Jahresrückblick 2012: Schnürsenkelartikel gehen immer

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Ein Jahresrückblick ist eine zwiespältige Angelegenheit. Gerade in bloggender Hinsicht schwankt er immer zwischen den objektiven Fakten und dem subjektiven Eindruck, den ein solches Jahr hinterlassen hat. Bei einigen stehen die schlechten Erinnerungen im Vordergrund, bei anderen wieder die guten Erinnerungen. Die eigene Wahrnehmung und der Zahn der Zeit übersteigert das ganze mitunter in eine extreme Richtung. Ich will versuchen, beides zu mischen, unter einen Hut zu bringen oder auf einen Nenner zu bringen. Garnieren werde ich das ganze mit einigen Fundstücken aus meiner Bildersammlung 2012.

Fakt ist beispielsweise, dass ich 2012 weniger geschrieben haben. Die subjektive Zeit, die ich dafür erübrigen konnte, war viel zu kurz. Lust zu schreiben hatte ich immer, persönliche Veränderungen hinterließen aber mitunter eine ausgewachsene Schreibblockade. Ihr kennt das vielleicht, man sitzt vor dem blinkenden Cursor und weiß nicht, wie man seine Gedanken in Worte fassen kann. Zuviele Gedanken an das was war, was ist und was werden könnte verkleistern den Verstand.

Glücklicherweise habe ich mittlerweile wieder Ruhe und Entspannung gefunden und möchte voller Tatendrang ein neues Jahr einläuten. Geplant ist vieles, doch ich möchte es vermeiden, große Ankündigungen zu verfassen, mit denen ich mich dann selbst unter Druck setze. Es war ein schönes Jahr. Ein anstrengendes Jahr. Ein aufregendes Jahr.  Wie ich das mit Spontis erlebt habe, will ich euch zeigen.

Jahresrückblick: Heiße Diskussionen

Projekt Pitchfork 2012
Beim Konzert von Projekt Pitchfork

Auch 2012 gab es wieder fantastische, ausführliche und wortgewaltige Diskussionen. So ist Sabrinas Artikel „Gothic – Kein Ziel und keine Richtung“ mit 170 Kommentaren der klaren Spitzenreiter und lebhaftes Beispiel für eine vielschichtige Argumention  Der Artikel „Es muss richtig schön glänzen – Quo Vadis, WGT?“ der sich interessanterweise mit einer ähnlichen Thematik beschäftigt, brachte es auf 71 Kommentare. Es geht um die Zukunft. Genauer gesagt um das, was sein wird, was wir daraus machen können und wie schlecht oder gut wir einen aktuellen Zustand finden. Da reiht sich der drittplatzierte Artikel „Uniformen in der Szene – Zwischen Provokation, Fetisch und Dummheit“ mit seinen 56 Kommentaren nahtlos ein. Es ist also nach wie vor beliebt, sich zu heiklen Fragen zu äußern, über den momentanen Zustand der Szene zu diskutieren oder auch mögliche Ideen für eine Zukunft zu entwickeln.

Mir ist es egal, ob eine Diskussion den Artikel vernichtet, ihm zustimmt, angreift oder auseinander nimmt. Ich lerne täglich, ändere meine Ansichten und gebe meine Fehler – auch wenn es manchmal schwerfällt – zu. Ich würde mich freuen, wenn auch 2013 wieder so angeregt diskutiert wird.

Spontis leistet einen großen Beitrag dazu, Suchenden wie mir eine Anlaufstelle zu bieten- und das ist letztlich wichtig: zeigen, dass es anders geht und anders gemeint ist, wenn man sagt, Gothic zu sein. Wer sich vom Einheitsbrei (…) angekotzt fühlt, der kehrt der Szene entweder den Rücken und hakt es unter “Jugendsünde” ab, oder merkt, dass ihn doch irgendwas hinzieht und er fängt an zu suchen. Man beginnt Inhalte für sein “Sein” zu finden- wenn sie nicht schon längst da waren und man deshalb in die Szene kommt. Einschlägige Kunst, ein Faible fürs Morbide, seine Art durch Absonderung und gewählte Andersartigkeit mit der Welt klarzukommen…

Kontaktformular

Elektronische Nacht in Wiesbaden
Elektronische Nacht in Wiesbaden

Über 160 mal nutzten die Besucher von Spontis das Kontaktformular. Sie äußersten Themenvorschläge, schickten mir viele Links, sendeten Fragen oder beschwerten sich. Ich bin dankbar für jede Nachricht und versuche immer, eine E-Mail zeitnah zu beantworten, die Themenvorschläge umzusetzen, die Links der Wochenschau unterzubringen oder die Fragen und Beschwerden zu beantworten. Es ist meiner Ansicht nach immens wichtig, dass der Leser sich an der Gestaltung des Blogs beteiligt, denn nur so kann ich erfahren, was euch stört, was ihr lesen möchtet oder zu welchem Thema ihr einmal etwa erfahren möchtet. Ich bin kein allwissender Allmanch, keine Lexikon und mit Sicherheit nicht perfekt. Deshalb sollt ihr mich auch schamlos korrigieren, verbessern und ergänzen.  Denn ich bin auch nur ein Mensch und schieße trotz aller Diplomatie gelegentlich über mein Ziel hinaus, wie beispielsweise in meinem Aufruf zu Bilddatenbank.

Mitunter sind auch einfach E-Mails dabei, die mir einfach so unglaublich wertvoll erscheinen, dass ich sie mir aufbewahre. Es gibt Menschen, die einfach mal Danke sagen möchten und sich die Mühe machen, eine Nachricht zu schreiben. Das finde ich toll! Interessanterweise kommen sie immer dann, wenn ich gerade zweifle (siehe Bilder) und mit dann deutlich sagen, dass ich weiter machen soll. Wie beispielsweise diese Mail nach dem Family-Treffen 2012:

…mir liegt da was auf dem Herzen, was ich unbedingt loswerden möchte: ein ganz ganz großes Dankeschön an dich dafür, dass das Familytreffen auf dem WGT genau so, wie es war, stattgefunden hat! Seit längerer Zeit hatte ich das Gefühl, dass sich da irgendwas veränderte und entwickelte und erst nach dem kuscheligen und heimeligen Treffen, war ich in der Lage, das, was ich seit Monaten und Wochen in mir trug, genauer zu greifen und zu beschreiben. Es ist ganz simpel: ich habe mitten zwischen diesen tollen Menschen das Gefühl „angekommen/zuhause sein“ in mir gefunden. Vermutlich ist es das schönste Souvenir, dass ich mir vom WGT hätte mitbringen können…

Jahresrückblick: Auswertung der Besucherquellen

Zum WGT in der Leipziger InnenstadtZum WGT in der Leipziger Innenstadt
Zum WGT in der Leipziger Innenstadt

Schauen wir zurück auf ein Jahr, in denen sich wieder einmal deutlich gezeigt hat, wie (schrecklich) wichtig soziale Netzwerke geworden sind. Ohne Facebook läuft nichts mehr. Rund 11.000 mal besuchten mich Menschen, die einen Link zu Spontis angeklickt haben. Dabei ist die größte soziale Plattform ein zweischneidiges Schwert. Zum einen sorgt die allumfassende Vernetzung für neugierige Leser, die sie aus Seiten, denen sie ein „Gefällt mir“ spenden ihren eigenen Nachrichtenstrom zusammenbasteln. Auf der anderen Seite verlassen viele die Plattform erst gar nicht, um zu kommentieren oder zu interagieren, was Facebook nützt, den Blogbetreiber aber zuweilen stört. Über Facebook mache ich mir schon länger Gedanken und werde diese demnächst in Artikel-Form präsentieren.

Gleich hinter Google (siehe Suchbegriffe) und Facebook kommt die Internetseite gutefrage.net, was mich persönlich sehr wundert, denn die war im letzten Jahr eigentlich nicht der Rede wert. 2013 fand 1.084 Besucher den Weg zu mir, dabei verlinkten die fleißigen Helfer der Plattform hauptsächlich auf die Schnürsenkelartikel und interessierten sich für Christiane F., die Protagonistin aus „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“.

Auch meine geschätzten Mitblogger versorgten mich mit Besuchern. So ist Shan Dark für 339 Besucher verantwortlich, Rosa Chalybeia für 186 und Karnstein für 108. Betrachtet man die Vorjahreszahlen im Vergleich, so lässt sich eine deutliche Verlagerung ausmachen. Die Zahl der direkten Verlinkungen von anderen Blogs ist stark gesunken, während die Verlinkung von Facebook deutlich zugenommen hat.

Fakten, Fakten, Fakten

Fassen wir in Zahlen zusammen. 2012 besuchten 153.222 Menschen diese Internetseite, davon waren rund 27% schon mal und dürften damit als Wiederholungstäter gelten. Der durchschnittliche Besucher bleibt 2 Minuten und 6 Sekunden (!?). Grufties benutzen am liebsten den Firefox-Browser der auf einem Windows-System installiert ist. Die meisten kommen aus Deutschland, was daran liegen dürfte, dass ich in Deutsch blogge, die häufigsten Aufrufe erhalte ich aus Berlin gefolgt von München und Köln. (Einwahlknotenpunkt). Die Absprungrate beträgt 5…..2………P…..r…… *schnarch*

Computer-Logbuch: Nachtrag

Goth wie einschläfernd. Bin über den Tasten zusammengesackt. Bevor ich noch länger mit nervigen Details nerve und euch auf die Nerven gehe, trete ich lieber einen Schritt zurück, beende meinen viel zu kurzer Urlaub und gehe den Dingen nach, denen ich sonst nachgehe.

In memoriam: Zwischenfall Bochum – Der Kreis schließt sich

Beim Stöbern in alten Ausgaben der ME/Sounds fand ich einen Artikel aus dem August 1987 über die Discothek Zwischenfall in Bochum. „Die Disco-Dichte im Ruhrgebiet ist höher als anderswo im Land. Um verwöhnte Musik- und Mode-Avantgardisten ins Revier zu bewegen, bedarf es schon besonderer Qualitäten.“ Vermutlich ist das Heute noch genauso, doch die Kultstätten von damals sind mittlerweile Geschichte, das Zwischenfall brannte 27 Jahre nach Erscheinen des Artikel völlig aus und überhaupt sind kaum noch Tempel der schwarzen Szene im Ruhrgebiet zu finden. Der Pavillion in Wuppertal schloss im September 2012 seine Pforten, das Lalic in Köln konzentriert sich mit seinen neuen Betreiber auf eine breiteres Klientel. Gelegentlich tropft eine der lieb gewonnenen Veranstaltungen als schwarze Lava auf die Tanzflächen Nordrhein-Westfalens. Denn hier hat sich mittlerweile schwarzer Mainstream breit gemacht, in dem häufig keine Perlen zu hören sind, sondern lediglich musikalisches Fast-Food.

Seit 2011 versucht das TIC in Mülheim wieder einen Rückzugsort für Anhänger der Gothic-, Metal- und Mittelalterszene zu betreiben. Das Konzept scheint zu funktionieren, ein Jahr hat man bereits hinter sich gelassen. Und hier schließt sich der Kreis, denn am kommenden Samstag, dem 5. Januar 2013 sind die Z-Files mit DJ Michael Zöller und DJ Diva, die vielen Zwischenfall-Gästen ein Begriff sind, zu Besuch in Mülheim und wollen längst vergessene Musik wieder in Szene setzen.

Grund genug in Erinnerungen zu schwelgen und sich dem Artikel der ME/Sounds zu widmen, in dem Klaus Märkert auch seine persönliche Top-Ten vorstellt, die euch nicht vorenthalten will. Vielleicht bekommen Besucher des TIC davon am Wochenende etwas auf die Ohren.

Nur für kurze Augenblicke wird es hell. Über der Tanzfläche rotiert ein Mini-Ufo, ein bunter Lichterkreisel, der Stimmungen erzeugt, die an die Kult-Fernsehserie „Invasion von der Wega“ erinnern.“ Zu dieser Zeit war das Zwischenfall in Bochum bereits fest in der Hand der Grufties und Waver, die auf engagierte Veranstalter und DJs trafen. Schon zu dieser Zeit war hier Musik jenseits des Mainstream zu hören und hinter den Plattentellern wurde Neugier geweckt anstatt mit den ständig gleichen Repertoire die Besucher zu langweilen.

Disco-Tip Zwischenfall 1987

Der Ruf des Zwischenfalls war legendär. Im Laufe der Jahre kamen selbst Gäste aus den Niederlanden oder Belgien in die Ruhr-Metropole, selbst 1987 spricht der Artikel bereits vom Sauerland. Womöglich, weil schwarze Clubs einer aufstrebenden Jugendkultur schon zu dieser ebenso schwer zu finden waren, wie heute.

Im Zwischenfall dominiert eindeutig Gitarrenmusik der Independent-Szene (…) erst morgens um drei wagt es DJ Klaus dann, ausgefallenere Electro-Musik auf den Teller zu legen. Auf die Ungestümtheit mitternächtlicher Stunde folgt eine Phase stilisierter Bewegungen im Stroboskop-Lichtgewitter. Wem dieses Programm zu einseitig klingt, dem sei gesagt, daß hier nur schicke Waver und Grufties verkehren. Und selbst die kommen nicht aus dem Totenreich, sondern geben sich hier erstaunlich lebendig.

Wen wundert das, wenn man sie die Top-Ten von DJ Klaus Märkert zu Gemüte führt. Wer möchte, kann sich alle Lieder als Playlist bei Youtube anhören.

  1. Shock Therapie – Hate is just a 4-letter Word
  2. The Cult – Wild Flower
  3. The Wipers – Alien Boy
  4. Alien Sex Fiend – Hurricane Fighter Plane
  5. New Model Army – Poison Street
  6. Klinik – Sick in your Mind
  7. Big Black – Steelworker
  8. Spear of Destiny – Never take me Alive
  9. Wall of Voodoo – Do it Again
  10. Sonic Youth – Into the Groove

Der Kreis schließt sich. Jedenfalls in diesem Artikel, denn das TIC beheimatet am Samstag, dem 5. Januar 2013 die Z-Files, eine Veranstaltung aus dem direkten Umfeld des Zwischfalls, die auf der Homepage so angekündigt wird:

Horst aka DJ Diva hatte die Federführung Ende 80 er + 90 er im Z-Fall. Mit seiner Konzertagentur Diva Performance war er maßgeblich Initiator und Entwickler der damaligen Szene nicht nur im Ruhrgebiet. Bands waren Front 242, Skinny Puppy, London After Midnight, Goethes Erben, Leaether Strip, Calva Y Nada, Das Ich, Pouppee Fabrik, Die Form, Neon Judgement, Borgesia, The Arch, Cassandra Complex, Click Click und viele viele andere ausgefallene Musiker. Nun will Horst wieder neue sowie viele ältere fast vergessene Musik mit seinem DJ Mitbestreiter M. Zöller in Szene setzen, da kann man einiges erwarten.

Ob das TIC, über das ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe, den Geist aufrecht erhalten kann, wird sich zeigen. Es ist – sehr zu meiner Freude – bereits etabliert und lockt auch Publikum aus dem gesamten Ballungsraum an. Ich freue mich auf Samstag und will meine spärlichen Erinnerung an das Zwischenfall in Bochum durch neue ergänzen. Ich freue mich auf Klassiker hinter dem DJ-Pult, seelige Alt-Gothics und neugierige, begeisterte Jung-Grufties. Wenn ihr möchtet, sehen wir uns gegen Mitternacht ;)

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2013: Frohes neues Jahr!

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Was für ein Jahr. Eine Achterbahn der Ereignisse, der Gefühle und Gedanken. Ich weiß nicht, was mehr im Vordergrund steht, die Erinnerungen an das alte Jahr oder die Aussichten auf ein neues Jahr. Mein erstes ganzes Jahr ohne Fleisch (ich lebe noch immer), mein erstes Jahr ohne Erkältung (ob das zusammenhängt?) und mein erstes Jahr mit einem vollständigen schwarzen Herz (wer möchte, sucht auf dem linken Bild die beiden Herzhälften und puzzelt sie zu einem zusammen). Ich habe den Weltuntergang erlebt, bin standhaft optimistisch geblieben und unerschütterlich hoffnungsvoll.

Einen ganz besonderen Anteil an Freude, Neugier und Glück ist diesem Blog geschuldet. Unzähligen Kommentare brachten mich zum lachen, brachten mich zum Nachdenken, erweiterten meinen Horizont und über manche habe ich mich auch geärgert. Alles, was das Leben ausmacht. Ich danke Euch, den Lesern, Kommentatoren und vor allem der „Spontis-Family“ für eins der schwärzesten und wundervollsten Jahre. Ich freute mich über viele neue Kontakte, viel Anerkennung und Lob, viel Kritik und unzählige Themenvorschläge. Ich hoffe, ihr werdet auch 2013 nicht müde damit, euch einzubringen und mitzumachen. Ohne Euch wäre dieses Blog nicht das, was er ist. Gerne würde ich jeden einzelnen umarmen, mich bedanken und meine Freude zum Ausdruck bringen, wer möchte, bezieht diese Zeilen (und das was dazwischen geschrieben steht) auf sich. Es trifft jeden ;-)

Viele neue Ideen warten auf ihre Realisierung. Spontis erhält 2013 endlich eine Schönheitsoperation und eine überarbeitete Struktur, neue Artikelreihen warten auf ihre Geburt und viele alte Artikel werden überarbeitet. Natürlich kann ich auch dieses Jahr schon mal ein Spontis-Treffen auf dem WGT prophezeien, außerdem möchten wie auch außerhalb dieses Events wieder eigene Ideen umsetzen. Ich werde stark daran arbeiten, dass es nicht bei guten Vorsätzen bleibt und freue mich über jeden Tritt von ein paar Pikes in meinen Allerwertesten, um mich immer wieder daran zu erinnern. Natürlich wird es auch dieses Jahr einen statistischen Jahresrückblick geben, der in den nächsten Tagen erscheinen wird.

Genug der guten Vorsätze und Vorankündigungen. Bis dahin wünsche ich euch einen sanften Start in das neue Jahr und überlasse euch, wenn ihr mögt, einem eindrucksvollen Feuerwerk in London. Und für die, die Feuerwerk überhaupt nichts abgewinnen können, einen sehr sehenswerten und erheiternden Jahresrückblick von Schlecky Silberstein.

Mode-Tipps 1987: Schwarz ist heiß! Wave-Klamotten in der Bravo

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Spätestens Mitte der 80er Jahre hatte sich der Bekleidungsstil der sogenannten „Gruftis“ als festes Zugehörigkeitsmerkmal etabliert. Die Mischung aus Punks und New Wavern, die zu Beginn des Jahrzehnts eher eine lose Mischung aus Anhänger von Gothic-Rock, Wave und Synthie-Pop bildeten, wurde um den typischen „Gothic“ erweitert. Menschen mit blass geschminkten Gesichtern und schwarzer Kleidung, die mit okkulten und religiösen Symbolen in Form von Schmuck und Accessoires bestückt waren, unterschieden sich immer deutlicher von ihren Wurzeln. Die übrige Bevölkerung, die die gewollte Provokation der Punks schon fast gewohnt war, schlussfolgerte lapidar eine weitere Provokation, die sich diesmal gegen ihre Religion, die Kirche und ihre Moralvorstellungen wandte.

So wundert es nicht, dass Medienszenarien, wie „Die Wiederkehr des Teufels“ oder „Geht die Jugend zum Teufel?“ Mitte der 80er Jahre aufkeimten und schnell für ein Klischee sorgten, das der Szene bis heute anhaftet. Es war also keine bewusste Provokation, sondern eine eher beiläufige. „Dass der Stil den Normalbürger trotzdem schockiert, ist eher als Nebeneffekt anzusehen, denn eine Auseinandersetzung mit Außenstehenden wird in der Regel nicht angestrebt. Tendenziell bevorzugt man die Abgeschiedenheit oder besteht sogar darauf, in Ruhe gelassen zu werden. “ Sowieso kam bis Mitte der 80er niemand auf die Idee, die „Gefahr für die Jugend“ als Szene zu begreifen, sondern nur als potenzielles Risiko für das Wohl der Kinder. In Deutschland begann die Bravo im März 1986 damit, das Phänomen als Bewegung zu begreifen und titelte „Die Gothics lieben Grüfte„. 1987 ging es dann Schlag auf Schlag. Der Foto-Love-Roman „Ratte macht die Fliege“ sorgte unter den Jugendlichen für Aufsehen und ein reges Interesse an der noch jungen Szene. Im November 1987 griff  die Bravo dann die Stilelemente der Gothics und New Waver auf und degradierte sie zur Mode für jedermann.

Schwarz ist heiß!

New Wave – alles in Schwarz ist angesagt. Man kann die dunklen Klamotten gut mit Alltagssachen kombinieren. Schnallenschuhe, Handmanschetten und andere Accessoires helfen euch dabei.“ Ein ästhetischer Todesstoß, eine schwarze Kutte mit einer Blue-Jeans zu kombinieren. Waschechte Grufties laufen beim Anblick schreiend in ihre Höhlen und hängen sich kopfüber unter die Decken. Und überhaupt ruiniert der Artikel den so geliebten Stereotyp des Gothics. Hier wurden ein paar Models mit Haarspray ein bisschen „wuschig“ gemacht und mit dem zu dieser Zeit schon verfügbaren Shop-Angeboten sogenannter „Underground-Läden“ in Szene gesetzt, während sie merkwürdig lächelten. Ja, sie lachen sogar!

Schon zu dieser Zeit wird deutlich, dass man sich den typischen Bekleidungsstil dieser neuen Jugendkultur ganz einfach zusammenkaufen konnte. Einen Flattermantel für 150 DM, eine „Sarouelhose“ für 130 DM und, Schnallenschuhe für 130 DM und noch ein paar Accessoires für rund 50 DM machen aus dem normalen Bravo-Leser mit dickem Geldbeutel einen bekleidungstechnischen Super-Gruftie! Wir rechnen zusammen: 460 DM für ein Outfit aus dem Katalog, ohne das notwendige Haarspray und die obligatorische Schminke. Kein Wunder also, dass man schon damals begonnen hat, die Sachen selbst zu kreieren. Ich persönlich hätte im zarten Alter von 15 fast 1 Jahr lang sparen müssen um mir das leisten zu können. Logisch, dass Gothics – wenn man der einschlägigen Szeneliteratur glaubt – aus der besseren, bürgerlichen Mittelschicht stammten. Bei den Preisen ist Mittelschicht gerade gut genug. Zynisch gesprochen.

Doch wer hat hier von wem abgeguckt? Waren es die Szenelabel, die von den Szene-Anhängern abkupferten, nachdem diese von der Bühne kopierten? Oder haben sich die Label gleich bei den Idolen bedient? Alles Spekulation. Fakt ist, dass das eigene Erscheinungsbild einen großen Teil der Szeneaktivität ausmacht(e). Es wird viel Zeit, Leidenschaft und Kreativität aufgewendet, um sich seinen eigenen Stil anzufertigen, auszuwählen, zusammenzustellen um letztendlich seine Kombination aus Kleidung, Frisur und Accessoires „Zur Schau zu stellen“. Dass man mittlerweile auf ein breites und kommerzielles Angebot zurückgreifen kann, ist der Zeit geschuldet. Ist eine Jugendkultur beständig genug, gibt es schnell einen Markt, der Geld damit verdient. Daran ist im Grunde auch nichts auszusetzen.

Und dennoch, bevor ich Euch mit dem geballten Angebot des Jahres 1987 schockiere, möchte ich noch einen klugen Satz zitieren, der eine ganz wichtige Sache auf den Punkt bringt und durchaus als Unterscheidungsmerkmal von „Mitläufern“ dienen könnte. Inwieweit das heute noch gültig ist, überlasse ich Eurer persönlichen Einschätzung:

Charakteristisch für Grufties ist nämlich, dass sie nicht wie andere Jugendkulturen (…) den Brennpunkt des modernen Lebens, die Straße, als Aufenthaltsort und Bühne zur Selbstdarstellung bevorzugen, sondern Orte der Stille, Einsamkeit und Besinnung, wo sie – ihren Rückzugsintentionen entsprechend – ungestört und unter ihresgleichen sind.

Schwarz ist heiss! - Der Bravo Mode Tipp

Spontis Wochenschau #16/2012

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Glaubt man den Medien und der aktuellen Euphorie, dann ist das hier die letzte Wochenschau. Wegen Weltuntergang und so. Glücklicherweise haben die Maya das so nie behauptet, außerdem gibt es nach dem Ende ihrer Zeitrechnung immer einen Neuanfang, bei dem – laut der Maya – eigentlich alles beim Alten bleibt. Ich für meinen Teil mag diese Welt, ich finde „Weltuntergang? Gefällt mir!“ Bekundungen bei Facebook ziemlich armselig und Hamsterkäufe lemminghafter Konsumenten äußerst lächerlich. Gestern im Supermarkt: „Bei dem Einkauf kann der Weltuntergang ja kommen, nicht wahr?“ – „Sie haben ja nur noch einen Tag das alles zu verputzen!“ Allgemeines Gelächter. Die Verkäuferin wünscht der Kundin zum Abschluss noch ein frohes Weihnachtsfest. Paradox. Wenn die Welt wirklich untergeht, wie soll es dann Weihnachten geben? Und vor allem: Worin geht die Welt denn unter? Offensichtlich funktioniert das Ganze nach dem „Mich-trifft-es-nicht“ Prinzip, was dem anderen Prinzip, das unsere Welt wirklich zu Grunde richtet, erstaunlich nahe kommt. Die Menschheit zerstört ihre Umwelt „Aber-ich-kann-nichts-dafür“. Fast so, wie es schon einer der Spontis-Sprüche unter dem Logo auf den Punkt bringt: „Alle wollen zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß.“ Ich liebe diese Welt. Ganz ehrlich. Doch ein Neuanfang, wie die Maya ihn prophezeit haben, würde der Menschheit ganz gut zu Gesicht stehen. Umdenken statt wegschieben, handeln statt meckern, aktiv werden statt nur zu partizipieren. Jeder bei sich selbst. Und weil ich so hoffnungslos optimistisch bin, behaupte ich: Das ist nicht die letzte Wochenschau.

  • Why gothic is more popular than ever | The Independent
    Hier geht es nicht um eine ehemalige Jugendkultur oder eine Szene, sondern um eine literarische und künstlerische Begrifflichkeit, denn im Englischen ist „Gothic“ mit eben diesen Dingen verknüpft. Im verlinkten Artikel geht es auch demnach um das Buch- und Filmgenre Gothic, das mit Maria Shelly’s Frankenstein, Bram Stoker’s Dracula, Nosferatu oder den Werken von Edgar Allan Poe seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Doch die thematischen Ähnlichkeiten sind verblüffend. „But it also reflects deeper contemporary fears of the apocalyptic and the macabre: of bad science and corrupt power. It reflects dark times, too, and offers escapism from austerity or insecurity – a safe, containable way to be scared. Most of all, perhaps, it addresses dark themes of psychosexuality.“ In diesem Zusammenhang ist auch die Frage „Has Gothic fiction beeen overrun by the modern Horror Genre?“ interessant, die im Blog „Exeposé“ aufgegriffen wird.
  • Der Charme der Knochen | Deutschlandradio Kultur
    Die Faszination für das Morbide ist uns ja in die schwarze Seele gelegt worden. Daher fühlt sich der Satz „Der Charme der Knochen“ auch so vertraut an. Das D-Radio hat das Buch „Die Geschichte der Skelette“ von Jean-Baptiste de Panafieu unter die Lupe genommen und einen Beitrag dazu gesendet. „Eine Doppelseite tiefschwarzes Papier. Links unten schiebt sich das helle, fein konturierte Skelett eines kleinen Säugetier-Kletterers einen Baumstamm hinauf. Zur Buchmitte hin folgt das zweite Skelett: Springend verlässt das Tier den Ast und greift mit seinen Zehen in die Luft. Das nächste Skelett streckt sich im Flug und hält seine – schon stark gedehnten – Zehen weit aufgespannt. Am rechten Bildrand schließlich segelt der Flughund, wie er heute lebt. Deutlich sieht man die langgezogenen, filigranen Knochen der vorderen Extremitäten, die dem Tier eine Flügelspannweite von fast zwei Metern verschaffen.
  • Rosa’s klamottiger Giftschrank | Rosa Chalybeia
    Auch in der schwärzesten Seele gibt es helle Flecken. Vergehen gegen die Gruftigkeit, Verbrechen an der Trueness und heimliches missachten aller Szene-Ideale. Sie zu offenbaren ist der erste Schritt zu einer Verarbeitung. Rosa ist mutig und outet sich öffentlich. In unserer Selbsthilfegruppe macht sie den Anfang: „…ich probierte mich fröhlich aus und wechselte von tiefschwarz zu knallbunt und dann wieder zu schwarz zurück. Und wenn ich knallbunt sage, meine ich keinesfalls schnödes feuerwehrrot oder leuchtgrün – nein, wenn ich knallbunt sage dann meine ich das ziemlich ernst – man kann sagen ich pendelte von einem Extrem ins andere, ohne Zwischenstops. Da ich zu meiner partiell knallbunten Jugend voll und ganz stehe – womöglich habe ich es teilweise so übertrieben daß mein Bedarf für Farbe bis zum Lebensende dann verbraten wurde – präsentiere ich die haarsträubendsten Teile aus meinem jugendlichen Klamottenschrank.
  • Endgültiges Aus für wirklich spitze Pikes | Otranto-Archive
    Es dauerte eine Weile bis ich diese Nachricht hier verlinken konnte. Die Tränen nahmen mir die Sicht und die zittrigen Hände machten Schreiben unmöglich. Pennangalan, der bislang einzig bekannte Händler für Pikes, nimmt die hübschen Schuhe aus dem Programm: “ Doch jetzt endlich schenken Pennangalan einem reinen Wein ein, und die Nachricht ist keine gute: „Dies sind die LETZTEN Paare unserer traditionell handgefertigten flachen Winklepicker/Pixie Boots. Wir haben ALLE Winklepicker-Modelle auf unbestimmte Zeit aus dem Programm genommen.“ (…) Ihr Hersteller sei nicht mehr dazu in der Lage gewesen auch nur die grundlegendsten Qualitätsstandards zu erfüllen oder annähernd rechtzeitig zu liefern, und auch das Investieren von Zeit und Geld habe nichts mehr gebracht.
  • Farblos im Gothic Magazine | Farblos
    Kurze Werbepause! An dieser Stelle eine feste Umarmung an Herrn Karnstein. Meister der Otranto-Archive und Kopf hinter Farblos hat es mit eben dieser Band in die nächste Ausgabe des „Gothic-Magazin“ geschafft. Als Interview und mit einem musikalischen Beitrag. Damit ist das Magazin in meinem Ansehen gestiegen und Herr von Karnstein erhält endlich die überfällige Print-Anerkennung für seine Leidenschaft.
  • Dampfcomputer und Klagemaschinen | SpiegelOnline
    Die Steampunks. Eine eigenständige Subkultur. Und trotzdem werden ihr allein wegen ihrer Anwesenheit auf dem WGT Parallelen zur Gothic-Szene nachgesagt.  Der Spiegel sieht sogar Berührungspunkte. „Steampunker setzen dieses Konstrukt in unserer heutigen Realität um. Es ist eine breit aufgefächerte Szene, sie ist bunt und schrill und vielfältig. Rollenspieler fühlen sich davon angesprochen, Party-People, die sich in grellen Kostümen viktorianischen Schnitts und ausgerüstet mit oft absurden technischen Accessoires in Messing, Kupfer und Leder auf inzwischen auch öffentlich stark beachteten Events selbst feiern. Es gibt Berührungspunkte zur Gothic-Szene, weil auch dort der Stil gefällt: Steampunk bietet die Gelegenheit, sich mal richtig aufzubrezeln und dennoch als Teil einer Subkultur fühlen zu können.“ Wenn ihr mich fragt, ist das völliger Blödsinn. Richtig ist, dass sich auch einige Mitglieder der Gothic-Szene für anderen Szenen interessieren. Wie zum Beispiel Cosplay oder eben Steampunk. Womöglich sind es solche Autoren, die die Szenen vermischen und uninformierte Leser, die das als Fakt ansehen.
  • Talk to your Children about Death | Order of the good Death
    In den USA ist mal wieder ein Amokläufer durch die Gegend gerannt und hat Menschen erschossen. Doch hier geht es nicht um die Diskussion über Waffengesetze, menschliche Abgründe oder Gewalt und Mord, sondern den Umgang mit dem Thema Tod. Der Umgang mit dem „24h Death Porn on Cable News“, dem wir uns tagtäglich ausgesetzt sehen, fällt vielen Erwachsenen nicht leicht, doch wie sehen das die Kinder und Jugendlichen, die man kaum noch davor schützen kann? Caitlin Doughty, die aus „Ask a Mortician“ bekannt ist, gibt rudimentäre Nachhilfe.
  • Alles Sache der Perspektive | Kraftfuttermischwerk
    Die menschliche Wahrnehmung ist wohl das unvollkommenste auf diesem Planeten, denn unser Gehirn verfälscht die objektiven Eindrücke unserer Sinnesorgane auf das unglaublichste. Sehen und sehen wollen, Hören und hören wollen, Fühlen und fühlen wollen. Alles ganz verschiedene Prozesse. Wie einfach das geht, zeigt ein britischer Psychologe am Beispiel des „Sehens“.

Neue Party in der KuFa Krefeld: Kultur in Schwarz

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Krefeld im November 2012. In Nordrhein-Westfalen ist die Dichte von musikalischen Veranstaltungen die mehr zu bieten haben als schwarzen Mainstream recht dürftig. Schwarzkultur nennt sich eine neue Veranstaltung, die genau diesen Anspruch erhebt. Ob sie dem gerecht wird, hat Gastautor Izzie Adams am eigenen Leib erfahren. Er warf einen Blick hinter die Ankündigung „The Sound of the Underground“ und war überrascht. 

Die Kulturfabrik (KuFa) in Krefeld ist den Meisten vermutlich eher aufgrund der dort häufig stattfindenden Konzerte verschiedenster Coleur ein Begriff. Neben diesen finden auch regelmäßig diverse Parties und Veranstaltungen statt, die sich bisher jedoch zumeist eher dem breiten Publikum des Mainstream gewidmet haben. Vor wenigen Monaten aber machte man einen Schritt auf die schwarze Szene zu – mit der SchwarzKultur, einem Event mit dem erklärten Ziel „etwas mehr als nur Party“ sein zu wollen, das zum Ende jedes Monats stattfindet. Gelockt wird die geneigte schwarze Seele mit Versprechungen eines „Anlaufpunkts für die schwarze Szene“ deren Gast-DJs „nicht nur auf eine musikalische Stilrichtung festgelegt“ seien. Aha?

Solcherlei Verheißungen erlangen zugegebener Maßen schnell meine Aufmerksamkeit, nicht zuletzt weil mein Musikgeschmack innerhalb der Szene recht breitgefächert ist. Frühere Erfahrungen haben jedoch leider oftmals gezeigt, dass kaum eine Party Versprechen dieser Art auch halten kann. Neben diesen schlechten Erfahrungen befürchtete ich außerdem, dass es sich hierbei lediglich um eine kleine Versammlung vereinzelter Grufties der näheren Umgebung handeln würde.

Dennoch entschied ich mich letzten Endes, alle Zweifel und Vorurteile über Bord zu werfen und dem Event eine Chance zu geben – und wurde positiv überrascht, als ich schließlich das Gelände der Kulturfabrik erreichte und Schwierigkeiten hatte, einen Parkplatz zu finden. Die SchwarzKultur hat sich offensichtlich bereits zu einem Geheimtipp entwickelt, der  sogar Besucher aus Köln anreisen lässt. Das Publikum gestaltete sich dabei als ein Mix aus allen erdenklichen Sparten der schwarzen Szene, der sich durch eine relativ unerwartete und ungewohnte Herzlichkeit auszeichnete, wie man sie leider auf vielen schwarzen Parties nicht mehr all zu häufig erlebt (Knicklichter wurden im übrigen zu meiner Erleichterung keine gesichtet ;P ).

Die Location selbst schien zuweilen beinahe ein wenig aus den Nähten zu platzen, besonders wenn ein Großteil der Besucher auf die Tanzfläche strömte. Eine bequeme Ausweichmöglichkeit bot hier zum einen die erhöhte Sitzecke mit diversen Tischen, die Bar oder die übrigen Sitzgelegenheiten im vorderen Bereich. Dem abwechslungsreichen Publikum entsprechend gestaltete sich auch die Musikauswahl der beiden DJs Tom Noir und Thespis, denen es wunderbar gelang, alle Geschmäcker zu bedienen, ohne dabei eine Seite zu sehr zu bevorzugen. Wenn man, wie ich, unter akutem Bewegungsdrang leidet, sobald man sich einmal herausgeputzt hat und in einem Club auf ein bekanntes Lied zum tanzen wartet,  wird man meine Euphorie an diesem Abend nachvollziehen können. Aber auch für die Gemütlicheren unter den Gästen dürfte es kaum langweilig gewesen sein.

Bevor ich schließlich aufbrach, wechselte ich auch noch ein paar Worte mit dem Veranstalter, der mich und meine charmante Begleitung bereits über die nächste SchwarzKultur im Folgemonat informierte und uns einlud, wieder vorbei zu schauen. „Es wird dann definitiv weniger Industrial und mehr Batcave laufen.“, versprach er uns mit einem Zwinkern.

Diese vielversprechende Behauptung musste ich natürlich persönlich überprüfen und zog einen Monat später erneut aus, um die Kulturfabrik auf die Probe zu stellen – nicht zuletzt aber auch, da eine für meinen Geschmack so außerordentlich gute Schwarz-Party für gewöhnlich mit einer Autofahrt von mindestens einer Stunde verbunden und Krefeld im Gegensatz dazu wunderbar bequem zu erreichen ist.

Auch der zweite Besuch wusste mich erneut zu begeistern. An jenem Abend fiel die Musikauswahl weniger in den Elektro-und Industrialbereich und orientierte sich mehr an gern gehörten Stücken, die man sonst nicht unbedingt in Clubs aufgetischt bekommt. Musikwünsche wurden auch an diesem Abend von den DJs Tom Noir und Kämpfer angenommen, sodass eine ausgewogene Mischung wieder für reichlich Bewegungsdrang sorgte – bis zum Morgengrauen (wehe dem, der mir in diesem Zusammenhang eine Glitzervampir-Anekdote unterjubeln will!).

Während die Angestellten der KuFa Krefeld bereits mit einpacken und aufräumen beschäftigt waren, unterhielten wir uns noch gemütlich mit den beiden DJs und dem Veranstalter, bevor wir uns verabschiedeten. „Eben hat sich einer bei mir beschwert, weil ich heute weniger Industrial aufgelegt habe.„, erzählt DJ Tom ein wenig säuerlich, „Nur, weil wir nicht das Selbe spielen, was in jedem anderen Club läuft.“ Ärgern muss er sich meiner Meinung nach über die Kritik nicht, der Abend war wieder einmal gelungen und durchaus abwechslungsreich.

Alles in allem hat die SchwarzKultur bei mir einen sehr guten Eindruck hinterlassen, nicht zuletzt dank der sehr freundschaftlichen und angenehmen Atmosphäre. Ein dritter Besuch ist daher von meiner Seite garantiert. Wer also eine schwarze Veranstaltung mit ausgewogener Musik und Abwechslung von der oftmals recht distanzierten Besucherschar anderer Clubs sucht, dem sei die SchwarzKultur wärmstens ans Herz gelegt. Terminiert war der dunkle Abend bisher an jedem letzten Freitag des Monats, wobei sich dies voraussichtlich auf den letzten Samstag des Monats verschieben wird – hierzu gibt es aber noch keine offiziellen Angaben.

Schwarzkultur Krefeld KUFA

Weitere Informationen findet ihr unter www.facebook.de/kufakrefeld oder www.kulturfabrik-krefeld.de

80er Style & Darkwave: Das kurze Gastspiel der Trash Groove Girls

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1986. Die Bravo entdeckt Gothic als Jugendkultur und arbeitet in den folgenden Jahren an einer stetigen Verbreitung dieser Bewegung. Etwa zu gleichen Zeit gründet Produzent und Songschreiber Chris Garland (U-BahnX, The Slits) die „Trash Groove Girls“ in Düsseldorf und findet mit Simone Stepputat, Andrea Willert und Katinka Päkel drei Damen, die wie keine anderen die 80er verkörpern.

Zunächst fanden sie als Vorgruppe der Einstürzenden Neubauten neugierige Musikredakteure, die ihnen mit einigen Artikeln zu einem Achtungserfolg verhalfen. Sie veröffentlichen das Album „Arbeit, Sport & Spiel“, dass jedoch mit einer unterschwelligen Form von Monotonie, einem Hauch tanzbaren Beats und einer Gitarre auf Diät nie zu einem kommerziellen Erfolg aufstieg. Womöglich hätte man sich an X-mal Deutschland ein Beispiel nehmen sollen, die den Schritt nach England wagten, um dort entsprechende Erfolge feiern zu können. Denn die waren tatsächlich fasziniert von den 3 Damen im Gothic-Cyber-Punk-Style  und berichteten in der englischen Sounds, dem Melody Maker und dem NME Magazin über die Band.

Genau dieser Style stand immer wieder im Mittelpunkt der Betrachtungen, so waren sie 1987 in der Vogue zu sehen und erhielten auch das Angebot, im Playboy zu erschienen, das sie jedoch ausschlugen. Es mag wohl dem Zeitgeist geschuldet sein, dass die Trash Groove Girls so beliebte Models waren, schließlich feierten Sigue Sigue Sputnik Mitte der 80er Jahre mit einem ähnlich Style große Erfolge und nutzten die Provokation ihres Outfits geschickt für ihre Zwecke. Konzept oder Zufall?

The Psychedelicmanifesto schreibt: „The TRASH GROOVE GIRLS were conceived as a full frontal ‚POP ART TERRORIST‘ ATTACK ON THE GERMAN MUSIC INDUSTRY. The ultimate in PERFORMANCE ART POP PRANKSTERISM. The TGGs were an unstoppable ‚CYBER PUNK‘ LIVING AUDIO-VISUAL INSTALATION, that came out of nowhere created absolute havoc and controversy and generated the most enormous amount of press coverage. They were literally never out of the press! Featured naked wrapped only in a German flag full page in German high circulation magazines, the girls were a journalist’s dream and an interviewer’s nightmare.

Das Konzept ging jedenfalls nicht auf, die Zeit überholte sie. 1987 lösten sie sich wieder auf. Sie hinterließen aber ein Video, dass sowas von 80er ist, dass man fast davor zurückschreckt, sich nochmal in diese Zeit zu wünschen. Viel Spaß ?!

Bravo-Report 1992: Martins schwarze Träume

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Anfang der 90er herrschen paradiesische Zustände für den geneigten Grufti. In den deutschen Ballungszentren gibt es meist Gleichgesinnte und ein lebendiges Angebot der schwarzen Subkultur. Gothic und Wave liegen im Trend, Mailorder-Händler bieten Szene-Klamotten bereits in einschlägigen Zeitschriften an. Der Fall der Mauer sorgt für eine schwarze Wiedervereinigung und belebt die damals schon totgesagte Szene. 1992 erblickt das Wave-Gothic-Treffen. Nicht das jemand einen Rechtschreibfehler vermutet, bis 1995 hieß das mittlerweile größte Festival der schwarzen Szene noch „Gothic“, bevor es fortan unter dem Namen „Wave-Gotik-Treffen“ in Erscheinung trat das schummrige Licht der Welt, Gothic war in vieler Munde. Mittlerweile war das Phänomen auch in die entlegensten Winkel der Republik gedrungen, doch wie war das denn damals, als Grufti vom Dorf?

Die Bravo klärt auf und entdeckt den 20-jährigen Kindergärtner Martin: „Ein schwäbisches Dorf: Eine kleine Barockkirche, Bauernhöfe, Geranien auf den Balkonen. Ländlicher Friede. Aber das scheint nur so. Martin, „der Schwarze“, geht die Hauptstraße entlang. Kalkweißes Gesicht, Toupierte Haare, schwarze Kleidung, Schmuck – ein Grufti, ein „Gothic“. Einer, der nun wirklich nicht in diese Dorfidylle passt.“ Tagsüber ist Martin Kindergärtner und nachts ein waschechter Grufti? Wie passt das zusammen? Oder erfüllt sich damit wieder ein Klischee, dass Gruftis vornehmlich in sozialen Berufen ihr Unwesen treiben? Was vielleicht auch wieder ein schönes Klischee wäre, schließlich ist das dann doch aktive Verbesserung an einer viel zu kalten Welt.

Zugegeben, der Einleitungstext ist ein wenig dick aufgetragen, die tatsächliche Anzahl schwarzer Gestalten bleibt zu jener Zeit vermutlich überschaubar. Zeitschriften und Presse, die die Szene seit Mitte der 80er immer wieder ins Visier merkwürdiger Berichterstattung nehmen, sorgen für die gefühlte Verbreitung. Die stetig wachsende Anzahl der Szene-Gänger ist eine Folge dieser Verbreitung. Martin lebt 1992 jedenfalls im Dorf und ist derjenige, über den man in einer solchen „Gemeinschaft“ eben redet, wenn er von der Norm abweicht. Er hat jedoch genügend Selbstbewusstsein und eine Mutter, die ihren Sohn „in Ordnung“ findet, so begann sein Einstieg bereits im Alter von 12 Jahren.

(…) Martin liebt’s nun mal schwarz. „Ich fühl mich da sehr wohl. Das steckt ganz tief in mir drin. Woher das kommt, weiß ich auch nicht – es fing schon mit 12 an bei mir. Ich hab einfach einen totalen Connex zu diesen mystischen Farben.“

1992 hat man längst damit begonnen, seiner Szene-Dasein ein Bedeutung zu geben, die über Musik und Kleidung hinausgeht. Konnten Jugendliche einige Jahre zuvor nicht wirklich beschreiben, warum sie sich mit Kreuzen und Totenköpfen schmücken, sich für Okkultismus interessieren und einer gewissen „Todeästhetik“ frönen, so hat man mittlerweile begonnen, sich mit seinem Auftreten zu beschäftigen. Auch Martin hat ein klare Meinung: „Ich glaube, alles hat einen tieferen Sinn. Mit Okkultismus und so hab ich nichts am Hut. Und mit Satansmessen sowieso nicht. Ich finde es auch total blöd, daß die meisten Leute uns mit Friedhöfen in Verbindung bringen. Die sollen sich halt mal besser informieren – wir mögen zwar Symbole der Vergänglichkeit, also Grabkreuze, die Farbe Schwarz, Totenschädel und so, aber nur als Symbol, als Mahnung an den Tod, der ja allgegenwärtig ist.

Vorbei scheinen die Zeiten, in denen Gruftis undifferenziert die Strömungen und vermeintlichen Rituale innerhalb der Szene aufnehmen. Der Presse glaubt man schon lange nicht mehr. Sicherlich gab es Gruftis, die sich mit satanistischen Ritualen beschäftigten und der Friedhof war in den späten 80ern in der Tat ein beliebter Ort sich zu treffen. Aber machen wir uns nichts vor, wir alle waren jung und haben uns ausprobiert. Schon mal nachts einen Friedhof besucht? Es ist gruselig, still und beklemmend – vielleicht genau der Kick, den sich andere am Wochenende vor dem Stadion holen, oder bei einer wüsten Auseinandersetzung mit der Staatsmacht. Klischees sind nie aus der Luft gegriffen, es gibt immer Einzelne, die jedes gefühlte Klischee erfüllen. Und ein Stück weit haben wir davon auch profitiert, denn man betrachtete uns als befremdlich und machte einen großen Bogen ums uns. Man sprach nicht mit uns, sondern nur über uns. Wir wollten unsere Ruhe und haben sie bekommen.

Zurück zu Martin, den 90ern und den Folgen eines guten Umfelds. „In seinem Zimmer ist es dunkel wie in einer Höhle – aber ordentlich! In Reih und Glied hängen die Nietengürtel und anderer Grufti-Schnick-Schnack an der Tür, das Bett ist frisch bezogen. Seine Mama, 44 und Hausfrau, kommt herein und bringt Kaffee und Gebäck. Wie findet sie die Bude ihres Sohnes? „Ach, eigentlich ganz okay. Ich könnte in dieser tristen Stimmung zwar nicht leben, aber es ist seine Sache. Solange er das nur für sich selbst macht, anderen damit nicht schadet und keine Drogen nimmt, ist das in Ordnung“, meint sie. Und: „Wir sind ein bißchen anders als die anderen hier. Vor acht Jahren sind wir von München aufs Land gezogen, weil es hier noch billig ist.“ Aha! Zugezogene. Schon immer ein Stempel in eingeschworenen Gemeinschaften dörflicher Idylle. Man bleibt lieber unter sich, betrachtet Neu-Ankömmlinge skeptisch und prüft Verhaltensweisen und Lebensart. Irgendwie gruftig, so eine dörfliche Gemeinschaft. Paradox.

Martin hat eine Band, die sich „Exexute My Breakfast“ nennt, spielt Gitarre und Keyboard und ist darüber hinaus ein sehr kreativer Mensch, „die Klamotten näht er sich selbst (Gruft macht Kreativ!), teure Hobbys hat er auch nicht.“ Vermutlich ein Erbe seiner Mutter, die Saxophon in einer Big-Band spielt und dem Bauchtanz zugetan ist. Sein Geld verwendet er dafür, Konzerte oder Treffen zu besuchen: „Die Treffen oder Konzerte sind echt toll. Ich kenn inzwischen Leute aus ganz Europa. Es ist unglaublich, wieviele von uns es inzwischen gibt, dabei war unsere Bewegung ja vor einem Jahr so gut wie totgesagt.

Totgesagte leben länger. Bis zum heutigen Tage sollte die Prophezeiungen, dass Gothic „tot“ ist immer wieder widerlegt worden. Anfang der 90er war es der Mauerfall, der der Bewegung neuen Schwung verpasste und Gruftis aus Ost- und Westdeutschland zusammenführte. Noch im selben Jahr – wie Eingangs erwähnt – sollte das WGT ins Leben gerufen werden, dass Deutschland im Laufe der nächsten Jahre in den Mittelpunkt der internationalen Gothic-Szene rückte.

Martin ist Sterotyp für die Grufti-Szene, die auch häufig in einschlägigen Nachschlagewerken beschrieben wird. Er kommt aus der bürgerlichen Mitte und aus einem intakten Umfeld, seine Rebellion richtet sich nicht gegen das Elternhaus oder gegen seinen sozialen Status, sondern vielmehr gegen die tabuisierte Gesellschaft. Tod und Vergänglichkeit, allgegenwärtig aber aus der Wahrnehmung verbannt. Gelebtes Interesse an Mythologie,  dem Glauben an einen tieferen Sinn seiner Existenz ohne die Fesseln einer religiösen Weltanschauung. Seine Berufswahl mag dem Individuum geschuldet sein, entspricht aber meinem Eindruck, dass sie überdurchschnittlich viele Szene-Angehörigen einem sozialen Beruf verschrieben haben. Krankenpfleger, Altenpfleger, Sozialarbeiter, Kindergärtner. Ob das jedoch ein Fakt ist, sich belegen lässt oder nur meiner subjektiven Wahrnehmung entspricht, ist Thema für einen anderen Artikel. Martin ist heute 40 Jahre alt, mich würde interessieren, was aus ihm geworden (oder geblieben ist). Vielleicht fühlt er sich durch diesen Artikel dazu animiert, mir zu schreiben.

Winterliche Frische mit den Angels of Liberty, Grooving in Green und Chrysalide

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Der erste Schnee hat uns besucht, sein weißes Kleid hinterlassen und der Musikredaktion viel Zeit für neuen Alben beschert. Herausgekommen sind 5 Rezensionen, die an Abwechslung nicht zu überbieten sind. Die Angels of Liberty liefern seit ihren beiden EPs konsequenten Oldschool Goth Rock und beweisen mit ihrem Debüt-Album „Pinnacle of the Draco“, dass Goth Rock noch nicht zum alten Eisen gehört. Nachdem die Band Grooving in Green endlich die Veröffentlichungsprobleme ablegen konnten, stellen sie mit ihrem zweiten Album „Stranglehold“ das selbsternannte Genre „Groove Goth“ auf eine neue Bewährungsprobe und knüpfen musikalisch an die Angels of Liberty an. Aus einer ganz anderen Ecke beschallen Chrysalide den Zuhörer, mit ihrem aktuellen Album „Don’t be scared, it’s about life“ wollen sie dem Electro-Industrial Bereich den technoiden Stumpfsinn austreiben, ein Album, das Piet jetzt schon für ein Meisterwerk hält. Entspannung hält die Band Fire + Ice bereit, die mit herbstlicher Musik auf ihrem neuen Album „Fractured Man“ dazu einladen, sich auf den Winter einzustellen. Zu guter Letzt entführt uns die fleißige Musikredaktion auf ganz ausgefallene Wege. Theatre Macabre-Avant Garde-Baroque ’n‘ Roll nennen Fear Incorporated ihren Musikstil und stellen mit ihrem aktuellen Album „Phobos“ unter Beweis, dass schräge Klänge auch lohnenswert sein können.

Angels of Liberty – Pinnacle of the Draco

Angels of Liberty - Pinnacle of the Draco„Angels of Liberty“ wurden 2011 in UK gegründet. Als Intention geben sie folgendes an: „Our aim is to create Gothic Rock for the elite few left who are still proud to call themselves Goths, those who, with their passion and will, tend to the Black Flame.“ So überrascht es auch nicht, dass hier konsequenter Oldschool Goth Rock geboten wird, wenn auch mit modernen elektronischen Einflüssen. Man fühlt sich an die 90er zurück erinnert, als der Goth Rock seine zweite Blüte erlebt hat und die drum machines nur gescheppert haben. Eine Zeit die Größen wie „Rosetta Stone“, „The Merry Thoughts“ oder „Love Like Blood“ hervorgebracht hat. Auf dem Album sind fast ausschließlich tanzbare nach vorne drängende Stücke mit denen man die Pikes zum glühen bringen kann. Endlich spielt mal wieder eine Gruppe augenzwinkernd mit Klischees und hat hörbar Spaß an dem was sie tut. Thematisch bleibt man auch den vorherrschenden Themen des Goth Rock treu: Selbstfindung, Rebellion, Abgrenzung, Provokation, Mythologie & Melancholie. Man wird wohl in naher Zukunft des öfteren Songs dieses Albums auf vielen Tanzveranstaltungen zu hören bekommen. Goth Rock´s not dead!

Internetseite: Angels of Liberty – Label: Secret Sin Records – Preis: ~15 Euro

Grooving in Green – Stranglehold

Grooving in the Green - StrangleholdNach langen Veröffentlichungsproblemen ist es endlich soweit: Das zweite Album von „Grooving in Green“, eine Band die sich aus ehemaligen Mitgliedern der Bands „Children on Stun“ sowieso „Solemn Novena“ zusammensetzt ist erschienen. Man kann schon erahnen, wo die Musik der – nach einem Song der legendären „March Violets“ benannten – Gruppe hinführt. Sie selbst bezeichnen ihre Musik als „Groove Goth“ und gelten als eine der größten Hoffnungen in diesem Genre. Während nach fast 3 Jahrzehnten sich die meisten Bands immer noch (mit unter sehr stark) an den „Sisters“ oder den „Fields“ orientieren, gehen „Grooving in Green“ einen anderen Weg, auch wenn man die beiden Bands genauso wenig wie „The Mission“ als Einflüsse leugnen kann. Sie klingen trotz vieler bekannter Einflüsse doch sehr frisch und irgendwie anders. Da der Goth Rock in den letzten Jahren wieder deutlich zugenommen hat, könnte man diese Gruppe durchaus als Speerspitze einer neuen Welle (third wave of goth rock?) bezeichnen. Stimmlich eher an Ian Istbury („The Southern Death Cult“/“Death Cult“/“The Cult“) erinnernd, als an Eldritch oder McCoy tut auch das sein übriges für etwas Abwechslung, besonders da die Stimme weit abwechslungsreicher eingesetzt wird als es bei vielen anderen Bands der Fall ist. Sehr gut gemachter zeitgemäßer Goth Rock mit großem Potential. „Beneath the surface I know that we offer more“.

Internetseite: Grooving in Green – Label: AF-Music – Preis: ~14 Euro

Chrysalide – Don´t be scared, it´s about life

Chrysalide - Dont be Scared its about LifeMit „Don´t be scared, it´s about life“ kommt erneut ein Album aus dem Electro-Industrial Bereich, welches hoffen lässt, dass die Zeiten technoiden Stumpfsinns sich endlich dem Ende entgegen neigen. Musikalisch zwischen „Skinny Puppy“ und „Velvet Acid Christ“ angesiedelt versprühen sie jene Aggression, Resignation als auch die Atmosphäre des Cyberpunk, wie man es sich von einer guten Electro Band wünscht. Gefangen in einer dystopischen Welt voller Kontrolle, Macht und Unterdrückung führt die „Noize Guerilla“ ihren Kampf gegen die Ungerechtigkeit. Vor Aggression und Hass nur so strotzende Stücke werden durch Ambient-lastige bis zu fast schon balladesken Werken abgewechselt. Genregrenzen werden bewusst ausgelotet, nicht nur die große Bandbreite von „ruhig bis hart“ sondern auch Anleihen an Musikstilen die man da vielleicht nicht auf einem solchen Album erwartet hat werden hier ganz selbstverständlich mit eingewoben. Textlich auf sonst hohem Niveau sticht lediglich das fast schon pubertär wirkende „Traders must die“ etwas heraus, was dem restlichen Album aber keinen zu großen Abbruch tut. Mit diesem – ihren zweiten – Album könnten es die Franzosen schaffen, der (Dark) Electro Szene ein neues Meisterwerk vorzulegen, welches viele weitere Menschen inspirieren kann um endlich wieder handwerklich, textlich wie innovativ gut gemachte Musik zu veröffentlichen. Eines der größten Alben aus diesem Bereich der letzten Jahre ist es jetzt schon.

Internetseite: Chrysalide – Label: Dependent – Preis: 12,50 Euro

Fire + Ice – Fractured Man

fire ice -fractured manGanze 12 Jahre mussten Fans der Neofolk Legende „Fire + Ice“ auf ein neues Lebenszeichen warten. Doch endlich ist es soweit und es ist nicht nur ein neues Album sondern ein Machwerk eines ganzen Künstlerkollektivs. „Unto Ashes“ und „Blood Axis“ sind hier besonders oft vertreten, aber auch „Sonne Hagal“, „Vurgart“ und „Death in June“ tragen ihren Teil dazu bei. Was früher normal war, scheint heute wie eine kleine Renaissance der Neofolk Familie. Durch die vielen Gastbeiträge erhält dieses Album noch einen ganz neuen Charme, doch wird alles weiterhin von Ian Read´s einzigartiger Stimme zusammengehalten und die Themen beziehen sich auch noch größtenteils auf Naturromantik, Heidentum und Liebe. Die deutsche Sprache hat Herr Read endgültig für sich entdeckt, was wohl nicht zuletzt mit seiner Vorliebe für den Lyriker „Rolf Schilling“ zu tun hat, diese jedoch schon früher bei Zusammenarbeiten mit „Death in June“ und „Forseti“ gekonnt in Szene gesetzt hat. Wenn man mal wieder in eine Welt voller Schönheit, Natur und Fabelwesen abtauchen will bietet sich „Fractured Man“ förmlich an. Ein Glas Wein, eine Kerze und der Blick in den Sonnenuntergang über einem Wald, das wäre das perfekte Szenario um diese Scheibe hören. Auf jeden Fall passendes Liedgut um den Herbst ausklingen zu lassen und sich auf die Weihnachts-/Julzeit vorzubereiten.

Internetseite: Fire + Ice – Label: Tesco Germany – Preis: 14 Euro

Fear Incorporated – Phobos

Fear Incorporated - Phobos„Theatre Macabre-Avant Garde-Baroque ’n‘ Roll“ nennen sie selbst ihren Musikstil. Diese Band, welche von 2 ehemaligen Mitgliedern der Band „Sex Gang Children“ mitbegründet wurde, weiten den Death Rock/Batcave Stil, der mit starken Einflüssen aus Theatralik und Cabaret angereichert wurde mit ihrer neuen Band noch weiter aus. Doch bleiben sie nicht nur bei diesem Einflüssen, sondern binden auch immer wieder elektronisch-verstörende, als auch leicht folkloristisch angehauchte Elemente mit ein. Bei „Fear Incorporated“ handelt es sich um eine Konzeptband, welche die vielen Formen der Angst behandelt. So wundert es auch nicht, dass ihr zweites Album den Namen „Phobos“ trägt (das Erste hieß „Sawney Cave“, nach dem legendären Sawney Bean). Bei den 10 Stücken, die sich auf dem Album befinden werden Ängste vom „lebendig begraben werden“ bis zu Ängsten vor Geister, Hexen oder dem Feuer auf sehr eindrucksvolle Art und Weise behandelt. Zum Lied „ Clown“ existiert ein liebevoll gemachtes Video, welches aus einer Computeranimation besteht und diese Angst zudem sehr schön visuell darstellt. Der Gesangsstil erinnert an andere Bands aus diesem Bereich. Wer „Sex Gang Children“, „Cinema Strange“ oder „Virgin Prunes“ mag und auch noch Cabaret-lastigere Musik mit Hang zur musikalisch schrägen Klängen mag, sollte unbedingt ein Ohr riskieren.

Internetseite: Fear Incorporated – Label: Manic Depression Records – Preis: 12 Euro

Spontis Wochenschau #15/2012

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Neulich erreichte mich eine E-Mail einer sehr lieben Freundin, die sich nachdenklich Sorgen machte, dass ich daran verzweifle etwas erklären zu wollen, was von Pseudo-Goths sowieso nicht verstanden würde. „Erstens, wer es fühlt, dem brauchst du es nicht zu erklären. Zweitens, wer es nicht fühlt, dem kannst du es nicht erklären.“ Auch mich hat das nachdenklich gemacht, wofür ich sehr dankbar bin, denn gelegentlich sind es Impulse von Außen, die eine Entwicklung erst möglich machen. Zurück zur E-Mail. Ist mein Optimismus vielleicht zum Scheitern verurteilt? Ist das ständige Wiederholen wertvoller Inhalte „meiner Szene“ ein Kampf gegen Windmühlen? In einem Punkt (wie in vielen anderen auch) gebe ich ihr völlig Recht, meine Diplomatie drängt mich Gelegentlich in eine ungewollte Verteidigungshaltung.  Manchmal ärgere ich mich tatsächlich darüber, meine Meinung durch den Filter der Diplomatie zu drücken, aber oftmals kann ich einfach nicht anders. Es geht mir auch nicht um die breite Masse derer, die nicht fühlen, was ich gelegentlich schreibe, sondern um die, die ich anregen konnte darüber nachzudenken, was und wer sie sind . Vielleicht sogar ein Teil einer Umgestaltung oder Bereinigung einer Szene, in der ich so viele interessante Menschen kennengelernt habe, wie beispielsweise die Autorin dieser E-Mail. Deshalb machen wir da weiter, wo ich stehengeblieben bin, bei einer neuen Wochenschau.

  • Zum Sterben schön oder geschmacklos?  | BILD
    Es gibt Dinge, über die spricht man nicht. Es gibt Dinge, die nicht zusammen passen. Sollte man meinen. Der polnische Sarghersteller Lindner präsentiert in seinem neuesten Kalender für das Jahr 2013 wieder zwei Dinge, über die man nicht spricht und die nicht zusammengehören. Die BILD klärt auf: „Der Tod gehört zum Menschen genauso wie das Leben. Trotzdem ist das Thema noch immer ein Tabu. Der polnische Sarghersteller Lindner bricht es mit seinem neuen Kalender. Schon der erste der Lindner-Kalender für das Jahr 2010 löste heftige Diskussionen aus. Der Kalender für das Jahr 2013 ist Teil vier einer provozierenden Serie von Kalenderblättern, auf denen Erotik auf Gevatter Tod trifft. Der Hersteller selbst weiß um die Entrüstung, die er mit den Fotos auslöst und spendet 100 Prozent aus dem Erlös für einen wohltätigen Zweck.“ Und ja, selbstverständlich hat der Tod für mich eine erotische und eine ästhetische Komponente. Er ist ebenso romantisch, wie leidenschaftlich. Das Sterben sollte keinen gängigen Konventionen unterworfen werden.
  • Schwarzer Romantiker | Frankfurter Rundschau
    Der 22-jährige Lyriker Martin Piekar gewinnt einen literarischen Nachwuchswettbewerb in Berlin.  „Mit 13 Jahren fing er an, zu schreiben, unter dem Einfluss von Hesse und Eichendorff. 2010 schon gewann er den Preis „Gedicht des Jahres“ beim Wettbewerb des Deutschlandradios.“ Ganz wichtig, Martin ist Mitglied der Gothic-Szene: „Ich bin Mitglied der Gothic Scene, der schwarzen Szene.“ Im Alter von 13 Jahren schon fühlte sich der Sohn polnischer Eltern magisch angezogen von der Ästhetik, der Musik, den Bildern dieser Szene. Mit Todessehnsucht, mit Gewalt hat das für ihn gar nichts zu tun. „Zunächst einmal finde ich es einfach schön – ich habe eine Vorliebe für das Mystische, das nicht ganz Fassbare.“ Dass sein Auftreten, bis hin zu den lila lackierten Fingernägeln, manche Menschen irritiert, gefällt ihm: „Die Leute können es nicht einordnen, es bleibt ein Rest Geheimnis.“ Endlich mal jemand, der sich zur Szene bekennt und deutlich zeigt, dass da mehr ist als Musik und Klamotten – nämlich ausgesprochen düstere Lyrik.
  • Textiles „Wünsch dir was“ | OP-Online
    Was machen Nähtanten aus der Gothic-Szene mit Talent und Ehrgeiz? Sie eröffnen einen eigenen Laden und verwirklichen sich selbst. Die 34-jährige Silvia Fecher aus Seligenstadt  hat genau das gemacht. „Über ihre bislang ausgefallensten Arbeiten muss Silvia Fecher nicht lange nachdenken: ein Herren-Nachthemd mit eingearbeiteten Fesseln aus dem SM-Bereich, ein historisches Hochzeitskleid aus Wildseide und Handschuhe mit kleinen integrierten Flöten. […] Der Schwerpunkt von Fechers Arbeit liegt auf mittelalterlichen Kostümen. „Mittelalterliches ist das ganze Jahr über gefragt“, weiß die 34-Jährige, die sich selbst ebenfalls in der Gothic- und Mittelalterszene bewegt.“ Gothic ist das, was Du draus machst. Sie macht was draus. Es wird Zeit, dass wir auf unseren Shopping-Streifzügen durch das Netz sinnvollere Wege einschlagen.
  • Mehr Steam als Punk | Jungle World
    In einem gelungenen Artikel über Steampunk erklärt Jan Tölva, Autor der linken Wochenzeitung „Jungle World“ den Steampunk: „Vielleicht passt Steampunk mit seiner starken Betonung von Ästhetik und Handarbeit einfach sehr gut in die heutige Zeit, in die Ära von Etsy und Tumblr, von Retrowahn und sozialnetzwerkelnder Selbstinszenierung. […] So ist es ein schmaler Grat zwischen der Instrumentalisierung der historischen Epoche als Setting für die eigenen Phantastereien und der Affirmation rassistischer Kolonialromantik sowie der großbürgerlichen Verachtung der verarmten Massen. Prinzipiell ist Steampunk für rechte Ideologien genauso offen und anfällig wie Gothic, Black Metal oder Neofolk, und genau wie dort wird auch hier ein aktives Entgegenwirken innerhalb der gerade erst entstehenden Szene vonnöten sein. Statt auf die Geschichte der Herrschenden sollte Steampunk sich, wie Margaret Killjoy fordert, auf die Geschichte der Unterdrückten beziehen und deren Perspektive einnehmen.
  • Gothic in China: Black is hard to beat | Global Times
    Es ist verrückt. Vieles von dem, was der Gothic von heute am Leibe trägt, wird in China hergestellt und dennoch ist die Szene als solches dort kaum zu finden. So fanden jedenfalls Nikita Ryazantsev und seine Frau Janina Gantzert die Stadt Shanghai vor, als sie 2010 dorthin zogen und kurzerhand beschlossen, die Subkultur dort mit Hilfe einer Internetseitezu organisieren. „When I arrived in Shanghai 18 months ago I asked in forums whether there was a Goth club but the answer was no, so we decided to start one ourselves,“Gantzert said. About six months ago they went to a party at Dada bar because the promotional flier promised Gothic music but there were just two or three real Gothic tracks played at the party. „We had been waiting for good music. We were so angry and disappointed that we just went home,“said Ryazantsev. „We want to find more people who share the same interest and try to build a community in Shanghai,“Gantzert said. […] This year Gothic Shanghai started to organize concerts, parties and Victorian picnics. Their Halloween party took place on October 27 and featured dark wave, Gothic and black metal music.
  • Ein Tag in Frankfurt aus Sicht der Spontis-Family
    Nachdem Sabrina unsere ganz eigenen Eindrücke zum Spontis-Family-Treffen in einem Beitrag niedergeschrieben hat, machten sich in der vergangenen Woche auch einige andere daran, den Samstag aus ihrer Sicht zu schildern. Allen voran Edith, die im Gastbeitrag „Schwarze Romantik“ auf dem Blog von Marcus Rietzsch veröffentlicht hat, der dem Leser einen tieferen Einblick in die ausgestellte Kunst: „Wer sich den schwarzen Seiten im Menschen und in der Gesellschaft nicht verschließt, wird hier viele seiner eigenen Gedanken und Gefühle bildgeworden sehen.“ Shan Dark hat das ja bereits ein paar Tage vorher ihre Eindrücke zur Ausstellung veröffentlicht: „…mit der Idee, Werke verschiedener Strömungen anhand einer düster-abgründigen Geisteshaltung zusammen zu führen, beweist das „Städel“ Mut für unabgegriffene, etwas randständige Themen – und dass man diese durchaus ‘groß spielen kann’.“  Marcus selbst stürzt sich auf die musikalischen Entdecken des abendlichen Festivals „Cold Insanity Festival meets Desperate Society“, den er obendrein noch mit zahlreichen Bildern würzt: „Vier Bands – vier hörenswerte Auftritte. „Christine Plays Viola“, „The Last Cry“, „Vendemmian“ und „Chameleons Vox“ – nicht zu vergessen ein toller DJ – gestalteten gemeinsam mit einem beachtlichen Publikum einen herrlichen und sicherlich für den einen oder anderen Gast unvergesslichen Abend im ausverkauften „Das Bett“.“ Manche konnten nicht genug Input bekommen. Rosa ist zusammen mit Chris und Schatten am Sonntag noch zum Frankfurter Hauptfriedhof gefahren um aus den dort gemachten Eindrücken und Bildern einen Artikel zu formen, der mich neidisch macht, nicht dabeigewesen zu sein. „Dabei schaffen zahlreiche Bäume und Bepflanzungen rund um die Gräber den Charakter eines friedlichen Waldes und sorgen so für eine ruhige, besinnlich-melancholische Stimmung. Ganz in der Intention des damaligen Stadtgärtners Sebastian Rinz und des für das monumentale, klassizistische Haupttor verantwortlichen Architekten Friedrich Rumpf.
  • Bravo-Goths | Opusmentis
    Stichwort Spontis-Family. Nachdem Guldhan seinen Blog sträflich vernachlässigt hat, „nur Schreiben ist belanglos“ widmet er sich nun einem kleine Video-Projekt um seine Umwelt nun auch noch mit seinem Antlitz zu penetrieren. „Wir sind Gothics“ schimpft sich ein Bravo-Artikel aus seinem Keller-Fundus, den er genüsslich und in bester Manier für uns zerlegt. „Sie tragen schwarze Gewänder, spitze schwarze Pikes – wer hätte das gedacht.“ – „Düstere Musik von Type-O-Negative, Silke Bischoff, Depeche Mode und Metallica – düstere Metallica Musik … diese Melancholie ist wirklich schwer zu ertragen.“ Und jetzt noch der Klassiker: „Neue Gothics haben nichts mit den Grufties der 80er Jahre zu tun… Ganze Spontis-Philosophie im Arsch, tut mir leid Leute, ich kann nix dafür, das steht hier und die Bravo lügt nicht.
  • Monster im Kino | Everyday is Helloween
    Stichwort Kino. Wie es vor der Leinwand aussieht, wenn Monster Titanic schauen, demonstriert Pixella mit ihrem neuesten Fundstück: