Eine ganze Weile habe ich nach einer Lösung gesucht, die musikalischen Tipps und Empfehlungen, die ich manchmal per Facebook, manchmal per E-Mail oder auch manchmal mit der richtigen Post bekomme, vorzustellen. Dabei frage ich mich schon manchmal, ob dies oder jenes überhaupt gezeigt oder vorgestellt werden sollte. Das wäre aber schon wertend, deshalb überlasse ich es Euch die Zusendungen zum loben oder kritisieren.
Zwei Quellen will ich vorstellen: Zum einen den Briefkasten (virtuell oder real) und die Empfehlungen und die mir persönlichen geteilten Dinge aus Facebook und Twitter, die mir aus dem ein- oder anderen Grund im Gedächtnis geblieben sind und zu denen ich mir partout keine Meinung habe (oder machen möchte).
Aus dem (elektronischen) Briefkasten
Bei großen Umschlägen in meinem Briefkasten wird es in der Magengegend immer recht unruhig, vor allem wenn sie von Gesellschaften stammen, die ich nicht kenne oder zuordnen kann. Diesmal entspannte sich meine Magengrube, denn der Inhalt war das Album „My Favourite Faded Fantasy“ von Damien Rice, von dem ich weder gehört noch gelesen hatte. Ich nutzte daher den Weg zur Arbeit, um das Album im Auto probezuhören.
Nun, was soll ich sagen. Musikalisch hat der irische Singer/Songwriter sicherlich was drauf, wenn man möchte, klingt es sogar durchweg melancholisch und nachdenklich, aber mein Fall ist es überhaupt nicht. Seichter Pop ohne Ecken und Kanten. Ich verstehe den Ansatz, den Künstler hier in Deutschland bekannter zu machen, aber ob Spontis dafür eine fruchtbare Plattform ist? Nun ja.
Nach dieser Enttäuschung kam mir die E-Mail von Danijel Zambo gerade recht, der mit seinem Projekt Derailed den Pfad des Post-Punks entdeckt und seine gerade veröffentlichte Single „Runaway“ ganz ausgezeichnet zu Gefühl passt, das Damien Rice hinterlassen hat. Das gefällt mir schon deutlich besser, ein Ohrwurm wird es aber sicherlich nicht werden.
[bandcamp width=100% height=42 album=2544501766 size=small bgcol=ffffff linkcol=0687f5]Karl Morten Dahl schrieb mir in einer E-Mail, dass er ein Stück von Hante. geremixt (schreibt man das so?) hätte. Mit seinem Project „Antipole“ versucht sich der Norweger aus Trondheim auf den Pfaden des Coldwave, wie er in seiner Beschreibung angibt. Ich finde es persönlich ja außerordentlich schwierig, ein bereits „Coldwaviges“ Stück wie „Empty Space“ von Hante. noch „kälter“ zu machen. Und so plätschert dann der Remix durch den Kopfhörer ohne mir wirklich ein kalten Schauer über den Rücken laufen zu lassen:
Andere Stücke von Antipole hätten da deutlich mehr Potential, wie beispielsweise „Shadow Lover„, warum man sich dann an einem Remix von Hante. versucht, bleibt mir schleierhaft.
Neulich bei YouTube
Auch von den Gründern des Cholo-Goth, den Prayers, gibt es Neuigkeiten. Die haben noch kurz vor dem Jahreswechsel ihr neues Album „Baptism of Thieves“ veröffentlicht und versorgen nun auch YouTube mit audiovisuellen Background und präsentierten mit „One 9 One 3“ ihre jüngste Singleauskopplung. Tattoos, nackte Körper und markanten Textzeilen wie: „I’m fucking your Girlfriend as she’s painting my Nails“. Cholo-Goth. Ist klar.
Die Pale Waves sind eine noch recht unbekannte Band von der britischen Insel, deren Frontfrau Heather Baron-Gracie zwar rein äußerlich wie die Tochter von Goth-Legende Robert Smith erscheint, musikalisch jedoch auf einem ganz anderen Planeten zu Hause zu sein scheint. „Television Romance“ jedenfalls ist gefälliger Pop, der zwar ein bisschen 80er klingt, mit Goth aber nichts zu tun hat. Letztendlich hat man der Band den Stempel aber wieder mal aufgedrückt.
Chris Corner, kreative Hydra von IAMX, hatte nicht nur Ende Januar Geburtstag, sondern hat seine Fans auch gleich mit einem neuen Album beschenkt: „Alive in New Light“. Das neue Licht scheint dann wohl Kat von D, die Tattoo-Künstlerin die sich als Reality-TV Star zahlreiche Stars unter ihrer Nadel sicherte, zu sein. Denn die ziert nicht nur die Videos, sondern ist auch musikalisch an der Seite von Chris Corner zu hören. Ich bin mir unschlüssig, ob ich das gut oder schlecht finden soll und ob die „weibliche“ Attitüde wirklich hilfreich ist.
Bild im Titel: Eric Nopanen via unsplash.com
Tatsächlich ist Damien Rice schon ein alter Bekannter, zumindest für die Pop-Hochkulturfuzzis der Rolling Stone und des Musik-Express ;) Als ich noch als CD-Verkäufer meine Brötchen verdiente, hatte er anfang der 00er Jahre mit „o“ und „9“ zwei ganz annehmbare Alben, die auch besser als das klingen, was er aktuell macht. Verkauft habe ich die beiden Scheiben jedenfalls nicht schlecht.
IAMX wiederum hat mich positiv überrascht, nachdem ich mit den letzten beiden Alben nicht mehr so viel anfangen konnte. Ein Reißer wie „Kingdom Of Welcome Addiction“ oder „The Alternative“ ist es allerdings auch nicht.
Das ist interessant, zumindestens was IAMX angeht, denn da hatte ich ganz andere Wahrnehmungen, jedenfalls zu den alten Alben. Bei dem neuen habe ich allerdings in Wirklichkeit keine Meinung, denn obwohl mit die Zusammenarbeit mit Kat von D durchaus gefällt, steht es doch musikalisch hinter den sonstigen Werken zurück, ich halte es für weniger innovativ und spannend. Die Zusammenarbeit macht die Sache vorhersehbar und scheint einen anderen (breiteren) Markt bedienen zu wollen, als bisher.
