DAF und No More im Pulp Duisburg

Anlässlich ihres 30-jährigen Bandjubiläums (2009) mit der Gruppe DAF (Deutsch Amerikanische Freundschaft) und der Veröffentlichung des Albums Das Beste von DAF sind die zwei Pioniere des Elektropunks auf einer Clubtour, die sie am 18. März auch ins Pulp nach Duisburg führt. Zusammen mit der ebenfalls sehr legendären Kieler Formation No More (Suicide Commando), die ihrerseits mit Midnight People & Lo Life Stars eins ganz neues Album präsentieren, wollen die nicht mehr ganz taufrischen Musiker zeigen, was in Ihnen steckt.

Zu feiern haben alle etwas. Die als Vorgruppe agierenden Andy Schwarz und Tina Sanudakura von No More sind auch seit 30 Jahren mit von der Partie, nachdem sie sich in Umfeld des Punk 1979 in Kiel gründeten. Mit dem Stück „Suicide Commando“ schufen sie 1981 ihre persönliche Hymne, die auch heute noch auf zahlreichen Playlisten angesagte Dunkel-Partys zu finden sein dürfte. Nachdem sie sich 1986 auflösten (damals noch mit Thorsten Hartung am Bass) widmeten sie sich dem Projekt Nijinsky Style und beschritten musikalisch völlig neue Wege. 20 Jahre später besonnen sie sich wieder auf ihre Wurzeln und präsentierte mit Remake/Remodel ein neues Album, das mit einer Mischung aus alten und neuen Tönen überrascht, 2010 dann Midnight People & Lo Life Stars, das sich nur noch auf neues Material konzentriert.

DAF, die sich in ihrer Karriere unzählige Male trennten und wieder neu formierten halte ich nach Kraftwerk für eine der einflussreichsten deutschen Bands der frühen 80er. Auf ihrem Profil bei MySpace nennen sie ihre Karriere daher auch der 30-jährigen Krieg und treffen damit den Kern ihrer gemeinsamen Zeit selbst. Ihr letztes Album Fünfzehn neue DAF-Lieder ist 2003 auf ein sehr geteiltes Echo getroffen, die einen werfen den beiden vor, sich nicht weiterentwickelt zu haben, die andern feiern die Linientreue. Aber anders als die anderen waren Gabi Deldado-López und Robert Görl eigentlich schon immer, ich jedenfalls schätze die offene bis abgedrehte Art, die Dinge zu kommentierten setzt sich in ihrem Stil und ihren Texten fort. Ihr jüngstes Album Das Beste von DAF machte jedenfalls wieder Lust auf mehr. Wer sich eingehender mit der Band, den Texten und ihrer Geschichte auseinandersetzt, wird feststellen können, was ich meine.

Auf die beiden Neuerscheinungen von No More und DAF werde ich sicherlich nochmals eingehen, bis dahin bleibt zu hoffen, dass man sich am Donnerstagabend im Pulp sieht. Ich beschloss schon 2009 mir das nicht entgehen lassen würde, denn es ist das einzige Konzert in NRW. Wer noch dabei sein möchte, sollte die Gelegenheit beim Schopfe ergreifen, das Konzert scheint noch nicht ausverkauft und kann für 24€ an der Abendkasse besucht werden.

Kinder des New Grave – O.Children

7

Immer wenn man glaubt, man hat alles gehört und alles gesehen und ist gerade dabei sich auf seiner Mischung aus Weisheit und Altersstarrsinn auszuruhen, kommt ein neuer Song um die Ecke geschlichen und haut dich aus den Pikes. Die britisch-französische Band O.Children hat mit ihrem Debüt Dead Disco Dance schon kleine Wellen schlugen und mit zahlreichen Auftritten ihrer Wahlheimat London schon dafür sorgten das eben diese Debüt ausverkauft ist, sind wieder da – diesmal mit ihrem neuen Gänsehaut-Titel Ruins.

Der optische Eindruck entspricht so gar nicht den Vorstellungen gängiger Klischees wenn man im Zuge von Post-Punk und New Wave von einer Band spricht, die viele an Joy Division oder die Sisters of Mercy erinnert. Sänger Tobias O’Kandi der mit seiner tiefen Stimme schon am ehesten Ian Curtis entspricht, sieht sich aber lieber in den Fußstapfen von Bauhaus: „I have a very deep voice, and with my deep voice I thought I could have more range by using it in that way. We never said, we want to sound like joy division; we want to sound like Bauhaus or anything.“ Aber anstatt in den tiefen Spuren zu versinken, geht man nebenher, wenn auch in die gleiche Richtung.

Der Bandname O.Children, der von einem Song der Bad Seeds inspiriert wurde und die Musik, deren Sound zwischen den Sister und Bauhaus schwankt inspirierte die englische Presse bereits zur Schaffung eines neuen Genre, dem New Grave, dem Tobias aber so gar nicht gerecht werden möchte. „Its cool they’re getting a second wave, what with films and movies going out, and everyone is calling us new grave, but that’s not we decided to be it just turned into the sound we have which is definitely influenced by the post punk bands, gothic as well but were not trying to be like them, we’re just trying to be a good pop band with darker elements.

Nachdem sich Andi Sleath (Schlagzeuger) und bereits Eingangs erwähnter Tobias O’Kandi in der New Rave Formation Bono must Die versuchten, gründeten sie zusammen Gauthier Ajarrista (Gitarre) und Harry James (Bass) im Juni 2009 die O.Children um nach einigen Auftritten im September ihr auf 300 Stück limitiertes Debüt Dead Disco Dancer zu veröffentlichen. Für ihren neuesten Streich, den Song Ruins suchte man sich ein Abbruchreifes Gebäude, das Andi Sleath auf dem Blog des Labels Deadly Pepole beschreibt: „Generators broke, I inhaled asbestos. Three different hi fi’s refused to play our song. And afterwards I took these pictures on my own…my band laughed at me for it but no one was brave enough to venture where I went.“ Und tatsächlich verströmt das Video genau das, was der Song erwarten lässt. Die Mischung aus Geheimnisvollen und Vergangenem gepaart mit eine äußerst brillanten Stück schmeckt mir besonders gut.

