Musikbegeisterte Jugendliche aus der Provinz hatte es Mitte der 80er Jahre nicht leicht, einzig und allein das Radio war die Verbindung in die große weite Welt der Musik. Man verbrachte Stunden damit, sich seine Musik aus dem Äther zu holen und sie auf liebevoll gestalteten Kassetten zu verewigen. Das Taschengeld wurde selbstlos für Schallplatten geopfert, gelegentlich war sogar ein T-Shirt seiner Idole drin. Die Stars einmal aus nächster Nähe zu erleben scheiterte meist an fehlendem Geld und der Entfernung zum nächsten Auftrittsort.
Das Fernsehprogramm war auch eher dürftig bestückt, am 5. April 1983 brachte die Sendung Formel Eins endlich populäre Musikvideos in die öffentlich rechtlichen Kanäle, von MTV hatte man bereits gehört, zu empfangen war es für die meisten leider nicht. Zu behaupten, das deutsche Fernsehen wäre einfallslos gewesen, wäre dennoch kurzsichtig.
Am 23. Januar 1984 zeigte sich im Vorabendprogramm der ARD eine ganz besondere Perle, die nicht nur angesagte Bands und Künstler auf die Mattscheibe brachte, sondern auch zu den Jugendlichen selbst. Im Regionalprogramm des WDR, dass man damals WWF taufte, erblickte der Musik-Convoy das Licht der Provinz. Eine mobile Bühne, die auf einem LKW (zusammen mit einem umgebauten Bus, der als mobiles Studio diente) untergebracht war, fuhr im wöchentlichen Wechsel von Kleinstadt zu Kleinstadt und durch ganz Nordrhein-Westfalen, um die ganz große Musik in einer Live-Sendung ins Fernsehen und vor Ort zu bringen. Bis dahin war es beispielsweise für die Jugendlichen aus dem beschaulichen Schleiden undenkbar, Depeche Mode einmal aus nächster Nähe zu erleben.
Anne Clark in Geldern, Bronski Beat in Höxter oder X-mal Deutschland in Lemgo – die Liste der angesagte Bands, Künstler und Städte ist beeindruckend. Die Moderatoren Alan Bangs, Robert Treutel, Nancy Diehl, Karin Sarholz und Xao Seffcheque führten Interviews, brachte Hintergrundinfos und machten aus den lokalen Marktplätzen für einen Nachmittag eine internationale Bühne. Leider war der Spuk nach rund 80 Sendungen im September 1985 wieder vorbei. Leider ist es in Zeiten von Internet, 200 Fernsehkanälen und knallhartem Konkurrenz-Kampf scheinbar unmöglich geworden, so etwas wiederzubeleben. Denn eins hat sich meiner Ansicht nach nicht geändert, die Lust der Jugendlichen aus der Provinz, ihre Idole einmal aus nächster Nähe zu erleben.
Glücklicherweise wiederholte einsfestival 2011 einige Sendungen, die es dann auch auf Youtube geschafft haben und damit zum ultimativen 80er-Jahre Trip einladen. Ich habe einige davon in einer Playlist zusammengestellt und andere auserwählte muss ich einfach in diesem Artikel unterbringen:
Nach einem etwas stressigen Wiedereinstieg in den Alltag inklusive Geburtstag, kommt hier nun endlich der Amphi 2012-Bericht. Es war nicht so schrecklich, wie es die Überschrift vermuten lässt. Dennoch gab es einige Schock-Effekte, die noch auf dem Amphi selber zur Geburt der Überschrift führten. Der geneigte Leser dieses Blogs weiß, dass ich zunächst die grauenvollen, negativen, bösen, schrecklichen Erlebnisse schildere, weil es in meiner Natur liegt. Falls ich mich noch daran erinnere, das war schließlich vor drei bis vier Tagen… Robert kann ja dann die positiven Punkte nachtragen. Er wird sich Kommentare zu meinem Geschreibsel sicher ohnehin nicht verkneifen können. Doch lasst uns seriös werden und mit dem Bericht beginnen. Das Amphi war so:
Als wir am Tanzbrunnen eintrafen, kam es zu unserer ersten Begegnung mit „Glöckchen“ und „Leuchte“. Glöckchen war nicht die Schönste, nicht die Schlankste und auch nicht die Schlauste und sie bimmelte. Wahrscheinlich eine dieser Glocken am Schuh, die aus mir unverständlichen Gründen einst für schwarze Kleiderschränke zugelassen wurden. Glöckchen fummelte unentwegt an ihrem Oberteil herum, um die darunter liegenden Massen in Form zu baggern und „Leuchte“, ein wenig betrunken (war ja auch schon fast Mittag), versicherte unaufhörlich, dass sie toll aussieht. War natürlich gelogen, es sei denn, er war noch besoffener als wir dachten. Allerdings soll es ja Leute geben, die lieblos zusammengeklatschte, fettige, lila Girlie-Zöpfe toll finden… Ich erzähle das, weil die beiden symbolisch für die Stil- und Verhaltensauffälligkeiten auf dem Festival stehen. Außerdem sind sie uns gefühlte 200 Mal über den Weg gelaufen und wurden im wahrsten Sinne des Wortes zum „Running Gag“.
Oktoberfest-Feeling auf dem Amphi
Wir betraten also das Amphi-Gelände und tauchten ein ins stilechte, schwarze Ambiente: Kirmesstand mit Zuckerwatte, Popcorn, Kokosnüssen und Lebkuchenherzen, Alm-Hütte mit Leberkäse-Semmeln und Krustenbraten, Strandbar mit Diskokugel-Deko und was man eben noch so braucht auf einem Fest der „Schwarzen Szene“. Über all dem schwebte ein großer schwarzer X-tra-X-Luftballon und drehte sich im Wind. Die Zeiten, in denen Gruftis sich vor Grabsteinen auf Friedhöfen fotografierten, sind übrigens auch vorbei. Im Trend liegen jetzt Fotos vor Sandburgen. Als Altgruftis haben wir allerdings vergessen, die Sandburg zu fotografieren. Sorry!
Wir kauften uns jeder ein klitzekleines Wasser für jeweils 4 Euro, teilten uns eine kleine Pommes und versuchten, den ersten Schock zu verdauen, der sich seit einigen Jahren beim Betreten eines Grufti-Festivals, speziell beim Blick aufs Publikum, unweigerlich einstellt. Allerdings stellten wir fest, dass erstaunlich wenige Cyber anwesend waren. Dafür gab es einen großen dicken Hund (?) mit „Alice im Wunderland“ im Schlepptau, Engel mit überdimensionalen weißen Flügeln, ein Teufel war auch noch vom letzten Karneval in Köln über, zahlreiche Soldaten marschierten über den Platz und offensichtlich gab es angesichts der vielen Frauen im Stewardess-Dress einen Flughafen in der Nähe. Einige Männchen wackelten an der Leine hinter ihren Weibchen her und immer wieder bimmelte „Glöcken“ Oberteil-zupfend hinter „Leuchte“ her an uns vorbei. „Nee, sieht gut aus, wirklich! Komm jetzt!“ „Bimmel bimmel, zupf, stampf“. Aber wir waren ja wegen der Musik da und deshalb machten wir uns auf zur Bühne. Keine Ahnung, wer da spielte, aber ich fand es doof.
Also beginne ich mit dem Highlight, weil ich mich an den Rest eh nicht mehr erinnere: Camouflage! Einfach großartig! Nach den ganzen Techno-Beats, Unz-Unz-Songs und Grunzlauten, die man vorher so gehört hatte, endlich ein Sänger, der singt und eine Band, die nicht versucht, möglichst cool, böse oder wahlweise mystisch oder martialisch vor sich hin zu posen. Alle Musiker hatten offensichtlich großen Spaß am Zusammenspiel und als es gerade drohte, langweilig zu werden, hat die Band zusammen mit dem Publikum einen Song fürs nächste Album aufgenommen. Ich werde beim Management beantragen, dass mein grauenvoller Gesang rausgeschnitten wird, damit das Ding eine Chance auf Erfolg hat.
Die Schwarze Szene bietet Platz für so ziemlich alle Splittergruppen – jetzt auch für Plüsch-Hunde.Karneval… ach neee.. Amphi in Köln
Danach verblasst die Erinnerung und wird erst bei den Sisters of Mercy wieder klar. Hätte ich allerdings nicht gewusst, dass die gerade auf der Bühne stehen, hätte ich auf eine Coverband getippt. Die Gitarren klangen wie stinknormale Rockgitarren, Herr Eldritch klang wie… jedenfalls anders, alles schien einen Tick zu schnell gespielt zu werden und außerdem… na ja… wir haben die Zeit genutzt und sind spazieren gegangen. Zu sehen gab es ohnehin nicht viel und hören konnte man ja von überall auf dem Gelände. Zwei bis drei Songs waren dann auch sehr gelungen und die weibliche Interpretation von „This Corrosion“ war großartig. Außerdem muss ich an dieser Stelle Herrn Andrew mal in Schutz nehmen. Er war angemessen gekleidet und wirkte keineswegs lustlos. Die Masse direkt vor der Bühne war jedenfalls begeistert und „Katastrophe“, wie es oftmals prophezeit wurde, kann man den Auftritt wirklich nicht nennen. Es war… okay. Ich höre mir trotzdem lieber die „Originalversionen“, der inzwischen antiken Songs an. Die sind mir lieber. Am späten Abend gab es dann den Auftritt, von dem der Wizard of Goth noch in 50 Jahren erzählen wird: DAF! Ich fand es toll. Allerdings war die Luft in der Halle so schlecht, dass ich nach der Hälfte des Konzerts raus musste. Während Robert wie ein Wilder tanzte, beobachtete ich die lustige Wirkung von Alkohol. Die Anschauungsobjekte tummelten sich vor der Halle und versuchten verzweifelt, auf einem Fleck stehenzubleiben, was nicht gelang, mich anzubaggern, was auch nicht gelang, oder sich zu unterhalten, was offensichtlich gelang, mir aber ein Rätsel blieb, weil ich nicht alkoholisch spreche.
Lustiger Ausklang des 80er-Jahre-Festival-Tags. Zum Sonntag kann ich nicht viel sagen, weil es da irgendwie keine Highlights gab, die mir in Erinnerung geblieben sind. Es war auch ziemlich voll auf dem Gelände, die Sonne brannte vom Himmel und es gab kaum Schatten. Getränke kann man sich ja auf dem Amphi nur leisten, wenn man vorher im Lotto gewonnen hat und an dem kostenlosen Trinkwasser-Hahn war eine zwei Kilometer lange Schlange. Kurzum: Wir fuhren so gegen 20 Uhr zurück gen Heimat. Gleich nachdem wir auf dem Parkplatz kochende Cola und kochendes Wasser getrunken hatten. Die Flaschen durften wir ja nicht mit aufs Gelände nehmen, also hatten sie den ganzen Tag im Auto gelegen. Und während wir so – kurz vor der Abfahrt – im Auto auf dem Parkplatz saßen und tranken, hörten wir es bimmeln. Um die Ecke bogen „Glöckchen“ (fluchend) und „Leuchte“ (besoffen): bimmel bimmel, stampf, stampf!“
# Robert fügt hinzu:
Marcus Meyn von Camouflage
Jetzt sitze ich hier mit Sabrinas Einleitung, über die positiven Dinge des Amphi 2012 zu schreiben. Das fällt mir ehrlich gesagt überhaupt nicht leicht, denn Preise für Getränke und nahrungsähnliche Produkte sprengten den Rahmen jeder Festivalkasse, das anwesende Publikum feierte zu einem Meer aus Plastikbecher-Bier, das kulturelle Rahmenprogramm war äußerst dürftig und die typischen Szene-Dinge, die man an den zahlreichen Ständen erwerben konnte, waren meiner Ansicht nach im Preis explodiert. Womöglich, um die Kosten für Spesen auf dem Festival zu decken. Ich will es trotzdem versuchen.
Der Samstag begrüßte uns mit einem fast sonnigen Himmel, nach 2 Wochen Dauerregen eine wirkliche Belohnung. Mantel, Schal und Regenschirm – die wir angesichts des sommerlichen Julis mitgenommen hatten – wurden glückerlicherweise nicht benötigt. Es war bedeckt und nicht zu warm, eigentlich ideal für entspannten Musikgenuss. Ganz im 80er-Jahre-Feeling, für das sicherlich unser Alter verantwortlich ist, lockte uns dann auch Camouflage vor die große Bühne, die allen vorangegangenen Künstlern zeigten, wie man trotz gehobenen Alters noch ein Publikum für sich gewinnt und dass Gesang im Laufe der Jahre reift, aber nicht schlechter wird. Aus ihrem kommenden Album Greyscale stellten sie ihr Stück „Shine“ vor, für das sie das Publikum einluden, sich eventuell als Chor im Hintergrund zu verewigen. Im folgenden Video (nicht von mir) ist Sabrina übrigens ganz deutlich herauszuhören, ganz links, ganz laut. Hört mal genau hin. Und obwohl mir die Musik von Camouflage etwas zu poppig geworden ist und nicht ganz meinem Beuteschema entspricht, ziehe ich meinen Hut vor diesem gelungenen Auftritt, den sie mit „Love is a Shield“ und „The great Commandment“ würdig abschlossen.
Andrew Eldritch – Die kahlköpfige Schwester
Natürlich wartete alles ganz gespannt auf die Sisters of Mercy, die allein durch ihren Namen Massen vor der Bühne versammelten. Andrew Eldritch, der dann auch irgendwann aus dem Nebel kroch, hätte ich übrigens nicht wiedererkannt. Hätte er nicht das Mikro in der Hand gehabt und mit seinem Gesang begonnen, wäre mir die Identiät dieses Menschen schleierhaft geblieben. Gut zu sehen im Eröffnungsstück „First & Last and Always“. Nun haben es die Sisters of Mercy ja doppelt schwer, denn die Erwartungshaltung deckt sich immer noch mit den alten Stücken aus längst vergangenen Zeiten und auf neue Musik aus dem Hause Eldritch warten wir ja schon eine ganze Weile vergebens. So fühlten wir uns bei den Live-Versionen der alten Stücke Anno 2012 auch überhaupt nicht wohl, womöglich, weil wir durch jahrelanges konsumieren der Alben-Versionen gar nicht mehr anders können, als neue Interpretationen kritisch abzuschmettern. Die weibliche Version von „This Corrosion“ (Lisa Cuthbert) war dennoch großartig, wenn es nach mir gehen würde, könnten mehr Sisters-Stücke auf diese mehr als angenehme Art einen neuen Glanz erfahren. Die im Hintergrund pfeifenden Hohlbirnen müsst ihr euch wegdenken, um diese Uhrzeit war der Alkoholspiegel sicherlich höher als der des Rheins, der stoisch im Hintergrund vorbeiplätscherte.
Wie immer mit stolzer Brust
Ich möchte festhalten: Manchmal unterscheiden sich Erwartungshaltung und Darbietung deutlich voneinander. Die Frage ist, wo das Problem liegt. Fakt ist aber, dass die Sisters den Eindruck erwecken, mit aufgewärmten Kamellen ein wenig Geld in die Kassen spülen zu wollen. Man könnte aber auch festhalten, dass die Sisters immer noch bereits sind, den Fans das zu geben, was sie sich wünschen. Man hat sich auf der Bühne zu mindestens Mühe gegeben, das zu liefern.
Den ganzen Samstag freute ich mich schon auf die Deutsch-Amerikanische-Freundschaft (in Fachkreisen auch DAF genannt), die ganz ähnlich wie die Sisters schon seit gefühlten Ewigkeiten nichts neues mehr auf den Markt geworfen haben. Ihre Live-Auftritte sind aber wie immer wieder großartig, nicht zuletzt wegen der Energie, die Frontmann Gabi Delgado auf der Bühne verströmt. Sicher, ein Großteil der Musik kommt aus der Konserve und von „Gesang“ kann man wirklich nicht reden, doch das war zu keiner Zeit anders. Ein glücklicher Zufall wollte, dass wir kurz vor Konzertbeginn Silvia und ihre Freundin Angela trafen, die ebenso neugierig wie gespannt auf die Darbietung waren. Es kam so, wie es kommen sollte. Ich habe das komplette Konzert durchgetanzt, denn glücklicherweise war vor der Bühne ausreichend Platz vorhanden. Beginnend mit dem Stück „Verschwende Deine Jugend“ (das Video stammt aus England, denn war der Auftritt bis auf „englische Jungs und englische Mädchen“ nahezu gleich), spielten sich die Beiden mit Leichtigkeit in die Füße der Anwesenden. 80er-Feeling auf dem Amphi 2012! Yeah! Und versprochen, von diesem Auftritt erzähle ich in 50 Jahren noch, vorausgesetzt, mein Körper ist einverstanden.
Der Sonntag verlief musikalisch unspektakulär und ertrank eher in gnadenloser Hitze. So huschten wir von Schattenplatz zu Schattenplatz und trafen die andere Sabrina und ihre Freundin im Beachclub (klingt komisch oder?), von der ich dann glücklicherweise etwas Haarspray für meine in Mitleidenschaft gezogenen Frisur bekommen konnte. Dennoch schafften wir es, uns für den Auftritt der Crüxshadows aufzuraffen und vor der Bühne einzufinden. Leider sorgte das stark techno-lastige Set für kein wirkliches Gefühl zur Musik, auch wenn böse Zungen behaupten, die CxS hätten noch nie etwas anderes gemacht. Ich war aber erstaunt über die Professionalität des Frontmannes Rogue, der in jeder Lage (wer die Auftritte kennt, weiß was ich meine) sang und mit dem Publikum spielte, was ich immer noch sehr erstaunlich finde, der Kerl wird auch nicht mehr jünger. Insgesamt aber ein gelungenes Amphi, wenn ich mich auf die musikalischen Darbietungen beziehe, vom drumherum reden wir jetzt nicht weiter.
Der Alltag hat uns längst eingeholt. Stress, Konzentration und wiederkehrende Abläufe könnten unsereins in eine tiefe Depression stürzen, wären da nicht die Erinnerung an ein Pfingstwochenende. Das Wave-Gotik-Treffen 2012 ist vorbei und wieder einmal fehlen manchen die Erinnerungen in Geschichten und Bildern. Das Pfingstgeflüster, dass nunmehr zum siebten Mal erscheint, verspricht Abhilfe. Auf 92 Seiten tummeln sich wieder einmal viele erwartet gute und überraschend großartige Artikel verschiedener Autoren, die eine andere Seite des WGT zeigen und vielleicht sogar dem Wiederholungsbesucher eine neue Sichtweise verschaffen, während der Neuling erstaunt feststellen muss, dass Gothic doch mehr ist als Musik und schwarze Klamotten.
Ich möchte einen kleinen Einblick in die Themenvielfalt gewähren und kann dennoch nicht das ganze Werk mit Worten begleiten. Tatsache ist, dass ich mir keine bessere Zeitschrift für das WGT vorstellen könnte und das nicht nur, weil ich wie bereits 2011 einen Artikel beisteuern durfte.
Das viktorianische Picknick – Zwischen Rokoko und Steampunk (Rosa Chalybeia)
Damit hatte ich zunächst nicht gerechnet, doch umso mehr freute ich mich über die Überraschung, etwas von Frau Chalybeia im Heft zu finden. Sie widmet sich in ihrem Artikel dem viktorianischen Picknik, dass vom kleinen Event begeisterter Anhänger fast schon zur klassischen Eröffnungsveranstaltung des WGT geworden ist: „Auch wenn das Picknick zu einem unüberschaubar großen Ereignis geworden ist, dem die Atmosphäre der ersten Jahre ein stückweit abhanden gekommen ist, so fügt es sich mit seinem Grundgedanken – dem des Treffen Gleichgesinnter – in das Konzept des WGTs gut ein.„
Das heidnische Dorf – Vom Zauber eines Platzes (Ekkehard Schulreich)
Eine kleine Perle ist auch der Artikel über das heidnische Dorf in Dölitz, der interessante Einblicke in den Werdegang dieser inzwischen autonomen Veranstaltung gibt. Autor Schulreich beschäftigt sich hier mit Marco Schwarz, der das Konzept des Dorfes entwickelt und umgesetzt hat: „Als Schwarz das Gelände am Rand der Aue Ende der Neunziger Jahre zum ersten mal sieht, spürt er den Zauber dieses Platzes. Eines Ortes, der Geschichte atmet, ohne sie auf den ersten oder zweiten Blick schon preiszugeben.“ Seit 1999 findet das heidnische Treffen in Dölitz statt, nachdem es sich zuvor am Connewitzer Mühlholz einen Stammplatz im WGT Programm erkämpfte.
Hekate – Jubiläumsfeier beim WGT (Axel Menz)
Gründer und Sänger Axel Menz erzählt vom Jubiläum seiner Band „Hekate“, die sich mittlerweile im selben Alter befindet wie das WGT selbst. Er war auch einen kleinen Rückblick in die eigene Vergangenheit, der sich nicht weniger spannend liest, als das Jubiläum selbst. „Im Jahre 1998 folgte unser erster Auftritt auf der Parkbühne, der von einem Fernsehteam des ZDF gefilmt wurde. Um sieben Uhr morgens sah man uns 30 Sekunden lang – etwa gewöhnungsbedürftig nach einem Beitrag mit den Spice Girls.„
Die Besucher – Eine gemeinsame Reise (Robert Forst)
Auch ich habe mich wieder im Pfingstgeflüster verewigen dürfen. Eine Tatsache, die mich sehr stolz macht, denn nicht nur das Gefühl in einem gedruckte Heft seinen Namen zu lesen hat seinen Reiz, sondern auch die Auswertung der Fragebögen an die Besucher hat mir sehr viel Freude bereit. Ich habe versucht ein differenziertes Licht auf die Besucher zu werfen, die sich nicht mehr in Schubladen sortieren lassen und nehme den Leser dazu auf eine Reise mit: „Das Wave-Gotik-Treffen ist wie ein Zug, in den immer wieder Reisende ein- und aussteigen, während andere länger unterwegs sind und manche gar nicht wissen, wohin sie eigentlich wollen. 20.000 schwarze Reisende auf der Suche nach ihrem Abteil, mit einer Reservierung für ihren Stammplatz oder auch als Passagier in einem der Großraumwaggons.„
Dunkelblau – Mein langer Weg zum Übergoth (Christian von Aster)
Mittlerweile ist es kein Geheimnis mehr, dass auch der typische Goth gerne lacht, auch gerne über sich selbst. Christian von Aster ist die Galionsfigur des „schwarzen Humors“, was er mit seinem Artikel für das Pfingstgeflüster wieder einmal unter Beweis stellt: “ >Nein, das ist dunkelblau.< Das war er. Der Satz, mit dem alles begann, und in dessen Zuge Mario mir vorwurfsvoll eines meiner Hemden entgegenhielt. Ich war mir sicher, dass dies so nicht stimmen konnte. Dunkelblau. Und das bei mir. Es war natürlich schwarz. Ganz klar schwarz. So wie alles andere aus meinem Kleiderschrank. Als ich diesen Einwand nun aber vorbrachte, schaute Mario mich nur kurz an und hob verächtlich eine Braue. (…) Wenn einer weiß, was schwarz ist, dann vermutlich er. Er ist so ein Typ, der seine Muttermilch allein der Farbe wegen verweigert hat. Quasi ein Vollblutnachtschattengewächs.„
Schemenkabinett – Boten des Todes (Katharina Heiler und Parm von Oheimb)
Die Ausstellung „Boten des Todes“ wurde von vielen Besuchern hoch gelobt und entwickelte sich noch während der Pfingsttage zum Kult. Was liegt näher, als die Macher selbst zu einem Artikel im Pfingstgeflüster zu gewinnen? „In einer Ecke des Raumes schienen sich mehrere dutzend Totenkopfschwärmer aus einem Grab in die Lüfte zu erheben. Die Schmetterlinge waren allesamt in verschiedenen Flügelstellung präpariert und steckten auf kleinen Nadeln vor einer zwei Meter hohen Schwarz-Weiß-Fotografie eines Friedhofes. In einem anderen Teil des Zimmers erleuchtete über den Köpfen der Besucher eine Videoprojektor-Installation flackernd den Raum.„
Lesungen – Der arme Poet? (Edith Oxenbauer und Marcus Rietzsch)
Das WGT hat Lesungen wieder in den Fokus der Szene gerückt. Exemplarisch stellen die beiden einige Autoren und Teile ihre Texte dar. Mit dabei sind Myk Jung (Der Herr der Ohrringe), Torsten Schneyer (Kellerkind von Rosendorn) und Sara Noxx (Gedichte: Erinnerungen und Fenster bricht).
Südfriedhof – Ort der Geschichte und der Natur (Alexander Mewes)
WGT-Besucher, die IHN noch nicht kennen, sollten das unbedingt nachholen. Alexeander Mewes Artikel bietet den idealen Einstieg zur Faszination des Friedhofes, zahlreiche faszinierende Bilder runden das Ganze ab: „Leipzigs größter Friedhof findet sich also einem historisch bedeutsamen Areal wieder. Doch er hat auch selbst Geschichte geschrieben. Alleine mit der Vielzahl der hier bestatteten bedeutenden Leipziger Bürger ließe sich unschwer das Alphabet (…) füllen.„
Friedrich Nietzsche – Menschliches, Allzumenschliches (Guldhan)
Freund und Mitstreiter der schreibenden Front Guldhan hat sich intensiv mit Nietzsche beschäftigt und zeigt in seinem großartigen Artikel ein menschliches – vielleicht sogar ein allzu menschliches – Bild des Dichters und Denkers: „Friedrich Wilhelm Nietzsche. Geboren am 15.Oktober 1844 in Röcken bei Lützen, Professor der klassische Philologie in Basel sowie freier Philosoph und Komponist. Ab 1869 als staatenlos lebend. Einzug der völligen geistigen Umnachtung und somit der geistige Tod am 9. Januar 1889. Entmündigt am 26. November 1889. Körperlicher Tod am 25. August 1900 in Weimar.„
Das Pfingstgeflüster gehört gekauft. Nicht nur wegen der guten Artikel, sondern auch wegen der Leidenschaft die hinter einem solchen Projekt steht. Herausgeber Marcus Rietzsch möchte der Szene etwas zurückgeben und versammelt Autoren, die etwas zu sagen haben, um der Belanglosigkeit mancher Szene-Auswüchse entgegenzuwirken. Für 8,90€ ist es auf der Internetseite des Pfingstgeflüsters zu finden und selbst ein Video gibt es (bei dem sich Karnstein übrigens für die Musik verantwortlich zeigt):
„Der Tod ist um uns herum. Jeden Tag. Wir sehen ihn nur nicht mehr.“ In der neuesten Ausgabe des Midnight Archives findet sich ein sehr interessantes Interview mit der Anatomie- und Todes-Bloggerin Joanna Ebenstein, die sich mit der Tatsache beschäftigt, dass der Tod mehr und mehr aus unserem Leben verschwindet. Nicht etwa, weil Menschen nicht mehr sterben, sondern weil wir diese Tatsache gerne verschweigen und verschleiern. „Warum ist es makaber, über den Tod nachzudenken oder darüber zu reden? Die Menschen diskutieren immer darüber, was uns von den Tieren unterscheidet (…) Einen ganz wichtigen Unterschied, den wir gerne außer Acht lassen, ist der Fakt, dass sich die Menschen als einzige darüber im klaren sind, DASS sie sterben werden. Die Tatsache, dass wir darüber nicht in einer würdigen Form sprechen können, finde ich pervers.“
Interessierte Menschen wissen es bereits. Cosplay ist eine gewollte Form der Verkleidung, bei dem man versucht, einen Charakter aus Mangas, Anime, Computerspielen oder auch Film möglichst authentisch zu imitieren. Dabei steht nicht nur die Lust in eine andere Rolle zu schlüpfen im Vordergrund, sondern auch die Präsentation von Einfallsreichtum, handwerklichem Talent oder bekleidungstechnischen Fertigkeiten. Cosplay, das irgendwann in den 90ern zu uns schwappte, ist die japanische Abkürzung des englischen Begriffs „costume play“ und könnte wohl mit „Kostüm-Spiel“ am ehesten übersetzt werden.
Ingo Naumann, der jede Woche für die MDR-Sendung Querformat „in fremde Welten eintaucht“ ist in Halle der Sache auf den Grund gegangen. Er möchte gemeinsam mit zwei „adrett gekleideten Frauen“ der Szene in die Welt der Cosplay eintauchen. Dabei fördert er erstaunliches zu Tage. Er glänzt dabei nicht nur durch gewollt oder ungewollt oberflächliche Kommentare, sondern entlockt den beiden Cosplayerinnen auch durch mehr oder weniger geschickte Fragen die ein oder anderen Schlüsselweisheiten.
So scheint die Verkleidung der beiden nicht nur eine gewollte Form der Selbstdarstellung und Imitation eines Charakters zu sein, sondern auch die Möglichkeit, ihre Schüchternheit zu überdecken. „Wie ist das eigentlich, kompensierst du damit in einer gewissen Form etwas in deinem Leben, dass du dich in diese Klamotte schmeißt und damit in der Öffentlichkeit herumläufst?“ Die Dame in Rot gesteht im „echten“ Leben schüchtern zu sein und wünscht sich durch ihre Kleidung von niemandem erkannt zu werden. In ihrem Kostüm sei sie jemand anderes, der „wild und frech“ erscheint. Auch die in Gelb gekleidete Dame gesteht, nachdem sie gemeinsam mit ein Straßenmusikern einen Song eines bekannten Mangas nachsang: „Das hätte ich niemals im Leben gemacht, dazu bin ich viel zu schüchtern und hätte mich niemals gewagt dort hinzustellen.“
Kleiner Hinweis: Bevor sich Ingo Naumann ab Minute 3:10 mit anderen winkenden Cosplayer zum Eislaufen trifft, solltet ihr abschalten. Diese Szene (in doppelter Hinsicht) wirkt auf mich so grenz-debil und gestellt, dass ich mich frage, ob die Darsteller dafür Geld bekommen haben oder Ihnen die 30 Sekunden Präsenz auf der Mattscheibe als Lohn genügten.
Das Video ist leider nicht mehr verfügbar, leider habe ich es versäumt zu sichern. Meldet Euch doch bitte bei mir, falls ihr eine Kopie zur Verfügung stellen könnt!
Ersatzweise zeige ich dieses Video aus Jena:
Kommen wir zum Kern der Sache. Verkleidung, so lernen wir, hilft den beiden dabei ihre Schüchternheit zu überwinden. Sie möchten frech und wild erscheinen und von ihrer eigenem, als minderwertig empfundenen Charakter ablenken. Da stelle ich mir doch die Frage, in wie weit das auf andere Szenen, insbesondere die Gothic-Szene zu übertragen ist.
Der überzeugte Gothic-Fan behauptet gerne, durch die schwarze Kleidung sein Innerstes auszudrücken und nur so zu sein, wie er sich fühlt. Man empfindet angepasste Kleidung, die im Alltag häufig unausweichlich erscheint, als Verkleidung. Oftmals gelingt es aber nicht, diese Beweggründe näher zu erläutern oder in Worte zu fassen, der einheitliche Tenor ist das „wohlfühlen“. Weniger überzeugte Anhänger der schwarzen Szene gelingt durch die Verkleidung vermutlich, ein mögliches Minderwertigkeitsgefühl zu kompensieren um so aus sich herauszukommen und so zu sein, wie man es sich wünscht.
Forscht man in alten Szenearchiven, in den Jugendliche in den 80ern dazu befragt wurden, warum sie sich schwarz und „verrückt“ kleiden und „Gothic“ sind, stößt man auf ähnliche Argumente, die oftmals hinter rebellische Plattitüden verborgen werden. Die optische Angleichung an eine interessante Szene oder eine Gruppe von Menschen erleichtert den Kontakt, man fühlt sich zugehörig, möchte dabei sein und vielleicht auch über seinen eigenen Schatten springen. Später lernt man seine neue Seite kennen und überwindet womöglich durch eine anfängliche „Kostümierung“ die eigene Schwächen, erlangt Selbstbewusstein und Selbstwertgefühl. Wer gegen den Strom schwimmt, lernt für sein „besseres ich“ zu kämpfen?
Ein leicht kryptische und gewagte Theorie. Trifft sie zu, so ist die Verurteilung von vermeintlich „verkleideten“ Nachwuchs-Gothics nichts anderes, als die Verleumdung der eigenen Anfänge. Sicher trifft das nicht auf alle zu, ich für meinen Teil kann das ein oder andere Argument nicht ausschließen. Wenn man sich anders fühlt, Werte und Aussehen der restlichen Gesellschaft ablehnt, verspürt man den Drang, das auch zu zeigen und Gleichgesinnte zu finden, die das Ganze ähnlich sehen und bei denen man mit seinen Ansichten und Sichtweisen nicht auf Ablehnung, sondern auf Verständnis und Anerkennung trifft.
Ist das so? Was ist dran an dieser Theorie? Es würde mich brennend interessieren, wie ihr die Sache seht.
Dieser Sommer lädt uns dazu ein, die regnerischen Tage damit zu verbringen, gute Musik zu hören. Die abwechslungsreiche Juni-Ausgabe von Frisch & Schwarz bietet mit 5 neuen Alben entsprechendes Hörfutter. Die Musikredaktion beschäftigt sich mit den dem Neoklassik Album „As bright as a thousand Suns“ von Arcana und den Darkwavern von Brotherhood und ihrem jüngst erschienen Album „Turn Gold to Chrome„. Sie legen ein Ohr an die neuste Veröffentlichung „Cages“ der Dystopian Society um gleich darauf dem Dark Ambient eine Plattform zu bieten, indem sie das Album „The Procession“ von Desiderii Marginis vorstellen. Zu guter Letzt wird es mit Dernière Volonté wavig-französisch. Um manchen Texten des Albums „Mon Meilleur Ennemi“ näher zu kommen, habe wir uns mit Grabesmond Noctura zusammengesetzt, die einige Stücke für ihn übersetzt hat.
Arcana – As bright as a thousand suns
Wenn eine Band in der letzten Dekade erfolgreich auf den Spuren von „Dead Can Dance“ wandelte, waren es zweifellos „Arcana“. Mit ihrem neuen Werk gehen sie auch genau diesen Weg weiter. Diesmal auch – und darauf ist man besonders stolz – mit noch mehr echten Instrumenten, welche man bei Live-Darbietungen nun ohne zusätzliche Backtracks einsetzen will. Musikalisch verbindet man alles was gute Neoklassik ausmacht: Trommeln, warme und zugleich düstere Synthie-Flächen, Schellen, Violine, etc. gepaart mit tiefem männlichen sowie hohen oder flüsternden weiblichen Gesang und Chören. Diese zutiefst eindringliche Kombination wird mit nur so vor Schwarzromantik strotzender Texte voller Herzschmerz, Realitätsflucht, Erinnerungen oder der Verlust der Lebensbegeisterung vereinigt. Von den 10 Titeln sind 5 instrumental und 5 mit Gesang. Als Anspieltipps empfehle ich „As the End draws near“ sowie „In Memorian“ zu dem auch ein Musikvideo veröffentlicht wurde. Letztgenanntes spielt auch eine besondere Rolle auf dem Album. Handelt es sich doch um ein Lied welches Cecilia Bärgö (die Ehefrau von Peter Bjärgö, dem Schöpfer hinter „Arcana“) ihrem verstorbenen Vater widmet. „As bright as thousand suns“ ist ein weiteres gutes Album in der Schaffensgeschichte von „Arcana“, wenn auch diesem Album solche Hits wie „My cold sea“, „Wings of Gabriel“ oder „We rise above“ fehlen. Wer auch heute noch gute „neoklassische“ Musik mag MUSS hier ein Ohr riskieren.
„Brotherhood“ wurden bereits im Jahr 2007 in Schweden gegründet. Die Band besteht aus Stefan Eriksson, welcher schon bei Bands wie „Sophia“ oder „Arcana“ mitwirkte, sowie Micke Lönngren, der schon in den 90er Jahren in kleineren Bands sang. Beide geben an, durch Bands wie „The Sisters of Mercy“, „Joy Division“ und „Depeche Mode“ ermutigt worden zu sein um eben jene Musik zu machen, welche die Gothic-Szene der 80er Jahre prägte. Mit dieser Vision im Herzen und dem nötigen handwerklichen Geschick veröffentlichen sie nun ihr Debüt „Turn the Gold to Chrome“. Ihre Musik besteht – wie schon erwähnt – aus der Essenz des 80ies Goth, jedoch mit einer, erfrischend nicht (!) an „Andrew Eldritch“ erinnernden Stimme. Titel wie „Heroine“, “End of Time“ oder „Lost“ warten nur darauf, in den Boxen einer von nebeldurchzogenen und von Pikes beherrschten Tanzfläche zu erschallen. Auch das schon fast obligatorische „Frauen-Namen-Stück“ einer jeden guten Goth-Band ist hier mit „Abigail“ vertreten. Doch auch ruhigere Stücke wie „So many Stars“ oder „Sleepwalking“ finden ihren Platz auf diesem Album. Wenn „Brotherhood“ den eingeschlagenen Weg kontinuirlich weiter gehen, können sie zu einer festen Größe innerhalb des Wave/Goth Berichs werden. Und es besteht diesbezüglich große Hoffnung, denn „The gothic scene from the early 80´s has always been close in heart and mind for the members of BROTHERHOOD.“
Wenn man das Debüt der italienischen Band „Dystopian Society“ vor sich liegen hat, könnte man meinen es handelt sich hier um eine vom Cyberpunk beeinflusste EBM/Electro-Industrial Band á la „Skinny Puppy“ oder „Front Line Assembly“. Eine dystopische Gesellschaft – eine Anti-Utopie – welche meist mit Futurismus verwoben wird. Auch das weinende (oder blutende?) allsehende Auge deutet daraufhin. Umso überraschter ist man, wenn man die ersten Titel anhört. Hier wird Death Rock/ Post Punk oder wie die Band es selbst nennt „Positive Punk“ auf hohem Niveau geboten. Man fühlt sich an „Christian Death“ oder „Bloody Dead & Sexy“ erinnert. Der dem Punk innewohnende Nihilismus und der Drang nach Freiheit sind hier wesentliche Faktoren bei den Texten von „Dystopian Society“. Wie eine solche Gesellschaft aussieht wird besonders im gleichnamigen Titel oder auch in „The City with no Name“ schon fast bildlich vor Augen geführt. Auch auf das Christentum bzw. die katholische Kirche wird des öfteren verwiesen. Als ganz besonderes Lied möchte ich hier noch „Masquerade“ erwähnen, welches sich mit „Mode-Grufties“ und ähnlichen „Verkleideten Menschen“ auseinandersetzt. Insgesamt ist das Album leider etwas kurz, obwohl es mit 12 Liedern gut gefüllt zu sein scheint. Doch sind viele Stücke relativ kurz und das Intro sowie das Outro tun ihr übriges dazu. Doch inhaltlich weiß das Debüt durchaus zu überzeugen und zeig auf, dass Death Rock auch 2012 noch gut sein kann.
„Dark Ambient“ eine Spartenmusik in der Spartenmusik und dennoch ein bis heute aktives Netzwerk verschiedenster Künstler. „Desiderii Marginis“ aus Schweden veröffentlichen 5 Jahre nach dem letzten Album „Seven Sorrows“ und dem Labelwechsel von „Cold Meat Industry“ zu „Cylic Law“ das mit gewissen Erwartungen verbundene Nachfolgealbum. Durchbrachen beim vorherigen Album immer wieder kleine Sprachsamples, das einsame spielen einer Akustikgitarre oder das fast verlorene klimpern auf einem Piano die dunklen Klanggebilde, so lebt die Musik bei diesem Werk „nur“ aus unterschiedlichsten Schichten dunklen Ambients. Wähnte man sich bei Vorgängeralbum verloren in finsteren Abgründen, so hat man beim neuen Werk manchmal schon fast das Gefühl von Hoffnung. „Adrift“ sowie „Land of Strangers“ sollen hier als Beispiel fungieren um das in Teilen positive Gefühl zu veranschaulichen. Doch ein fröhliches Werk liegt hier trotz alledem nicht vor. Bereits das erste Stück „Come Ruin and Rapture“ zeigt wohin die Reise geht. Das betreten einer zutiefst dunklen Welt, welche die Musik förmlich vor dem inneren Auge erscheinen lässt. Musik, welche Zeit braucht um ihre ganze Macht zu entfalten. Musik, welche nicht dazu missbraucht werden sollte, als „Hintergrundmusik“ in der Straßenbahn zu laufen, sondern vielmehr an einem Abend bei Kerzenschein, hoch über den verregneten Straßen einer schlafenden Stadt als eine Art Seelenurlaub genutzt werden sollte.
„Dernière Volonté“ (deutsche Übersetzung: „letzter Wille“) haben in den letzten Jahren einen beachtlichen Wandel hingelegt. Von einer stark umstrittenen „Military Pop“ Band der Anfangstage hin zu einer „New Wave/Synthie Pop/Elektro“ Band der Neuzeit. Dabei geht man mit „Mon Meilleur Ennemi“ den Weg den man bereits auf „Immortal“ eingeschlagen hat, konsequent weiter. Das einzige was noch an die Anfangszeit erinnert, sind der Gesang sowie der Einsatz der Trommeln. Dabei passt dieser Stil sehr gut zur Band. Tanzbare elektronische aber dennoch melancholische Rhythmen stehen ihnen sehr gut zu Gesicht. Lieder wie das Titelstück oder auch „Invisible“ sind absolute Ohrwürmer die einem sofort ins Herz, als auch in die Beine gehen. Nichtsdestotrotz gibt es hier einige Lieder, welche schon fast schnulzig klingen, weil die Melodie sehr seicht daher kommt. Ganz zu schweigen vom Gesang an manchen Stellen. Ein Beispiel stellt „ J´oublie Que Tu Existe“ dar.
Da ich des französischen nicht mächtig bin, habe ich Mit-Spontierin „Grabesmond (Nocturna)“ gebeten mir eine Übersetzung der Texte zu schicken. Teile ihrer E-mail Antwort möchte ich hier anfügen:
Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass Geoffroy (Kopf hinter DV, Anm. d. Verf.) eine sehr bilderreiche und poetische Sprache verwendet. Ich meine auch gelesen zu haben, dass er ein paar Gedichte von französischen Dichtern verwendet hat („Le Chant De La Pluie“ stammt von Paul Verlaine und „Je Tuerai Qui Tu Boudras“ von Théophile Gauthier, Anm. d. Verf.), kann sein dass die deswegen so schwer zu übersetzen waren. Man kann aber anhand der Übersetzung sehen, dass es sich die Texte beim Album entweder um eine oder mehrere Personen handelt, die ihm nicht gut getan haben, bzw. sein Leben negativ beeinflussen (oder beeinflusst haben).“
Spanien ist Europameister. Kein kollektiver Torjubel aus deutschen Wohnzimmern, in der Pizzeria gegenüber herrscht betretenes Schweigen, während die Pizza im Ofen verbrennt. Einsame spanisch betätigte Autohupen durchbrechen die Stille der einsetzenden Dunkelheit. Seit die Deutschen ausgeschieden sind, sind auch plötzlich Millionen Deutschlandfahnen verschwunden. Vielleicht auch nur vorübergehend, denn bald beginnen die olympischen Spiele in London. Grund genug wieder ein wenig Patriotismus an den Tag zu legen, der sonst unter der Last der Vergangenheit in den Schubladen schlummert. Es ist schon so eine Sache mit den Schubladen, wenn man die Fahne zu einem stinknormalen Tag aus dem Fenster baumeln lässt, landet man nämlich schnell in einer ganz anderen Schublade. Wir Deutschen haben es aber auch nicht leicht. Immerhin hat das Ausscheiden bei der EM auch seine gute Seite. Wir können uns eine völlig überteuerte Tankrechnung sparen, weil wir gestern nicht wild hupend durch die Gegend gefahren sind. Das haben wir dann doch lieber den Italienern und Spaniern überlassen. Zeit für eine Wochenschau.
Gericht ordnet Gutachten über angeblich nackt fliegende Hexen an | Ad Hoc News
„Ein Gericht in Simbabwe hat zwei geständige Hexen dazu verdonnert, sich medizinischen und psychologischen Gutachten zu stellen.Die Frauen mittleren Alters waren Anfang des Monats splitternackt in einem Hinterhof in der Stadt Chinhoyi angetroffen worden, teilte die Anklage am Donnerstag mit. Ihnen wird gemäß der Hexengesetzgebung des Landes der Prozess gemacht.“ Eine Meldung aus Simbabwe, wir schreiben das Jahr 2012. Manchmal wünschte ich mir neben den ganzen humanitären Hilfen nach dem Motto „Brot für die Welt“ auch ein wenig Entwicklung in Sache Bildung. Frei nach dem Motto „Hirn für die Welt“. Schlimm genug, dass dort Frauen noch als reelle Hexen gesehen werden, noch schlimmer ist jedoch, dass es dort eine „Hexengesetzgebung“ gibt. Immerhin. Soll ja nur eine Geldstrafe geben.
M’era Luna: Dunkelbuntes Treiben in Hildesheim | Abendblatt
Punk trifft Gothic? Gothic-Anhänger „Nü“ erklärt Schnorrer-Punks Hotte und Carlos die schwarze Szene: „„Die Schwarze Szene ist sehr heterogen“, führte Nü weiter aus und jonglierte mit seiner Zigarettenspitze, „man gibt sich betont extrovertiert und möchte von außen als äußerst außergewöhnlich wahrgenommen werden. Aber: Jeder Beweis der Popularität der Szene, zum Beispiel die jährlichen 20 000 Besucher in Leipzig, gilt als Zeichen des Ausverkaufs von Idealen.“ „Das ist ja wie beim Punk“, bemerkte Hotte. „Ja, es ist wie bei jeder Subkultur, mein Freund. Schau dir Unheilig an. Schon mehrfach spielte der Graf beim Wave-Gotik-Treffen, aber jetzt, wo er die Charts dominiert, ist er in Teilen der Szene Persona non grata. Nun denn, ich muss zum Konzert von Schattenerbe. Gehabt euch wohl, Freunde.“ Seinen Stock schwingend, reihte sich Nü in das dunkle Defilee ein.“
30 Jahre „Blade Runner“ Legende mit Fehlstart | einestages
Die Sience-Fiction Fans kennen diesen Klassiker bereits in- und auswendig, bejubeln ihn und heben ihn in einen Legendenstatus. „Bildgewaltig, philosophisch, desaströs“ schreibt Benjamin Maack auf Eines Tages. „Als das Licht anging, hätte man im großen Saal des Northpark Cinema in Dallas, Texas, ein Popcorn fallen hören können. „Es herrschte Totenstille“, erinnert sich David DeHay an den Abend vom 6. März 1982. […] „Die Leute verließen den Saal so still, als wären sie auf einer Beerdigung“, erinnert sich DeHay. Zwar hatte es fliegende Autos gegeben. Aber nach einer wilden Verfolgungsjagd fragte keiner mehr. „Viele waren verwirrt und deprimiert.“ Es war die zweite von zwei Testvorführungen – und so durften die verdatterten Zuschauer ihrer Fassungslosigkeit auf Fragebögen im Foyer Luft machen. Die Kommentare zeigten den angespannten Produzenten, dass ihr Film gerade durchgefallen war.“ Legenden wachsen, man pflückt sie nicht.
Videomagazin Bacio di Tosca und die Vertonung von Wilhelm Busch | Bacio di Tosca
Das Videomagazin „Bacio di Tosca“ widmet sich der Vertonung von Texten berühmter Dichter. In seiner ersten Folge dreht es sich um Wilhelm Buschs Gedicht „Oh Du die mir die Liebste war“. Da gibt es zunächst die musikalische Umsetzung des Gedichts, bei der die Macher Dörthe Flemming und Jörg Knieschweski versuchen, dem Werk von Wilhelm Busch ein klangliches Kleid zu verpassen. Zum anderen punktet das Projekt durch ein Videomagazin, dass auf sympathische Art und Weise versucht, ein wenig Hintergrund über den Dichter zu zeigen, der weniger mit Fakten zu tun hat, als mit Geschichte und Ankedoten zum Künstler. Für Wilhem Busch begeben sich die beiden nach Mechtshausen, in das Haus von Herrn Busch.
Oddities San Francisco | Everyday is Halloween
Von Frau Panik gibt es einen heißen Tipp in Sachen „Fernsehen“. „In San Francisco gibt es einen Shop, der bestimmt einigen meiner Leser sehr gut gefallen würde.Er nennt sich “Loved to Death” und bietet alles, was ein schwarzes Herz höher schlagen lässt: Seltsamkeiten der Natur, historische Kuriositäten, viktorianischer Schmuck und seltsam ausgestopfte Tierarragements. Und auch die Angestellten sind nicht weniger sympathisch. Der Science Channel hat diesem Laden nun eine Serie bzw “Reality Soap” gewidmet.“ Zugegeben, sehr amerikanisch. Aber auch sehr interessant.
Wave lebt! Es ist faszinierend. Kaum beginnen die ersten Takte von „Totally Tot“ schleicht der eiskalter Wave den Rücken hinunter und hinterlässt feine Haare, die sich nach Luft ringend in die Höhe strecken. Großartig! Cover und Titel des jüngst erschienen Albums „The World is getting colder“ hätte auch nicht passender gestaltet werden können. Lebanon Hanover? Die Band, die sich im Juli 2010 zwischen London und Berlin gründete, hat sich dem Wave verschrieben. Jedenfalls würde ich sie so einordnen, auch wenn Minimal Elektronik oder Synth-Pop ebenfalls treffende Kategorisierungen sein könnten. Doch so richtig einordnen lassen wollen sich Laurissa Iceglass und William Maybelline eigentlich nicht, spannen sie in ihrer Biografie einen weiten Bogen durch vielen Musikrichtungen. Ist aber auch egal, der Inhalt zählt. Unterkühlt und sarkastisch der Gesang, melodisch und bestechend die Melodie. „Totally Tot“ besticht durch die Mischung aus subtilem Humor und treibenden Sound, bei dem wohl kein paar Pikes nicht die Tanzfläche streichelt.
Bloodygrave & Die Lust – Tscher-no-Bill
Wer es gerne noch minimalistischer möchte, sollte sich bei Bloodygrave & Die Lust einmal umhören. Die Band, die sich 2010 aus der Asche von Berlin erhob (so behaupten sie jedenfalls), bringt zwei ganz unterschiedliche und doch erstaunlich artverwandte Charaktere zusammen. Ben (Bloodygrave), der seine ersten musikalischen Schritte im Punk unternahm, entdeckte 2009 die elektronische Musik und begeisterte sich für die „Flexipop“ und „Shock Waves“ Sampler, aus denen auch die Motivation entstand, etwas eigenes zu machen. Wie es der Zufall wollte, traf er Frasco (Die Lust), der sich ebenfalls in einem Solo-Projekt versuchte, in dem er seine Leidenschaft für Synthesizer in Form von New Wave und No Wave umsetzte. Ein Schmunzeln entlockte mir das Video zu ihrem Stück „Tscher-no-Bill“, dass mich visuell sofort in die frühen 80er beamt, als man NDW zur neuen Musikrichtungen der Musikrichtungen empor hob. Und genau dieses Feeling verströmt die Combo auch, minimal Wave zu einem kritisch-humorvollen Text im NDW-Style, irgendwie passt das. (Vielen Dank an Anja für den Tipp via E-Mail!)
https://www.youtube.com/watch?v=_69Cf6AVBt8
Petra Flurr – Schnell Schnell
Stichwort abgedreht. Dieses Video legt noch einen drauf. Doch wer steckt dahinter? Petra Flurr, der/die bürgerlich Ivan Sacha Mannina genannt wird, wächst bei seiner Mutter in der Hausbesetzer-Szene von Berlin und Madrid auf und sieht sich mit seinem Alter Ego als Hommage an die Persönlichkeiten, die ihm während dieser Zeit begegnet sind. Eigentlich war Ivan mal Sänger der spanischen Rockband Krakovia, doch seit 2003 versucht er sich in der Minimal-Szene und sorgt mit seinem Erscheinungsbild und den abgedrehten Videos stets für Aufsehen. Wave, Punk, Techno? Ich weiß es nicht, ich gebe es einfach auf diesen Kerl in eine Schublade stecken zu wollen, in der er partout nicht passen will. Criminal Wave nennt er es selbst. Ich finde es einfach nur gelungen, wenn auch ein wenig befremdlich. Zwei Dinge, die für mich gut zusammen passen.
Die schwarze Romantik ist vermutlich die stärkste Inspirationquelle, wenn es um Kunst in der schwarze Szene geht. Diese um 1793 aufkommende Strömung war zunächst auf die Literatur beschränkt und beschäftigte sich intensiv mit der dunklen Seite des menschlichen Daseins. Melancholie, Depression, Verzweiflung , Todessehnsucht, Hysterie, Besessenheit und Wahnsinn fanden immer häufiger den Weg in Romane und Gedichte. Die Liste der Schriftsteller, die man dieser Strömung zuordnet, liest sich dann auch wie das Who-is-Who der schwarzen Literatur: Mary Shelley, Charles Baudelaire, E. T. A. Hoffmann, Lord Byron und Edgar Allan Poe – um nur einige berühmte Vertreter zu nennen.
Auch Künstler beschäftigten sich intensiv mit den Bildern ihrer Eindrücke und Phantasien des „Bösen“ und schufen teilweise beklemmende und eindrucksvolle Gemälde und Skulpturen. Später nutzte man auch Fotografie und Film dazu, diesen Phantasien einen visuellen Ausdruck zu verleihen. Die Ausstellung „Schwarze Romantik von Goya bis Max Ernst“ des Städel Museum in Frankfurt versucht all diesen Werken eine Plattform zu bieten und möchte „…mit einem sowohl geografisch als auch zeitlich übergreifenden Ansatz, der Bezüge zwischen verschiedenen romantischen Zentren aufzeigt und ikonografische Entwicklungen vor Augen führt […] das Interesse für die „Nachtseite“ der Romantik wecken und damit zu einem erweiterten Verständnis dieser Bewegung beitragen.“
Vom 26. September 2012 bis zum 20. Januar 2013 haben interessierte Grufties die Möglichkeit diese Ausstellung in Frankfurt zu besuchen um sich auf eine Reise in die Abgründe der menschlichen Phantasie entführen zu lassen. Vielleicht ist das auch eine Gelegenheit, dem Inhalt und den Hintergründe der ehemaligen Jugendbewegung „Gothic“, die sich einst auf Musik und Kleidung beschränkte, auf die Spur zu kommen. Für einige auch sicherlich die Möglichkeit eine eigene Spurensuche zu vervollständigen und sein Bild von „Gothic“ und schwarzer Kunst und Kultur einen neuen Rahmen zu geben.
Spontis-Family unterwegs
Wie aus vielen Kanäle der Kommunikation zu hören war, planen einige Leser und Sympathisanten dieses Blogs bereits einen Besuch dieser Ausstellung, für die sich auch bereit sind, einige Kilometer Anreise in Kauf zu nehmen. Es wird über Führungen und Unterbringungsmöglichkeiten gesprochen, es wird diskutiert und geschwärmt. Spontis möchte diesem Interesse eine Basis bieten, denn auch Sabrina und meine Wenigkeit haben große Lust diese Ausstellung zu besuchen.
Mein Angebot: Spontis kümmert sich um nähere Informationen zur Ausstellung, informiert sich über eventuelle Führungen und bietet sich als Vermittler von Unterbringungsmöglichkeiten und Mitfahrgelegenheiten an. Dieser Beitrag soll dazu ständig auf dem laufenden gehalten werden und wandert in naher Zukunft – und bei entsprechender Resonanz – auch in die Seitenleiste. Wenn ich nähere Informationen gesammelt habe, werde ich auch eine entsprechende Termin-Auswahl zur Diskussion stellen. Noch ist ein wenig Zeit, doch die verrinnt oftmals wie im Fluge. Ich freue mich über Antworten und entsprechende Zuschriften über das Kontaktformular oder die bekannten Informationswege.
Es gibt Ereignisse, die treiben selbst hartgesottene Großstadt-Gruftis an verregneten Wochenenden aus der Höhle hinaus. Über Wälder und Felder durch Gegenden, in denen man weder tot noch lebendig begraben sein möchte – direkt hinein in die Vulkaneifel, die zugegebenermaßen einen ziemlich coolen Namen hat. Dann ein Ortsschild: Hillesheim. Der eingefleischte Grufti denkt sofort ans Mera Luna und sinniert: Ich streiche das „L“ und wünsche mir ein „D“! Doch dann geschah das Unerwartete. Das Kriminalhaus!?
Dieser Spur mussten wir nachgehen. Was wir herausfanden, war gemütlich, liebevoll gemacht und unbedingt empfehlenswert. Das Kriminalhaus in Hillesheim besteht aus dem Café Sherlock und dem Deutschen Krimiarchiv. Im Keller des Hauses befindet sich wohl noch eine Buchhandlung, die wir aber nicht besucht haben. Wir statteten zunächst dem Sherlock einen Besuch ab.
Es gibt zwei Möglichkeiten, ein Café auf „Krimi“ zu münzen. Man könnte zum Beispiel den Raum historisch korrekt im Stile des späten 19. Jahrhunderts gestalten und hochglanzpolierte Schreibmaschinen neben sündhaft teuren anderen Überbleibseln aus dieser Zeit drapieren, dann Sherlock Holmes und Watson als Wachsfiguren reinsetzen und überall Schilder anbringen: Anfassen verboten!
Oder man sammelt – wild durcheinander – alle Plakate und Bilder, die irgendwas mit alten und neuen Krimis zu tun haben, und Utensilien vom antiken Telefon übers Grammophon bis zu Apotheker-Gefäßen, in denen sich durchaus einmal Arsen befunden haben kann. Dann hängt und stellt man alles einfach dorthin, wo Platz ist, so dass ein gemütliches, unkompliziertes Ambiente entsteht. Das Café Sherlock gehört zum letzteren Schlag.
Alte, durchgesessene Sofas und wacklige Stühle, Tische, die unter der Glasoberfläche Indizien und Utensilien aus der Kriminalliteratur enthalten, ein Raucherzimmer und eine liebevoll gestaltete Speisekarte. In dieser fanden wir auch nähere Hinweise zu den Tischen im Café. Ich hoffe, dass man auf dem Foto (rechts) alles lesen kann.
Wir gingen bei einem Sherlock-Kaffee dem Rätsel nach, ob das Bild im Regal neben uns Alfred Hitchcock oder doch eher Winston Churchill zeigte. Die Kellnerin wusste es auch nicht, nahm das Bild kurzerhand aus dem Rahmen, fand ein lustiges anderes Bild auf der Rückseite von Churchill-Hitchcock, aber leider keinen Namen. Dann verdrehte ich noch kurz Edgar Allan Poe – beziehungsweise der Wackeldackel-Version des Schriftstellers – den Kopf und dann machten wir uns auf – eine Etage höher – ins Krimiarchiv.
Ein Blick genügte und es war um mich geschehen. 26 000 Krimis in zwei Räumen – eingereiht in dunkle Regale bis unter die Decke. In der Mitte jeweils eine Sitzgruppe, antike Steh- und Leselampen und eine urgemütliche Atmosphäre. Ebenfalls vorhanden: Eine Sammlung seltener Detektiv-Gesellschaftsspiele. Nicht etwa unter Glas, sondern zum Anfassen und Benutzen. Das heißt, wer möchte, kann sich dort hinsetzen, Krimis lesen oder spielen und Spaß haben – wenn man denn Zeit hat. Wir waren ja nur auf der Durchreise.
Wer länger als drei Stunden in der Vulkaneifel bleiben möchte, kann sich übrigens auch im Krimi-Hotel in Hillesheim einquartieren oder auf dem Eifelkrimi-Wanderweg die geheimnisvolle Gegend erkunden.
Fazit: Erlebnisse kommen oft unverhofft und warten sogar an verregneten Sommertagen in verschlafenen Gegenden.