Spielen wir jetzt Audio-Schwarzer Peter? Musikalisches Russisches Roulette? Welche bitteren Kelche, gar klingende Schierlingsbecher hast Du noch in Petto, Robert? Ganz schön perfide das, dieses „da hört selbst, womit die mich quälen, damit ihr auch was davon habt, harhar…“, oder so… (wer nicht hören will, muß fühlen, nicht wahr?)
Nun gut, geteiltes Leid ist halbes Leid, aber so schlimm war’s dann doch nicht (mit Ausnahme der Nummer der „Prayers“, die ich einfach nur scheußlich aufgesetzt, klischeehaft und gelinde gesagt kreuzdämlich fand…).
Aber, wirklich erbaulich geht anders. Letztendlich sollte ja auch jedem klar sein, daß eine wirklich sinnstiftende persönliche Rezeption von Kunst und Kultur, hier Musik, selbst entdeckt und „erarbeitet“ werden will, damit sich schliesslich Freude an der Materie einstellen will. Wahlloses „Empfehle“, „Zugemülle“ und Überschüttetwerden von ach-so-gutgemeinten „Tipps“, „Promos“ und dergleichen kann bisweilen schon überfordern…
Aber nun kurz noch zum Inhaltlichen, quasi zur „Substanz“ des Ganzen: Damien Rice, aha! Nun ja, wie Daniel schon ganz richtig und passend wertete, ein Fall für die „Fuzzis“ vom „Rolling Stone“ und dessen Klientel, die erleuchtet im (mehr oder weniger) spezialisierten Einzelhandel einherstolzieren und sich wie Bolle fühlen, wenn sie mit dem entsprechenden Album unterm Arm (für jeden sichtbar) nach Hause eilen, um hinterher ganz oberwichtige *****-Sterne-Rezensionen bei „amazon“ abzusondern…
Gut, Mr. Rice abgehakt, Sie finden bei mir im Regal nicht statt, da muß der andere Herr Rice halt dort auf seinen Nachnamensvetter verzichten…
Hante, ja ansonsten stark favorisiert. Aber Remix-Gedöns will wohldosiert rezipiert werden – und seit den Depeche Mode-Remix-Overkills bin ich da ja eher skeptisch und sehr sehr wählerisch geworden…
Pale Waves, yeah, oh how we laughed, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, so wie ein Outfit noch keinen Style und (wohlgemerkt) Stil begründet. Keine Ahnung, was das nun sollte, aber mir fällt dazu nur „Schuster, bleib bei Deinen Leisten“ ein. Schwarzer Lipstick und so soll wohl aufmerksamkeitsheischend wirken, die gebotene Musik tut’s eher nicht. Dann immer noch lieber die aktuelle MGMT-Nummer namens „Little Dark Age“, die in ähnlichen Gewässern fischen möchte – aber ähnlich baden geht wie das Pale Waves-Mädel…
Und was an IAMX so doll ist, erschloß sich mir noch nie wirklich. Besitze zwar ein Album, aber das „reift“ jetzt schon seit Jahren unberührt im Regal vor sich hin. Würde auf Anhieb jetzt auch nichts von dem Herrn Corner (wieder)erkennen, wenn man es mir nochmals vorspielen würde. Linkes Ohr rein, rechtes wieder genauso hinaus…
Aber gut jetzt, Robert, wirklich schlimm war jetzt nichts (wie schon gesagt: ausser den „Prayers“), immerhin hast Du darauf verzichtet, uns mit Kram a la Mono Inc., Nachtmahr, Grausame Töchter, und ähnlichem Billig-Grufti-Tandaradei, äh, „herauszufordern“…
…wobei, und um ganz ehrlich zu sein, das IAMX-Video ist schon eine ganz gehörig peinlich mißratene Klischeekiste, was den Song nun letztendlich aber auch nicht besser macht…
Die älteren Sachen von IAMX mag ich insgesamt sehr, aber was er seit dem Album „Unified Field“ abliefert, finde ich größtenteils, bis auf wenige Ausnahmen nur noch belanglos und langweilig (bzw. das findet einfach nicht den Weg in meine Gehörgänge).
@T.S.: Es ging noch nicht mal um einen schwarzen Peter (wie passend!) sondern tatsächlich um Unentschlossenheit. Wenn ich was doof finde, so wie Damien Rice, dann schreib ich das auch. Wenn ich was richtig gut finde, auch. Nur habe ich bei den meisten „Einsendungen“ tatsächliche keine klare Meinung und fühle mich auch nicht in der Lage, mir eine zu bilden :-) Vielmehr geht es darum, dass mein Musikgeschmack nicht der Mittelpunkt der schwarzen Welt ist und ich nette E-Mails oder Einsendungen zumindestens vorstelle. Tatsächlich hatte ich auch schon überlegt, die DAC monatlich einmal Revue passieren zu lassen, obwohl wir da natürlich sehr schnell wieder bei Bands sind, die Dich quälen könnten.
Nun, gäbe es doch tatsächlich mal Bands, die heutzutage noch in der Lage wären, mich (zumindest musikalisch) zu quälen, ich hätte zumindest ein wenig Hochachtung, immerhin auch ein bisserl Respekt für diese übrig…
Aber in Zeiten, in denen mancherorts, bzw. bei manchen „Szene-Ablegern“ „Alternative“ mit nicht zu Ende gedachter überkommener klischeetriefender Pseudo-Provokation gleichgesetzt wird, aber dennoch nur der durchschnittliche und mediokre trendy Zielgruppen-maßgeschneiderte „Club-Hit“ anvisiert wird, der letztendlich auch nur primär Verkaufszahlenorientiert funktionieren muß, dann vergeht einem die Lust ganz schnell auf DAC, „alternative“ und ach-so-„Underground“…
Wie wahr, wie wahr, auch ich bin daher absolut froh, daß meine musikalischen Vorlieben, bzw. musikalische Rezeption (ich vermeide weitgehend die „Musikgeschmack“-Begrifflichkeit, die schmeckt mir zu schal und muffig…) nicht der Nabel der aktuellen „music for the Gothic masses“-Mainstream-Welt sind. Wobei wir es hier ja mittlerweile mit einer Art Parallel-Welten zu tun haben. Auch mancher Nachwuchs-Szenler verabscheut den klischeebesetzten schwarzszenlerischen und beinahe schon Trademarkverdächtigen billigkrawalligen Eeevil-, bzw. Arsch’n’Titten-Soundtrack und dergleichen.
Letztendlich ist es zumindest für mich wichtig, klar Stellung beziehen zu können und mir eine Meinung zum Gehörten (und Gesehenen) zu bilden. Bei der gebotenen Masse und der Überreizung reicht mir ein „ganz nett, aaaber…“ nicht mehr.
Und immerhin: Deine gewählte Überschrift könnte man bereits schon als zumindest ein wenig (ab)wertend interpretieren – von wegen „keine klare Meinung“, oder täusche ich mich da so sehr…? ;-)
Von daher nochmals zurück zu den oben vorgestellten „Pale Waves“ (eines von vielen Beispielen). Für mich ein eindeutiger Fehlgriff in Punkto Stil und Styling – und in der Kombination noch nicht einmal originell und innovativ, sondern einfach nur verschiedene „Einflüsse“ krude verquirlt und verwässert, so daß nichts mehr passt und der Charme flöten geht. Vom Song her ein eindeutiger Fall von nicht mal sooo üblem twee pop, Marke C86, Darling Buds, Talulah Gosh, Shop Assistants, etc. und der Geist des „Creation“-Labels schwebt immer irgendwie in der Luft (die beiden Burschen posieren dementsprechend und deren look spricht Bände, siehe auch das vorgeführte Equipment – man vergleiche nur mal so mit einem Albumcover von, sagen wir mal, Biff Bang Pow, und man weiß alles…). Aber das (Front-)Mädel kokettiert mit einem Möchtegern-catchy-Styling, das Aufmerksamkeit heischen will, vielleicht auch mit ein bisschen aufgesetzter trendy oho-oho-Gothvamp-Verruchtheit, aber so wie sie es darstellt, sieht es aus, als würde sie selber ihrem Outfit nicht trauen.
Die haben bei mir schon verloren – so einfach geht das…
T.S., jetzt arbeite Dich doch nicht so an den PaleWaves ab. Das ist doch im dargebotenen Kontext ganz klar noch das interessanteste Stück, das Robert ausgewählt hat. Nur weil die jung sind und ein bisschen anderes Verständnis von Goth haben, muss man die doch nicht gleich so niederknüppeln. Habe den Song schon länger auf dem Radar, bzw. auf meiner Playlist und höre den echt gerne. Und so ein bisschen Style Crossover mit den von Dir genannten Bands stünde manch einer Gruftiband gut zu Gesicht, dann würde sich am Ende auch nicht immer alles so schrecklich gleich anhören.
@T.S.: Nein, Du täuschst Dich nicht. Wer bei Spontis „zwischen“ den Zeilen liest, vermag das ein oder andere Geheimnis zu erfahren. :-) Es bleibt dabei: Musik ist dem persönlichen Geschmack unterworfen, mit dieser beginnenden Artikelserie möchte ich nur den Fehler vermeiden, „echte“ Perlen – für welches Ohr auch immer – zu verschütten, weil sie an meinen Synapsen unaufgeregt vorbeischweben.
Musik ist ein schwieriges Thema. So halte ich nicht viel von Labeln, sondern halte es wie in den (guten) alten Zeiten, im assimilieren von dem, was zur melancholischen oder wahlweise rebellischen Grundstimmung passt.
Außerdem mag ich Menschen mit klarer musikalischen Meinung, so subjektiv oder objektiv sie auch sein mag. Das schließt Dich mit ein ;-) Vielleicht hast du ja Lust, Dich musikalisch an der Suche zu beteiligen und eine monatliche Kolumne zu verfassen? Hier hören wir Dir zu ;)
@Rocko: Ich fand hier tatsächliche das Auftreten der Band spannender als den Song. Der ist gut, keine Frage, hat aber mit Grufti-Sein nun wirklich nichts zu tun. Noch nicht einmal dann, wenn ich assimiliere, so wie oben beschrieben. Womit ich Dir Recht gebe, ist allerdings das andere Verständnis von „Goth“ – ohne ein weiterentwickeln, weiterleben und sich ausprobieren würden wir wohl möglich untergehen, wie uns des öfteren prophezeit wird.
@Robert: ich hatte ja bereits bei FB angemerkt, dass ich Deine Idee sehr begrüße, hier auch mehr Musik stattfinden zu lassen. Ich kenne zwar Deine (an anderer Stelle erläuterten und für mich völlig nachvollziehbaren) Gründe, warum Du das bisher eher nicht machen wolltest und freue mich deswegen umso mehr :)
Und nochmal mehr freue ich mich über das musikalische Spektrum, dass Du hier anbietest. Denn ich finde unsere „Szene“, oder wie auch immer man das betiteln mag (vielleicht lieber „unser Verein“;)), leidet in der letzten Zeit ein wenig an der immer stärkeren Aufsplittung und den damit leider einhergehenden Scheuklappen. Ich habe den Eindruck, viele junge Bands wagen gar nicht mehr irgendetwas Neues auszuprobieren, sondern variieren stattdessen lieber sachte den in Ihrer jeweiligen Sub-szene bereits kanonisierten Sound, was dann am Ende dazu führt, dass sich alle mehr oder weniger gleich anhören.
Echte Weiterentwicklungen aufzuspüren wird indes immer schwieriger und man findet sie wohl am allerseltensten in den von kommerziellen Interessen durchsetzten Sprachrohren wie DAC oder auch den wenigen noch vorhandenen Szenemagazinen, in diesem Punkt stimme ich T.S. vollkommen zu.
Da muss man sich also woanders auf die Suche begeben, aber unsere heutige Zeit bietet ja reichlich Möglichkeiten dazu und wahrscheinlich ist es heutzutage auch nicht wesentlich schwieriger an neue, interessante Musik zu kommen als vor 20-30 Jahren, nur eben anders schwierig ;)
Und um nicht missverstanden zu werden: ich halte die Pale Waves jetzt auch nicht für die Erneuerer des Dark Wave Sounds, sondern finde lediglich den Song gut. Klar ist das letztlich nur ein Popsong, der von einer Band dargeboten wird, von der einzelne Mitglieder mit dem Goth-Styling kokettieren, aber letzten Endes ist das ja nu so neu auch nicht und steht für mich in einer Linie mit, sagen wir, HIM – join me in death, (was sich ja damals auch sehr großer Beliebtheit innerhalb der Szene erfreute, obwohl es im Grunde auch nur ein schlichter Popsong ist) oder auch, wenn man noch weiter zurück geht, The Cure – Lovecats (auch wenn ich mir mit der Aussage hier bestimmt nicht viele Freunde machen werde, ist mir auch klar – aber hej, ich will die beiden beispielhaft genannten Songs ja damit nicht abwerten, sondern einfach nur meine Perspektive erläutern, und warum ich es unnötig finde auf die armen Pale Waves an dieser Stelle so einzudreschen. Das haben doch meiner Meinung nach, wenn überhaupt, eher ganz andere, vermeintliche „Szenegrößen- & götter“ verdient… ;)
Würdest Du mich nach solch wahrhaftigen Innovatoren fragen, fällt mir, wie oben bereits angedeutet, kaum wirklich jemand ein. Es gibt jedoch eine Menge interessanter Bands bzw. Musiker, die den Dark Wave Sound als Basis nehmen und behutsam in die Moderne überführen oder zumindest mit ein paar nicht-schon-tausendmal-gehörten Elementen und Twists bereichern. Da fallen mir sehr wohl welche ein, in der jüngeren Vergangenheit v.a. Musikerinnen wie z.B. Soho Rezanejad oder auch Nabihah Iqbal.
Zu den anderen Songs des Beitrags: Was den Hante. Remix angeht, da gebe ich Dir vollkommen Recht, Robert, das ist genauso ziellos, wie der Versuch, ein bereits tiefergelegtes Auto noch weiter tieferzulegen, da muss man zwangsläufig Schiffbruch erleiden; und mit IAMX geht es mir ähnlich wie T.S., die wollte ich eine Zeit lang wirklich gut finden, auch insbesondere weil ich den Wunsch zur Weiterentwicklung bei denen deutlich wahrnehme und von ganzem Herzen begrüße (!), allein musikalisch geht das leider völlig an meinen Hörgewohnheiten vorbei..
Zu den anderen beiden habe ich keine Meinung, die sind mir persönlich schlichtweg egal, trotzdem finde ich es gut, dass sie hier auftauchen, denn vielleicht vermögen sie ja den geschmacklichen Horizont eines anderen Lesers zu bereichern. Denn wenn wir uns hier alle nur die derzeit angesagten Dark Wave Bands um die Ohren hauen, die auch sonst überall im (Goth-relevanten) Netz herumgeistern, ist damit, glaub‘ ich, keinem wirklich geholfen.
@ Rocko Francese: Ich denke darüber kann man sich streiten. Ich finde es gibt sehr viele neue und sehr interessant Sachen. Sowohl in den Bereichen des Wave wie des Post Punks hier muss man mitunter nur etwas suchen und seine gewohnten Fahrwasser verlassen. Die Engstirnigkeit betrifft meiner Meinung nach auch eher viele Hörer. Da werden die gleichen Songs immer wieder durchgenudelt und Neues wird erst mal skeptisch betrachtet…
Die Pale Waves erscheinen mir, wie die schwarze Version einer neuen Teenie-wir-sind-anders-und-besonders-Band und erinnern mich an Avril Lavinge, zumindest was die Aufmachung angeht. Machen Musik etwas ausserhalb vom seichten Pop und Rock, werden in entsprechende Kleidung gesteckt und dann als „krass“ und „besonders“ vermarktet. War bei der genannten Dame wohl so ähnlich. Avril Lavinge war nie Punk, konnte man aber den Teenies in der Bravo gut verkaufen. Einen Nietengürtel und was mit Caromuster geshoppt, schon war sie da die Rebellion gegen die elterliche Spießigkeit (Und meist schnell wieder weg…). Mich nervt immer nur, das Bild das daraus folgt, es wird gesehen und unreflektiert als Beispiel für „schwarze Szene“ (oder auf was auch immer sich das dann bezieht) genutzt. Am Ende aber, wayne… Kann man sich anhören, wenn es einem zusagt, mir spricht es musikalisch einfach nicht zu…
Rocko Francese : Dabei will ich auch bleiben. Es ist Pragmatismus. Es mangelt mir einfach an der Fähigkeit, Musik differenziert wahrzunehmen, Bezüge zu bereits geleisteten Werken herzustellen und mein gut/schlecht Empfinden auszuschalten. Dahingehend bewundere ich beispielsweise Daniels Beiträge auf seiner Seite Unterton. Erstaunlicherweise kann ich trotzdem eine gewisse Zahl an Lesern mit meinem Geschmack eine Art Gemeinschaftsgefühl entlocken. Das ist schön :-)
Und letztendlich muss man doch auch heutzutage das „Besondere“ und „Abseitige“ innerhalb der als „Gothic“ gelabelten Musik suchen, denn Etiketten sind heutzutage dazu da, um missbraucht zu werden. Ebenso wie die DAC, die stellenweise echt gruselig sind oder auch wenn der Sonic-Seducer schon wieder die 38. Gothic-Metal-Hybrid-Alternative-Crossover Band präsentiert. Ich glaube, so hat Gothic auch mal ursprünglich funktioniert. Man hat zu düsterer Musik erklärt, was einem düster erschien.
Flederflausch : Sei nicht genervt, Ines. Wir können Gothic und seine Ausdrucksformen nunmal nicht markenrechtlich schützen. Daraus folgert, dass sich alle möglichen Leute eines Styles bemächtigen, Stile imitieren ohne wirklich dem nahe zu sein, was man gemeinhin als „Inhalt wahrnehmen dürfte. So finde ich den Stil der Frontfrau durchaus knorke, auch wenn ich musikalisch etwas leiser drehen muss.
@Robert, du hast natürlich Recht. Mich stört hier mehr die medial-kommerzielle Ausschlachtung und das ignorante/unreflektierte Einsetzen von Stileelementen (Ich: findet immer was zu meckern ;) )
Da muss ich jetzt auch mal Robert zur Seite preschen. Mir gefällt der Style der Sängerin auch ganz gut und ich glaube auch nicht, dass das eine Band ist, die von Plattenfirmen am Reißbrett zum Abgreifen bestimmter Zielgruppen gecastet ist (ganz im Gegensatz zu vielen vermeintlichen Szenebands, die in Szenemagazinen gefeatured werden). Wahrscheinlich ist das Mädel tatsächlich ein bisschen gruftig drauf und hat halt leider das Pech, in einer Band zu sein, die einen anderen musikalischen Konsens gefunden haben. Ich kann da jetzt nix Negatives dran finden. Im Gegenteil wenn 1 oder 2 von 100 Teenies, die darauf steil gehen, unsere Szene für sich entdeckt, ist das doch knorke :)
Ich finde ja auch, dass man über vieles meckern muss, aber darüber doch man wirklich nicht. Zum Trotz höre ich mir das Lied jetzt gleich wieder an, und danach in the shadows von The Rasmus und boy don’t cry von Tokio Hotel (aber im deutlich geileren Drangsal remix) ,-)
@Rocko Francese: Ich denke da sind wir wieder ganz tief drin in der Thematik der Vermakrung und Kommertialisierung von „Szene“, gerade auch in Verbindung mit entsprechenden Magazinen (die natürlich auch Umstz machen müssen. Von Engagement und Szenebegeisterung alleine kann man keine Mitarbeiter, keinen Druck, keine Miete bezahlen….). Im Grunde landen wir hier ja auch immer wieder bei der Frage, was ist eigentlich „gruftig“. Zu welchem Teilbereich zählt man das. Nach welchen Kriterien zieht man die Grenzen. Am Ende ist das wohl für die eigene Entscheidung zumindest auch immer abhängig von der persönlichen Einschätzung (die nicht unbedingt auf rationalen Kriterien beruhen muss) und den eigenen Vorlieben und Interpretationen.
Sicher, die meisten kommen über eben solche, ich nenne sie jetzt einfach mal so: „seichte“ Bands zur Szene. Das ist ja in der Regel das erste was greifbar und präsent wird. Da muss jeder seinen Weg finden. Ich wollte das ja auch nicht ganz verteufeln. Aus meiner Sicht ist es halt einfac ein kleiner Grund zum Augenrollen ;) Was das dann für jeden einzelnen an Bedeutung annimmt ist ja wieder eine andere Frage und hey, zu behaupten, ich wäre am Anfang gleich ganz tief in der Materie gewesen und würde die „alten“ Bands, die auf der gleichen Schiene wie Pale Waves fahren, heute nicht mehr ab und zu anhören ist schlicht gelogen…
Die Pale Waves sind jetzt nicht ganz neu, keine Ahnung warum da jetzt die Diskussion losbricht. Die hatten IMO bereits 2014/15 diesen Look gehabt, als die sich noch selbst vermarktet haben. Die hatten nur das Glück als junge Band nen Major Vertrag zu bekommen. Von außen „aufgedrückt“ ist da aber meines Wissens nach recht wenig.
Hier übrigens mal das komplette Gegenteil: Zimt aus Augsburg. Sehen aus wie Normalos, machen aber herrlichen Gitarrenwave, wie einst eben auch von Joy Division zelebriert. https://www.youtube.com/watch?v=dN0qavgLYSw
Wir leben in einer Zeit, wo das Äußerliche eben nicht mehr auf die Musik schließen lässt. Das ist aber nichts neues, ich verweise da nur mal auf The Organ Anfang der 2000er. Optisch ne klassische Mädels-Rockband, musikalisch aber sehr melancholisch auf den Spuren von The Cure gewesen. Inklusive der namensgebenden Orgel.
Edit: Mir fällt in dem Kontext gerade noch Lucy Camp ein. Eine US-Rapperin, welche sich aber optisch und von der Vermarktung her wiederum sehr auf Gothic bezieht: https://www.youtube.com/watch?v=IkPNyHE9POs
Wie ich schon seit Jahren sage, man kann schon lange nicht mehr von Optik auf Musik und umgekehrt schließen. Ich bekomme teilweise recht melancholischen und düsteren Kram ins Postfach geschickt, die Leute dahinter könnten Dir dann aber teilweise als Bankberater im RL begegnen. Ist wahrscheinlich auch der Fall in einer Zeit, wo niemand mehr von Musik leben kann.
Bei den Whispering Sons würde ja von dem „harmlosen“ Aussehen der Bandmitglieder auch kaum jemand darauf kommen, was für düstere Musik die machen. Sie sehen ja mehr nach Schülerband aus als nach Düsterkapelle ;-) Hinzu kommt, dass die völlig unscheinbare, zarte blonde Sängerin mit der ungewöhnlich kraftvollen Stimme auf der Bühne ein ziemlich ausdrucksstarkes, ja fast schon wahnsinnig wirkendes Gebaren an den Tag legt, was den Überraschungseffekt noch steigert.
Axel : Es geht auch nicht um „neu“ sondern um eben das, was mir so ins Postfach flattert. Und da waren die Pale Waves nun mal dabei. Und natürlich spielt der „Look“ eine untergeordnete Rolle, es ist eben auffällig, wenn der Look nicht zur Musik passt (oder umgekehrt) – Zimt gefallen mir im übrigen leider auch nicht, weder musikalisch noch äußerlich ;)
Mir ist es eigentlich völlig egal wie eine Band aussieht, solange die Musik mir gefällt und auch auf der Bühne etwas rüberkommt.
Auf Zimt komme ich auch nicht klar, obwohl ich es nun auch schon mehrfach versucht habe. Sehr wohl aber auf The Organ oder auch die teilweise etwas an sie erinnernden Desperate Journalist.
Whispering Sons hingegen halte ich für eine der momentan vielversprechendsten unter den jüngeren Post Punk Bands.
Ich finde das eigentlich auch ganz gut, dass sich Bands jetzt nicht mehr zwangsläufig dem Szenelook unterwerfen, dafür gibt ja einige Beispiele in der letzten Zeit. Und den von Tanzfledermaus angesprochenen Überraschungseffekt finde ich eigentlich auch ganz schön :)
Und wirklich geschmackvoll gestylte Bands oder Frontleute, wie es sie in den 80ern & frühen 90ern zuhauf gab, fallen mir auch ehrlich gesagt heutzutage kaum noch ein .. Drab Majesty noch am ehesten, die haben ja Ihren ganz eigenen Style.
bzw. andersrum gedacht, glaube ich, dass es schwierig ist für Bands, die optisch sehr weit weg sind von szenemäßigen Standard bzw. schwarzem Alltagslook (wozu man den Style der Wispering Sons ja auch noch zählen könnte), sich in unserer Szene Gehör zu verschaffen.
Zumindest kann ich es mir anders nicht erklären, warum beispielsweise eine Band wie die fantstischen DIIV es noch nicht aufs WGT oder sonstige schwarze Festivals geschafft hat, bzw. warum deren Song „doused“ nicht schon längst ein Tanzflächen-staple in den post-punk affinen schwarzen Clubs des Landes ist…
Hier zum Vergleich einmal ohne (https://www.youtube.com/watch?v=EnV-uhvOA5A) und einmal mit visuellem Stimulus (https://www.youtube.com/watch?v=ZCQbjvbMea8)
Ohje, diese Diskussion wollte ich nun wirklich nicht lostreten. Auf mich haben sie lediglich die geschilderte Wirkung. Die muss sich ja nicht mit der Wirklichkeit und mit der Wirkung auf andere decken ;) Ich empfinde es so, dass es in die breite Bandbreite der medialen Ausschlachtung und Vermarktung passt, zumindest rein optisch.
Ich denke ehrlich gesagt auch, dass wir diese Außenen/Echtheit/Inhalt wirklich nicht diskutieren müssen, sondern uns eigentlich einig sind, dass die Musik im Vordergrund steht und die unabhängig vom Stil sein kann (aber nicht muss). Was dann individuell gefällt ist ja wieder eine andere Frage…
Axel: ich habe unabhängig von Lucy Camp den Eindruck, dass dieser düsere Stil zumindest in Mode und Musikbranche akzeptiert sind und von einigen Künstlern genutzt wird.
Zumal „Szenelock“ ja auch relativ ist. Verschiedene Strömungen und verschiedene Richtungen haben verschiedene Ausdrucksformen und verschiedene Menschen erst recht. Da sind Skinny Jeans und Top vielleicht kein sofort ins Auge springende Szenelook (zumindest nicht, wenn man dan die extremeren Formen denkt), aber etwas was viele Lieberhaber der Musik so auch tragen. Im Grund sind wir jetzt hier ja wieder bei der Diskussion, welchen Stellenwert die optischen Ausprägungen annehmen und was noch zu einer bestimmten Subkultur gezählt werden kann (rein optisch) und was halt einfach nur schwarz und evtl. auch etwas anders als der Mainstream ist
hehe. am Ende landet man dann anscheinend doch immer bei den gleichen, schon viel zu häufig diskutierten Themen…, die scheinen dann doch einfach sehr tief verwurzelt zu sein. ;)
So lose zu diesem Themengebiet passt auch ganz gut ein Artikel, über den ich heute morgen gestolpert bin. Der ist zwar thematisch schon ein bisschen anders gelagert und man muss sich jetzt als Goth oder Gruftie nicht gleich zwangsläufig angesprochen fühlen, aber dennoch fand ich ihn sehr amüsant zu lesen und vielleicht geht es ja dem/der ein oder anderen hier ähnlich …. bestenfalls kann man sich daraus sogar Anregungen für das diesjährige WGT Outfit ziehen ;)
https://www.dazeddigital.com/fashion/article/32335/1/a-brief-history-of-sad-boy-fashion
@Rocko:
DIIV sind toll. Aber ne ganz klassische Shoegaze / Dream Pop Band. Quasi seit den 90ern besteht die Hälfte der Shoegaze und Dream Pop Musik aus Songstrukturen und Instrumentierungen, wie man sie Ende der 80er im Ethereal Wave und teilweise auch im Gothic-Rock gehört hat.
Warum nun in den letzten zwei Jahrzehnten diese Shoegaze und Dream Pop Szene nie zur schwarzen Szene gekommen ist, frage ich mich ehrlich gesagt auch. Beide Szenen sind ja tatsächlich recht strikt voneinander getrennt. Warum dem so ist, weiß ich aber auch nicht. Vielleicht ist die Musik nicht sompartytauglich. Da tanzt man in den schwarzen Tempeln der Republik lieber auf billigen Kirmestechno oder schlechten Rammstein-Kopien.
Fun-Fact: Ende der 90er gab es ja mal die Story mit den Cranberries. Ebenfalls eine Band, die ziemlich szenekompatibel waren – so rein musikalisch. Die haben abgelehnt auf nem Gothic-Festival zu spielen, weil die der Meinung waren, dass das nicht ihr Hauptpublikum war. Wie falsch die damit lagen. Jeder Grufti den ich in den 90ern kannte, hatte auch mindestens 2 Cranberries Alben im Regal stehen.
Das unterschreibe ich alles Wort für Wort und ich finde diese Genre-Fetishisierung der letzten Zeit ebenfalls ein wenig panne, oder um ein schönes Wording von Flederflausch aufzugreifen, Wortklauberei, so nach dem Motto: „igitt, das ist ja shoegaze und so gar nicht post-punk“ – wtf?!? Natürlich ist das ne indie/shoegaze Band, aber mal ganz ehrlich: der Song (also ‚doused‘), von irgendeiner szenekompatiblen Combo fabriziert, wäre doch ein sicherer dancefloor filler, oder etwa nicht..?
Das schöne an diesen Bands ist ja gerade, dass sie noch an klassischem Songwriting interessiert sind, wohingegen viele neuere Szenebands eher versuchen, einen Sound naturgetreu nachzubasteln und sich eher sekundär um die Güte Ihrer Songs Gedanken machen.
Oder wenn man es andersrum betrachtet, Slowdive und JAMC spielen ja auch ganz selbstverständlich auf dem WGT und das (zumindest im Falle von Slowdive, den JAMC spielen ja erst in diesem Jahr) vor nicht gerade wenig Publikum. Im Gegenteil finde ich die immer weiter zunehmende Abspaltung der Szene-/Underground- Kultur von der Popkultur eine zwar für mich in gewisser Weise nachvollziehbare, aber nichtsdestotrotz bedenkliche Entwicklung. Das führt letzten Endes dazu, dass die musikalischen Grenzen, in denen sich viele Szenebands bewegen, immer enger werden und eine wirkliche Weiterentwicklung aus der Szene heraus immer unwahrscheinlicher wird.
Denn die augenfälligen Weiterentwicklungen, die wir jedes Jahr auf Festivals wie z.B. dem WGT bewundern dürfen, sind doch häufig eher von außen aufgrund kommerzieller Interessen aufgedrückt und selten aus dem kreativen Spirit der Szene entstanden. Und wenn man sich mal anschaut, welche Platten man selber immer wieder gerne auflegt, sind das dann nicht häufig Platten aus den 80ern, als die meiste Zeit noch eine klare Anbindung an die Pop- oder meinetwegen auch Independentkultur gab – wenn einem der Begriff Popkultur jetzt zu weit weg vorkommt?
Und fun fact: ich hatte beide der von Dir angesprochenen Cranberries CDs und habe sie dann aber beim Umzug daheim bei meinen Eltern gelassen. Jetzt neulich, aus gegebenem traurigen Anlass habe ich sie vermisst und mir eine best-of gekauft.. ;)
Ja, das mit der Weiterentwicklung aus der Szene heraus… Ist zumindest hier in Deutschland eher unwahrscheinlich, auch weil wir da nicht die Strukturen haben, wie beispielsweise in den USA wo gefühlt an jeder Ecke der größeren Städte an den beiden Küsten irgendein Club zu finden ist wo man als Band auftreten kann. Hier in Deutschland ist ja die Clubkultur ziemlich ausgestorben.
Dennoch finde auch ich derzeit die spannendsten Entwicklungen auch außerhalb der Szene. Derzeit plane ich ja schon etwas für die La Danse Macabre 4. Eine der ersten Künstlerinnen, die ich eingeladen (und die zugesagt hat) habe ist diese hier: https://awali.bandcamp.com/track/whales
Hör Dir das mal an. Da hast Du sehr viele Heavenly Voices und Ethereal Elemente drin. Ich hab, aufgrund unserer Diskussion, mal mit ihr ein wenig gechattet. Auch sie sieht sich so garnicht in der schwarzen Szene – also so überhaupt nicht, was ich aufgrund ihrer Musik schon interessant finde.
Also mich kann man mit den alten 80er Jahre Kamellen tatsächlich mittlerweile jagen, besonders im Partyumfeld. Einfach weil zu überhört und durchgenudelt. Und natürlich waren die alten Post Punk Bands etc. von Popkultur inspiriert. Von Nico, The Doors, David Bowie, Klaus Nomi, Marc Bolan, Velvet Underground – eigentlich die ganzen größeren Rockbands und Künstler der späten 60er und 70er. Warum sollten Joy Division und Siouxsie and the Banshees nicht Popkultur gewesen sein? Sonst würde man sich ja heute nicht mehr dran erinnern.
Um da auch noch einmal einzuhaken: Den Kindern Namen zu geben, ist meistens sinnlos, aber für den ordnungsliebenden Deutschen wohl unabdingbar. Deswegen setze ich auch bewusst auf meiner UNTER.TON Seite keinen musikalischen, sondern thematischen Schwerpunkt. Melancholie und Weltschmerz findet sich in Robbie Williams „Angel“ genauso wie in „Walk To The Moon“ von Deine Lakaien oder „Tom Traubert’s Blues“ von Tom Waits wieder – musikalisch trennen sie allerdings Welten. Zuletzt bin ich auf das epische „Sign Of The Times“ von Harry Styles, einem abtrünnigen Boy-Band-Mitglied gestoßen. Episch, ergreifend. Natürlich nicht unbedingt für Gothics geeignet.
Übrigens sehe ich die Gruftie-Szene nach wie vor seit ihre Anfängen als sehr durchlässig für musikalische Genres. Das liegt vielleicht auch daran, weil sie in einer Zeit entstanden ist, als das Nebeneinander von Stilen besonders groß war. Als Gothic, so wie wir es kennen, begann, spukten andere Stile wie New Wave, No Wave, Punk, Post Punk, New Romantic, Synth-Pop und auch der teilweise aufkeimende EBM und Indie-Pop durch die Subkulturen. Auch wenn sie anfangs nicht so geheißen haben, klangen sie doch zum Teil recht unterschiedlich. Ich denke, dass man da mehr oder weniger aus verschiedensten Ecken etwas zusammengeklaubt hat, was zu diesem Zeitpunkt auch (subkulturelle)Mode war.
Heutzutage sehe ich es allerdings so, dass seit vielleicht rund 20 Jahren der schwarze „Musikgeschmack“ sehr von finanzträchtigen Plattenfirmen diktiert wird, die es sehr gut verstanden haben, dieses musikalisch amorphe Gebilde für sich zu nutzen. Ein Musiker sagte mir vor ein paar Jahren, dass es eigentlich keine dankbareren Szenen als die der Gothics gibt, weil Du dort relativ schnell Erfolg haben kannst. Kann ich als Nicht-Musiker zwar nicht beurteilen, aber wenn er dieses Gefühl hat, finde ich das dennoch bemerkenswert.
Daniel, es tut richtig gut, Deinen Beitrag zu lesen. :)
Stimme zu nahezu 99% zu – ich glaube nämlich, dass die von Dir perfekt beschriebene Durchlässigkeit und damit auch die Anbindung an die Popkultur früher insgesamt stärker ausgeprägt war.
Zwar bin ich nach jedem WGT geneigt zu glauben, dass das heutzutage tatsächlich auch noch so ist (weil das Booking einfach wirklich gut und zu den richtigen Seiten hin durchlässig ist), erlebe aber im Austausch mit anderen im Alltag dann oft doch eine sehr starke Fokussierung auf Bekanntes & Bewährtes und eine weitestgehende Ignoranz gegenüberder aktuellen Popkultur. Ich kann das sogar sehr gut nachvollziehen, weil es wahrscheinlich einfach eine Strategie ist, um mit dem musikalischen Überfluss und der allgegenwärtigen Verfügbarkeit von Musik heutzutage umzugehen oder zurechtzukommen, finde es aber nichtsdestotrotz schade.
Und immer, wenn ich wieder daheim in Dortmund bei meinen Eltern bin, stöbere ich gerne mal in meinen alten Zillos aus den frühen 90er Jahren, die ich dort lagere, und bin jedes Mal baff erstaunt und auch ein bisschen wehmütig, was da alles an musikalischer Bandbreite abgedeckt war.
Vollkommen richtig. Das ist ja genau der Punkt, den ich auch machen wollte. Nur können jetzt natürlich Underground Fanatiker hergehen und argumentieren, dass sie an den 80ern ja auch nicht unbedingt die Banshees am spannendsten fanden oder finden, sondern irgendwelche obskuren Kassettentäter (und deshalb den Begriff Popkultur oder Pop im allgemeinen grundsätzlich ablehnen). Aber selbst da würde ich noch einen Einfluss der Popkultur sehen, da im Unterschied zu heute, diese Underground Musiker von damals ja zwar mit den (heute so sehr geliebten und teils auch begehrt gesammelten) beschränkten Möglichkeiten gearbeitet haben, dabei aber versucht haben, Ihren großen (popkulturell relevanten) Idolen wie Joy Division, Suicide, Throbbing Gristle, John Foxx, Fad Gadget, Cure, Bauhaus, etc. nachzueifern.
Das ist meiner Meinung nach auch der größte Unterschied zu der Herangehensweise jüngerer Bands heutzutage, die ja eher das undergroundige fetischisieren und sozusagen den umgekehrten Weg gehen – sich also bewusst in Ihren Möglichkeiten beschränken, um möglichst unprofessionell, undergroundig, un-poppig/unmodern zu klingen. So sehr ich das einerseits auch mag und immer wieder gerne höre, entstehen dadurch andererseits meiner Meinung nach selten in Erinnerung bleibende Songs oder Alben. Wie gesagt höre ich auch gerne Hante., Agnes Circle, HOLYGRAM und Konsorten, bezweifle aber, dass wir zu deren Songs in 10-20 Jahren noch tanzen oder auch deren Musik zuhause so häufig auflegen werden wie die Platten von den oben genannten (popkulturell relevanten) Künstlern.
Ich zumindest denke, dass ich in 20 Jahren vielleicht eher nochmal eine Zola Jesus, Chelsea Wolfe, Anna von Hausswolff, Fever Ray, Motorama, Preoccupations, Klez.e oder auch Xeno & Oaklander (um jetzt einfach mal ein paar aktuelle Darkwave-nahe Künstler zu nennen, die die Anbindung an die Popkultur nicht prinzipiell ablehnen sondern im Gegenteil eher suchen…, da könnte man jetzt natürlich auch andere nennen, es geht mir hier weniger um konkrete Bands als um das, was sie verkörpern) aus dem Regal ziehen werde als eine szenige Undergroundproduktion, die mich zwar heutzutage auch zu begeistern vermag, die Begeisterung dafür aber verflüchtigt sich auch schneller und ist auf lange Sicht gesehen weniger nachhaltig.
Zu Deinem letzten Satz würde ich aber gerade Helene NICHT zählen. Dafür ist sie bereits zu lang erfolgreich.
Wir haben ja 2018. Das heißt wir können so langsam mal schauen, was in diesem Jahrzehnt die Szene geprägt hat. Und da fällt mir sofort ein: DIY, Eigenvermarktung und Netzkultur. Wenn wir uns die Szenemusik 2010 und 2018 anschauen, gibt es gravierende Unterschiede.
Warum wird mir also Helene de Thoury vermutlicherweise auch noch in 20 Jahren im Gedächtnis bleiben? Minuit Machine, „Blue Moon“ aus dem Jahr 2013. Das war für mich der Augenblick wo Bandcamp schlagartig interessant wurde. Ich kannte die Plattform auch schon vorher, jedoch war sie vorher nicht unbedingt als Szeneplattform etabliert. Das änderte sich schlagartig mit dem Erfolg von Minuit Machine. Das war auch so ein Projekt… Die waren auf einmal da. Und haben mal eben mit allen als sicher geltenden Marketingstrategien gebrochen. Sexualisierung? Gibt’s nicht. Vlogs, ausgedehnte Social Media Kampagnen? Nope. Quasi alles was damals an PR-Bullshit-Bingo im Umlauf war draf NICHT auf Minuit Machine zu. Und trotzdem war die Musik innerhalb weniger Wochen in aller Munde. Weil sie einfach so verdammt gut war. Das war dann für viele Musiker der Aha-Moment. Man muss ja diese ganzen Szeneregeln garnicht befolgen. Es reicht einfach nur geile Musik zu machen. Das war das erste Mal seit langem wo mal aus der Szene selbst was Neues entstand. Nämlich ersteinmal eine neue Herangehensweise an die Musik selbst. Eine befreitere Herangehnsweise.
Und das sehen wir in den letzten Jahren: Die guten Szenebands geben sich bewusst einfach, geradezu erschreckend normal. Manchmal etwas unnahrbar, aber nie übertrieben comichaft oder unbedingt auffallend. Und eigentlich ist das in einer Gesellschaft, die so auf Teufel komm raus auf individuell machen will und mit all den Fake-News und all den Krawall, das eigentliche Spiegelbild. Eben nicht in der Überhöhung, sondern bewusst im Understatement. Auf die Spitze bringt das die deutsche Musikerin Anne aka None.
Und natürlich bedienen sich auch diese Bands an Popkultur. Bei vielen Bands hast Du beispielsweise Synthwave Elemente drin. Das ist seit Jahren Popkultur in Filmen, Games, etc. Auch diese Melancholie, die von Musikerinnen wie Helene de Thoury, Kriistal Ann oder Ships in the Night ausgeht, ist adressiert an eine Gesellschaft wo viele Menschen an Burn-Out erkranken, wo Menschen sich vor lauter Stress kaum noch selbst fühlen können. Es ist eine andere Melancholie wie noch in den 80ern mit Tschernobyl und Kalten Krieg. Daher finde ich es jedoch grundfalsch, wenn man diese Musik als retro betitelt. Eigentlich ist sie sogar sehr aktuell.
Und noch was zum Thema Grenzen setzen. Das machen viele Musiker nicht um unpopulär sein zu wollen, sondern aus dem gleichen Grund warum sich viele Indiegames Entwickler etwa auf Pixel-Artwork beschränken: Fokussierung.
Du hast heute so viele Werkzeuge, da ist es einfach dich von Ast zu Ast zu schwingen, dies und das und jenes mal auszuprobieren. Möchtest Du aber als Musiker einen Wiedererkennungswert haben, heißt das sich auf einen Teilbereich zu fokussieren. Und innerhalb diesen Bereiches kreativ zu sein. Andernfalls würde bei rumkommen, dass jeder Song komplett unterschiedlich nach unterschiedlichsten Genres klingt. Das KANN funktionieren wie bei Paul Roland in all den Jahren. Meistens wirkt aber die Unfokussiertheit sehr kontraproduktiv.