Jetzt aber genug geredet, Video abspielen, Gänsehaut bekommen und Kommentieren.

(Bildquelle: Guy Stephens – Deadlypeople.co.uk)

Internet Radiosender: Darklands – Radio Shadowplay

9

Die musikalische Untermalung des Alltags ist eine der schönsten Nebensachen der Welt. In der Regel stöbere ich in meiner Musiksammlung, suche neue Musik bei MySpace oder YouTube und höre die Empfehlungen der virtuellen Freunde. Das ist natürlich mit Arbeit verbunden, wenn es tatsächlich nur um Untermalung geht, höre ich gerne Radio. Leider ist schwarzes Radio genau wie das Genre selbst so breit gefächert, das es mit schwer fällt einem Sender kontinuierlich zu folgen. Man kann eben keine Dinge mischen, die nicht zueinander passen.

Eine positive Ausnahme ist Radio Shadowplay, dem ich schon seit 2008 folge. Der Sender ist auf der Plattform von laut.fm zu Hause, das jedem Nutzer die Möglichkeit gibt, seinen eigenen Radio-Sender zu starten. Natürlich war ich skeptisch ob IndiMichi, wie sich der Stationsbetreiber nennt, die hohe Qualität die er vorlegte  zu halten. In der Gruppe bei last.fm kümmerte es sich um die mehrsprachige Veröffentlichung der Playlisten, Abstimmungen und ging auf neue Vorschläge ein und wertete den Hörgeschmack der Gruppenmitglieder aus, unermüdlich.

Das macht der Aachener immer noch. Mittlerweile sind zahlreiche Web 2.0 Profile (siehe unten) hinzugekommen, ebenso wie ein Blog das er auch dazu nutzt, neuen Bands und Künstlern eine Möglichkeit zu bieten, Hörer zu finden. Die musikalische Bandbreite ist groß, bleibt aber immer auf dem schwarzen Pfad der Rechtschaffenheit – technoide Ohrenqual ist mir während dieser Zeit noch nicht auf den Hörnerv geschlagen. Neben musikalische Größen wie Depeche Mode, The Cure, Editors, Joy Division, The Smiths, Interpol, New Order oder auch den Sisters of Mercy tummeln sich immer wieder unbekannte Künstler auf den Playlisten und runden das schattige Menü ab.

Ohne jetzt zu viel Lorbeeren verteilen zu wollen ist das so ziemlich die beste Musikmischung, die mir untergekommen ist. Man sollte tunlichst einen Stift und Blatt Papier bereit halten um Neuentdeckungen niederzuschreiben.  Die Mischung aus Alt und Neu ist so harmonisch wie eine Tasse Earl Grey mit Milch die im Duft einer Patchouli Räucherkerze genossen wird.

Radio-Shadowplay bei:

Gothic, die Geschichte eines Wortes: Die Goten, Architektur und Romane (2/3)

10

Nomen est Omen! Das Wort Gothic steckt voller Überraschungen, im letzten Artikel habe ich zusammengetragen, welche musikalische Bedeutung das Wort hat und wie es von einem rein musikalischen Genre zu einer Bezeichnung für Menschen kam. Jetzt beginnt der spannende Teil des Wortes Gothic, den was in den späten 70ern begann reicht chronologisch nun viel weiter zurück und das Wort erschließt sich nun Bereich der Literatur, filmischen Kunst, Lyrik und Architektur.

Das Siouxsie & The Banshees, Joy Division, Bauhaus, The Cure und die Sisters of Mercy den Begriff Gothic nicht erfunden haben dürfte auf der Hand liegen, auch in musikalischer Hinsicht fand dieses Wort schon vereinzelt Verwendung, so veröffentlichten The Doors 1967 ihr gleichnamiges Debüt, das John Stickney dann Four Doors to the Future: Gothic Rock is their Thing betitelte und damit auf die düster dunkle Stimmung anspielte, die auf dem Album erzeugt wurde. Es wundert daher nicht, das Eingangs erwähnte Gothic-Größen The Doors immer wieder als ihre Inspirations-Quelle nennen.

Doch was hat Gothic mit Düster, Dunkel und Geheimnisvoll zu tun? Im zweiten Teil meiner Artikel-Reihe Die Geschichte eines Wortes beschäftige ich mich mit den illustren Goten, der Gotischen Architektur und den Gothic-Novels, die nicht nur den Term Gothic gemeinsam haben. In einem dritten Teil ziehe ich mein abschließendes Fazit.

Die Goten

Die Goten, ein ostgermanisches Volk mit skandinavischen Wurzeln machte sich im 3. Jahrhundert auf, Europa in Angst und Schrecken zu versetzten. Im Jahre 238 überschritten sie erstmals die Donau und überfielen römische Provinzen, ihr archaisches Auftreten verbreitete bei den kultivierten Römern Angst und Schrecken. Vielleicht fiel hier der Grundstein für die Assoziation mit Dunkel und Brutal, denn so müssen die Goten den Römern vorgekommen sein. Im Mittelalter nutzen die später ebenfalls besiegten Spanier die Goten als Legitimation, die einst besiegte Ländereien zurückzuerobern (Reconquista), die Schweden machten es ein paar Jahre später ähnlich.

Da sich niemand der damaligen Zeit wirklich mit dem Volk der Goten beschäftigte, wird das dunkle, mystische und Unerklärbare in den Köpfen hängen geblieben sein. Man beachte das Bild auf der rechten Seite, das mit seinem Titel Invasion of the Goths into the Roman Empire die visuelle Umsetzung dessen ist, worauf diese Erklärung beruht. Die letzten Länder, die die Goten auf dem Gebiet des Imperium Romanum eingenommen hatte, gingen 711 unter. Was zurückbleibt sind Legenden und Sagen, die letztendlich auch Nährboden für spätere Kulturen waren.

Gotische Architektur

Gotische Architektur - Koelner Dom 2009Woher der Zusammenhang zwischen der Architektur und dem ursprünglich skandinavischen Volk liegt ist unbekannt und lässt sich nur vermuten. Die Goten waren berühmt für ihre ausgedehnten Wanderungen durch Europa, konnten aber zu keiner Zeit nennenswerten kulturellen und vor allem architektonischen Einfluss geltend machen. Dazu war schlicht und ergreifend keine Zeit. Eine möglich Erklärung sind italienische Humanisten der Renaissance, die „den Begriff gotisch als Synonym für barbarisch verstanden“ und so „alles was an Kunst zu ihrer Zeit nördlich der Alpen hervorgebracht wurde und von dort her zu ihnen kam, […] in diesem Sinne für sich (als) gotisch“ erachteten. 1140 waren es die Franzosen, die erste gotische Bauwerke errichteten.

Sie kennzeichneten sich durch Spitzbögen, Ornamente und Figuren die auch als Stilelemente in einer Vielzahl von literarischen und filmischen Werken Verwendung fanden, die sich mit dem Phantastischen und Übernatürlichen beschäftigen. Eine Verbindung zur heutigen Vorstellung von Gothic ist naheliegend, da einzelne Elemente aus der gotischen Architektur sich in einer Vielzahl von Formen in der Szene wiederfinden (Schmuck, Make-Up). Musiker und Bands nutzen ihre Möglichkeiten in Form von Inhalt und Auftreten um diese Verbindung zu festigen und verwendeten gotische Bauwerke auf eine Vielzahl von Plattencovern und Musikvideos.

Gothic Novels

The Castle of OtrantoEin ganz anderen Einfluss auf die Bedeutung des Wortes haben die Gothic-Novels, bei denen es sich grob gesagt um romantische Gruselgeschichten handelt, die ab dem 18. Jahrhundert vor allem von britischen Schriftstellern geschrieben wurden. Das Schloss von Otranto von Horace Walpole gilt als erster Vertreter und ist gleichzeitig als Begründer des Genre beschrieben. Es folgten zahlreiche Autoren, die diese Art der Geschichte für sich aufgriffen: Mary Shelley (Frankenstein), Bram Stoker (Dracula), Sheridan LeFanu (Carmilla) und letztendlich auch H.P. Lovecraft mit zahlreichen seiner Werke.  In den Gothic Novels werden neben den düster-romantischen Texten auch Elemente für die spätere Szene gelegt. So spielt der Friedhof und die Motive von Gräbern, Gruften und Grabsteinen eine wichtig Rolle. „...das Interesse an allem Alten, Dunklen, Unerklärlichen war stark; man begann in den Winkeln der Welt und des Bewusstseins zu stöbern, die das Licht der Aufklärung nicht hatte erhellen können. Es formte sich eine Strömung in der Dichtung, die man die Graveyard School“ nannte, und in der Tat kreisen diese Werke primär um die Motive von Grab, Gruft und Urne […], um mit vergleichsweise wenig Aufwand existentielle Gefühle hervorzurufen.

Hier entstehen auch die ersten direkten Verbindungen zum musikalischen Genre Gothic, denn letztendlich sich es die Musiker und Bands die diese Thematik musikalisch aufgreifen und in ihren Texten und Liedern verarbeiten.  „Das englische Gothic […] stand damals für Schauer und Düster-Melancholisches. Die seinerzeit neu aufkommenden Horrorroman hießen Gothic Novel. Es gab auch schon Melancholiker, die auf Friedhöfen dichteten (Thomas Gray) und in Beinhäusern herumsaßen, es entstanden Youngs Night Thougts oder Novalis Hymnen der Nacht.“ Später war es dann die Szene selbst, die über Thematik der Lieder wieder Interesse für eben diese Autoren zeigten und der Literatur zu einem neuen Stellenwert verhalfen.

(Bildquellen: Invasion of the Goths – Wikipedia | coverbrowser.com)

Nur noch Haut und Knochen, von Ana, Mia und Xiu Xiu

18

In den letzten Tagen geisterte immer wieder ein Wort durch meinen Feed-Reader das mich zunächst neugierig machte. Pro-Ana (Wikipedia) bezeichnet man hauptsächlich junge Mädchen und Frauen, die sich einem extremen Schlankheitsideal unterwerfen und sich über das Internet über eben dieses Schlagwort vernetzen. Ana leitet sich ab vom der Bezeichnung der Krankheit Anorexia nervosa, der Magersucht. Die Assoziation mit dem Namen Anna ist gewollt, denn Anna ist das imaginäre Vorbild dieser Mädchen. Der Brief von Ana ist die Bibel der Magersüchtigen Mädchen, die immer weiter abnehmen möchten – bis zum Tod.

Ihre Schwester Pro-Mia endet oft in ähnlicher Weise. Die unter dem bekannteren Namen verbreitete Sucht der Bulemie (Bulimia nervosa) oder auch Ess-Brechsucht genannt veranlasst die Mädchen dazu, sich gleich nach dem Essen den Finger in den Hals zu stecken, damit von der soeben aufgenommenen Nahrung nichts auf die Figur schlägt. Vor ein paar Wochen kam dann noch der neu geplante Jugendmedienschutz-Staatsvertrag auf, der unter anderem die Zensur von solchen Internetseiten fordert und damit vor allem junge Mädchen vor Nachahmung schützen soll. Ich habe anschließend einiges darüber gelesen, leider machte keiner der Texte die Sache für mich verständlich.

Moonica brachte die Sache in ihrem Blog Fly me to the Moon für mich auf den Punkt. Moonica war selbst einmal Essgestört und leidet heute immer noch unter den Folgen dieser Sucht, in ihrem Beitrag Start: Über mich schildert sie: „Mit ca 12 hat bei mir alles angefangen. Einfach fett fühlen wäre viel zu leicht gewesen. Ich wollte einfach nur unsichtbar sein. Nicht immer das perfekte Mädchen sein müssen, dass ich trotzdem nach wie vor geblieben bin. Verschwinden, wie ein Strich in der Landschaft – wollte ich. Die Folgen waren mir zu dem Zeitpunkt egal. Irgendwann war es mir auch egal, ob ich gesehen werde […] Wieso ich raus bin? Freunde und Spiegel.

Moonica konnte der Geisel des eigenen Geistes entrinnen und leidet nun immer noch unter den folgen der Krankheit. Sie hat keine Probleme mit rapider Gewichtszunahmen, sondern damit, ihr Gewicht zu halten. „Ich will garnicht abrutschen. Ich will nicht mehr abnehmen. Ich möchte mein Gewicht behalten. Ich habe unter den Folgen von dem Mist zu der Zeit genug gelitten, bzw. leide noch darunter. Es ist nicht schön, nicht selbstständig zu sein was die Nahrungsaufnahme angeht.“  Ich bin mir sicher, das sie ihren Weg machen wird. Mit der Sucht abzuschließen ist der erste Schritt, seinem neuen Bewusstsein treu zu bleiben ein zweiter, der offene Umgang damit für mich der Eindrucksvollste.

Klischeehafterweise ist sie auch noch ein Fan der schwarzen Szene und entspricht damit dem Bild, das sich einige davon machen. Als Auffangbecken für Menschen mit problematischem Selbstwertgefühl, Depressionen, Selbstverletzendem Verhalten und letztlich Essgestörten. Und in der Tat lässt sich nicht abstreiten, das die Emotionalität und kreative Hang der Szene, der sich in der Musik, in den Bildern, der Lyrik  und dem ästhetischen Gefühl für das Vergangenen einen besonderen Reiz auf diese Menschen ausübt. Deshalb ist es umso wichtiger, genau aus dieser Szene heraus damit umzugehen.

Dear God, I hate Myself von der amerikanische Band Xiu Xiu geht mit diesem Thema in visueller Form um. Selten habe ich einen so authentischen, einfachen und wirkungsvollen Umgang mit der Bulemie gefunden wie hier. Die drastische Umsetzung ist aber ein wirkungsvolles Mittel. „Während Angela Seo ihre Finger bis zum Brechreiz in den Rachen führt, schiebt sich der nebensitzende Jamie Stewart genüsslich eine Tafel Schokolade rein. Dabei streift der Clip auf den ersten Blick weit voneinander entfernte aber doch recht nahe beieinander liegende Themenfelder: Schönheitsideale, Bulemie, Anorexie, orale Fixierung, Pornografie.“ schreibt SPEX und hat recht damit.

Auf der Internetseite von Xiu Xiu ist zu lesen: „So yes, me vomiting my brains out on video was gross as hell and it made me feel like shit afterward. Those tears and the „what the fuck is going on“ look is sincere. But just because I look like shit does not mean that I didn’t have a choice in doing that.“ Eure Meinungen dazu sind erwünscht.

Meine Meinung? Ein Sucht ohne Droge ist gefährlicher als eine, die auf einer Substanz basiert, denn sie wird allein vom Willen des Süchtigen initiiert, idealisiert und intensiviert. Modemagazine formen seit Jahrzehnten das Bild der perfekten Frau und sorgen letztendlich für die stete Zunahmen von Essgestörten Individuen, die sich von solchen Schönheitsideal beeinflussen lassen. Der Wunsch eine perfekte Frau zu sein um Ruhm und Karriere zu ernten und im Rampenlicht eines Laufsteges zu stehen gipfelt in Formaten wie „Germany’s Next Topmodel“ die eben dieses Bild suggerieren, aber gleichzeitig die Oberflächlichkeit hinter der glänzenden Fassade zeigen.

Viele der Mädchen sind sich der Gefahr durchaus bewusst, ziehen es aber vor ihre Außenseiterstellung weiter zu fokussieren. Eine Essstörung ist keine Krankheit die man einfach heilen kann, mit einem Aspirin ist es nicht getan. Pro-Ana oder Pro-Mia wird von einigen als Lebensstil verstanden, weil sie das Bewusstsein für ihren eigenen Körper verloren haben. Webseiten zu zensieren um junge Mädchen vor dem Nachahmen zu schützen ist übrigens Kontraproduktiv, je verbotener und verwerflicher es ist, desto attraktiver wird es für die Betroffenen.

Gothic, die Geschichte eines Wortes: Musikalische Geburt und Einfluss der Künstler (1/3)

4

Nomen est Omen? Die Bedeutung eines Wortes hängt immer von dessen Einsatzzweck ab. Ein Stuhl wird auch noch in 1000 Jahren einen Stuhl beschreiben, weil das Wort eine simple und recht unveränderliche Sache beschreibt. Beschreibt aber ein Wort eine Chronologie, also eine Zeitspanne, Epoche oder ein zeitliche definiertes Ereignis, wird die Sache schon deutlich schwieriger. Dehnt man das noch auf Personen in einem Jugendkulturellen oder musikalischen Zusammenhang aus wird es beinahe abstrakt und lässt sich nicht mehr so einfach ableiten. Das Bild für das Wort Gothic ist eben nicht nur schwarz, sondern beinhaltet unzählige Möglichkeiten darauf zu blicken, manchmal muss man einen Schritt zurück treten und das ganze Bild betrachten.

Ich möchte versuchen die Ursprünge des Wortes Gothic in all seinen Formen zu beleuchten, sei es als Begriff für eine Szene, eine Jugendbewegung, eine Musikrichtung, einen Baustil, für Literatur, einen Lebensstil, ein Zeitalter oder sogar der Begriff für ein Volk, die Goten. Im heutigen ersten Teil dieses Artikel beleuchte ich die musikalische Herkunft und die Übertragung des Wortes auf reelle Personen, denn dies ist meine ganz persönliche Sicht der Dinge.

Musikalische Herkunft

Siouxsie in Edinburgh 1980Die Herkunft in der Musik zu suchen ist  naheliegend, da es sich zu Beginn der Bewegung nur um ein neu entstandenes Genre der Musik handelte.  Die englische Musikzeitschrift  Sounds sorgt für die erste Publikationen des Begriffes und „übernahmen den Ausdruck Gothic von Souxsie Sioux, die damit die neue Richtung ihrer Musik beschrieb“ , als sie Dezember 1977 in ihrem Artikel „New Musick“ über Siouxsie & The Banshees berichtet, nachdem sie im November bei John Peel zu Gast gewesen sind. Im Umfeld der Band Joy Divsion taucht der Begriff erstmals im Juni 1979 auf, als Martin Hannett, der das Album „Unknown Pleasures“  produzierte gegenüber der Journalistin Mary Hannon das Werk als „Tanzmusik mit unterschwelligen Gothic-Elementen“ beschreibt.

Als der Artikel von Hannon erscheint, zitiert sie den Keyboarder und Gitarristen von Joy Division Bernard Sumner der Nosferatu als seinen Lieblingsfilm nennt. Sie bezeichnet die Band als „Gothic im Sinne des zwanzigsten Jahrhunderts“ . Im September 1979 nennt Tony Wilson, Chef des Labels Factory die Band in der BBC Sendung Something Else „im Vergleich zum Mainstream als Gothic„. Die Musik-Redaktionen finden Gefallen an dem neuen Ausdruck und verwenden ihn immer wieder bei Bands, die sie als ähnlich oder gleich stilisieren. Schon im Oktober 1979 beschwert sich Penny Kiley im Musikmagazin Sounds: „Der Ausdruck Gothic ist eine reichlich überstrapazierte Beschreibung des Genres, aber der Effekt von Joy Division ist der derselbe wie der … der Banshees

Im November 1980 rezensiert der New Musical Express (NME) das kürzlich von Bauhaus herausgebrachte Album „In the Flat Field“  und überschreibt es mit dem Wortspiel „Gothick as a brick, das auf das englische Sprichwort „thick as a brick“ zurück geht“ , das man frei übersetzt wohl am besten mit „Dumm wie Bohnenstroh“ übersetzt. In einem Interview mit Steve Keaton, der 1982 für die Musikzeitschrift Sound schreibt, lässt sich Abbo, Frontmann der Band UK Decay über die neue Bezeichnung aus: „Plötzlich gab es eine ganze Reihe von Bands […] und plötzlich fingen die Leute an über eine Szene zu reden. Ich erinnere mich, dass ich erklärte, wie würden auf diese Gothic-Geschichte stehen, und dann lachten wir darüber, dass wir Platten nur in Form der Unholdgestalten auf Kirchendächern machen und überhaupt nur in Kirchen auftreten sollten“ . Die Sounds druckt das gesamte Interview und machte aus der Geschichte einen Fakt.

Vom Genre zum Künstler

Ian Asbury 2007Bislang besteht zwischen dem Wort und der Musik eine unlösbare Verbindung, man wurde gefragt ob man Gothic hört, nicht ob man Gothic ist. Ian Asbury der mit seiner 1981 gegründeten Band Southern Death Cult selbst für die Formung des Genre sorgte, bringt erstmals den personellen Bezug zur Bezeichnung Gothic als er Andi Sexgang von den Sexgang Children als „Gothic-Pixie“ beschreibt, was man frei übersetzt wohl am besten Gothic-Kobold nennt. Im Laufe der Zeit verkürzt er den Bandnamen immer weiter (in Death Cult und später dann in The Cult) „da man fürchtete, für eine Gothic Band gehalten zu werden.“ , vielleicht weil man mit der aufkommenden Szene selbst nichts zu tun haben wollte. Die Sexgang Children, „welche den typischen Batcave Sound der Zeit spielen“   sollten in den Legenden um den Londoner Club Batcave für eine ganz andere Spielart des Gothic sorgen, die man heute nach eben diesem Club benennt.

In der Band Bauhaus scheint sich das ganze Phänomen des Begriffes zu manifestieren, sie brachten den Stil der Musik die von Joy Division geprägt wurde und den düsteren Style den Siouxsie & The Banshees initiierten auf den Punkt. „The most important starting point of goth, however, was probably provided by the images and sounds of Bauhaus – notably the Single ‚Bela Lugosi’s Dead‘, released in 1979“ Bauhaus vereint auch rückblickend die wichtigsten Eigenschaften des Gothic und dürfte damit als „Stilsetzend“ betrachtet werden.

Die englische Presse festigte den Begriff weiter, indem sie ihn auch immer mehr auf den Künstler als auf die musikalische Richtung münzte und nicht nur ihre Musik damit beschrieb sondern auch die Bandmitglieder selbst. David Dorrell vom NME, schrieb in einen Artikel über Andi Sex Gang von den Sex Gang Children: „…der im Dachgeschoss eines alten viktorianischen Gebäudes wohnte und von einigen Count Visigoth genannt wurde – und seine Anhänger eben goths.“ Man fixitierte Gothic nun nicht mehr allein am an der musikalischen Ausrichtung, sondern auch am Aussehen der Bandmitglieder, was dazu führte, das in der Folgezeit immer wieder Bands so bezeichnet wurden, deren Musik mit Gothic überhaupt nichts zu tun hatte. Ian Curtis hinterließ ein musikalisches Vakuum, denn die Presse folgerte, das hier Musik und Einstellung gelebt wurden – bis zum Selbstmord.

x-mal deutschland liveDas Phänomen des Wortes Gothic blieb jedoch ein bis Mitte der 80er ein Inselereignis und wurde größtenteils in Großbritannien verwendet, in Deutschland zum Beispiel ordnet man die Bands unter die Genre New Wave oder Post-Punk oder greift gelegentlich die Bezeichnung Positive Punk, des Journalisten Richard North auf, der in seinem Artikel Punk Warriors vom Februar 1983 zu dem neuen Stil Stellung bezieht. Auch deutsche Bands, die sich eindeutig einordnen ließen wurden konsequent ignoriert, die 1980 gegründeten X-Mal Deutschland, oder auch die Band Geisterfahrer die sich zur selben Zeit in Hamburg gründeten wurden der Neuen Deutschen Welle zugeordnet, was ihrem musikalischem aber keinesfalls gerecht wurde. So wundert es nicht, das beispielsweise X-Mal Deutschland ihre größten Erfolge auf eben dieser Insel feierten. Speziell in Deutschland entwickelt der Begriff Gruftie ein Eigenleben und steht in Konkurrenz zum Waver, das Wort Gothic erlangte hier erst Mitte der 90er Jahre an größerer Popularität.

(Bilderquellen: Teaser – Guldfisken | Siouxsie 1980 – Mantaray100 | Ian Asbury 2007 – Yves Lorson | X-mal Deutschland – MySpace Profil)

Somebody – Soundcheck in der Royal Albert Hall mit Alan Wilder

1

Ganz großes Kino, als Alan Wilder am 17.02.2010 anlässlich einer Benefiz-Veranstaltungen in der Royal Albert Hall auf die Bühne marschierte und Martin L. Gore am Klavier begleitete. Darüber hatte ich bereits gebloggt. Noch größer war das Kino, als die Band selbst ein Video vom Soundcheck zum Konzert veröffentlichte und gleich im Anschluss noch ein Interview mit Alan Wilder selbst, der auch der Ansicht ist, das dies ein ganz besonderer Moment gewesen ist wieder einmal mit Fletch und Martin auf der Bühne zu stehe. Einfach mal anschauen, zurücklehnen und ein bisschen in Erinnerungen schwelgen.

Kaltes, klares Wasser – Bettina Köster beim WGT 2010

2

Heute wurde Bettina Köster als Act auf dem Wave-Gotik-Treffen 2010 in Leipzig offiziell bestätigt. Bettina Köster? Etwas ungläubig war ich bereits beim Verfassen der Zusammenfassung schwarzer Sommer ja schon, denn die Dame, über die John Peel mal gesagt hat sie sei die „Königin der Geräusche“, ist jedenfalls für mich keine Unbekannte. Doch wer ist die burschikose Frau auf dem Bild?

Es muss wohl 1978 gewesen sein, als drei Frauen beschlossen für die weibliche Seite des Punk zu sorgen und die Band Mania D zu gründen. Bettina Köster, Gudrun Gut und Beate Bartel standen jedoch für eine neue und experimentellere Art der Musik und waren eher Teil der aufkommenden New Wave Bewegung, obwohl eine Einordnung auch hier schwer fällt. Als Teil einer neuen Emanzipation wollten sich die Berlinerinnen jedoch nicht einspannen lassen, sondern brachten etwas sehr persönliches und eigenes an Tag, was sie schnell in Berliner Underground Kreisen berühmt machte.

1981 gründeten Gudrun Gut und Bettina Köster die Band Malaria! und holten sich Manon Pepita Duursma dazu, die als Gitarristin beim Nina-Hagen Projekt OUT bereits Erfahrungen gesammelt hatte. Zusammen mit Christine Hahn und Susanne Kuhnke entwickelten sie dann eine sehr unterkühlte Form des New Wave, das man später dem Dark-Wave zuordnete und als tanzbare Avantgarde-Musik auch in Künstlerkreisen schwer angesagt war. Auf einer Tournee in Brüssel entwickelte man den Song Kaltes klares Wasser als Teil eines Live-Programms, das sich aber zum Underground-Knüller entwickelte und Mitte der 90er von den Chicks on Speed in seine populäre Version erhoben wurde. Trotz ihrer musikalischen Bandbreite wurden sie diesen Song nie wieder los, der so perfekt repräsentiert, was hinter der neuen Deutschen Welle wirklich steckt.

Zusammen mit Siouxsie and the Banshees, New Order oder auch Birthday Party gelangten sie zu Anerkennung auch in der schwarzen Szene. Mitte der achtziger Jahre zog Köster nach New York, hier produzierte sie einen Dokumentarfilm über das Regime in Burma Anatomy of Terror. Neben den Medium Film versucht sich die Multitalentierte Köster auch als Buchautorin. Mit Martin Schacht arbeitete Köster, die heute in New York, Wien und Italien lebt, zuletzt an dem Buch “Mandalay Moon”, erschienen bei Rowohlt im Sommer 2007.

Ihre große Leidenschaft, die Musik, hat sie nie wirklich abgelegt und ist seit ihrer erfolgreichen Zeit bei Malaria! immer wieder in musikalischen Projekten zu finden, zuletzt machte sie mit der Band Autonervous 2007 von sich reden, bei der sie zusammen mit Jessie Evans von The Vanishing mehr Performance als Musik, mehr Krach als Klang und mehr Kunst als Kommerz. Und jetzt, ja jetzt lese ich, das Bettina Köster beim WGT auftreten wird, was ich persönlich für eine großartige Idee halte und mich zusätzlich ermutigt, dort hinzufahren. Mir ist sie als Teil der schwarzen Geschichte jedenfalls gut in Erinnerung geblieben – Stücke wie das 1985 erschienene You, You sorgten für einen bleibenden Eindruck.

Was darf man erwarten? Eine schrullige ältere Dame mit Mundharmonika? Werden die unterschiedlichen Generationen in schwarz überhaupt etwas damit anfangen können? Einen Vorgeschmack liefert sie uns in ihrem MySpace Profil, ich bleibe gespannt. Wer mehr über Malaria erfahren möchte kann bei m-enterprise fündig werden, wer mehr über ihr neues Album, das wohlmöglich der Grund für die neue Präsenz ist wissen möchte, schaut beim Label Asinella Records vorbei.

Tour of the Universe: Depeche Mode in Düsseldorf

8

Was lange währt wird endlich gut. Nachdem ich vor über einem Jahr und voller Vorfreude die Karten für die Tour of the Universe meiner 3 Lieblingsbriten erstanden habe, folgte ja eine wahre Odyssee. Dave wurde von einer plötzlichen Krankheit überrascht, musste kurzfristig einige Konzerte absagen und brachte damit den ganze Tourplan durcheinander, so ein Schuft. Das ursprünglich für den 4.6.2009 geplante Konzert fand nach langem hin- und her nun am 26.02.2010 in der inzwischen umbenannten Esprit-Arena in Düsseldorf statt.

Soweit so gut, gestern ist es dann soweit gewesen. Nach einer wirklich reibungslosen Anfahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die man mit der Konzertkarte ja kostenlos benutzen konnte, fanden wir uns im Stadion ein und enterten zunächst den Merchandise-Shop, um die obligatorischen Tour-Shirts zu erwerben. Wir beeilten uns in den Innenraumbereich zu kommen um uns gute Plätze zu sichern und der Dinge zu harren die da kommen. Zeit kann so grausam sein, nach einer schier endloses Wartezeit in der beheizten und mit geschlossenem Dach zur Halle mutierten Arena zeigte sich endlich die Vorgruppe Nitzer Ebb auf der Bühne.

Ich war skeptisch, ob DM-Fans wirklich die richtige Zielgruppe für den eher EBM orientierten Sound Briten waren, versuchte aber die Dinge auf mich wirken zu lassen, denn vom neuen Album Industrial Complex hatte ich noch nicht wirklich was gehört. Trotz spärlichem Einsatz von Licht und einem eher bescheidenen Klang versuchte die Band ihr bestes, konnte das Publikum aber zu keinem Zeitpunkt für sich begeistern. Der stark elektronisch geprägte und harte Sound harmoniert nicht wirklich mit dem Sound von DM, obwohl beide Bands viele Einflüsse der 80er mitgenommen haben, entwickelten sie sich in zwei völlig unterschiedliche Richtungen. Wie Nitzer Ebb ins Vorprogramm rutschte lässt sich nur spekulieren, vielleicht liegt es auch an Ex-Depeche Mode Mitglied Alan Wilder, der sich für einen Remix von I am Undone verantwortlich zeigt.

Depeche Mode Bühne In ChainsNach einer Stunde Spielzeit und endlosen 15 Minuten Umbaupause war es dann endlich soweit. Mit dem Opener In Chains wurde das Konzert eröffnet und die Band wurde jubelnd empfangen. Gleich zu Beginn wurde einige Probleme mit dem Sound deutlich, die man erst im Laufe des Konzert verbessern, aber nie ganz abstellen konnte. Es ist und bleibt einfach schwierig eine so große Arena vernünftig zu beschallen. So klang auch die Singleauskopplung des aktuellen Albums Wrong auch irgendwie wrong, was an Dave Gahans Non-Verbaler Kommunikation mit dem Techniker zu sehen war. Die überdimensionale Leinwand im Hintergrund der Band war willkommenes visuelles Hilfsmittel, das neben eingespielten Filmsequenzen auch Szenen der Bühnenkameras einfing.

Depeche Mode - Let me see your HandsMit Hole to Feed folgte gleich das dritte Stück des aktuellen Albums, dessen Energie weder von Gahan ausging, noch auf das Publikum überspringen wollte. Das sollte sich beim ersten Klassiker Walking in my Shoes schlagartig ändern, es war deutlich zu spüren das nun der Funke auch im Publikum zündete und der Refrain begeistert mitgesungen wurde. Auch Gahan und Gore legten eine ordentliche Sohle auf das Parkett und verliehen dem Stück eine würdige visuelle Grundlage, die sich auch beim Song It’s No Good fortsetzen sollte, bei dem der Sound nun auch langsam besser wurde, erstaunlicherweise bekam das Stück in der Live-Version deutlich mehr Kraft, als auf dem Album Ultra auf dem es 1997 erschien. Nun bildeten sich auch ersten Schweißperlen auf meiner Stirn. Das die beim nächsten Knaller A Question of Time nicht trocknen sollte, war eine logische Konsequenz. Und langsam hatte sich auch das Publikum auf die Band eingeschossen und beteiligte sich bis in die Oberränge.

Depeche Mode Martin Gore SoloDas atmosphärische Precious war willkommene Abwechslung und sorgte für ausgelassenes Chill-Out, was vom nachfolgenden World in My Eyes jäh unterbrochen wurde. Ein kurzes Intermezzo mit einem angespielten Supersonic von Jamiroquai sorgte übrigens für die einzig nennenswerte Kommunikation Gahans, der sich wie immer sehr wortkarg zeigte. Die folgenden Solo-Einlagen von Martin Gore, der mit Insight und Home wieder einmal unter Beweis stellte das es sich um einen großartigen Künstler handelt, kann man nur als großes Kino bezeichnen. Für mich, das Highlight dieses Konzerts. Dem folgenden Miles Away schlossen sich dann wieder alle Protagonisten an, das Publikum war aber erst wieder bei Policy of Truth bereit, aktiv mit einzusteigen.

Depeche Mode SchreibmaschineDie beiden Stücke In Your Room und I Feel you hatten wieder arg mit dem schlechten Sound und der üblen Akustik der Halle zu kämpfen, der Bass war viel zu laut und sorgte für einen recht matschiges Gerüst, das beiden Songs ihre Qualität nahm. Auch auf der Bühne schien es mir wie Business as usual. Dafür läutete man mit Enjoy the Silence wieder ein großartiges Finale ein, das nur noch vom Hymnenartig gefeierten Never let me Down again getoppt wurde. Spätestens hier versagte dann auch mein Deo und konnte seine antitranspirative Wirkung nicht mehr halten. Dem Getränkemann mit dem Bauchladen, der sich mitten im Höhepunkt an mir vorbeidrängen wollte, sorgte für ungeahnte Aggression meinerseits, am liebsten hätte ich ihn mit seinem Bauchladen durch die geschlossene Decke gefeuert.

Depeche Mode Bühne in RotDie Zugabe entschädigte dafür umso mehr, ein grandios gesungenes Dressed in Black sorgte für Gänsehautfeeling und Schüttelfrost, der Klassiker Stripped zeigte wieder einmal alle Nachahmern, wo der besagte Hammer hängt und degradierten Rammstein zu einem Haufen feuerspuckender kleiner Drachen, die wie Grisu versuchten Feuerwehrmann zu werden. Behind the Wheel offenbarte sich als würdiger Nachfolger und konnte wieder einmal beweisen, das Music for the Masses (1987) immer noch funktioniert. Übertroffen werden konnte es eigentlich nicht mehr, doch Personal Jesus eignete sich als krönender Abschluss.

Leider gab es keine weitere Zugabe, verdient hätten wir es ja, schließlich haben wir eine halbe Ewigkeit warten müssen, aber der Band ist das Alter und die Tour doch anzumerken. Das haben sie wohl mit ihrem Publikum gemeinsam, den wirklich jünger werden wir auch nicht mehr. Schön das uns wenigstens Konzerte wie dieses das Gefühl geben können, wie es einmal gewesen ist, ohne dabei die Zeichen der Zeit zu verachten.

Der Klang war erwartungsgemäß schlecht, ich hatte zwar gehofft man würde sich für die schlechte Akustik der Halle etwas einfallen lassen, leider schien es nicht funktioniert zu haben. Weitere Konzerte schaut man sich besser in anderen Räumlichkeiten an, die Köln-Arena hat hier beispielsweise die Nase rein klanglich weit vorn. Die Organisation ging in Ordnung, die Getränkeverkäufer die sich mitten im Konzert durch die Menge drückten dagegen eine Frechheit, zumal es dort auch nur Bier ohne Kohlensäure gab. Das Stadion in Düsseldorf ist trotzdem für musikalische Ereignisse ungeeignet, auch wenn Depeche Mode draufsteht. Ich hoffe für die Fans, die gleich in den Genuss einer immer noch großartigen Band kommen, dass sie das letzte Konzert der Tournee genießen können. Ich verneige mich vor Martin Gore, der es wie kein Zweiter versteht GEFÜHL zu vermitteln, ich verneige mich vor Dave Gahan, der ENERGIE eine Fleisch gewordene Hülle verleiht und natürlich auch vor Andrew Flechter, der die beiden immer noch zusammenhält.

Schattenwelt – Helden und Legenden des Gothic Rock

2

Selten wird mir ein Buch so vollmundig angekündigt wie das Werk Schattenwelt von Dave Thompson. Der englische Autor und Musikjournalist gehört zu einem der fleißigsten Schreiber der alternativen Musikszene und brachte schon in frühen 80ern Fanzines und Bücher heraus, mit diesem Buch möchte er die Entstehung des Gothic Rock anhand seiner Helden und Legenden nachzeichnen. Ich habe mich 424 Seiten durch die sehr gute Übersetzung von Kirsten Borchardt gewühlt und mir ein eigenes Bild von dem Buch gemacht, über das der Zillo schrieb: „Einen definitiveren Überblick über die Geburt der schwarzen Szene wird es wohl nicht mehr geben.

Das Buch zeichnet den Verlauf der schwarzen Szene sehr genau nach und beginnt etwa 1976 mit den ersten Live-Auftritten von Siouxsie & The Banshees und eröffnet die musikalische Chronik mit Iggy Pop und seinem legendärem Album The Idiot, das sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht. Sehr detailliert beschreibt Thompson das Erscheinen sämtlicher Protagonisten auf der Bühne des Gothic Rock und konzentriert sich dabei auf die Hauptdarsteller und ihre musikalischen Projekte. Als sich The Cure, Bauhaus und Joy Division vom fast schon etablierten Punk lösen sucht man förmlich nach einem neuen Oberbegriff, der den Bands der ersten Stunden anheften wird wie eine Tätowierung. Mit The Mission, The Damned und The Sisters of Mercy macht er die Bewegung dann eindeutig zu einem englischen Phänomen, woran vereinzelte Ausflüge mit The Birthday Party, Christian Death oder den Fields of the Nephilim nichts ändern können. Der Wechsel zwischen den vielen parallelen Entwicklungen ist mitunter etwas umständlich und konfus geraten, so das man als Leser immer wieder reflektieren muss, in welchem Teil der Zeit man sich befindet.

Die romantische Todessehnsucht des Gothic wurde von der Rockpresse gern belächelt, und der Humor hinter den Vampiroutfits gern übersehen. Dieses Buch räumt nun endgültig mit den Vorurteilen gegenüber diesem Genre auf: Statt um Satanisten, Friedhöfe und endlose Traurigkeit geht es Dave Thompson um die musikalischen Wurzeln, von Bertolt Brecht und Leonard Cohen bis Iggy Pop, um lustige Horrorfilme und wahrlich schwarzen Humor – und um den Einfluss eines Sounds, dem die Musikszene nicht nur Marilyn Manson, sondern letztlich auch Guns N’Roses verdankt. Thompson zapfte die wichtigsten schwarzen Quellen an und holte sich die Informationen aus erster Hand von Bauhaus, The Cure, The Mission oder New Order. Schattenwelt bildet eine wichtige Grundlage zum Verständnis der großen deutschen Gothic-Szene, die sich noch heute auf den Sound und das Image der Düsterrocker aus England beruft. (Inhaltsangabe des Buches Schattenwelt – Helden und Legenden des Gothic Rock)

Trotz einiger musikalischer Einzelprojekte wie denen von Nick Cave, Killing Joke oder Nico beschränkt sich Thompson in seiner Darstellung hauptsächlich auf englischsprachige Künstler und würzt die Chronik mit unzähligen Eindrücken der einzelnen Bandmitglieder vieler Bands. Damit bezieht sich das Buch hauptsächlich auf das musikalische Genre des Gothic Rock, denn die andere Seite der Bühne findet kaum Bedeutung  und ist daher nicht in der Lage Gothic als Gesamtkunstwerk zu erfassen. Auch das Kommentar des Zillos trifft keineswegs zu, das Buch ist kein definitiver Überblick über die Geburt der Szene sondern lediglich die englische Sicht auf das Phänomen des Musikgenre. Ernsthafte Versuch die Szene zu erfassen bleiben aus, ebenso ein genauerer Blick in andere europäische Länder.

Wer Interesse daran hat, den englischen Gothic Rock näher kennen zu lernen und etwas über die Fett gedruckten Bands zu erfahren, landet einen Volltreffer, einen definitiveren Ansatz gibt es tatsächlich nicht. Selbst der Abstecher ins Richtungsweisende Batcave mit Alien Sex Fiend, The Cult oder den Sex Gang Children ist sehr gelungen und eine schöne thematische Abwechslung. Als Basiswerk, wie es der Verlag beschreibt, kann das Buch nicht gelten, eher als Teil eines schwarzen Puzzels das nicht mit Ende der Chronologie endet, sondern darüber hinaus und links und rechts daneben zahlreiche Blüten getrieben hat.

Sehr gutes Buch, das hochgesteckte Erwartungen erfüllen kann – Es bietet einen der besten Einblicke in die britische musikalische Szene des Gothic Rock.

Erschienen im Hannibal-Verlag und für 19,90€ überall zu erwerben (ISBN 3-85445-236-5)