Schwarzer Festivalsommer 2010

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Als heute die ersten wirklich warmen Sonnenstrahlen mein Gesicht trafen, schien mir die Frage, welches Festival ich dieses Jahr besuchen sollte näher als je zuvor. Doch die Auswahl gestaltet sich schwierig. Nicht nur in ihrer Art und Weise unterscheiden sich die Festivals, sondern auch in ihrer musikalischen Auswahl. Während sich das WGT ungewohnt breit gefächert zeigt, sind die Haupt-Headliner der schwarzen Szene wohl ASP, The Sisters of Mercy, Front 242, In Extremo, Placebo und allen voran Unheilig, die offenbar keinen Termin versäumen möchten, ihr neues Album unter die Leute zu bringen. Der erstaunlichste Headliner sind wohl eindeutig die Sisters of Mercy, die es trotz  Jahren ohne neues Material immer noch schaffen, zu besten Zeit auf der Bühne zu stehen. Auch viele aufgelöste Bands geben sich zu diesen Zeiten eine neue Chance und überraschen das Lineup mit faszinierenden Einträgen, Gene Loves Jezebel, Bettina Köster oder auch Alien Sex Fiend.

Die Auswahl der vorgestellten Festivals ist eher subjektiv und bewusst breit gefächert. Genreorientierte Festivals, wie beispielsweise das mittelalterliche Schlosshof-Festival oder das Burgvolk bleiben zunächst außen vor, ebenso das rein elektronisch orientierte E-tropolis. Für eine Übersicht aller in Deutschland veranstalteten Festivals empfehle ich den Festivalhopper. Ich habe mich bemüht, alle Künstler auf MySpace zu verlinken, damit ihr entsprechende Hörproben finden könnt, die euch bei Unbekanntheit der Band sicherlich weiterhelfen werden. Fehlende oder fehlerhafte Links werden von Zeit zu Zeit ergänzt bzw. verbessert.

Mera Luna 2010

Das zweitgrößte schwarze Festival in Deutschland findet wie gewohnt am Flughafen in Hildesheim statt. Das von einem der größten Konzertveranstalter organisierte Festival glänzt auch 2010 wieder mit einer Reihe der momentan populärsten Bands der Szene und räumen zu dem den Sisters of Mercy einen ganz großen Platz ein. Die Mischung scheint extrem abwechslungsreich, fokussiert aber deutlich die kommerziell erfolgreichen Acts der internationalen Szene.

www.meraluna.de – 7. und 8. August 2010 – Wochenendticket mit Camping 79€ (zzgl. Gebühren) – ca. 23000 Besucher

Agonoize, Amduscia, Angelspit, Colony 5, Combichrist, Crematory, Das Ich, Eluveitie, Faith and the Muse, Feindflug, Hanzel und Gretyl, Illuminate, In Extremo, Lacrimas Profundere, Leandra, Nitzer Ebb, Placebo, Punish YourselfQntal, Saltatio Mortis, Skinny Puppy, The 69 Eyes, The Other, The Sisters of Mercy, Unheilig

Blackfield Festival 2010

Das mittlerweile zum dritten mal statt findende Blackfield Festival im Herzen des Ruhrgebiets hat sich zu einer echten Alternative gemausert. Obwohl mir die Bandauswahl nicht unbedingt zusagt, gelingt es den Bochumer Veranstaltern immer wieder die großen der Szene in das überschaubare Amphitheater in Gelsenkirchen zu locken. Sollte die Besucherzahlen weiterhin so steigen, wird das Gelände sicherlich bald zu klein werden.

www.blackfield-festival.de – 12. und 13. Juni 2010 – Tagespreis 39 €, Wochenendticket 49 €, Wochenendticket mit Camping 61 € (zzgl. Gebühren) – ca. 6000 Besucher

[:SITD:], Aesthetic Perfection, Deathstars, Diorama, Front 242, Girls under Glass, Jesus on Extasy, Oomph!, Subway to Sally, Saltatio Mortis, S.P.O.C.K., Sono, Tyske Ludder, Unheilig, Vive la Féte, Zeromancer

Zita Rock  2010

Auch erst seit 2007 findet in der Berliner Zitadelle das Festival der schwarzen Szene statt. Obwohl Berlin ein recht aktives Szeneleben aufzuweisen hat, ist das Zita erstaunlich familiär geblieben. 2010 findet es erstmals an zwei Tagen im Juni statt und präsentiert ein aufgeräumtes Line-Up, das längere Auftritte verspricht und sich thematisch differenziert zeigt. So ist der Sonntag deutlich mittelalterlich angehaucht und präsentiert mit Subway to Sally, Saltatio Mortis und Faun das Who-is-Who der Szene der Mägde und Knechte.

www.zita-rock.de – 5. und 6. Juni 2010 – Tageskarte 36€, Wochendticket 50€ (zzgl. Gebühren) – ca. 6500 Besucher

ASP, Coppelius, Eisbrecher, Faun, Lacrimas Profundere, Letzte Instanz, Staubkind, Subway to Sally, Tanzwut, Terminal Choice

Amphi Festival 2010

Das Amphi Festival in Köln hat es in erstaunlich kurzer Zeit zu einem Top-Ereignis gebracht, seit es 2005 zum ersten mal im Gelsenkirchener Amphitheater (wer erkennt die Parallele?) statt gefunden hat, ist es kontinuierlich gewachsen und konnte immer wieder durch ein gutes und breit gefächertes Line-Up Besucher locken und eignet sich daher auch prima für Alternative- und Elektrofans.

www.amphi-festival.de – 24. und 25. Juli 2010 – Tageskarte 42,50 €, Wochenendticket 57 € – ca. 14000 Besucher

And One, Anne Clark, Ashbury Heights, ASP, Blitzkid, Blutengel, Combichrist, Coppelius, Destroid, Diary of Dreams, DIN [A] Tod, Eisbrecher, End of Green, Escape with Romeo, Ext!ze, Faderhead, Frank the Baptist, Frontline Assembly, Funker Vogt, Leaves ´Eyes, Letzte Instanz, Mesh, Miss Construction, Mono Inc., Nachtmahr, Project Pitchfork, Rabia Sorda, Samsas Traum, Skinny Puppy, Solitary Experiments, The Crüxshadows, VNV Nation, Welle:Erdball

Regensburger Gothic Treffen 2010

Regensburger Gothic TreffenEtwa unbekannter und elitärer geht es auf dem RGT in Regensburg zu. Das auf 3000 Tickets beschränkte Festival, das neben der Musik auch einige Rahmenveranstaltungen bietet, hat sich seit es 2005 zu einem Geheimtipp für den Süddeutschen Raum entwickelt. Im wirklich schönen Villapark legt man Wert auf das Miteinander und hebt sich auch durch die Limitierung deutlich von der Kommerzialisierung ab.

www.regensburger-gothic-treffen.de – 25. bis 27. Juni 2010 – Tagesticket 29€, Wochenendticket 43€, Wochenendticket mit Camping (4 Personen) 68€

Accessory, Apovelation, Chamber, Clan Of Xymox, Combichrist, Diodati, Dope Stars Inc., Etwas Dein, Fliehende Stürme, Formatio Tarascon, Herr von Aster, Kiew, Lost Area, Lyronian, Mundtot, Qntal, Soko Friedhof, Steinkind, Stuka 696, Suicide Commando

Wave Gotik Treffen (WGT) 2010 (Inoffiziell)

Wave Gotik Treffen 2010Obwohl auf der Internetseite noch nachzu nichts (!) über das WGT zu lesen ist, gibt es einige inoffizielle Band-Bestätigungen, die allesamt den Profile der Bands bei MySpace entommen sind. Doch das was ich da gelesen habe ist schon sehr eindrucksvoll und geht geschmacklich deutlich weg vom Mainstream der letzten Jahre und deckt noch mehr Musikbereiche der schwarzen Szene. So wollen sich auch Ex-Malaria! Front-Frau Bettina Köster, Gitane Demone von Christian Death, Nik Fiend und seine Alien Sex Fiend und selbst Gothic-Legenden Gene Loves Jezebel die Ehre geben.

www.wave-gotik-treffen.de – 21. bis 24. Mai 2010 – Ticketpreise noch nicht bekannt – ca. 25000 Besucher

[:SITD:], Alien Sex Fiend, Alight, Ambassador21, Andrew Liles, Arcana, Ashes You Leave, Assemblage 23, Astro ZombiesAttrition, AutoAuto, Beloved Enemy, Bettina Köster, Biomekkanik, Blind Cave Salamander, Bloody dead and sexy, BuryMeDeep, Céleste Noir, Cephalgy, ChameleonsVox, Christ Vs. Warhol, Cobra Killer, Colony 5, Conjure One (Rhys Fulber), Constants, Crematory, Cut City, Death Of A Demon, Demented Are Go, Der Fluch, Dexy Corp, Eisheilig, Elegant Machinery, Elephant Leaf, Endanger, Escape With Romeo, Ext!ze, Faith and the Muse, Feeding Fingers, Fejd, Flint Glass, Future Trail, Geneviéve Pasquier, Gene Loves Jezebel, Ghoultown, Gitane Demone, Golden Apes, In Strict Confidence, Joe Black, Job Karma, Joy Disaster, Joy of Life, Kirlian Camera, Kitty In A Casket, Koffin Kats, Lacrimosa, Lealoo, Lola Angst, Lord Of The Lost, Madre Del Vizio, Modulate, Mona Mur & En Esch, Moon Far Away, Moonspell, Morlocks, My Insanity, Noblesse Oblige, Novalis Deux, Noyce, Nude, Nurse With Wound, Oberer Totpunkt, Omega Lithium, Orange Sector, Phallus Dei, Punish Yourself, ReActivate, Revolution by Night, Rotersand, Rotting Christ, Samsas Traum, Schallfaktor, Seelenzorn, Seventh Harmonic, Sex Gang Children, Slave Republic, Sol Invictus, The Crystelles, The Deep Eynde, The Essence, The Fright, The Love Crave, The Pussybats, The Raven, The Vision Bleak, The Wounded, This Morn‘ Omina, Tibetréa, Trial, Twisted Nerve, Valravn,Velvet Acid Christ, Vigilante, Violet, Violet Tribe, Voices of Masada, X Marks The Pedwalk, Zeromancer, Zwielicht

Freaks – Zwischen Ästhetik und Schönheitschirurgie

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Erst vor ein paar Tagen habe ich über Tod Brownings Freaks von 1932 gebloggt, einen Film über das Phänomen des Wanderzirkus behinderter und entstellter Menschen. Alles was wider der Natur ist, entspricht nicht den gesellschaftlichen Vorstellungen von Ästhetik, ein menschlicher Körper hat so auszusehen, wie es uns Magazine und Medien darstellen. Alles was davon abweicht, entspricht nicht der Norm und wird als unästhetisch empfunden. Dabei formt der Zeitgeist im andere Bilder der Norm. War im Mittelalter Blässe ein Zeichen von Adel, stand Rubens auf kräftige Mädchen – mit Twiggy läutete unsere Gesellschaft den Hang zu mageren Körpern ein. Pawlow würde von einer klassischen Konditionierung sprechen, also einem anerzogenen Verhaltensmuster. Während man jedoch früher dazu verdammt war mit seinen körperlichen Unzulänglichkeiten zu leben, bieten sich heute völlig neue Möglichkeiten. Die Schönheitschirurgie verspricht, unästhetisches ins Gegenteil zu kehren, ausgehend vom Wunsch derer die sich unter das Messer legen wollen.

Die Grenzen schienen zunächst fließend. Körperlich benachteiligte nutzen die Möglichkeit um „Fehler“ ihres Körpers oder der Natur zu reparieren oder Beschwerden der Gesundheit zu lindern. Andere setzten ihre eigene Vorstellung von Schönheit um sich dem entsprechend zu modifizieren, um ihrem eigenen Bild von Ästhetik nahe zu kommen. Riesige Brüste, Lippen wie Currywürste und Gesichter wie Spannbettlaken wurde zum Schönheitsideal.

Doch wie bei allen Grenzen gibt es auch Extreme. Menschen wie die Freaks von Tod Browning und solche die aussehen wie eine Porzellanfigur. Mr. Toledano porträtiert Menschen, die sich einmal zu oft unter das Messer eines Schönheitschirurgen gelegt haben, jedenfalls nach meinem Sinn für Schönheit.  Er schreibt: „Is beauty informed by contemporary culture? By history? Or is it defined by the surgeon’s hand? Can we identify physical trends that vary from decade to decade, or is beauty timeless?

Ich frage mich, was mag in den Menschen vorgehen, die nur einen Schritt von dem entfernt sind, was man 1932 als Freak bezeichnete. Zu gerne wüsste ich, was die abgebildeten Menschen über sich denken und wie sie ihren Zustand empfinden. Ist Ästhetik ein definierbarer begriff? Ist Schönheit ein Vergleich mit Idealen oder nur selbst bestimmt. Ist das eigene empfinden von Schönheit wirklich selbst bestimmt?

Von außen betrachtet sind viele Menschen in der Gothic Szene Freaks. Dabei sind unsere Merkmale meist auf Kleidung und Schminke beschränkt, doch wir kleiden uns schwarz, tragen kuriose Schuhe, schminken unsere Gesichter weiß und schmücken uns mit Symbolträchtigem Schmuck. Frauen zwängen sich in Corsagen, Männer geben sich androgyn. Auch innerhalb der Szene ist das Verständnis für Ästhetik verschieden. Das merkt man vor allem daran, das sich viele der Gespräche um ebendiese Äußerlichkeiten drehen.

Wie ist das mit eurem Gefühl für Ästhetik? Dürfen dicke Mädchen Corsagen tragen? Sind dünnen Männer wirklich noch Männer? Ist der Hang zu nackter Haut schön? Würdet ihr euch aus medizinischen oder ästhetischen Gründen unter das Messer legen?

Fehlfarben – Glücksmaschinen

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Frei nach ihrem eigenen Motto „Es geht Voran!“ veröffentlichen die Prototypen des deutschen Punk Fehlfarben ihr neues Album Glücksmaschinen. Auf 34 Minuten geben sich die älteren Herren die Ehre. Ein Punkalbum in Punklänge, auf das wesentliche reduziert. „Diese siebzig-Minuten-CDs gehen mir sowieso auf den Sack. Man muss nicht immer alles ausreizen, was ein Medium hergibt.„, so Peter Hein in einem Interview bei Spiegel-Online. Und tatsächlich, noch bevor ich das Album in den Händen halten kann, verspricht das Preview und die digitale Version genau das, was in den letzten paar Jahren verloren gegangen zu sein scheint. Die Sympathie, die ich für die Fehlfarben empfinde, begründet sich eben auf dieser Art die Realität zu empfangen und zwar so wie sie ist. Auch musikalisch sind sie im Jetzt angekommen, denn sie zeigen sich deutlich elektronisch-moderner, ohne jedoch dem Punkrock abzuschwören.

Hein,Neues Album der Fehlfarben - Glückmaschinen dessen Leben erschreckend realistisch und „unpunkig“ abgelaufen ist, lebt jetzt in Wien nachdem er seine Stelle bei Rank Xerox dem Stellenabbau opfern musste. „Hartz IV wollte ich nicht, also bin ich aus Deutschland weggegangen, nach Wien. Ich habe nicht gesagt: Ich geh jetzt nicht mehr arbeiten, weil ich doch noch Popstar werde, auf die alten Tage.“ Nach der Entscheidung 2002 wieder Musik zu machen und einige glücklosen Alben hat man sich jetzt dem Produzenten Moses Schneider (Tocotronic, Beatsteaks) anvertraut und das neue Album eingespielt, eine Single ausgekoppelt, ein Video gedreht und eine Tour geplant. Das Konzept scheint gelungen, mir jedenfalls gefällt das, was ich vom neuen Album schon hören konnte sehr gut. Es scheint überraschend wie viel Energie frei wird, angesichts der älteren Herren in Style der 70er Jahre Tapeten. Doch alles andere wäre eine Lüge gewesen, die Lüge die eigenen Wurzeln auszublenden und die Lüge das Jetzt nicht als musikalischen Entwicklung zu akzeptieren.

Wir warten, ihr habt die Uhr – wir die Zeit„, passt so ganz zu der Stimmung die der Song verbreitet. Ein Leben seine Ideale anzustreben ohne das Leben selbst als Ideal zu sehen, ist genau nach meinem Geschmack. Auch die Texte der restlichen Lieder sind vielschichtig, ohne dabei ins lyrischen zu driften oder sich mit Polemik zu schmücken. Wer also mal wieder ein Stück deutsche und ehrliche Musik haben möchte, sollte sich das Album unbedingt näher anschauen, ehrlicher Postpunkrocksound mit wavigen Anleihen und extremer Tanzbarkeit.  Alles weitere gibt es auf der Internetseite der Fehlfarben oder auf der entsprechende Rubrik beim Label tapeterecords.

Rosenmontag in Schottland – Up Helly Aa

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Up Helly Aa - SeelenfaengerSchon bei Asterix und Obelix war klar, Menschen mit ungewöhnlichen Verhaltensweisen spinnen. „Die spinnen, die Schotten!“ wäre Obelix wohl über die Lippen gerutscht, hätte er erfahren, dass die Schotten der Insel Shetland erst ein Wikinger-Schiff bauen um es dann zu verbrennen. Seit etwa 1870 feiern die Einwohner der Insel im Norden von Großbritannien das Up Helly Aa, das Feuerfest. Immer am letzten Dienstag im Januar verkleidet man sich, taucht eine ganze Stadt in feurigen Schein, trinkt und feiert um als Höhepunkt das zuvor aufwendig gebaute Schiff den Flammen zu opfern. So ähnlich wie der Rosenmontag im Rheinland, nur mit Feuer.

Sobald es dunkel wird, werden in der Hauptstadt Lerwick die Laternen abgeschaltet, eine Signalrakete ist das Zeichen in der ganzen Stadt die Fackeln zu entzünden und das Schiff wird durch die Straßen gezogen um es seiner finalen Rolle zuteil werden zu lassen. Auf dem Schiff sitzt der Guizer Jarl, der für den ganzen Tag die zentrale Rolle des Wikingerhäuptlings einnimmt. Gemeinsam mit seinem 60-Mann starken Gefolge trägt er Sorge für den Schiffstransport und das anschließende Feuer. Die Einwohner, sowie zahlreiche Touristen und Anhänger des Festes säumen die Straßen und geben dem Schiff und dem Häuptling das letzte Geleit, denn Vorbild ist wohl das nordische Begräbnis, bei dem verstorbene Wikingerhäuptlinge immer mit ihrem Schiff verbrannt werden.

Rabenschwarze Filme von Oleone

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Zwar schafft es Tim Burton mit fast jedem seiner Filme, gruftige Romantik par excellence abzuliefern, und auch Vampir- und Horror-Filme werden besonders auch von Schwarzröcken gerne gesehen – doch gemeinhin ist Film dennoch nicht gerade der künstlerische Bereich, in dem man Gothic als erstes erwartet.

Den Gegenbeweis (und das weitab von Hollywood) tritt Kurz- und Kunstfilmer Richard Eismann alias Oleone an. Der junge Wiesbadener betrachtet die Welt seit einigen Jahren am liebsten durch seine Kameralinse und wusste schon bald mit seinen experimentellen Kurzfilmen zu begeistern. In seinem Schaffen wechseln sich Streifzüge durch zerfallene Industriekomplexe ab mit romantischen Naturbetrachtungen, melancholische Waldszenen werden mit selbst komponierter Experimentalmusik untermalt und Gedichte und Kurzgeschichten aus dem Bereich der schwarzen Romantik werden von ihm in atmosphärische Lesungen verwandelt.

Mit Eismann-Filmproduktionen hat er jüngst den Schritt zu Rundfunk und Theater geschafft, doch seine privaten Kunstfilme sprechen auch weiter ihre ganz eigene Sprache und geben einen Einblick in die Welt einer vielschichtigen und tiefschwarzen Künstlerseele.

Mein Lieblingstück, in dem mit Kerzen und einer alten Uhr eindrucksvoll und wortlos das Thema Vergänglichkeit umgesetzt wird, wurde leider von YouTube entfernt. Doch auch andere Filme können sich sehen lassen, und so möchte ich an dieser Stelle exemplarisch  zunächst einen melancholischen Waldspaziergang vorstellen.
Im zweiten Video lernen wir dann Richards Bauchrednerpuppe kennen. Zwar passiert im Prinzip in diesem Video nichts, doch ich finde den kleinen Holzkameraden schlimmer als jeden Chucky :)

Und letzten Endes möchte ich den ersten Teil seines bisher größten Kurzprojektes präsentieren: Edgar Allan Poes The Raven, in dreitägigen Dreharbeiten im Herbst 2008 aufgenommen auf dem wunderschönen Nordfriedhof Wiesbaden, wo auch bereits Clips für Sopor Aeternus entstanden sind.
Weitere Werke sind auf seiner YouTube-Seite zu finden.

Gothic-Artikel im Stern 1996: Selbstmord ist out – Das Leben ist cool

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Deutschland 1996, die Gothic-Szene befindet sich im inneren Wandel. Von der Ursprüngen ist nicht mehr viel zu spüren immer mehr Stile drängen in die nunmehr schwarze Szene, die Begrifflichkeit Gothic ist nur noch ein Wort. Der Stern beleuchtet die deutschen Jugendszenen, in der 7. Folge sind die Gruftis an der Reihe. Der Stern, der sich schon in der Vergangenheit immer wieder einen Namen mit kontroversen Veröffentlichungen gemacht hat  und einige Minuspunkte in Sache Enthüllungsjournalismus für sich verbuchen kann, wagt sich an die Jugendszenen. In den 80er erst das umstrittene Bild vom toten Barschel, dann der unglaublich große Reinfall mit den Hitler-Tagebüchern. Das kann ja heiter werden.

Sie mögen Grabesstimmung und düstere Musik, sind eitel und selbstverliebt. Grufties sind Nachtmenschen. Sadomaso ist schwer angesagt. Schwarz ist ihr Outfit, aber nicht mehr ihre Stimmung. Der größte Horror für einen Grufti ist es, wie ein Spießer zu leben.“ Mir fällt gleich beim Untertitel auf, das wir in Sachen Grufti-Journalismus ein neues Stadium erreichen, die polemische Oberflächenrecherche. Schon in diesem einen Satz wird die Ausrichtung des Artikels klar, die Vermischung von Fakten, Wahrheiten und Oberflächlichkeiten die durch die Protagonisten des Artikels immer wieder spitzen in die Tiefe schlägt. Ich mag tatsächlich die sakrale Stimmung, eine gewisse Eitelkeit lässt sich auch nicht verleugnen und Nachtmensch bin ich sowieso. Sadomaso war meiner Meinung nach nie schwer angesagt, sondern nur ein weiteres Stilelement und wurde nur von außen in die Szene projiziert. Schwarz sind auch meine Klamotten und meine Stimmung auch mal bunt. Das kann ja eine lustige Polemik-Collage werden.

Manuela, von der als erstes berichtet wird, zündet ein wahres Feuerwerk der Worte, das die Eingangsthematik des Untertitels fortsetzt und gleich eine klare Stoßrichtung vorgibt. Irgendwie weiß ich jetzt schon wie es weitergeht. Der Artikel ist wie ein Sprung vom 5-Meter-Brett. Anfangs sieht man nur die glitzernde Oberfläche die neugierig und ängstlich macht, es liegt bei einem selbst, ob man den Sprung wagt und wie tief man eintaucht.

Mit 14 Jahren war Manuela klar, daß sie nicht ganz normal ist. Beim ersten richtigen Sex knallte die Peitsche, und vom Taschengeld kaufte sie eine schwarze Lack-Korsage, Ruhe und Entspannung fand die Schülerin auf Friedhöfen. Da liegen auch schon ein paar Freunde von ihr. Zwei hatten sich totgefahren, zwei den goldenen Schuß gesetzt. Da kann man schon depressiv draufkommen, sagt Manuela.

Angebliches Bild aus der Discothek Zwischenfall

Ein paar Jahre späte sollte Manuela, bei der es sich offensichtlich um Manuela Ruda handelt, ihren Phantasien freien Lauf lassen. 2001 ermordete sie gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann dessen Arbeitskollegen Frank H. Für die Presse und die Skeptiker natürlich ein gelungenes Fressen. In der oberflächlichen Recherche sind schnell Zusammenhänge hergestellt, wo keine hingehören. Doch zurück zum Artikel.

Die Schlagworte sind offensichtlich gesetzt. Sex, Peitsche und Friedhöfe. Tod und Depression. Sowas zieht natürlich den Leser magisch an, wer ist nicht gierig darauf zu erfahren wie es mit Manuela weitergeht? Wie der Artikel weiter beschreibt, ist Manuela jetzt 18 und mittendrin in der schwarzen Szene, sie jobbt in einer Kneipe in Witten. Auf einem Bild sieht man sie mit ihrer Zofe Werner, mit dem sie auf dem abendlichen Friedhof die trauernden erschrecken wollen. Jetzt wird es echt lächerlich, ich kennen niemanden aus der mir vertrauten Grufti-Szene, der so gekleidet über den Friedhof schleicht und andere Leute erschreckt. Vielleicht fand man es passend, das Paar auf den Friedhof zu zerren, um es dort in dieser Pose abzulichten. Das sich zwei Menschen in dieser Form für die Presse verkaufen, um ihre 5 Minuten Ruhm zu erhaschen, finde ich fast schon widerlich.

Nach diesem Ausflug ins Unsinnige hält man es für sinnvoll, Werner zu Wort kommen zu lassen: „Werner ist seit 10 Jahren Grufti. Er kann diesen Ausdruck zwar nicht leiden, aber irgendwie hat er sich an ihn gewöhnt […] die echten Gruftis seien schließlich ganz arme Schlucker gewesen, die schon im 19. Jahrhundert in Gruften Schutz vor der nächtlichen Kälte suchten.

Eine Legende? Bleibt fraglich, die Wortherkunft Gruftie ist nicht eindeutig geklärt und lässt sich nicht belegen, klingt aber zumindestens ein bisschen Spannend und lädt gerade dazu ein, etwas über die Bedeutung zu erfahren. Werner ist cool und wird von den jüngeren als Guru angesehen, weil er Sozialhilfempfänger ist und von einer Party zu nächsten fährt, so steht es jedenfalls im Artikel. „Wer Guru ist, der kann nicht einfach arbeiten, abprollen und abspießen„, ist da weiter im Artikel zu lesen. Nachdem er klarstellt, das für ein richtiges Gruftie-Outfit Lack, Leder, Gummi, Strapse und Sadomaso dazugehören hört es bei mir ganz auf. Als eine gewisse Kerstin ins Spiel kommt, wird es aber wieder ganz schlimm.

Zur Begrüßung legt Manuela auch Kerstin eine Kette um den Hals. Gassi gehen zur Theke. Später darf Kerstin Manuela sogar die Stiefel ablecken. „Voll Geil“, sagt sie. Kein Besucher in der Disco stört sich an den drei Freunden. „Das finde ich so gut an der schwarzen Szene“, sagt Manuela. „Hier findest du auch Verständnis für diese Art von Sexualität. Hier werde ich deswegen nicht ausgegrenzt.

Das Fatale daran ist, das es tatsächlich Mitte der 90er zu Strömungen aus der Fetisch Szene gekommen ist, die sich in diesem Artikel spiegeln. Es muss jedoch festgehalten werden, das die Gothic-Szene nicht nur latente dominante oder devote Menschen beheimatet und beide Szene nicht viel miteinander zu tun haben. Der Artikel verwischt diese Unterscheidung jedoch spielend und vermischt  Fiktion und Wirklichkeit. Die Blockschreibweise des Artikels funktioniert erschreckend gut. Nach sensationsträchtigem Darstellen einer Jugend, die sich gerne schlägt und angeleint die Stiefel seiner Herrin leckt folgt eine kleine Geschichtsstunde bei dem Robert Smith von The Cure die unfreiwillige Hauptrolle spielt. Der Stern erzählt von den Ursprüngen der Gruftie-Bewegung:

Punks waren ihnen zu schlampig, Popper zu brav, Mods zu aufgesetzt, Rock ’n‘ Roller zu bescheuert. Es war die Zeit der „orientierungslosen Jugend“. Und es war die Zeit der Anti-Pershing-Demonstrationen, der Atom- und Umweltangst. Und es war die Zeit der großen Jugend-Depression. Die Zeit der Grufties, die den Leitsatz hatten: „Live fast, die young, look pretty! – Lebe schnell, stirb jung, sieh gut aus!“.

Bild von Manuela und ihrer Zofe Werner auf dem FriedhofDie Punks, von denen auch übrigens der Spruch „Live Fast, die young!“ stammt sind in der Tat die Mutter aller Dinge, die Popper passen zeitlich durchaus in die Entwicklung, doch was die Mods oder Rock ’n‘ Roller damit zu tun haben ist mir schleierhaft. Ronald Reagan, Magret Thatcher und Helmut Kohl sind Personen, an die ich mich auch noch gut erinnere und dem ständigen Ab- und Aufrüstungswahn, dem drohenden Umweltkollaps und den Demonstrationen gegen Atomkraftwerke. Als Tschernobyl dann Realität wurde und die Supermärkte ihren Salat entsorgten war die Depression auch bei mir angelangt. Alles das lässt sich nicht abstreiten. Ich denke, das lässt sich aber nicht an einer Jugendkultur festmachen, sondern durchzuckte Deutschlands gesamte Jugend und sorgte für nachhaltige Ängste. 10 Jahre später sind die Ängste verflogen, eine neue Jugend erobert die Szene. „Nur wenige reden noch von Weltschmerz. Man trifft sich auf Festivals oder der Kölner Domplatte […] Man trägt, worauf man Lust hat, nur schwarz muss es sein.“ Resümiert auch der Spiegel-Artikel.

Mike ist der einzige Lichtblick dieses Artikels. Dass er nach der Wende ausgerechnet nach Mönchengladbach gezogen ist dürfte wohl eher Zufall sein, das der Stern seine Wohnungseinrichtung die aus schwarzen Kerzen, Totenköpfen, Kreuzen und Engelsbüsten besteht als Grufti-Kitsch bezeichnet gehört zur bewussten Schreibweise des Artikels und versucht die Aussagen des Interviews zu relativieren. Trotzdem ist unschwer zu erkennen das hier viel Wahrheit und eine unvermutete Portion Objektivität vorhanden ist.

„In unserer Szene sammeln sich seit jeher die Kleinen, die Sensiblen, Schönen und Verzweifelten. Vor uns hat niemand Angst. Uns kann man getrost verkloppen“. […] Was Mike an der Szene immer schon gestört hat, ist die Coolness. Alle seien so in sich zurückgezogen, „so verdammt mit sich selbst beschäftigt“. Das sei ihm aber erst in der BRD so richtig aufgefallen. Stundenlang würden sich die Jungs aus ihren Haaren „Schwalbennester“ und „Teller“ bauen und dabei dosenweise Haarspray verbrauchen. Auf innere Werte, klagt Mike, komme es überhaupt nicht mehr an. „Wer die geilsten Lack-Klamotten hat, ist in der Szene doch schon der König.“

Die Beschreibung des Bochumer Zwischenfall ist wieder stümperhaft und platt und  ist wieder der erwartete Block voller Belanglosigkeiten. Der Artikel plätschert vor sich hin, erzählt vom typischen Totengräbertanz oder auch vom „andeutungsweisen heben der Füße„. Auch die kurze Geschichte von Iris ist zunächst unspektakulär, endet dann aber doch mit dem Finale, der Schlagzeilenfindung. Selbstmord ist Out – Das Leben ist cool. War Selbstmord schon jemals in? Gerne dichtete man den Musikern der Gothic-Szene Selbstmordgedanken an. Durch die intensive musikalische Auseinandersetzung mit der Thematik liegt das ja auch nahe. Selbstverständlich übertrug man dieses Bild auch auf die Anhänger, deren Faszination für das Morbide allzu gerne mit Todessehnsucht verwechselt wurde. „Früher habe ich oft an Selbstmord gedacht […] Ich dachte, das hast du endlich deine Ruhe.“ meint Iris zu der ganzen Sache und der Stern schreibt, das die Zeit als in ihrem Freundeskreis mit frischen Narben an den Pulsadern als Trophäen der Hoffnungslosigkeit Eindruck schinden wollte vorbei sind. „Selbstmord ist Out“, sagt Iris. „Das Leben ist cool.

Wenn Blogger vom Blogsterben bloggen

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Ob es am neuen Jahr liegt oder am kalten Wetter ich weiß es nicht. Depressionsbloggen macht die Runde. Wieder einmal in aller Munde ist das Blogsterben, das mit jedem neuen Jahr auf’s neue zelebriert wird. Beispiel? Letzte Woche schrieb Marek Hoffmann von Basic Thinking: Nicht die Blogs sterben aus, sondern die Blogger, denn viele und vor allem Jugendliche würden immer mehr in die Sozialen Netzwerke verschwinden oder zum Micro-Blogging-Dienst Twitter wechseln. „Nur noch 14 Prozent der 12-17-Jährigen hätte demnach im vergangenen Jahr noch gebloggt, das entspricht einem Rückgang um fünfzig Prozent im Vergleich zu 2006.“ Ich finde es zunächst einmal faszinierend, das 12-jährige schon bloggen oder gebloggt haben, bis jetzt scheint mir das entgangen zu sein. Aber wer von Jugendlichen diesen Alters eine Form von Konstanz erwartet ist meiner Meinung nach sowie zum Scheitern verurteilt. Für mich ist das eine Form der Selbstfindung gepaart mit Neugier und Enthusiasmus.

Eigentlich kann man auch gar nicht von einem neuen Trend sprechen.  Twitter ist, wenn man so möchte, eine abgewandelte Form des Chattens das es bekanntermaßen schon gibt, seit das Internet seinen Siegeszug angetreten hat. Darunter zähle ich auch das Derivat SMS, das ebenfalls nur eine abgewandelte und langsamere Form des chattens darstellt. Marek Hoffmann schreibt weiter: „Immerhin zeigt die Studie, dass die Zahl der Blogger im Alter von über 30 Jahren von sieben Prozent im Jahre 2006 auf 11 Prozent im vergangenen Jahr geklettert ist. Bis dahin dürfte aber gelten: Nicht die Blogs sterben aus, sondern die Blogger.“ Was bei näherer Betrachtung dann doch etwas polemisch wirkt, denn offensichtlich ist das Bloggen wohl eher einem demografischen Wandel unterworfen.

Die Zeit zeigt uns, das vor allem Jugendliche und junge Erwachsene aktuelle Trends aufnehmen und nutzen. Das alte Spielzeuge zunächst in der Ecke landen ist eine völlig normale Entwicklung und nicht etwa ein Zeichen für das aussterben. Das hingegen bei den über 30-jährigen ein Zunahme zu sehen ist wundert mich nicht, ich bezeichne das als Rückkehr, denn die ins Netz hineingewachsenen haben viel ausprobiert und letztendlich ihren Platz gefunden. Robert Basic schreibt in seinem Artikel Eindrücke eines alten Bloggers: „Und heute muss ich mich fragen, wie ich mein digitales Ich im Netz verteile, ausgehend aus dem Selbstverständnis, ein Blogger zu sein, der seinen eigenen Platz kennt und es sich dort eingerichtet hat […] Nutzen kann ich all diese Wunderwerke ohne Weiteres, doch meine innere Distanz wirkt wie ein Entschleunigungsfilter der dafür Sorge trägt, die Entwicklungen ausgewogen und mit Abstand zu betrachten.

Was für den Jugendlichen von heute klingt wie ein Kapitel aus dem Märchenbuch und so entfernt scheint wie der Mond, ereilt heute viele der einstigen Netzentdecker von damals. Und einige davon haben ihren Platz in einem Blog gefunden. Aussterben von Bloggern?

Es wird vorausgesagt, das Informationen in einen Fluss geraten, der Elektrische Reporter berichtet in seinem Beitrag Real Time Web: Alles im Jetzt: „Die Aufmerksamkeit im Web bewegt sich fort von den statischen Webseiten und hin zu einem dynamischen und unaufhörlich fließenden Nachrichten- und Ereignisstrom, den die Nutzer selbst über Twitter oder ihre Facebook-Statusmeldungen erzeugen: Gedanken, Ideen, Emotionen, Nachrichten, Bilder und Videos – alles landet im Augenblick des Entstehens im neuen Echtzeitweb.“ Doch was nützen all diese Informationen wenn niemand diese filtert und daraus Wissen generiert? Was nützt ein mehrere Millionen Einträge lange Timeline wenn niemand dazu ein Wegweiser aufstellt? Nichts. Hier sehe ich die Blogger als Vermittler, als wichtiges Bindeglied zwischen dem kontinuierlichen Fluss von Informationen und den Grundlagen von Wissen.

Blogs und Blogger sterben also nicht aus, sie wandeln sich. Blogs sind kein Medium für den schnellen Informationsaustausch, sondern ein Sammelalbum zum reinkleben von Zeitungsausschnitten. René von Nerdcore schrieb dazu in seinem Artikel Interview Anfrage zum Blogsterben: „Es gibt also dieses Blogsterben, das ist nur tatsächlich ein Wechsel des Long Tail in eine neue Kommunikations-Schicht im Netz. Etablierte Blogs bleiben bestehen und wachsen, (…) genauso wie Liebhaberblogs. Warum manche Blogs funktionieren und manche nicht, weiß ich nicht, ich kann aber versuchen, von mir aus zu schließen, warum NC funktioniert: Ich hatte schon immer einen Hang zu Publishing, hatte als Kind einen Ordner, in den ich komische Ausschnitte aus Zeitungen und Zeitschriften klebte […]

Richtig so. Ein Aufruf zur Gegenthese Blogmutation 2010, dem offiziellen Aufbegehren gegen das totreden von funktionierendem. Nur weil etwas aufhört zu wachsen ist es noch lange nicht tot und nur weil etwas schrumpft, ist es noch lange nicht ausgestorben. Sonst wären wir Menschen ja spätestens mit 20 zum Tode verurteilt und mit dem Körperbedingten schrumpfen pauschal ausgestorben. Peter von den Schallgrenzen rechnete schon in seinem Artikel Ein Blog 2009 | Reflexion und Ausblick ab:  „Und überhaupt. Haben Blogs nicht schon längst ihren Zenit überschritten? Blogs? Es gibt in Deutschland wahrscheinlich hunderttausende Blogs, die meisten sind dann aber wohl eher Karteileichen. Vielleicht gibt es tatsächlich nur ein paar Hundert, auf denen regelmäßig und halbweg professionell Beiträge verfasst werden.  Die Netzzeitung macht sich lustig und fragt, ob Blogs jetzt nicht grausam sterben müssen. Kokelores. Basic Thinking, keinen Deut besser oder schlechter als vor dem Verkauf, bietet dem depressiven Blogger seelsorgerischen Beistand. Von vielen Bloggern wird darüber hinaus die Ansicht vertreten, allein Schuldiger des Absturz vieler Blogs in die Bedeutungslosigkeit sei Twitter.

Obwohl ich schwarzes liebe, ist schwarzmalen nicht mein Fall. Bloggt nicht vom Tod des Bloggens oder des Bloggers sondern werdet Teil einer Veränderung oder bestätigt selbst das, worüber ihr bloggt, für mich wäre das kein Verlust.

Auch die brauchen mal Urlaub: Goth Cruise

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150 Goths, 2500 Normalos, Sonnenschein, Meer und eine Kreuzfahrt. Passt nicht zusammen? Ich musste mich eines besseren belehren lassen. Einmal im Jahr buchen rund 150 Goths eine gemeinsame Kreuzfahrt in die Karibik und polarisieren gleich mehrere Dinge zur gleichen Zeit. Der Goth Cruise fand erstmals 2004 statt als Reaktion auf eine durchzechte Nacht und der Idee mit gleichgesinnten Freunden in Urlaub zu fahren. Der Event wurde musikalisch angereichert und entwickelte sich nicht zum größten, aber zu einem der außergewöhnlichsten Events der internationalen Gothic Szene, auch wenn die Teilnahme bereits an pure Dekadenz grenzt, denn die etwa 600€ für die 5-tägige Kreuzfahrt spricht keine breite Klientel an. In den USA konkurrieren zwei unterschiedliche Reisen, bei denen es wegen der Namensgleichheit zu Verwechslungen kommt. Der Goth Cruise, um den es hier geht und den älteren und größeren Gothic Cruise, zu dem wir ein anderes mal kommen.

2007 wurde Filmemacherin Jeanie Finlay darauf aufmerksam und machten daraus eine Dokumentation, die das Leben der schwarzen Passagiere und die Kreuzfahrt in sehr eindrucksvollen Bildern nachzeichnet. Allein der Trailer, den ich euch auch hier vorstellen möchte, macht Lust auf mehr. Ich habe die Quelle bereits angeschrieben und eine Kopie für meine visuelle Bibliothek geordert. Bis dahin staunen wir über den Ideenreichtum und kommen zu der Vermutung: Andere Länder, andere Sitten. Kommententiert, was ihr davon haltet.

Everyone knows at least one Goth. But how well do you know them? The perpetual question of what do Goths do for fun is answered here in this hilarious trip inside a cruise ship where the ‚People in Black‘ share their holiday with 2500 ‚Norms‘. It’s not all about severe abuse of eye make up and comparing shades of black. The subculture with global membership in the millions remains a mystery to most outsiders as such open and honest access to its brethren is very rarely allowed. Disregard everything you know about Goth culture. ‚Goth Cruise‘ is a landmark documentary that takes a candid and ultimately redefining look at what it really means to be Goth.

Tod Brownings Freaks (1932)

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Hans ist Darsteller in einer Show bei einem Zirkus und eigentlich glücklich mit Frieda verlobt. Als die neue Trapezkünstlerin Cleopatra im Zirkus beginnt, verliebt sich Hans unsterblich. Er macht ihr trotz Friedas Warnungen Geschenke, Komplimenten und Höflichkeiten die Cleopatra zwar heuchelnd annimmt, sich aber hinter Hans‘ Rücken über ihn lustig macht, denn Hans ist kleinwüchsig. Für Sie ist das alles nur ein Spiel, bis sie von einer bevorstehenden Erbschaft erfährt, durch die Hans vermögend wird. Zusammen mit ihrem Mann Hercules schmiedet sie einen heimtückischen Plan. Cleopatra und Hans heiraten und schon auf der Hochzeit macht sich Cleopatra über die Freaks des Zirkus lustig, als Hercules versucht Hans zu vergiften um so dem Erbe habhaft zu werden öffnet ihm das die Augen. Er und die anderen Freaks schwören Rache.

Eigentlich sollte das ein Film werden um das Verständnis für Andersartigkeit und Behinderungen zu fördern, doch 1932 erreicht der Film genau das Gegenteil. Regisseur Tod Browning, der selbst mehrere Jahre mit solchen Freaks im Zirkus lebte, war seiner Zeit voraus. Der Film wurde in verschiedenen US-Bundestaaten verboten, in Großbritannien stand er über 30 Jahre lang auf dem Index. Brownings Karriere, die 1931 mit der Verfilmung von Bram Stokers Dracula (mit dem legendären Bela Lugosi in der Hauptrolle) ihren Höhepunkt erreicht hatte, endete abrupt.

Eigentlich wollte er mit diesem Film ein Zeichen für das Verständnis der Andersartigkeit setzen, doch hatte der Film oftmals den gegenteiligen Effekt. Behinderungen galten als Kuriositäten und als moralisch bedenklich. Deshalb verließen viele Zuschauer die Aufführungen, weil ein solcher Film in dieser Zeit gegen die Moralvorstellungen der Besucher verstieß. Doch zeigt der Film, dass nicht zwangsläufig die „Monster“ die Monster sind, sondern auch im schönsten und scheinbar normalsten Menschen ein Monster stecken kann.

Erst Jahre später erhob man den Film in den Rahmen eines Klassikers, der Motion Picture Guide schrieb: „Bizarrer Kultfilm. So schräg und fremdartig, dass er Jahrzehnte brauchte, um sein Publikum zu finden.“ Prince Randian, der lebende Torso, Johnny Eck, der Junge ohne Unterleib oder Elizabeth Green das Vogelmädchen waren Attraktionen im Zirkus, die anders zu sein in eine neue Dimension trugen und zeigen, wie grausam die Natur sein kann. Menschen, neben denen die eigene Aussenseiterrolle zur Belanglosigkeit verkommt. Den Film, den ich euch nicht vorenthalten möchte, ist in voller Länge im Netz zu finden. Der Film ist sehenswert, nicht weil er kurios ist, sondern intensiv und authentisch inszeniert zeigt, dass auch hinter den schrecklichsten Fassaden fühlende menschliche Wesen stecken können.

Schlichte Eindringlichkeit für Gurtmuffel: Embrace Life

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Ein wenig verwundert war ich ja schon, als ich ein Video über die Zweckmäßigkeit des Anschnallens gefunden habe. Schließlich gehört das doch zur täglichen Routine, oder etwa nicht? Die Gefährlichkeit liegt in der Routine, denn wie oft schnallt man sich an, ohne das etwas passiert? Ist es nicht lästig für den kurzen Heimweg den Gurt anzulegen? Außerdem schneidet der Gurt doch unangenehm ein und behindert furchtbar beim fahren, oder? Auf dem kurzen Stück wird schon nichts passieren.

Doch wer jetzt ein steifes, langweiliges Video im Stil des 7.Sinn erwartet wird überrascht oder enttäuscht, je nach Sichtweise. Die simple Schönheit des Videos geht näher als man zunächst erwarten mag, die einzelnen Elemente der Inszenierung passen so harmonisch zusammen das keins von ihnen fehlen dürfte. Und genau das scheint ein gelungenes Rezept zu sein um englischen Gurtmuffeln den Lebensretter näher zu bringen. Sussex Safer Roads, der Initiator des Videos scheint selbst überrascht vom Erfolg : „Embrace Life – the Sussex Safer Roads Partnership’s seat belt advert – has gone global and smashed through 250,000 views.and has been invited to appear on French national TV and at the Ted.Com Conference in California next week.“ Mittlerweile eilt es mit großen Schritten auf eine halbe Millionen Zugriffe und zeigt das es entweder aktueller ist als man dachte oder schöner als man sich vorstellen könnte. Trefft eure Entscheidung selbst: