und Klamotten versteifen, ist über die Jahre dann doch etwas mehr gewachsen:

Der Eingangs erwähnte Satz eines Professors aus der Dokumentation ist ein Beispiel für einen gemeinsamen Nenner. Das kontrollierte Gruseln, das melancholische Dahinschmelzen, die Faszination für das Vergangene sind die Inhalte einer Szene geworden, die sich in den 80er damit begnügte, sich in schwarze Klamotte zu hüllen, sich todesähnlich anzumalen, den Erwachsenen einen Schreck einzujagen und in ihrer Musik der Traurigkeit zu frönen, statt sich der gespielten Fröhlichkeit der Neo-bunten 80er hinzugeben.

Ja, wir halten fest, das ohne die Netzkultur die Szene nicht da stehen würde, wo sie heute steht. Sie ist lebendig, vernetzt sich und entdeckt immer neue Inhalte, die den schwarzen Kutten und den viel zu großen Schuhen Leben und ein neues Gemeinschaftsgefühl einhauchen.

Eine schöne kleine Doku-Perle die man da produziert hat. Mir gefällt es richtig gut, wie man den gemeinsamen Nenner darstellt und oft genug habe ich mich dabei erwischt, zustimmend zu nicken, weil das, was dort vermittelt wird, den Nagel häufig genug auf den Kopf trifft.

Ob die BiTS aus den Bereichen Steampunk, H.P. Lovecraft und Gore ebenso spannend sind? (Danke an Flederflausch für den Tipp)

 

Musikalisches aus dem Grufti-Briefkasten #1: Hört selbst, was ich mir so alles anhören soll

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Eine ganze Weile habe ich nach einer Lösung gesucht, die musikalischen Tipps und Empfehlungen, die ich manchmal per Facebook, manchmal per E-Mail oder auch manchmal mit der richtigen Post bekomme, vorzustellen. Dabei frage ich mich schon manchmal, ob dies oder jenes überhaupt gezeigt oder vorgestellt werden sollte. Das wäre aber schon wertend, deshalb überlasse ich es Euch die Zusendungen zum loben oder kritisieren.

Zwei Quellen will ich vorstellen: Zum einen den Briefkasten (virtuell oder real) und die Empfehlungen und die mir persönlichen geteilten Dinge aus Facebook und Twitter, die mir aus dem ein- oder anderen Grund im Gedächtnis geblieben sind und zu denen ich mir partout keine Meinung habe (oder machen möchte).

Aus dem (elektronischen) Briefkasten

Bei großen Umschlägen in meinem Briefkasten wird es in der Magengegend immer recht unruhig, vor allem wenn sie von Gesellschaften stammen, die ich nicht kenne oder zuordnen kann. Diesmal entspannte sich meine Magengrube, denn der Inhalt war das Album „My Favourite Faded Fantasy“ von Damien Rice, von dem ich weder gehört noch gelesen hatte. Ich nutzte daher den Weg zur Arbeit, um das Album im Auto probezuhören.

Nun, was soll ich sagen. Musikalisch hat der irische Singer/Songwriter sicherlich was drauf, wenn man möchte, klingt es sogar durchweg melancholisch und nachdenklich, aber mein Fall ist es überhaupt nicht. Seichter Pop ohne Ecken und Kanten. Ich verstehe den Ansatz, den Künstler hier in Deutschland bekannter zu machen, aber ob Spontis dafür eine fruchtbare Plattform ist? Nun ja.

Nach dieser Enttäuschung kam mir die E-Mail von Danijel Zambo gerade recht, der mit seinem Projekt Derailed den Pfad des Post-Punks entdeckt und seine gerade veröffentlichte Single „Runaway“ ganz ausgezeichnet zu Gefühl passt, das Damien Rice hinterlassen hat. Das gefällt mir schon deutlich besser, ein Ohrwurm wird es aber sicherlich nicht werden.

[bandcamp width=100% height=42 album=2544501766 size=small bgcol=ffffff linkcol=0687f5]

Karl Morten Dahl schrieb mir in einer E-Mail, dass er ein Stück von Hante. geremixt (schreibt man das so?) hätte. Mit seinem Project „Antipole“ versucht sich der Norweger aus Trondheim auf den Pfaden des Coldwave, wie er in seiner Beschreibung angibt. Ich finde es persönlich ja außerordentlich schwierig, ein bereits „Coldwaviges“ Stück wie „Empty Space“ von Hante. noch „kälter“ zu machen. Und so plätschert dann der Remix durch den Kopfhörer ohne mir wirklich ein kalten Schauer über den Rücken laufen zu lassen:

Andere Stücke von Antipole hätten da deutlich mehr Potential, wie beispielsweise „Shadow Lover„, warum man sich dann an einem Remix von Hante. versucht, bleibt mir schleierhaft.

Neulich bei YouTube

Auch von den Gründern des Cholo-Goth, den Prayers, gibt es Neuigkeiten. Die haben noch kurz vor dem Jahreswechsel ihr neues Album „Baptism of Thieves“ veröffentlicht und versorgen nun auch YouTube mit audiovisuellen Background und präsentierten mit „One 9 One 3“ ihre jüngste Singleauskopplung. Tattoos, nackte Körper und markanten Textzeilen wie:  „I’m fucking your Girlfriend as she’s painting my Nails“. Cholo-Goth. Ist klar.

Die Pale Waves sind eine noch recht unbekannte Band von der britischen Insel, deren Frontfrau Heather Baron-Gracie zwar rein äußerlich wie die Tochter von Goth-Legende Robert Smith erscheint, musikalisch jedoch auf einem ganz anderen Planeten zu Hause zu sein scheint. „Television Romance“ jedenfalls ist gefälliger Pop, der zwar ein bisschen 80er klingt, mit Goth aber nichts zu tun hat. Letztendlich hat man der Band den Stempel aber wieder mal aufgedrückt.

Chris Corner, kreative Hydra von IAMX, hatte nicht nur Ende Januar Geburtstag, sondern hat seine Fans auch gleich mit einem neuen Album beschenkt: „Alive in New Light“. Das neue Licht scheint dann wohl Kat von D, die Tattoo-Künstlerin die sich als Reality-TV Star zahlreiche Stars unter ihrer Nadel sicherte, zu sein. Denn die ziert nicht nur die Videos, sondern ist auch musikalisch an der Seite von Chris Corner zu hören. Ich bin mir unschlüssig, ob ich das gut oder schlecht finden soll und ob die „weibliche“ Attitüde wirklich hilfreich ist.

Bild im Titel: Eric Nopanen via unsplash.com

Britischer Vampir-Grufti fordert schwarzen Streifen in der Regenbogenflagge

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Die Regenbogenflagge ist das Symbol der internationalen Lesben- und Schwulenbewegung und steht für den Stolz, auf die eigene sexuelle oder geschlechtliche Identität und symbolisiert darüber hinaus die vielfältigen Lebensweisen der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender. Seine gruftige Majestät „Darkness Vlad Tepes“ aus Großbritannien, ein schwuler Vampir und Goth, fühlt sich in seiner eigenen Identität jedoch unprepräsentiert und fordert im Lancashire Telegraph, einen schwarzen Streifen für die LGBT-Regenbogenfahne.

Ein Meldung, die sich ganz wunderbar in das Schlagzeilen-Gewitter der Boulevard-Presse einfügt und darauf ausgelegt ist, sich zu reiben, zu protestieren, zuzustimmen oder sich allgemein über die massive Präsenz solcher Themen aufzuregen. Schon die erste Meldung von Pink News zu dem Thema machte die Sache nicht unbedingt besser, erklärte man doch die Tatsache, das Vlad Tepes wie ein Vampir lebt, Goth ist und dann auch obendrein auch noch schwul ist, zu einer Besonderheit. Die Quintessenz: Er ist nicht so wie andere Gothics, er ist besonders.

Seine erlauchte Dunkelheit Vlad Tepes ist tatsächlich besonders, denn neben der Behauptung sich wie ein Vampir zu fühlen, Gothic zu sein und zu seiner Homosexualität zu stehen, schläft er auch in Särgen und trinkt Blut, wie er dem Lancashire Telegraph bereits vor rund 2 Jahren erklärte. Ja, er ist besonders, denn mit Gothic hat das alles nichts zu tun. Den zahlreichen Vegetarieren, Veganern und Tierschützern und den Gruftis würde es wohl die Zehennägel aufrollen, wenn sie daran denken würden, das Tierblut zu gruftigen Lebensweise gehören würde. Vom überwiegenden Teil der Gruftis ganz zu schweigen, die es wohl möglich eher lächerlich empfinden, wenn jemand wie „Vlad“ mit weißen Turnschuhen, braunem Gürtel und einem Shirt mit Werbeaufdruck eines Modelabels in einem Sarg liegt und sich als Vampir-Goth fühlt.

Vlad fühlt sich jedenfalls unrepräsentiert und meint:

It’s easy to see that the current colours in the gay flag don’t really represent the gothic community. With a black stripe we will be treated as equals within the gay community. Gay people are already accepted within the gothic community only we don’t have a flag.

Nun, offensichtlich hat Vlad die Fahne noch nicht ganz kapiert, denn die Farben stehen nicht für Subkulturen, Splittergruppen, spezifische Lebensweise, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung. Gilbert Baker, der die Fahne erstmals am Gay Freedom Day 1978 als Abwandlung der Flagge der Friedensbewegung präsentierte, hatte anderes im Sinn. So steht Rot für das Leben, Orange für die Gesundheit, Gelb für das Sonnenlicht, Grün für die Natur, Blau für Harmonie und Violett für den Geist. Genug Spielraum also, dass sich alle Menschen der LGBT(Q)-Bewegung von ihr angesprochen fühlen dürften. Sie wird im allgemeinen als Forderung für Akzeptanz und Toleranz gewertet, nicht als farblicher Setzkasten einzelner Vorlieben.

Für mich scheint die Frage – ob die Regenbogenflagge einen schwarzen Streifen braucht – ziemlich schnell beantwortet, obwohl ich erklären muss, dass ich als Sympathisant der LGBTQ Bewegung selber kein Teil von ihr bin und meine Meinung somit weniger Gewicht haben dürfte.

Ich bin der Meinung, dass die Fahne bereits ALLE Menschen mit LGBTQ-Hintergrund ausreichend repräsentiert. Auch schwule Gruftis dürften sich unter Regenbogenfahne gut aufgehoben fühlen, denn die Vielfältig der Farben findet im Innern statt, das Äußerliche ist Nebensache. Für mich ist Vlad ein orientierungsloser Jugendlicher auf der Suche nach Aufmerksamkeit, der sich einfach nur besonders fühlen möchte. Der Blogging Goth sieht das ganz ähnlich und versammelt dazu auch einige Stimmen aus der Community.

Was mich aber wirklich nachdenklich stimmt ist die Tatsache, solchen Leuten eine Bühne zu bieten und damit die Plattform für die lächerliche Forderung zu erhöhen. Denn damit leuchtet die Grufti-Szene erneut in dem belächelten Licht der Lächerlichkeit, das bereits hierzulande bereits ausreichend propagiert wird. Sei es als Fetisch-Monster, blutüberströmte Zombies oder grüne Elfen. Jetzt kommt noch bluttrinkender Sargschläfer, dem Sonnenlicht nichts ausmacht.

Viel Schlimmer noch: Der Kampf für Akzeptanz und Toleranz und gegen Unterdrückung und Verfolgung der LGBT-Bewegung wird torpediert, wenn einzelne Individuen ihren ganz eigenen persönlichen Probleme und Defizite auf Kosten einer ganzen Bewegung austragen. Fehlt nur noch, dass die Fetisch-Pferde fordern, einen Schweif auf die Regenbogenflagge zu drucken, damit sie sich nicht unterrepräsentiert fühlen müssen.

Gesucht: Kreativer Leser für den Spontis-Family-Button zum 27. WGT

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Viele von Euch werden ihn kennen. Den Spontis-Family-Button, den alle Leser und Freunde dieses Blogs zum Wave-Gotik-Treffen kostenlos von uns bekommen. Es ist eine düstere Tradition (denn die müssen nicht immer schlecht sein), dass ein Leser den Button gestaltet, der dann von uns in Auftrag gegeben und verteilt wird. 2012 kreierte Katharina das wunderschöne Wappen für den Spontis-Family-Button, Tobi symbolisierte 2013 das dritte Treffen mit den 3 Spitzen der Pikes, während Marlene sich 2014 in den selben schwarzen Fluten bewegte wie wir. 2015 entwarf Madame Mel, die auch irgendwie die Mutter des Family-Treffens ist, den Button „Gefangen im Netz“. 2016 war es dann die Spontis-Designerin Sabrina herself, die wieder eine Fledermaus zum Star machte und den Button entwarf, während sich 2017 GM wieder dem Old-School-Style widmete und eine stilisierte Waver-Frisur in Szene setze.

Was noch fehlt, ist jemand, der den Button 2018 für das 27. Wave-Gotik-Treffen gestalten möchte. Wenn Ihr also Lust habt, Euren Entwurf hundertfach auf den Jacken, Taschen und Mützen der Spontis-Leser zu wissen, seid Ihr hier genau richtig.

Wie der Button für das kommende Family-Treffen aussieht, liegt völlig in Eurer Hand. Die einzigen Vorlage ist die Größe und Form des Buttons. Am Ende dieses Artikels findet ihr entsprechende Vorlagen für alle möglichen Grafikprogramme direkt vom Hersteller der Buttons. Aber auch wenn es damit nicht klappen sollte, es gab in den letzten 8 Jahren noch nichts, was wir nicht in eine runde Form gepresst hätten ;)

Es würde mich wirklich außerordentlich freuen, wenn ihr Eure Vorschläge und Designs direkt an mich schickt (robert@spontis.de), hier in den Kommentaren verlinkt, oder auch bei Facebook als persönliche Nachricht verpackt. Als Belohnung winkt ein Platz in meinem Herzen, eine namentlich Erwähnung hier im Blog und die kostenlose Zusendung eines kleinen privaten Vorrats für die eigene Galerie. Wenn es zeitlich noch passen sollte, kommt der Button sogar noch in das Magazin. Es gibt übrigens keine doppelten Einsendungen, sollte mehrere tolle Vorlagen eintrudeln, wird dieser im nächsten Jahr gedruckt.

Depeche Mode und die DDR – Dokumentarfilm zum 30-jährigen Jubiläum eines legendären Konzertes

Am 7. März 1988 wurde die Werner-Seelenbinder-Halle in Ost-Berlin der Ort für ein legendäres Konzert. Depeche Mode gaben ihr erstes und einziges Konzert in der DDR.

Bereits Stunden vor dem eigentlichen Konzert standen tausende schwarz gekleidete Jugendliche vor der Halle am Prenzlauer Berg. Es war bitterkalt und leichter Schneefall tauchte das schwarze Meer der Wartenden in eine bizarre Atmosphäre. Eine Eintrittskarten hatten nur die Wenigsten von ihnen, das „Geburtstagskonzert der FDJ“ – wie das Konzert offiziell ausgewiesen wurde – war längst ausverkauft. Die frierenden Fans boten den Anstehenden utopische Summen, um an eine Eintrittskarte zu gelangen.

Eine reelle Chance die Karten auf legalem Weg zu kaufen, hatten sie sowieso nicht, die Karten wurden zum überwiegenden Teil an die Berliner Schulen verteilt, wo sie dann klassenweise vergeben wurden. Katrin kommentiert: „An meiner Schule waren es pro Klasse der Stufen 8 – 10 je 2 Karten. Die Vergabe erfolgte bei uns durch Abstimmung durch die Schüler selbst.

Die tausenden Fans vor der Halle, die ohne Aussicht auf Eintritt und nur aufgrund eines Gerüchtes nach Ost-Berlin gekommen waren, interessierte das nicht. Für sie war es eine Sensation, die angesagte New-Wave Band in der DDR zu wissen. Aus der ganzen Republik reisten die Jugendlichen in die Hauptstadt. Depeche Mode war nicht nur eine Band, sondern ein Symbol für die Freiheit hinter dem eisernen Vorhang.

Der MDR hat zum 30-jährigen Jubiläum dieses Ereignisses einen Dokumentarfilm gedreht, der neben unfassbar tollen Aufnahmen aus dem damaligen Zeit auch einige Besucher des Konzerts vor die Kamera gezaubert hat inklusive der Protagonisten von Detlef Bermanns legendärer Video-Doku „People are People“, den der damalige Sozialarbeiter mit einer von der FDJ gesponserten Kamera drehte. Die Aufnahmen, die Bestandteil der Dokumentation sind, feiern so eine gelungene Premiere. Obendrauf gibt es noch Interviews mit Martin Gore und Daniel Miller, denen damals gar nicht so richtig klar war, wo sie da spielten und was sie da „anrichteten“.  Am 10. März wird das Meisterwerk ausgestrahlt, es ist aber bereits jetzt und in voller Länge in der Mediathek verfügbar. Ich sag nur soviel: Wenn der Film einmal läuft, macht ihr ihn nicht wieder aus. Fantastisch!

Für die DDR-Führung war das der Beginn einer ganzen Reihen von Konzerten mit westlichen Superstars, mit denen man versuchte, die Jugend wieder für ihre sozialistische Ideologie zu begeistern. Das hat letztendlich nicht geklappt, denn bereits ein Jahr später fällt die Mauer.

Warum die Begeisterung für Depeche Mode gerade in DDR so ausgeprägt war, lässt dieser Dokumentarfilm nur erahnen. Möglicherweise ist der Sound und die Ästhetik der Band das, was für die Jugendlichen Identitätsstiftend wirkt, während die Texte Gedanken und Träume von einer besseren Welt transportieren. Es wird jedoch deutlich, dass die Begeisterungskultur in DDR deutlich ausgeprägter war als in Westdeutschland, der Zusammenhalt, der sich in rund 70 Fanclubs zwischen Rostock und Zwickau manifestiert, einzigartig. Das Wave-Gotik-Treffen ist übrigens ein Kind dieses Zusammenhaltes.

Das Autorenteam Heike Sittner und Nils Werner geht auf Spurensuche, wie es zu dieser Faszination Depeche Mode in der DDR gekommen ist und welche Parallelen es zwischen den jungen Musikern aus dem ostenglischen Basildon und der sozialistischen Jugend gibt. So wird das legendäre Konzert in Ostberlin mit den damaligen Veranstaltern, Musikexperten und Fans minutiös nachgezeichnet. Ebenso die Erfolgsgeschichte von Depeche Mode, ihre Anfänge in einem englischen Arbeiterort, ihre Schaffenszeit in Westberlin, ihre Einstellung zum Ostblock und ihr besonderes Verhältnis zu den Fans der DDR.

Update vom 7.3.18 – 17:00 – Die Karten wurden nicht – wie zunächst von mir gebloggt – an Linientreue Genossen und ihre Familien verteilt, sondern zum großen Teil an Berliner Schulen verteilt. (Danke Katrin)

1989 – Grafton Street: A Posers Paradise for Goths and Cureheads

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Die Grafton Street in Dublin ist die wichtigste Einkaufsstraße der irischen Hauptstadt und ein Laufsteg der Eitelkeiten, der neuesten Mode und der angesagtesten Street-Styles. So behauptet es jedenfalls der irische Sender RTE in seiner Sendung „Head to Toe“ vom 3. Februar 1989. Diesmal ist die Moderatorin auf der Suche nach Goths und Cureheads und wird auf den ersten Schwung befragter Passanten in eindeutigen Outfits nicht fündig. Niemand will dazu gehören, keiner hat was gesehen und „Cureheads?“, nein das sind wir nicht. Doch dann findet man sie doch noch, Goths oder sogar noch besser Gothics, wie die junge Frau selbst erklärt: „It’s the type of Music we like and the way we dressed…“ Wir lernen: Englischsprachige Gruftis nennen sich nicht zwangsläufig „Goths“ und definieren sich durchaus als „Gothic“ obwohl man das auf den Inseln im Norden von Europa für eine rein architektonische Bezeichnung hält.

Und während sich eine der Damen, die sich zu nichts zugehörig fühlen mag und keiner Einordnung von außen Folge leisten will, abfällig über den Begriff „Cureheads“ äußert, entdeckt man die besondere Spezies dann doch. Schwarze, wuschelige Frisur, schwarze Klamotten und das so wichtige weiße Hemd. Cureheads. Und nein, so bestreitet man energisch, höre man natürlich nicht nur die Musik einer Band, sondern findet neben „The Cure“ auch beispielsweise „The Smiths“ oder auch die „B52s“ ziemlich gut. Leider endet das kurze Video viel zu früh und lässt keine tiefergreifenden Einblicke in die Jugendkultur der späten 80er zu.

In einem späteren Video aus dem selben Archiv erklärt sich wenigstens die übermäßige Verwendung von Rosenkränzen als modisches Accessoire, den der sei tatsächlich nur dazu da, die Erwachsenen zur nerven. Von religiöser Zugehörigkeit, Protesthaltung gegen die Systems der kirchlichen Religion keine Spur. Früher war eben noch nicht alles und jeder in Bedeutungen, Protestsymbolik und Antihaltung ertränkt, wie es heute den Anschein haben könnte.

Die Gothic-Kollektion von IKEA – Mit Bea Åkerlund auf düsteren Pfaden

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Die selbsternannte Fashion-Aktivistin Bea Åkerlund, die sich als Stylistin von Beyoncé, Rihanna oder Lady Gaga profiliert hat, inszeniert sich und das schwedische Möbelhaus als vermeintliche Kenner des Gothic-Styles. Mit der neuen Kollektion „Omedelbar“, was soviel heißt wie „unmittelbar“, versuchen Designerin und Möbelhaus zu interpretieren, was Gothic für sie bedeutet. Ab März können sich also Konsumenten beim schwedischen Riesen auch noch gruftig einrichten.

Wo wir schon bei Interpretationen sind: dass die Kollektion wenig mit Gothic zu tun hat und eher wie eine Hommage an Alice im Wunderland (mit Johnny Depp natürlich) oder auch Beetlejuice erinnert, sei nur am Rande erwähnt, denn es bleibt ja nun mal Auslegungssache, oder wie gesagt, Interpretation. Genauso wie die Produktbeschreibung, die sich auf der Internetseite findet:

Die OMEDELBAR Kollektion erfasst das Wesentliche von Beas ganz persönlichem Stil – einer Mischung aus Gothic-Style und Hollywood-Glamour. Die Produkte schaffen eine exklusive Atmosphäre in Schlafzimmer und Garderobe – so entstehen Räume, in denen man sich einfach für immer aufhalten möchte […] So kannst du zeigen, was wirklich wichtig ist: nämlich, dass du dir selbst treu bleibst.

Manchmal wünscht man sich, der Begriff „Gothic“ wäre geschützt. Von so einem dunkel-schwarzen Geheimbund der darüber wacht, das nur Dinge so betitelt werden, die es auch verdient haben. Dinge die true und echt sind, und ein Gremium von seiner Melancholie und dem schwarzen Lebensgefühl überzeugt haben. Ist er aber leider nicht und so definiert IKEA als Marktführer in Sachen Inneneinrichtung flugs mal einen gruftigen Einrichtungsstil. Manche Medien stürzen sich begierig auf die Pressemitteilung und schon scheint festgelegt, was „Gothic-Style“ in Sachen Möbel ist und wie man sich damit einrichtet.

https://www.youtube.com/watch?v=bUuKG7NL_1E

Zugegeben, seit Ratte aus der Bravo ihre Zimmerwände schwarz strich und angeblich in einem gemieteten Sarg schlief, scheint unterschwellig ein Idealbild einer schwarzen Behausung zu existieren. Särge hat IKEA (leider) nicht zum zusammenbauen, dafür aber ganz andere Dinge aus besagter Kollektion, wie lustige Kussmund-Kissen, Vasen in Hutform und überdimensionale Taschenuhren.

Mag das für gruftig halten wer will. Ich hör sie schon, die Einrichtungsshows im deutschen Privatfernsehen: „Hier ist ihr neues zu Hause, total Gothic eingerichtet.“ DAS ist gruselig. Für mich ist Gothic jedenfalls kein Einrichtungsstil, sondern vor allem ein Lebensgefühl. Und das Gefühl richtet sich so ein, wie es sich wohlfühlt – auch wenn sicherlich Teile aus schwedischen Design-Zentren dabei sind :-).