Reisebericht aus Bayern: Im magischen Reich des Kolkraben

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Bevor es losgeht, möchte ich Euch kurz Stefan Kubon, den Autor dieses Artikels, vorstellen. Stefan ist 49 Jahre alt und lebt in Augsburg. Schon früh fühlte er sich musikalisch und ästhetisch von der schwarze Szene angezogen, besucht seit Jahren regelmäßig das WGT in Leipzig und beschäftigt sich auch in seiner Rolle als Politikwissenschaftler und Soziologe mit der Szene. Nicht zuletzt durch seine Texte zur Einflussnahme rechte Ideologien auf die Szene bin ich auf ihn aufmerksam geworden. (Die werden im Übrigen auch bald in der Sponits-Grufithek erscheinen, um dort für die Nachwelt erhalten zu werden). Umso mehr habe ich mich natürlich gefreut, als er mir diesen feinsinnigen Reisebericht zu Veröffentlichung anbot, der einen ganz guten Einblick in die Gedankenwelt von Stefan erlaubt. Wir freuen uns auf Eure Kommentare!

Dunkle Rockmusik ist etwas Wundervolles. Es gibt nur wenige Dinge, die mich ähnlich stark begeistern. Die Natur gehört sicher dazu. Ihre Stimmungen, Farben, Klänge, Tiere, Pflanzen und Landschaftsformen haben mich schon immer magisch angezogen. Besonders gut kann man die Schönheit der Natur im Gebirge erleben. Die Schattenseiten der Zivilisation sind hier oft nicht so stark ausgeprägt wie in anderen Gegenden. Im günstigsten Fall bilden die Berge eine Art Schutzraum, in dem die Natur noch wild und ursprünglich sein kann. Dass ich mich für die Wildnis der Berge und düstere Rockmusik begeistern kann, liegt sicher daran, dass in beiden Welten kein Mangel an bezaubernden und dramatischen Stimmungsbildern herrscht.

Zumeist stille ich meine Sehnsucht nach wilder Natur, indem ich die Berge der Ammergauer Alpen besuche. Diese Alpenregion wird auch als Ammergebirge bezeichnet. Es handelt sich um ein relativ kleines Gebirge mit nicht sehr hohen Gipfeln. Trotzdem hat dieses Gebirge ein echtes Superlativ zu bieten, denn ein großer Teil davon steht unter Naturschutz. Das Naturschutzgebiet ist laut Wikipedia sogar das größte in Bayern. Beste Voraussetzungen also, um die Natur in all ihrer Pracht erleben zu können.

Ein abgeschiedener Berg

Ein relativ leicht zu besteigender Berg der Ammergauer Alpen ist die Niederbleick. Der Berg ist knapp 1600m hoch und fast bis zum Gipfel bewaldet. Am Gipfelkreuz hat man bei gutem Wetter einen grandiosen Blick auf das besagte Naturschutzgebiet. Die Grenze des Schutzgebiets verläuft direkt über den Gipfel. Keine Straße führt auf diesen Berg. Keine Bahn fährt hinauf. Kein Restaurant lockt die Massen an. Meist kann man hier oben die Schönheit der Natur ohne den Lärm und den Rummel der Zivilisation erleben.

Auf diesem Berg hatte ich ein ganz besonderes Naturerlebnis: Während ich im Gras lag und mich vom Aufstieg erholte, ließ sich auf dem Gipfelkreuz ein Kolkrabenpaar nieder. Einige Minuten konnte ich die zwei wunderschönen Vögel aus der Nähe beobachten. Zum Glück habe ich diese faszinierende Begegnung fotographisch festgehalten. Kürzlich, beim Stöbern in meinem Fotoarchiv, ist mir dies wieder bewusst geworden. Der Rabe ist bekanntlich ein Vogel, dem sich viele Anhänger der Schwarzen Musikszene besonders verbunden fühlen. Höchste Zeit also, den Leserinnen und Lesern von Spontis einen Eindruck von meiner Rabensichtung und der dazugehörigen Wanderung zu vermitteln.

Ich erinnere mich noch gut an den damaligen Tag: Es ist Anfang November. Als ich am Parkplatz aus dem Auto steige, kann ich es kaum glauben, dass das Wetter zu dieser Jahreszeit noch so schön ist: wenig Wind, angenehme Temperaturen und am Himmel eine herrlich kontrastreiche Collage aus blauen Flächen und weißen Wolken.

Ein einsamer Weg

Zunächst wandere ich auf einer geschotterten Straße beschaulich dahin: Der fast ebene Weg führt durch eine idyllische und abwechslungsreiche Tallandschaft. Die Hänge des Tals sind bewaldet. Doch im Tal, wo der sanft geschwungene Weg verläuft, dominieren Wiesen das Landschaftsbild. Es ist ruhig in dieser Gegend. Menschliche Siedlungen gibt es keine. Nur gelegentlich dringen Naturgeräusche an mein Ohr: der Ruf eines Vogels, das Murmeln eines Bachs oder das Rauschen des nahen Waldes.

Talstrasse

Nach knapp einer Stunde ist die beschauliche Talwanderung zu Ende. Ich verlasse den breiten Weg. Auf einem Pfad steige ich durch Wald zu einem Bergrücken hinauf. Auf dem Bergrücken wandere ich für längere Zeit dahin. Es geht stetig bergauf. Der von vielen Wurzeln übersäte Pfad führt mich durch ein wundervolles, urtümlich anmutendes Waldgebiet. Die verschiedenen Baumarten (Ahorn, Buche, Fichte, Tanne) verleihen dem Wald ein abwechslungsreiches Erscheinungsbild. Zweige, Äste und Stämme sind oft von Moospolstern überzogen. Manche Baumgestalten weisen skurrile Formen auf. Ich spaziere durch einen Zauberwald wie aus dem Märchenbuch.

Die Streckenführung nimmt mitunter den Charakter einer Gratwanderung an. So kann man trotz der Bäume gelegentlich in die Ferne blicken. Dabei zeigt sich, dass auch die weitere Umgebung sehr waldreich ist. Zudem scheint die Gegend sehr wasserreich zu sein. Aus der Tiefe der umliegenden Wälder hört man die Klänge des Wassers in allen möglichen Formen. Es rauscht, gurgelt und plätschert, dass es eine wahre Freude ist.

Licht und Schatten

Nach einer weiteren knappen Stunde erreiche ich den mächtigen Bergrücken, der die Niederbleick mit dem Hochwildfeuerberg verbindet. Der Pfad folgt dem Bergrücken in westliche Richtung. Zunächst geht es weiterhin steil bergauf. Dann gibt es eine Verschnaufpause, denn man passiert eine sumpfige Hochebene. Hier gibt es kleine Lichtungen im Fichtenwald. Es ist zauberhaft, wie die Sonne den lichten Wald mit ihren Strahlen durchflutet. Der Boden ist von Moosen und Heidelbeersträuchern bedeckt. Gelegentlich rauscht ein sanfter Windstoß durch die Bäume – ansonsten ist es hier oben vollkommen still. Kein Zweifel: Ich befinde mich an einem besonders magischen Ort.

Stefan Kubon - Waldlichtung

Nach dieser kurzen Verschnaufpause geht es nochmal steil hinauf. Ich durchquere ein feinmaschig gewobenes Waldstück. Das Dickicht des Waldes besteht zum Teil aus stark verwitterten Baumleichen. Der gewundene Pfad ist beidseitig eng von diesem unheilvollen Dickicht umschlossen. Die hier herrschende Lichtarmut wirkt bedrückend. Man hat das Gefühl, dass in diesem tunnelartigen Wegabschnitt eine dunkle Macht ihr Unwesen treibt. Es entsteht eine gespenstische Stimmung, der man sich nicht entziehen kann.

Plötzlich hat der dunkle Spuk ein Ende: Der Pfad führt mich hinaus aus dem Fichtenwirrwarr auf eine Waldschneise – es wird heller, die Sonne blinzelt wieder freundlich durch die Bäume. Ich folge der waldfreien Fläche aufwärts. Der Pfad führt im Zickzack steil nach oben. Ständig wird es heller. Während ich emporsteige, sehe ich immer wieder durch die Schneise nach oben – und irgendwann ist es soweit: Beim Blick nach oben erspähe ich erstmals die waldfreie Kuppe der Niederbleick. Wenige Sekunden später sehe ich das Gipfelkreuz. Kurz darauf erreiche ich das Ende der Schneise und trete ein ins vollkommen frei strahlende Licht der Sonne. Ich laufe die letzten Meter hinauf zum Kreuz. Und dann – nach 2 ½ Stunden und 800 Höhenmetern – habe ich endlich mein Ziel erreicht: den Gipfel der Niederbleick.

Auf dem Gipfel

Die Aussicht ist großartig. Beim Blick nach Osten sieht man einen großen Teil der waldreichen und weitgehend naturbelassenen Ammergauer Alpen. Dahinter ragen die Berge des Ester- und des Karwendelgebirges empor. Rechts davon beherrscht das majestätische Wettersteingebirge mitsamt der Zugspitze die Szenerie. Nach Westen hat man einen herrlichen Blick auf die gewaltige Bergwelt der Allgäuer Alpen. Nach Süden ist die Sicht leider eingeschränkt, denn dort erhebt sich in unmittelbarer Nähe die bewaldete Kuppe der Hohen Bleick. Dafür hat man nordwärts einen gänzlich unverstellten Blick auf das Alpenvorland.

Stefan Kubon - Niederbleick

Nachdem ich einige Fotos von der famosen Aussicht gemacht habe, lege ich mich unweit des Gipfelkreuzes ins Gras, um mich vom Aufstieg zu erholen. Nach wenigen Minuten höre ich über mir ein kräftiges Flügelflattern – und dann höre ich den Laut, den ich für einen der faszinierendsten im Tierreich halte: das Krächzen eines Kolkraben. Beim Blick nach oben sehe ich, dass zwei Raben über mir in der Luft kreisen. Und es kommt noch besser: Beide Vögel lassen sich auf dem Gipfelkreuz nieder. Ich zücke erneut die Kamera – und es gelingen mir einige Fotos, mit denen ich zufrieden bin.

Kunstvolles Treiben

Nachdem ich meine beiden Stars auf ihrer Gipfelkreuz-Bühne fotografiert habe, lege ich die Kamera schnell beiseite. Es ist mir wichtig, dass ich beide Vögel noch eine Zeit lang bewundern kann, ohne vom Fotografieren abgelenkt zu sein. Und ich habe Glück: Ich kann die Raben noch eine Weile in Ruhe beobachten. Die Tiere erweisen sich als sehr lebhafte Zeitgenossen. Das Paar absolviert viele wunderschöne Flugmanöver. Manche davon muten herrlich tollkühn an. Ja, Fliegen sollte man können, das wäre ein Traum!

Gelegentlich gönnen sich die Vögel eine kurze Flugpause auf dem Gipfelkreuz. Doch egal, ob die beiden Raben fliegen oder sitzen: Immer wieder hallen ihre klangvollen Rufe über den Berg. Dass es jedes Mal aufs Neue fasziniert, den Klangdarbietungen zu lauschen, liegt sicher auch daran, dass die Vögel ein sehr vielfältiges Lautrepertoire beherrschen. Keine Frage: Die Anwesenheit der beiden Flug- und Klangkünstler setzt der magischen Stimmung auf diesem Berg die Krone auf!

Stefan Kubon - Gipfelkreuz

Nach etwa 10 Minuten verlassen die beiden Vögel die Niederbleick. Das Paar entschwindet in die weite Gebirgswelt des Umlandes. Ich bleibe noch ein Weilchen auf dem einsamen Gipfel und genieße die zauberhafte Atmosphäre. Auch ohne die beiden beeindruckenden Vögel herrscht hier die reinste Magie. Irgendwann kann ich mich von der herrlichen Stille, den faszinierenden Fernblicken und den wundervollen Lichtverhältnissen losreißen. Ich steige auf dem gleichen Weg, den ich aufgestiegen bin, ins Tal hinab. Als ich am Auto ankomme, ist es bereits dunkel.

Der Kolkrabe und die Schwarze Szene

Auf der Rückfahrt höre ich Düsterrock in allen Variationen. Ob ich damals ein Lied gehört habe, bei dem ein Rabe eine Rolle spielt, weiß ich nicht mehr. Es wäre aber gut möglich, denn die Schwarze Szene verwendet das symbolträchtige Tier sehr gerne, um ihre düsteren Themen darzustellen.

Im Allgemeinen bietet die Figur des Raben eine vielgestaltige Projektionsfläche. So zeigt sich beim Blick auf die Kulturgeschichte, dass der Rabe als Symbol vielfältige Assoziationen erzeugen kann. Es gibt Verknüpfungen positiver wie negativer Art. Beispielsweise steht der Rabe für Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Weisheit, aber auch für Hochmut, Geschwätzigkeit und Unglück. Trotz dieser Mannigfaltigkeit gebrauchen die Künstler der Schwarzen Szene das Rabensymbol vor allem zur Verdichtung unheilvoller Stimmungen. So fungiert der Rabe in der Szene zumeist als ein Symbol, das für Tod und Verderben steht. Aber die Schwarze Szene wäre nicht die Schwarze Szene, wenn dieser Metapher nicht auch etwas Ambivalentes innewohnen würde. So kann der Rabe als Todessymbol letztlich auch als ein Zeichen des Übergangs, des Wandels und der Erlösung gedeutet werden.

Tatsächlich wird der Rabe in unzähligen Veröffentlichungen der Szene als dunkle Allegorie verwendet. Sogar wenn ich den Kreis eng ziehe und mich nur auf Werke meiner Lieblingskünstler beschränke, entdecke ich einige Beispiele:

New Model Army - Winter

Bildliche Darstellung: Auf dem Cover des Albums “Winter“ von NEW MODEL ARMY ist der Kopf eines rabenartigen Vogels abgebildet. Rabenköpfe befinden sich auf dem Cover und dem Booklet des Albums “Alpha Noir“ von MOONSPEEL. Gleiches gilt für das Album “A Rose For The Apocalypse“ von DRACONIAN. Zudem wird die CD von einem Rabenkopf verziert.

Songtitel: Auf dem Album “Irreligious“ von MOONSPELL befindet sich der Titel “Raven Claws“. Das Album “Laguz Within The Lake“ von NEBELHEXE beinhaltet den Titel “Raven Night“.

Rabenlaute: Der Track “The Longest Winter“ des Albums “Medusa“ von PARADISE LOST startet mit dem Krächzen eines Raben (oder einer Krähe). Das Lied “Le Morte D’Arthur“ des Albums “Radio Cornwall“ von THE HOUSE OF USHER beginnt und endet mit besonders schönen Rabenrufen.

(Im Übrigen sei erwähnt, dass die Krähe, also quasi die kleine Schwester des Raben, von der Schwarzen Szene ebenfalls häufig als düsteres Symbol verwendet wird.)

Der Kolkrabe – noch mehr Wissenswertes

Der Kolkrabe ist der größte Raben- und Singvogel Europas. Er wird 54 bis 67 cm groß. Seine Spannbreite beträgt 115 bis 130 cm. Die Männchen sind zumeist etwas größer als die Weibchen. Davon abgesehen besteht zwischen beiden Geschlechtern kein sichtbarer Unterschied. Raben wiegen 1070 bis 1370 g. In freier Wildbahn kann der Vogel ungefähr 20 Jahre alt werden. Der Rabe gibt häufig tiefe, klangvolle Rufe von sich, die oft wie “kork-kork“ oder “kolk-kolk“ klingen. Diese Rufe haben wahrscheinlich zur Namensgebung beigetragen. Mit seiner Stimme kann der Rabe auch Tiere imitieren.

Corvus Corax - Der Kolkrabe
© Frank Schulenburg / CC BY-SA 4.0, Corvus corax sinuatus, Point Reyes National Seashore, CC BY-SA 4.0

Da der Mensch den Raben massenhaft tötete, war er im Jahr 1940 in Mitteleuropa fast ausgerottet. Seitdem hat sich der Bestand erholt. Trotzdem ist der Rabe in unseren Breiten noch immer nicht häufig. Im Vergleich zu anderen Rabenvögeln ist er sogar selten. Folgerichtig steht der Rabe in Deutschland ganzjährig unter Schutz. Seine bevorzugten Lebensräume sind Wälder und Gebirge. Er gilt als ein eher menschenscheues Tier. (Meine Angaben stammen zum Teil aus Wikipedia. Dort kann man noch mehr über diesen faszinierenden Vogel erfahren.)

Sehr interessant ist auch, was Peter Wohlleben in seinem BuchDas Seelenleben der Tiere. Liebe, Trauer, Mitgefühl – erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt“ (Ludwig Verlag, München 2016) über den Kolkraben berichtet. Dank Wohllebens Ausführungen wird deutlich, dass der Vogel ein besonderer Klang- und Sprachkünstler ist: “Die schwarzen Vögel beherrschen mehr als achtzig verschiedene Rufe, also Rabenvokabeln. Darunter ist auch ein persönlicher Erkennungsruf, mit dem sie sich bei Artgenossen ankündigen. Ist das bereits ein echter Name? Echt im Sinne des menschlichen Gebrauchs ist er nur, wenn andere Raben den Adressaten ebenfalls mit dessen Erkennungsruf ‘ansprechen‘, und genau das machen Raben. Dabei merken sie sich die Namen von Artgenossen auch über Jahre hinweg, selbst wenn der Kontakt abreißt.

Kolkrabenpaare – Treue über den Tod hinaus

Wohlleben weist auch darauf hin, dass Kolkrabenpaare eine sehr enge Beziehung eingehen. Im Kapitel “Über den Tod hinaus“ heißt es: “Kolkraben hingegen sind treue Seelen und bleiben ein Leben lang bei ihrem Partner. Insofern ist es tatsächlich gerechtfertigt, von einer echten Tierehe zu sprechen. Während des Ausrottungsfeldzugs wurde diese Tatsache den Vögeln zum Verhängnis. Wurde einer der beiden geschossen oder vergiftet, so suchte sich der andere oft keinen neuen Partner mehr, sondern drehte fortan einsam seine Runden am Himmel. Die vielen Singles trugen also nichts mehr zur Reproduktion bei, was die Vernichtung der Art deutlich beschleunigte.“

Bemerkenswert ist auch, dass der Vogel eine Art Gerechtigkeitssinn besitzt: Raben, die übertrieben egoistisch handeln, werden von anderen Raben gemieden. Zudem scheint sich der Rabe seiner selbst bewusst zu sein, denn er erkennt sein eigenes Spiegelbild. Faszinierend ist auch, dass Raben offenbar Spaß empfinden können. Wenn sie bisweilen ohne ersichtlichen Grund Hänge hinabrutschen, lässt sich das nämlich nur so erklären: Sie tun es, um Spaß zu haben!

Apropos Spaß: Es haben schon einige Spaßvögel die Niederbleick besucht. Nicht nur Raben, nein, auch die Aktivisten der löblichen Gemeinschaft Gipfelmoshen.de waren bereits auf dem Berg. Das Beweisbild gibt es hier zu sehen.

Stylesüchtig: Der Goth, der mit einer quietschbunten Lolita-Doll zusammenlebt

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Das Webformat „Hooked On The Look“, was man wohl mit Stylesüchtig übersetzten könnte, beschäftigt sich mit Menschen, die außergewöhnlich viel Wert auf ihr Äußeres legen. Im skurrilen, extremen und bizarren Sinne. Die meisten Protagonisten der Sendung scheuen selbst chirurgische Eingriffe nicht, um ihrer Idealvorstellung eines perfekten Äußeren gerecht zu werden. Nehmen wir beispielsweise Vinny Ohh (23), der plant, seine primären Geschlechtsorgane entfernen zu lassen, um als „geschlechtsloser Alien“ wahrgenommen zu werden oder Rodrigo Alves (34), der sich bereits 4 Rippen entfernen ließ, um seine Corsagen noch enger schnüren zu können.

Jude und Rosie, die ebenfalls bei „Hooked On The Look“ vorgestellt wurden, nehmen es nicht ganz so extrem wie die meisten anderen, bestechen dafür aber durch eine ziemlich skurrile Liaison. Jude, äußerlicher Vollblut-Goth, deren Einrichtung NUR aus schwarz-weißen Dingen besteht und Rosie, die sich selbst als 80s Space Baby bezeichnet und in einer quietschbunten Einhorn-Regenbogenwelt lebt, haben sich einer kontrastreichen Wohngemeinschaft zusammengeschlossen. Ihr Umkleidezimmer teilt sich -im wörtlichen Sinne- in zwei Hälften, der die Sinne eines normal-sterblichen kommentarlos in die Reizüberflutung werfen.

Zwischen Selbstverwirklichung und Provokation

Rosie und Jude leben ihren Style aus und sind ihrem ästhetischen Idealbild offenbar ziemlich nahe. Eine der häufigsten Fragen, so verraten sie uns im Interview, sei die Frage nach dem „Warum?“, die sie stets damit beantworten, „so zu sein, wie sie eben sind“. Mit Anfang 20 schon am Ende der Selbstverwirklichung?

Schnell wird klar, das es sich weniger um eine Verwirklichung sondern vielmehr um eine Flucht handelt, der realen Welt zu entfliehen. Natürlich leben beide in scheinbar idealen Verhältnissen, denn als blutjunge Studenten sind sie von der realen Welt noch relativ gut abgeschirmt. Immerhin haben sie hier zwei Seelenverwandte getroffen, die sich in ihrer Andersartigkeit unterstützen und verstehen, was diese WG schon irgendwie spannend macht.

Wie viel Provokation dahinter steckt, lässt sich nicht erkennen. In wie weit sich Jude beispielsweise mit „Goth“ als Subkultur identifiziert, bleibt ebenfalls offen. Getragen wird ihr penibler Wunsch nach Andersartigkeit von einem ausgeprägten Fluchtverhalten. Ehrlicherweise muss man zugeben, dass „Gothic“ schon immer genau das war: Eine Realitätsflucht. Provokation, so finde ich, steckt und steckte fast nie dahinter.

So bleibt, gerade wenn man die andere Videos von „Barcroft TV“ anschaut, die Frage, wohin uns das Rennen um die Andersartigkeit noch führt. Nachdem 2018 Piercings und Tattoos längst zum guten Ton gehören und selbst die sprichwörtliche Kassiererin im Supermarkt jeden Grufti aus den 80er locker übertrumpft, wird es immer schwieriger „anders“ zu sein. Mit schwarzen Klamotten, Pikes, Kajal und toupierten Haaren bist du allenfalls ein Urgestein, aber schon lange nicht mehr das, was die nachwachsende Generation unter „Goth“ versteht. Um als äußerlich „Extrem“ gesehen zu werden und seine Andersartigkeit zu unterstreichen, muss man heutzutage schon tiefer in die Trickkiste der Body-Modification greifen. Ohne ausrasierte Haare, Tattoos, Piercings, gespaltener Zungen und Elfenohren ein Gothic sein? Ist das überhaupt noch möglich?

(Danke an Simone für den Hinweis!)

Interview mit Parma Ham: Die modernisierte Form von rund 40 Jahren Gothic-Szene

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Für die einen sind es Poser, für die anderen die Speerspitze einer neuen Generation Gruftis. Menschen wie Parma Ham inszenieren sich in immer neuen Variationen und bedienen sich vermeintlich schamlos an knapp 40 Jahren Gothic-Styling Geschichte. Der Umgang mit sozialen Medien wie YouTube, Instagram oder Facebook gehört zum Selbstverständnis des täglichen Lebens, wie für andere die Luft zum atmen. Auf dem letzten Wave-Gotik-Treffen ist der 25-jährigen Londoner einigen Besuchern durch die wohl höchste Frisur des Treffens in Erinnerung geblieben, auf seinen Accounts bei Facebook und Instagram werden die Videos und Bilder millionenfach angeschaut. Ist das die modernisierte Form einer rund 40 Jahre alten Subkultur?

Genug Gründe Parma Ham vorübergehend aus den Fesseln der sozialen Netzwerke zu befreien und ihn für Spontis ein paar Fragen zu stellen, um zu sehen, was unter den ganzen Haaren zu finden ist. Ich habe es zweisprachig zusammengefasst und biete es hier in der deutschen Übersetzung und im englischen Original an, das man sich durch Wechsel der Tabs aufrufen kann.

DeutschEnglish

Spontis: Vor ein paar Jahren bist Du aus dem scheinbaren Nichts aufgetaucht und hast vor allem durch deine Frisur beeindruckt. Wie kam es dazu?

Parma Ham: In meinem ersten Jahr auf Instagram sind 3 Videos von mir viral gegangen, das beliebteste Video wurde auf Facebook rund 80 Millionen mal angeschaut. Man könnte sagen, ich hab den Laden über Nacht gerockt! :-)

Spontis: Warum nennst Du dich überhaupt „Parma Schinken“, hast du eine Vorliebe für italienische Fleischerzeugnisse?

Parma Ham: Eigentlich bin ich Veganer und habe noch nie Parma-Schinken gegessen. Ich habe den Namen gewählt, weil er gleichzeitig süß, eklig und lustig ist, aber auch für eine Art Statement gegen den Konsum und die Behandlung von Menschen als Vieh steht.

Spontis: Ist Dein Style reine Selbstdarstellung oder ein Art von Kunst? Geht es nur um die Frisur?

Parma HamIch finde es einfach schön, wie ich mich kleide und in welcher Art und Weise ich die Haare und mein Make-Up style. Es gibt kein Motiv dahinter. Ich versuche nicht, irgendetwas auszudrücken und würde es sicher nicht Kunst nennen. Ich denke, die meisten Leute stylen und kleiden sich für eine Party so, wie sie sich gefallen. Ich bin genau so. Der einzige Unterschied ist wohl, dass mein Geschmack extremer ist. Diese Extreme haben sich in den letzten 10 Jahren meiner Entwicklung langsam entwickelt und ich wurde immer besser, was das angeht. Mit allem was ich tue, suche ich Wege mich zu verbessern und Dinge auszuschneiden, die unnötig geworden sind und so entwickelt sich meine Erscheinung immer weiter.

Parma Ham - Posing on Knees

Spontis: Du spielst in deinem Style mit deiner geschlechtlichen und subkulturellen Identität, gibt es dafür einen Grund? Wie würdest du die Schublade bezeichnen, in die du passt?

Parma Ham: Gothic hat eine lange Geschichte des „Gender-Bendings“ und das war auch eines der Dinge, die mich angezogen haben. Wir dürfen nicht vergessen, das Gothic vor rund 40 Jahren begonnen hat und sich seitdem vieles verändert hat. Ich will die Vergangenheit nicht einfach nur imitieren, sondern meine eigene, modernisierte Version davon ausleben, die im Vergleich zu Vergangenheit natürlich viel extremer ist. Das liegt natürlich auch daran, das ich vielmehr Style-Vorbilder hatte, auf die ich aufbauen konnte. Meine geschlechtliche und subkulturelle Identität sind sehr miteinander verflochten. Es geht beiden um Rebellion, das infrage stellen von Autoritäten und darum, sich nie der gesellschaftlichen Konformität zu beugen.

Spontis: Wie das eigentlich alles angefangen? Wen würdest du also Vorbild bezeichnen?

Parma Ham: Marilyn Manson weckte in der Mitter der 2000er mein Interesse an alternativer Musik und Mode. Später entdeckte ich dann Bands wie Alien Sex Fiend, Specimen und Bauhaus. Mode, Musik und Clubkultur gehen für mich Hand in Hand und sind gleich wichtig.

Spontis: Die Szene hat sich, wie du bereits erwähnt hast, kontinuierlich durch die Jahrzehnte entwickelt. Wir würdest du „Gothic 2018“ beschreiben?

Parma Ham: Immer noch lebendig! Ich weiß, dass die Puristen sich darüber ärgern, dass Gothic 2018 nicht mehr dasselbe ist wie 1984, aber ich finde es wichtig, das „Gothic“ sich stetig ändert. Ich liebe die neuen Sachen in der Goth-Musik, die wieder durch Techno & EBM beeinflusst sind. Gothic gibt es jetzt auch in anderen Bereichen wie Social Media mit YouTube, SoundCloud und Instagram, und das allein hilft, ältere Szenen wie London und New York mit aufkeimenden Szenen in Mexico City und Sao Paulo zu verbinden. Wo sich Wege schließen, öffnen sich definitiv wieder neue.

Spontis: Du lebst und arbeitest in London. Wie geht es der Szene in der britischen Hauptstadt?

Parma Ham: Noch haben wir es gut, die meisten angesagten Bands spielen hier und wir haben immer noch viele Clubs. In den letzten Jahren ist es jedoch immer schwieriger geworden. Die Immobilienpreise in London sind absurd hoch und für unabhängige Unternehmen, wie Club- und Konzertstätten ist es zunehmend schwieriger geworden, offen zu bleiben. Auch die Kommunen und die Regierung ersticken durch immer neue und strenge Regel das Nachtleben, sei es durch die Einschränkung der Öffnungszeiten, die Begrenzung des Lärmpegels oder den hässlichen Krieg gegen die Drogen.

Spontis: Wo soll deine Reise hingehen, was hast du in nächster Zeit geplant?

Parma Ham: Ich kuratiere eine Ausstellung in der Lethal Amounts Gallery in Los Angeles, die im Februar 2019 gezeigt wird. Thema ist Zensur in sozialen Medien und wie sie die Kreativität von Künstlern beeinflusst, die ihr Publikum über Plattformen wie Instagram, Facebook und YouTube gefunden haben. Guckt es Euch an :-)

Spontis: Irgendwelche Empfehlungen für einen Besuch in London? Was sollte man gesehen haben?

Parma Ham: Einen Besuch im Slimelight, das mittlerweile seit 30 Jahren geöffnet hat und jeden Samstag von 23:00 bis 07.30 der wichtigste Treffpunkt ist. Ich liebe auch die brutale Architektur von „The Barbican„, die komplett aus Beton gegossen wurde.

Spontis: A few years ago, you just turned up and talked through the biggest hairstyle right away. You could not be overlooked in the social networks, but who is under the hairstyle, was previously hidden. What happened?
Parma Ham: In my first year on Instagram 3 of my videos went viral, with the most popular video receiving 80 million views on Facebook, so yes I did just turn the fuck up over night! :-)

Spontis: Why did you call yourself Parma Ham? Do you love the Italian Ham?
Parma Ham: I’m actually vegan, and have never had Parma Ham. I chose the name because it’s cute, disgusting and funny; but also a comment on consumerism and how people are treated as meat.

Spontis: Self-Expression or a kind of Art? Is it all about Hair?
Parma Ham: The clothes I wear, and the way in which I do my hair and makeup, is done because that’s what I find beautiful. There is no motive behind it; I’m not trying to express anything and I’m not going to call it art. I think most people going to an event put on an outfit and do their makeup in a way that they think looks good; I am exactly the same. The only difference being that my taste is more extreme. That extremity has slowly evolved over the last 10 years of me dressing up; and where I’ve got better at doing hair and makeup through practice. With everything I do, I always look for ways to improve, and to also cut out the things that are unnecessary, and in this instance my image is always evolving.

Spontis: You’re playing with your Gender and Subcultural Identity. Is there a reason for that? How would you name the drawer that suits you?
Parma Ham: Goth has a history of gender bending, and that was one of the first things that attracted me to it. We have to remember: Goth began 40 years ago, and a lot of things have changed since then. I don’t want to simply imitate the past, so my version of it is going to be different, modernised, and more extreme in comparison – but thats because I have had a lot of things to build upon. My gender and subcultural identity are very entwined, they are both about rebellion, they question authority, and they will never bow to societal conformity.

Spontis: How did it all start? Who inspired you?
Parma Ham: Marilyn Manson in the mid 2000’s ignited my interested in alternative music and fashion, and from there I discovered bands like Alien Sex Fiend, Specimen and Bauhaus. The fashion, music, and club culture all go hand-in-hand for me, and are all equally important.

Spontis: The scene has been steadily evolving in recent decades. How would you describe „Gothic 2018 „?
Parma Ham: Still here! I know purists are upset that goth in 2018 is not the same as it was in 1984, but it’s important Goth changes. I love some of the new music coming through which has stripped back Techno & EBM influences. Goth now also exists in other realms such as social media with the likes of YouTube, SoundCloud and Instagram, and that in itself helps connect older scenes such as London and New York to burgeoning scenes in Mexico City and Sao Paulo. So where some avenues closes, others definitely open.

Spontis: You live and work in London. What about the scene in the British capital?
Parma Ham: We have it good, bands always tour here, and there are plenty of clubs. However in recent years it’s been particularly difficult, as property prices in London are utterly absurd and it makes it increasingly more difficult for independent businesses such as club and gig venues to stay open. Second to that, government and local councils are creating more and more rules that suffocate nightlife including restricting opening times, limiting noise levels, and the ugly war on drugs.

Spontis: Where should your journey lead, what have you planned to do in the near future?
Parma Ham: I’m curating an exhibition at Lethal Amounts gallery in LA, which opens in February 2019. The theme is censorship on social media, and how it affects the creativity of artists who have found their audience via platforms such as Instagram, Facebook and YouTube. Check it out next year.

Spontis: Your recommendations for a visit to London? What we have to see?
Parma Ham: A visit to club Slimelight, which has been open for 30 years, and is open every single Saturday 11pm-730am. I also love the Brutalist estate The Barbican, which is entirely made of poured concrete.

Natürlich wollte ich auch wissen, welche 10 Songs Parma Ham zur Zeit besonders gut gefallen und habe nach der obligatorischen Top-Liste gefragt. Ein wenig Zeit, die Gedanken kreisen zu lassen.

Seit je her existieren Grabenkämpfe in der Gothic-Szene, was dazu gehört und was nicht, doch im Gegensatz zum berühmten „früher“ gibt es Unterschiede. Was zunächst bei der neuen Generation ins Auge sticht, ist die dauerhafte Präsenz in sozialen Medien in allen Lebenslagen. Während man sich damals vielleicht an einem Samstag in der Woche über den Weg gelaufen ist, kann man nun täglich Lebenszeit darauf verwenden, Bilder zu bewundern und ungefilterte Gedanken aufzuschnappen. Das wird unterschiedlich aufgefasst. Während die einen daraus einen Wettbewerb machen, wer wohl die meisten Klicks bekommt, ist das für andere die Konfrontation mit den eigenen Unzulänglichkeiten. Das polarisiert und bietet Reibungspotential.

Ich finde, Gothic ist 2018 lebendiger denn je, weil wir unzählige Möglichkeiten haben, an der Szene zu teilzuhaben. Was meint ihr? Alles nur inhaltsloses Posing oder die reizvolle Entwicklung der Szene?

Parma Hams Top 10

Qual – Above Thee Below Thee
Sextile – Disco
S.A.D. – She’s Gone
Sumerian Fleet – Seven Sins
Soft Moon – Like A Father (Imperial Black Unit Remix)
Valis – Black Carbon
She Past Away – Katarsis (Ash Code Remix)
Detachments – Chain of Secrets
Kaelan Milka – Kalt
The Horrorist – Programmed (Silent Servant Remix)

Video-Love-Story: Jaci und Martin beim legendären Simple Mode Konzert

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Die beiden Gruftis Jaci und Martin haben schon vor Monaten von dem bevorstehenden Konzert von Simple Mode in Leipzig gehört und verzweifelt versucht, Karten für das Konzert zu ergattern. Mit der Band sind sie aufgewachsen! Mit Simple Mode haben sie zu sich gefunden und wurden Gruftis! Endlich wollen sie die Gelegenheit ergreifen, ihre Helden, die Jaci noch nie live, hautnah zu erleben. Doch am Tag, an dem der Vorverkauf startet, läuft alles schief und es dauert nur Minuten, bis alle Tickets restlos vergriffen sind. Die beiden sind am Boden zerstört. Es scheint aussichtlos!

In der Sachsenklinik in Leipzig ist Dr. Globisch derweil aus dem Häuschen. Bei einem Gewinnspiel hat sie zwei Karten für Simple Mode gewonnen, die Band, die sich in ihrer Jugend gründete und die sie über all die Jahre irgendwie musikalisch begleitet haben. Die nochmal Live sehen? Euphorisch sucht Dr. Globisch nach Begleitung, doch niemand ihrer Kollegen in den weißen Kitteln scheint Interesse zu haben. In einem letzten Akt der Verzweiflung bietet sie die Karten im Internet zum Verkauf an, in der Hoffnung, wenigstens jemand anderen glücklich zu machen…

Hier scheinen sich die Wege der Schicksale zu kreuzen, denn Martin findet die Karten von Dr. Globisch im Internet und schlägt diesmal direkt zu, um nicht schon wieder leer auszugehen. Noch am selben Tag wird eine Abholung vereinbart. Zufälligerweise ist ein Kamerateam anwesend, das den Alltag im Krankenhaus dokumentieren will und filmt Dr. Globischs Dilemma und die beiden glückliche Gruftis aus Leipzig. Als ich folgende Aufnahmen in der Serie „In aller Freundschaft“ dann sah war klar, dass ich Jaci und Martin zu einem Interview bekommen musste!

Das Interview – Wie war das Konzert?

Spontis: Ihr seid ja glühende Fans von Simple Mode, der legendären Kultband der 80er Jahre und wart bestimmt heilfroh, als ihr noch Karten bekommen habt. Was verbindet ihr mit „Eurer“ Band und wie habt ihr Euch gefühlt, als der Traum in Erfüllung ging?

Martin: Simple Mode verfolgen mich seit meiner grauen Jungendzeit. Die erste Platte erreichte mich mit 14 Jahren und mit den Liedern „Owl and the Cave“ oder ‚‘She go away“ eroberten sie mein Herz. Leider fanden es meine Eltern nicht besonderes dolle, dass ich nicht als schnösiger normaler Bürger heranwuchs… mein Kleiderschrank wurde immer mehr in tiefen dunklen Sachen getauft. Du hättest Mal mein Zimmer sehen sollen, überall hingen Poster von Simple Mode und natürlich umgedrehte Kreuze und Grablichter. Sogar meine 3 Mäuse hatte ich nach ihnen benannt. Meine Eltern rieben sich an jedem Klischee das ich erfüllte, doch dies ließ mich kalt. Mit 18 fühlte ich mich dann endlich frei! Das erste Konzert an der Küste direkt am Strand – Simple Mode starteten ihr Konzerttour von dort aus! Es gibt keine Worte, es zu beschreiben, man muss es einfach erleben. Seit dem Konzert begleitet mich diese Band in allen Lebenslagen. Als ich Jaci auf einer kleinen Wave/Post Punk Party kennenlernten, wurde uns klar, wie viel uns mit Simple Mode verbindet.

JaciBereits mit 13 fing ich an Simple Mode zu hören damit meine Eltern wahnsinnig zu machen. Ich zog mich schwarz an, schminkte meine Augen dunkel und traf mich mit „viel zu alten Freunden“, wie es meine Eltern immer mahnten, um gemeinsam bei Kerzenschein den Klängen von Simple Mode zu lauschen. Die Band begleitet mich seitdem durch alle Lebenslagen. Ich glaube, als Martin und ich uns kennen lernten und heraus fand, dass er ebenso ein großer Fan ist, wusste ich, dass er der Richtige ist. Seitdem vergeht kein Abend, an dem wir nicht die alten Scheiben auflegen!

Martin: Wir hörten beide in unserem Lieblings-Clubs davon, dass sie bald in Leipzig spielen würden. Nachdem wir den Vorverkauf so unglücklich verpasst hatten, weinte Jaci innerlich. Das konnte ich spüren, obwohl sie äußerlich versuchte die Fassung zu wahren. Ich setzte ich alles auf eine Karte, durchforste das Internet bis in die letzten dunklen Ecken. Dann machte es plötzlich „Bing“ und Im Browser erschien eine Nachricht, es sind zwei Konzertkarten bei Eventschummel.de vorhanden. Klick Klick Klick… Meins! Voller Vorfreude rief ich Jaci an, um diese exklusive Neuigkeit mit ihr zu teilen. Sie hüpfte und kreischte förmlich durchs Telefon! Übergabeort war dann am Konzerttag bei der Sachsenklinik, eine Dr. Globisch sollte uns empfangen. 

Jaci: Ja, es war wirklich ein Traum, der in Erfüllung ging, als Martin entdeckte, dass Frau Dr. Globisch die Karten im Internet los werden wollte! Simple Mode haben das letzte Mal in Deutschland gespielt, als ich leider noch zu jung war und mich meine Eltern nicht auf das Konzert haben gehen lassen, sodass ich meine absolute Lieblingsband noch nie live sehen durfte! Als wir nun auch den Vorverkauf für das Konzert in Leipzig verpasst hatten, war ich am Boden zerstört! Umso glücklicher war ich, als Martin mich am Tag des Konzertes vormittags anrief und mir sagte, er hätte im Internet zwei Karten gefunden! Und als wir die am Ende sogar von der netten Ärztin geschenkt bekamen, war ich so erstaunt und happy, dass ich kein Wort mehr heraus bekam. 

Spontis: Jetzt mal raus mit der Sprache! Wie war denn das Konzert?

Jaci: Das Konzert war einfach fantastisch! Simple Mode haben die ganzen alten Klassiker gespielt – von „Don’t you enjoy the silence?“ über „Alive and Kicking Jesus!“ Aber mein Highlight war natürlich als Sänger Dave Kerr sein Hemd auszog – das war zum Dahinschmelzen! Schließlich habe ich schon, seit ich 13 bin immer davon geträumt ihn mal live zu sehen und vor allem als Teenie seinen Bravo Starschnitt über dem Bett angehimmelt! Es war ein einmaliges Erlebnis mit tausenden anderen Fans die 80er aufleben zu lassen und ich hoffe, Simple Mode werden irgendwann nochmal nach Deutschland kommen – schließlich sind sie auch nicht mehr die jüngsten!

Martin: Das Konzert war einfach wunderschön, diese familiäre Atmosphäre unter Gleichgesinnten…wow! Simple Mode spielten nicht nur Klassiker, es gab auch richtige Diamanten. Bei einem der Lieder packte sich jeder der Bandmitglieder einen schwarzen Blumenstrauß und warfen diese in die Menge. Leider nicht in unsere Richtung. Schade. Simple mode ließen die 80’er förmlich aufleben, ein wirklich beeindruckendes Konzert. Wir zwei sind gespannt und hoffe, wann und wo das nächste Konzert stattfindet.

Anmerkung: Wer Spontis jetzt anschreibt und wissen will, wo Simple Mode das nächste mal spielt, wird entgruftet. Jaci und Martin habe eine kleine Gastrolle in der ARD-Serie angenommen, die Gegenstand dieser Geschichte ist. Ich bedanke mich bei Beiden, die diesen Spaß mitgemacht haben und sich ihre Interviewantworten so kreativ ausgedacht haben.

Spontis Treffen 2017 - Orphi Eulenforst
Gruftis haben viele Schokoladenseiten – Jaci und Martin auf dem Spontis-Treffen 2017

Die Gammler – Früher hat man sowas verbrannt!

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Gammler. Jugendliche die vielfach den Verzicht auf Hygiene zur Weltanschauung erheben wollen.“ Die arme Gesellschaft. Muss sich aber auch ständig an neue Lebensentwürfe und Einflüsse gewöhnen. Es gibt Dinge, die ändern sich einfach nicht.

Die Gammler und Provos: Subkulturen im Widerstand der 1960er Jahre

In den 1960er Jahren, insbesondere ab 1964, prägten die „Gammler“ das Bild urbaner Lebenswelten in Europa. Diese Jugendkultur spaltete die Meinungen: „Die Gammler waren in Haltung und Kleidung lebendiger Protest. Ungepflegt und teilweise heruntergekommen, störten sie das bürgerliche Sauberkeitsempfinden entschieden; ihr langes Haar stellte das Bild des männlichen Versorgers mit Familie und Besitz in Frage.“ (Hollstein 1969, S. 38). Die Gammler lebten öffentlich ihre Abkehr von den Werten der Leistungsgesellschaft aus. Sie genossen die Sonne, lasen, musizierten und verweigerten sich dem gesellschaftlichen Druck, der die Menschen zur ständigen Arbeit und zum Konsum drängte.

Diese Jugendkultur war keine aggressive Antwort auf die gesellschaftlichen Normen, wie sie die Halbstarken der 1950er Jahre repräsentierten, und auch nicht so politisch orientiert wie die späteren Hippies. Die Gammler suchten nicht nach einer programmatischen Veränderung der Welt, sondern wollten in Ruhe gelassen werden. Viele von ihnen stammten aus der Mittelschicht und versuchten, dem aufgezwungenen Kanon gesellschaftlicher „Pflichten“ zu entkommen.

Ein prägnantes Bild zeichnet Jack Kerouac in seinem Werk, als er die Gammler als Rucksackwanderer beschreibt, die sich weigern, den Anforderungen der Konsumgesellschaft nachzugeben: „Das Ganze ist nämlich eine Welt von Rucksackwanderern, die sich weigern zu unterschreiben, was die Konsumgesellschaft fordert: dass man Produziertes verbrauchen soll und daher arbeiten muss, um überhaupt konsumieren zu dürfen.“ Diese Haltung stellt eine Abkehr vom starren System von Arbeit und Konsum dar und propagiert eine Art von Freiheit, die in der Lebensweise der Gammler sichtbar wird.

Der Einfluss der Gammler

Die Gammler inszenierten ihren Ausstieg aus der Leistungsgesellschaft in einer Weise, die nicht nur für sie selbst bedeutend war. Sie wollten keine Macht erobern, sondern sich von deren Einfluss befreien. Diese Haltung genügte jedoch, um das etablierte System zu beunruhigen. Ihre bloße Anwesenheit provozierte die nationalsozialistisch geprägte Wiederaufbaugeneration, die in den Gammlern eine Bedrohung für die gesellschaftlichen Normen sah. So versprach Bundeskanzler Ludwig Erhard im Juni 1966, alles zu tun, um dieses „Unwesen“ zu zerstören, während die NPD in ihrem Parteiblatt forderte, das Problem „radikal und im Sinne des gesunden Volksempfindens“ zu lösen, wie im Spiegel von 1966 zu lesen ist.

Viele Bürger, die sich über die Langhaarigen empörten, hatten diese Subkultur lediglich aus den Medien kennengelernt. Tatsächlich gab es in Deutschland nur eine kleine Anzahl von Gammlern, die sich vorwiegend in wenigen Großstädten versammelten.

Die Provos: Provokation als Strategie

In den Niederlanden entwickelte sich aus der Gammler-Bewegung die Gruppe der „Provos“. Diese setzten den impulsiven Widerstand der Gammler in eine bewusste, politisch motivierte Provokation um. Sie waren nicht nur Aussteiger, sondern versuchten aktiv, die bestehenden Strukturen zu hinterfragen und zu durchbrechen. „Sie wollten keine Subkultur, ihre Aktionen zielten darauf ab, erstarrte Strukturen aufzubrechen“ (bpb, „Swinging Sixties“ von Klaus Farin)

Die Provos waren eine heterogene Gruppe von Jugendlichen, die keine festen Hierarchien oder Führungsstrukturen kannten. Ihre Hauptziele waren die Entlarvung und Demaskierung autoritärer Gesellschaftsstrukturen durch provokante Aktionen. Dies unterschied sie deutlich von den späteren Hippies, die oft nach einer autonomen Lebensweise strebten.

Die Provos bezeichneten sich selbst als eine Jugendbewegung, die agitiert, provoziert und Unruhe stiftet. Sie initiierten kreative und oft kontroverse Aktionen, die darauf abzielten, die passive Akzeptanz gesellschaftlicher Normen in Frage zu stellen. Indem sie das Established provozierten, strebten sie danach, das Bewusstsein der Menschen zu schärfen und die gesellschaftlichen Diskurse zu verändern.

Sowohl die Gammler als auch die Provos repräsentierten eine Rebellion gegen die gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit. Während die Gammler eine informelle und entspannte Abkehr von der Leistungsgesellschaft inszenierten, gingen die Provos einen Schritt weiter, indem sie ihre Provokationen gezielt einsetzten, um das System herauszufordern. Beide Gruppen trugen zur Schaffung eines neuen Bewusstseins für Freiheit und Individualität in der Gesellschaft bei und hinterließen einen bleibenden Einfluss auf die kulturellen Bewegungen der 1960er Jahre.

HowTo: Wie man zum Gothic wird, ohne die Eltern zu verärgern

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Auf den amerikanischen Seiten von wikiHow habe ich einen Leitfaden gefunden, der beschreibt, wie man sich als Jugendlicher zum Gothic verwandelt, ohne die Eltern zu verärgern. Ich musste schmunzeln. Was wären wir doch alle für tolle Jugendliche gewesen, wenn wir uns anhand einer solchen Anleitung in die schwarzen Fluten gestürzt hätten. Anstatt dessen hat uns die Bravo mit Ratte konfrontiert, die gleich in die Vollen gegangen ist, nach London abhaute und im schwarz gestrichenen Zimmer im Sarg geschlafen hat. Wie sollen wir da vernünftig bleiben?

Ich fand die Anleitung jedenfalls so schnuckelig, dass ich die Amerikaner in einer Email gefragt habe, ob ich ihre Bilder und Texte benutzen darf, um einen eingedeutschten Ableger zu verfassen. Und obwohl ich weiß, dass es mir schwer fallen wird, sämtliche Ironie beiseite zu lassen, werde ich es zumindest versuchen.

Teil 1 – Sich wie ein Gothic kleiden

Goth Verwandlung
Langsam verwandeln lautet die Devise, nicht gleich aussehen wie Black Friday (?)
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Grundregel 1: Du solltest dich langsam verwandeln, sagt man. Es sollte vermieden werden, die Eltern mit einer Totalveränderung zu überrennen, die reagieren sonst häufig mit Ablehnung. Anstatt dessen wird zu einem systematischen Plan geraten, die Verwandlung zu vollziehen.

  • Erstelle einen Sechs-Monats-Plan (Erzähle mal einem Jugendlichen, er soll 6 Monate im Voraus planen, wie er rumläuft)
  • Beginne mit einem einzelnen Teil deines Outfits
  • Ändere oder verwende Schminke behutsam.
wikiHow - Bunte Farbe sind auch Goth
Bunte Farben beruhigen die Eltern, sagt man. Man achte auf die langsame Verwandlung mit schwarzem Armband, dezentem Lippenstift und den schwarzen Haaren. So sieht man also Goth aus, ohne schwarz zu tragen…
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Grundregel 2: Mische deinen Style mit bunten Farben. Damit zeigt man den Eltern angeblich, dass man trotz des geplanten Goth-Daseins nicht über die Stränge schlagen wird: „Ultimately, you can still look goth without wearing all black.“ Bunte Klamotten beruhigen nicht nur die Eltern, sondern lassen Dich erstrahlen. Habe ich gelesen. Wenn jemandem beim lesen dieses Abschnittes die Unterlippe schmerzt, weil man sich sämtliche flapsigen Sprüche dazu verkneift, mir geht es genau so. Ich habe aber versprochen, zahm zu bleiben.

Es müssen ja nicht immer gleich zerrissene Sachen sein und zuviel Haut zu zeigen ist auch nicht so toll. So ist doch auch *hust* stilvoll.
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Grundregel 3: Konservativ kleiden. Wenn die schwarze Farbe die Eltern erschreckt, dann soll man das durch konservative Kleidungsstücke mildern können. Wenig Haut zeigen und zerrissene Strumpfhose und löchrige Pullover gehen gar nicht. Für junge Frauen werden schwarze Röcke empfohlen, die raffiniert mit schwarzen Blusen kombiniert werden. Junge Männer tragen natürlich schlichte schwarze Hosen die aufregend mit einem schwarzen Hemd getragen wird.

wikiHow - Kreative Goth-Styles
Geht doch. Sollte der konservative Ansatz nicht fruchten, kann man endlich ans Eingemachte gehen und die bevorzugten Fummel auspacken.
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Grundregel 4: Sei kreativ! Ständig schwarze Baumwollsachen zu tragen ist langweilig und letztendlich will man ja den Eltern die tollen Möglichkeiten des neuen Stils beweisen. Laut des amerikanischen Originals soll man Materialien wie Samt, Spitze, Chiffon, Satin, Nylon und auch Seide experimentieren. Obwohl echte Seide ja wegen der armen Raupen echt doof ist. Als Stilvorlagen wird zu viktorianische Kleidung und den 1980er Jahren geraten (die dunkle Seite natürlich) und auch zu Steampunk. Das Steampunk nicht Goth ist, kriegen die Jugendlichen hoffentlich von allein heraus.

Schwarze Schuhe müssen sein. Aber bitte nicht auffallen und schon gar nicht gleich Pikes im Internet bestellen. Sonst droht Taschengeldentzug!
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Grundregel 5: Trage normale schwarze Schuhe. Vermeide es, verrückte Schuhe im Gothic-Stil zu tragen und das Taschengeld dafür zu verwenden. Deine Eltern werden sicherlich nicht glücklich sein, für Schuhe zu bezahlen, die ihrer Ansicht nach komisch aussehen. Versuche es lieber mit diesen Modelle und trage keine Pikes, denn die sind den Eltern bestimmt keinen Cent wert:

  • Schwarze Sneaker
  • Moderate schwarze Stiefel
  • Pumps mit niedrigem Absatz
  • Trage schwarze Feinstrumpfhosen, um die Veränderung nicht zu betonen. Später kannst du dann auch gestreifte Strümpfe tragen!

Teil 2 – Schmuck und Accessoires

wikiHow - Schmuck und Zubehoer
So kleidet man sich richtig, vernünftig und geschmackvoll. Mit anderen Worten: Die Subkultur wird um eine Splittergruppe reicher, den Schwiegermutter-Goth.
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Grundregel 1: Konzentriere dich auf Gothic-Accessoires. Mit dunklen und düsteren Accessoires kannst du deine vorhandene Garderobe ganz einfach den Gothic-Flair verleihen. Sich damit zu schmücken kommt einem persönlichen und modischen Statement gleich, ohne ihren Eltern fundamentale Veränderungen deiner Person zu signalisieren. Totenköpfe, wie oben abgebildet, gehören zu den gesellschaftlich akzeptierten Symbolen. Finger weg von merkwürdigen Runen, Kreuzen (auch umgedreht), Pentagrammen und sonstiger Symbolik, die den Bildungshorizont Deiner Eltern übersteigt. Trage lieber:

  • Eine schwarze Jacke
  • Dunkel Tücher und Schals
  • Schmuck wie Schlangenknochen-Haarnadeln, Spinnenringe oder Fledermausarmbänder
  • Gürtel
  • Schwarze Strumpfhose, Leggings, Handschuhe oder Fingerlinge

Grundregel 2: Nimm traditionelles Make-Up. Weniger ist manchmal mehr. Denke daran Make-Up zu verwenden, das deinem Hauttyp entspricht anstatt diesen zu übertünchen. Ein helles und lebendiges Make-Up kann das Unbehagen deiner Eltern mildern, wenn es um deinen Auftritt als Goth geht. Macht bloß nicht Eure Eltern nach, die mit zuviel Schminke und Pflegeprodukten versuchen, so jugendlich frisch auszusehen, wie du. Klappt nämlich nicht.

Sieht ein bisschen aus wie Visual Kei, ist aber gar nicht so schlecht mit dem Silber.
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Grundregel 3: Nicht gleich die Haar schwarz färben! Obwohl das einer der Markenzeichen des Goth-Stils ist, sollten sie es nicht gleich auch machen. Nehmt lieber lustige Farben und lasst die Finger vom Rasierapparat der Eltern.

  • Nehmt traditionelle Farben wie beispielsweise Silber. (Das steht da so!)
  • Behalte deine natürliche Haarfarbe bei, peppe sie jedoch mit violetten, silbernen oder blauen Akzenten auf.
  • Wenn du die Haare doch färben willst, kontrastiere deinen neuen Look mit heller Kleidung. Wenn du lieber sofort mit Gothic-Klamotten rumlaufen willst, färbe die Haare erst ein paar Monate später, damit die Eltern Zeit haben, sich an dein neues Ich zu gewöhnen.
wikiHow - Keine Piercings oder Tätowierungen
Piercings und Tätowierungen nur mit dem Einverständnis Deiner Eltern. Wenn du erwachsen bist und noch zu Hause wohnst, warte damit bis du ausgezogen bist.
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Grundregel 4: Vermeide Tätowierungen und Piercings. Viele Menschen, die den Gothic-Stil lieben, lassen sich tätowieren und piercen, um ihren Stil auszudrücken. Abhängig von deinem Alter brauchst du die Erlaubnis deiner Eltern, dich zu verzieren. Doch auch danach leben viele junge Erwachsene bei den Eltern, die sich von dieser Form der Körperschmucks provoziert sehen. Wartet damit, bis ihr zu Hause auszieht.

Teil 3 – Gutes Benehmen

Grundregel 1: Bleib dir treu! Nur weil du ein Grufti bist, heißt das nicht, dass du deine Persönlichkeit ändern musst. Letztendlich spiegelt der Goth-Stil deine Individualität aus und nicht einen Standard, dem du entsprechen musst. Ihre Eltern werden auch viel glücklicher sein, wenn du dich wie du selbst verhälst, unabhängig davon, wie du rumläufst. Veränderungen in Verhalten und Ansichten

wikiHow - Gute Note für das gruftige Aussehen
Gute Schulnoten sind toll, aber oft hat es nicht mit Absicht zu tun, wenn die Leistungen nachlassen.
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Grundregel 2: Schreib gute Noten! Macht alles, um gute Note zu bekommen. Wenn sie den Unterricht besuchen und lernen, werden ihre Eltern merken, dass deine Aussehen nichts mit deiner Leistungsbereitschaft zu tun hat. Vielleicht geht das ja soweit, dass ihre Eltern aufgrund deiner Leistungen stolz auf dich sind und deinen Lebensstil akzeptieren. Wenn eure Eltern nicht mit eurem Erscheinungsbild zufrieden sind, versprecht ihnen gute Noten. Ganz gewiefte Zeitgenossen werden in Vorbereitung ihrer Verwandlung zunächst schlechter in der Schule, um dann als Grufti wieder bessere Noten zu schreiben. Diesen raffinierten Trick verrät das amerikanische Original natürlich nicht.

wikiHow - Falsche Freunde
Kontakt zu den falschen Freunde machen aus dir einen rauchenden, abhängigen Alkoholiker. Es erscheint logisch, dass deine Eltern dich davor beschützen wollen.
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Grundregel 3: Vermeide Freunde, die dich in Schwierigkeiten bringen könnten. Der einfachste Weg, deine Eltern nicht von deinem neuen Style zu überzeugen ist es, sich mit Leuten zu treffen, die Schwierigkeiten mit der Schule oder dem Gesetz haben. Eltern bringen das dann natürlich mit deinem Aussehen in Zusammenhang und versuchen Dich von deinem Aussehen abzubringen. Sucht also nach Freunde, die deinen Stil teilen, aber Musterschüler und gute Bürger sind.

  • Halte dich von Freunden fern, die verhaftet wurden oder von der Schule geflogen sind
  • Halte dich von Freunden fern, die vor deinen Eltern fluchen, zu anderen unhöflich sind oder gar zu Gewalt neigen (du selbst kannst das natürlich machen, weil das deinen Eltern zeigt, das sie selbst versagt haben)
  • Vermeide Menschen, die Drogen nehmen
wikiHow - Respekt zeigen.
Respekt ist die wichtigste Waffe, um selbst gehört zu werden. Das gilt nicht nur gegenüber deinen Eltern, sondern jedem Menschen.
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Grundregel 4: Respektiere deine Eltern. Während die Art und Weise, wie du rumläufst, deine Eltern verunsichern können, so haben die Art und Weise wie du mit ihnen umgehst, einen viel wichtigeren Einfluss. Respekt gegenüber den Eltern, deinen Beschützern und Versorgern, verschafft dir immer etwas mehr Spielraum im Bezug auf dein Aussehen.

  • Lehne die Religion deiner Eltern, ihre Kleidung und ihren Stil und jeden anderen wichtigen Aspekt ihrer Identifikation nicht verbal ab.
  • Vermeide es, den Standpunkt deiner Eltern in Bezug auf Dinge, wie die Ausgangssperre, herauszufordern.
  • Verfluche und beleidige deine Eltern nicht.
  • Es ist verlockend, den Stil deiner Eltern anzugreifen wenn sie deinen angreifen, aber es ist kontraproduktiv. Besser ist es, seinen eigenen Stil zu verteidigen, während man ihren akzeptiert.

Wo stimmt ihr zu, was ist Quatsch?

Natürlich. Es ist schon eine Last heranzuwachsen und sich mit zunehmender Selbstfindung gegen die Widerstände der Eltern zu stellen. Und sicherlich ist es auch ein wenig übertrieben, von einem beispielsweise 14-jährigen, der selbst noch nicht so genau weiß, wo die Pubertät ihn hinführt zu verlangen, einen Monatsplan zu erstellen um die Eltern schonend auf die Ankunft eines Grufti-Kindes vorzubereiten.

Wie war das bei Euch und was würdet ihr auf keinen Fall machen?

Gruseln – Was vom reizvollen Rendezvous mit der Angst übrig geblieben ist

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Gerade zu Halloween liegt es mal wieder im Trend, das kontrollierte Gruseln – obwohl die amerikanische Vorlage so unfassbar überreizt ist, das daraus ein fröhlich buntes Kostümfest wird. Aber auch Freude gehört zum Spiel mit den eigenen Hormonen, der Selbstbefriedigung mit den körpereigenen Drogen.

Ich erinnere mich noch ziemlich gut an einen intensiven Gruselschauer. Ich war 12 Jahre alt und hatte erreicht, dass ich endlich Alfred Hitchcocks „Die Vögel“ im Fernsehen schauen durfte. Ich lag an einem kühlen Herbstabend auf dem Sofa und hatte mich gemütlich in eine Decke gehüllt. Nicht etwa, weil ich jetzt schon die Hosen voll hatte, sondern weil mein Vater ein strenges Heizungsregiment führte. Dank der eindrucksvollen filmischen Vorlage dauerte es nicht lange, bis ich zur Sehne des Spannungsbogens wurde. Mein Herz klopfte schneller, meine Hände wurden feucht und die Nerven zum Zerreißen gedehnt. In besonders aufregenden Szene nutzte ich die Decke, um meine Augen zu verdecken, nur um Sekunden später der Neugier zu erliegen, wie der einen Spalt breit daraus hervorzugucken.

Wir machen uns damit eine Eigenheit des Gehirns zu Nutze, das zwischen der echten und der fiktiven Angst keinen großen Unterschied macht und uns mit dem Hormon-Cocktail belohnt, den wir uns erhoffen.

Das Spiel mit der Angst ist keine Erfindung von Alfred Hitchcock, sondern lässt sich seit Jahrhunderten eindrucksvoll belegen. Die Märchen der Gebrüder Grimm zum Beispiel waren nicht als Kindgerechte Geschichten gedacht, sondern erzählten häufig von grausigen und blutigen Begebenheiten. Dabei dienten sie nie allein der Unterhaltung. Sie sollten den Kindern zeigen, dass man das „Böse“ auf der Welt durch Mut und Klugheit stets besiegen konnte. Bilder, Bücher und Schauspielerei sollten uns erschrecken, um uns zu läutern, zu belehren und die Regeln einzuhalten. Sie brachten uns bei, was gefährlich ist, was man lieber nicht tun sollte und wie man sich verhält, um eben nicht in Angst leben zu müssen.

Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wuchsen auch neue Schauergeschichte und fiktive Schreckensgestalten, die in gewisser Weise auch die sich ändernden Lebensweisen reflektierten und Verwirrungen und Verstörungen der damaligen Zeit eine Plattform boten. Spätestens das 21. Jahrhundert ist über sämtliche Mythen erhaben. Mittlerweile verpuffen die Gebrüder Grimm, Dracula und Frankenstein auch in Kinderstuben zu zarten Seifenblasen, die weder belehren, noch Mut und Klugheit fördern. Sie dienen der puren Unterhaltung und werden in Form von Kostümen und Stofftieren völlig ihres ursprünglichen Grusels beraubt.

Halloween
Szene aus dem aktuellen Trailer zum Film Halloween mit Jamie Lee Curtis

Der neueste Streifen der Horrorserie „Halloween“, der aktuell in den Kinos gezeigt wird, macht auch uns Erwachsene weder schlauer noch weiser und zeigt auch sicherlich keine Wege auf, mit den Ängsten unseres Alltags umzugehen. Filme wie Halloween verfolgen nur ein Ziel: Ihre Vorgänger an Brutalität und Gewaltexzessen zu überbieten, um so die Kinokassen zu füllen. Im Internet brechen Videos von gestellten und mitunter auch echten Gewaltdarstellungen alle Rekorde und Grenzen. Je perverser, desto erfolgreicher.

Unser Gehirn verlangt nach ständig höheren Dosen an Reizen, um die gewünschte Menge Hormone auszuschütten, die uns in Angst und Schrecken versetzen. Was uns als Kinder noch unter die Bettdecke getrieben hat, entlockt uns heutzutage höchstens noch ein mildes Lächeln. Der Kampf um die Hormone wird nicht durch feinsinnigen Grusel, präzise gespannte Spannungsbögen und raffinierte Geschichten gewonnen, sondern durch permanente Steigerungen des erträglichen. Auch ich sehne mich in die Zeit zurück, als mir auf Stromleitungen sitzende Vögel einen gehörigen Schrecken beschert haben und ich lautstark gebettelt habe, dass Protagonistin Tippi Hedren nicht die Tür öffnet, hinter der die Tiere lauern.

Wohin das alles führt, vermag sich noch keiner auszumalen. Wie viel Grauen ertragen wir noch? Verroht unsere Gesellschaft durch das Feuerwerk der Gewalt? Zerbröckeln die Hemmschwellen durch die sich stets wandelnden Sehgewohnheiten? Was können wir tun, damit wir Gänsehaut wieder als wohlig warme Schauer wahrnehmen? Diskussionen um die sozialen und psychischen Folgen des ausufernden Konsums von Horror und Gewalt sind so alt wie der Schrecken selbst und bleiben stets offen und ungelöst.

In der Szene ist die Sehnsucht nach einer erneuten Mystifizierung des Alltags spürbar. Der Grufti sehnt sich nach Schauergeschichten, Legenden und Mythen und besucht alte Friedhöfe um die Stille zu genießen. Ist das ein Refugium vor den Perversitäten unserer Zeit? Die Schutzschicht zwischen den Zombies auf der Mattscheibe und den Menschen vor den Fernsehern ist sehr dünn geworden. Wie lange hält sie noch?

Black Food: Lebensmittel die so aussehen, als sollte man sie lieber nicht essen

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Schwarze Lebensmittel, die mit dem englischen Synonym „Black Food“ viel cooler klingen, liegen total im Trend. Alles, was die Leute gerne essen, wird eingefärbt: Eiscreme, Milch, Pizza, Burger, Pommes, Currywurst und Nudeln. Logisch, das man der Szene das schwarze Fastfood bereits vor einigen Jahren schmackhaft machen wollte, als total viele Leipziger Imbissbuden zu Pfingsten schwarze Leckereien verkauften. Denn die Gruftis finden alles toll, was schwarz ist.

Ich glaube alles begann 2012, als irgendeine Eisdiele unweit der Moritzbastei ihre Eiskreation „Blut-Kuss“ taufte, die aus extrem dunklem Schokoladeneis mit Himbeersauce bestand. Aber das ist natürlich nur dramaturgische Spekulation. Im Laufe der nächsten Jahre explodierte das Angebot schwarzer Nahrungsmittel. Spätestens aber als die Vogue 2017 titelte „Oh My Goth: The Food Trend as Black as Your Heart“ waren schwarze Lebensmittel nicht nur in der Spitzen-Gastronomie, sondern auch im modebewussten Mainstream angelangt und ganz nebenbei auch noch mit der Szene verknüpft. #gothfood ist zum beliebten Hashtag geworden. Na toll.

Seit einiger Zeit machen nun Influencer von sich reden, die schwarze Unmöglichkeiten der Nahrungsaufnahme in ihren Medien verbreiten. Black Friday kochte bereits vor 2 Jahre schwarze Nudeln mit ein eindrucksvoll ekligen schwarzen Käse-Sauce.

Influencer, liebe Leser, sind in der Regel junge und ambitionierte Leute mit YouTube oder Twitch Kanälen, die aufgrund ihrer Beliebtheit für Marketing-Experten interessant sind. Warum sie beliebt sind, versteht niemand so richtig. Auch nicht die Experten. Ihre Videos und Streams drehen sich meist um Make-Up und Klamotten oder auch um Computer-Spiele, Fitness oder auch nur um ihren vermeintlichen Alltag. Einige Influencer erreichen so ein Millionenpublikum.

Luca ist auch so ein Influencer mit mehr als 3,3 Millionen Abonnenten. Zusammen mit dem Handelskonzern Rewe hat der jetzt eine schwarze Pizza rausgebracht, die er fleißig vermarktet.

Neuer Coup von ConCrafter Luca: Deutschlands führender Entertainment-Influencer hat eine ungewöhnliche Tiefkühlpizza […] Die Produktneuheit zeichnet sich durch die verwendete pflanzliche Aktivkohle aus, die den Boden der Pizza Prosciutto tiefschwarz färbt. […] Stylisch ist aber auch das Verpackungsdesign. Der Karton ist komplett schwarz und trägt das bekannte LucaSmiley.“

Doch die schwarze Pizza von dem aufgedrehten Burschen ist bei Weitem nicht die letzte Unmöglichkeit aus dem Hause der Lebensmittelchemiker. In den England und Australien trinkt man bereits Goth Latte und die Japaner schwören angeblich auf ihren schwarzen Burger.

Und weil es abgefahren und irgendwie total angesagt ist, reden sich Black-Food-Enthusiasten jetzt auch eine entgiftende Wirkung ein, ist ja schließlich Aktivkohle drin. Rewe, die auch die sehr nahrhafte Tiefkühlpizza von YouTube ConCrafter für 3,49€ (!) anbieten, hatten auch mal einen schwarzen Smoothie im Angebot, der mit seinem Akitv-Kohle Anteil beworben wurden. Der Anteil daran war jedoch so gering, das von einer entschlackenden Wirkung kaum gesprochen werden konnte. Dabei ist das nur eine Möglichkeit Lebensmittel schwarz zu färben. Man kann das auch mit Sepia oder dem guten alten E153 anstellen, wenn man möchte. Umstritten ist der Trend im gleichen Atemzug.

Alte Grundregel des gesunden Menschenverstands: Lebensmittel, die so aussehen als sollte man sie nicht essen oder sich in den Mund stecken, gehören da auch nicht rein und sind absolut verzichtbar. Nun ja, immerhin kann man sich standesgemäß nach dem Genuss die Zähne auch mit schwarzer Zahncreme putzen:

Nur eine Meinung

Nachdem Gothic sich durch Skandale, falsche Anschuldigungen und obskure Interessen erfolgreich als düstere Subkultur etabliert hatte, ist unsere provozierende Äußerlichkeit – das Tragen von schwarzer und merkwürdiger Kleidung -. längst zum Style der Allgemeinheit geworden. Schlimmer noch. Durch die Verwendung von Schwarz als Scherzartikel in Form von gruseligen Lebensmitteln oder schwarzer Zahnpasta machen wir uns noch lächerlicher, als wir gemeinhin schon wahrgenommen werden.

Im Augenblick fühlt es sich so an, als würde die Szene selbst Strömungen des Mainstreams aufgreifen und ausleben, anstatt sich wie damals eigentlich angedacht, gegen diese Form der Uniformität zu stellen. Anders kann ich mir beispielsweise den Vollbart-Goth, der neuerdings und überall sein Unwesen treibt, nicht erklären. Wisst ihr noch in den 80ern? Da gab es diese Neon-Welle – Alles war in krassem Neongrün oder Orange, je bunter, je doller. Haarbänder, Röcke, Plastiksandalen, Strümpfe, Oberteile, Buttons. Die Szene war da eine Wohltat, ein symbolisches Statement gegen die angemalte Lebensfreude der Gesellschaft, die trotz Aufrüstung, Atomkraft und Umweltzerstörung aus Spaßkurs war. Heute gibt es Black Food und alles, was schwarz ist und ein bisschen gruselig erscheint, wird Goth genannt.

Dann lieber ein paar lächerliche Anschuldigungen, Skandale oder Gerüchte die uns ein Ende als schwarzes Gewürz für die breite Masse ersparen. Ich möchte jedenfalls keine Pizza essen, die so aussieht, als wäre sie verbrannt!

Wochenschau #5/2018 : Ist Gothic zu sein aus der Mode gekommen?

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Authentizität ist die wichtigste Währung in Zeiten der multimedialen Selbstdarstellung, die der Zeitgeist gierig von uns einfordert. Wie oft steht das, was wir in Form von Instagram und Facebook über einander präsentiert bekommen im Widerspruch zu dem Menschen, der hinter den Pixeln zu finden ist? Die Szene führt so häufig für sich an, das Innere nach Außen zu kehren, doch wie weit ist das von der Realität entfernt? Äußerliche Gesamtkunstwerke unterscheiden sie häufig von dem, was der Grufti dahinter wirklich ist. Und das muss nicht zwangsläufig negativ sein, genug eigene Erfahrungen zeigen mir, dass meine Vorbehalte gegen ein allzu perfektes Äußeres manchmal unbegründet sind. Leider sind viele Blicke hinter die Kulissen auch tragisch, wie mein Erfahrungsschatz aus der Vergangenheit immer wieder schonungslos offenlegt. Hier schließt sich der Kreis. Denn auch wenn immer weniger Gruftis in freier Wildbahn gesehen werden, so ist Gothic und alles was damit zusammenhängt, aktueller denn je. Es ist nicht aus der Mode gekommen, es findet eben Online statt. Wieviel davon authentisch ist, wird immer undurchsichtiger.

Sachsen meets Dracula | Nerds in der Wildnis

Birte und Torsten sind die Leipziger Nerds aus der Wildnis, die in ihrem gleichnamigen Blog über ihre Expeditionen in die Natur berichten. Neulich begaben sie sich auf die Spuren von Dracula und stießen auf „Vampiroteuthis infernalis“, den Vampirtintenfisch. „Und das hier ist er: Vampiroteuthis infernalis ! Der Echte! Eben DER höllische Vampirtintenfisch, den Carl Chuns Netze aus den Tiefseetiefen fischte und den der damals zum Start der Expedition grade mal 20jährige Fritz Winter so hervorragend zeichnete.“ Besucht die Nature-Nerds und staunt, wie gierig der Mensch nach Wissen sein kann, das er womöglich nie wieder brauchen wird.

Review of Goth Pikes and The Gothic Shoe Company | Bracken Crafts

Das die Autorin die GSC empfiehlt ist, wie sagt man so schön, obsolet. Denn der Laden hat ja bekanntlich Dicht gemacht und ist spurlos verschwunden. Der Artikel dreht sich vielmehr um Goth Pikes, die spitze Alternative aus Berlin (Glasgow?), die nach der Pleite von GSC möglicherweise in Bestellungen ertrunken ist. Macht Euch gerne ein eigenes Bild von dem Review und trefft eine Kaufentscheidung, wenn ihr denn vor einer solchen stehen solltet. „Hi, Today I got my boots. They fit fine. However they are damaged in 3 places. Since the box they arrived in is in perfect condition and undamaged they must have been put into the box already damaged so I am not very happy at all. Since the box is perfect this is not damage from postage! I believe you have sent me „seconds“.

Seltsamer Stein an der englischen Nordseeküste | Süddeutsche

Der schwärzeste Schmuck ist aus Jet, wie die Pechkohle auch genannt wird. In der Übergangsphase von der Braunkohle zur Steinkohle entsteht ein tiefschwarzes, glänzendes und leicht schnitzbares Material, dann schon zu vorchristlichen Zeiten zu Schmuck verarbeitet wurde. Schöner Artikel in der Süddeutschen: „Der Morgen ist dunkel und diesig. Fahnen flattern und Taue schlagen an die Masten der Schiffe. Der Wind weht die klagenden Schreie der Möwen durch die leeren Gassen der Stadt Whitby in Yorkshire. Böen stürmen über die Nordsee und an die hohen Klippen hier an der Ostküste Englands. Whitby ist ein schmucker Ort, aber auch einer mit offenbar schwarzer Magie: Im Whitby-Museum funkeln in den Vitrinen Schmuckstücke aus dunkler Materie.

Schwester von Ann-Kathrin ist ein Gothic | Abendzeitung

Fußball, lieber Leser, ist das interessanteste Thema für einen Großteil der deutschen Bevölkerung. Doch damit nicht genug, alles was um die Superstars am Ball herum passiert, ist ebenfalls von Interesse. Und so wird aus der Schwester von Ann-Kathrin Götze, der Frau von Mario Götze, eine Schlagzeile, weil sie ein Gothic ist. „Eine Ähnlichkeit ist mit all der weißen Schminke und dem Gothic-Look nicht zu erkennen! Erstmals zeigt Ann-Kathrin Brömmel, die Ehefrau von Mario Götze, ihr ältere Schwester Stephanie. Knappe Kleidchen, sexy Make-up und eine stets geföhnte Walle-Walle-Mähne – so zeigt sich Ann-Kathrin Brömmel gern in der Öffentlichkeit. Und ist damit das genaue Styling-Gegenteil ihrer Schwester Stephanie Walter.“ Es gibt Schlagzeilen, die können doch nicht ernsthaft einen Menschen interessieren, oder? Da wollte die Ann-Kathrin ihrer Schwester ein paar Follower schenken und zack, sind diese komischen Leute da, einen Artikel daraus zu machen. Sitzen da echt Leute in den Redaktionen und durchsuchen die Tweets und Instagram Bilder der Spielerfrauen nach vermeintlichen Geschichten?

Die Schwarze Witwe in Darmstadt | Mina Miau

Mina und Victor haben die Wohnung verlassen, um beim „Friedhofsgeflüster auf dem Parkfriedhof“ mit Dr. Anja Kretschmer dabei zu sein. Warum man sie so nennt, ließen sie offen, nicht aber worum es ging: „Der Umgang mit dem Sterbeprozess und die Bestattungskultur einer doch wenig aufgeklärten Gesellschaft ist außerst interessant, teilweise natürlich morbide, aber eben auch unterhaltsam, sogar manchmal lustig und vor allem eins: Der Tod ist Teil des Lebens, Teil der Gesellschaft und wird nicht komplett verdrängt, wie in unserer heutigen „forever young“-Verblendung.

Make America Goth Again! | The Outline

Stellt Euch vor, eine selbsternannte Splittergruppe der schwarze Szene spricht sich für die Unterstützung der AFD aus. Undenkbar? In Amerika finden einige Goths den Trump ganz toll, warum dem so ist, versucht dieser Artikel zu beleuchten: „There are myriad reasons why goths say they support Trump. Some cited the president’s desire to bring factory jobs back to America, which might allow them to work graveyard shifts in dark, dungeon-like settings. Others said they felt a kinship with him. In one Youtube video, a self-identified goth Republican said that supporting Trump was an act of rebellion, and that standing up to the mainstream media, which tends to cast goths as Marilyn Manson-obsessed school shooters, was a “counterculture” move.“ Meine Meinung? Es gibt Dinge, die in der Szene und in deren Inhaltsstruktur nichts verloren haben. Politik und Religion sind zwei dieser Dinge. Was jeder Goth privat glaubt und wählt, steht auf einem anderen Blatt.

So sehen Gothics, Steampunks & Co. im Alltag aus | Bento

Der Ableger von Spiegel Online hat knallhart enthüllt, wie einige Gothics im Alltag aussehen. Weil auf dem Wave-Gotik-Treffen treibt sich ja so einiges herum: „Die „schwarze Szene“, die sich hier jährlich trifft, ist in Wahrheit tatsächlich ein recht bunter Haufen. Neben Gothic-Fans tummeln sich auf dem WGT unter anderem auch Mittelalter-Enthusiasten, Steampunks, Visual-Kei-Anhänger, Industrial-Nerds und Fetischisten. Sie alle aufzählen zu wollen, wäre größenwahnsinnig. Viele fühlen sich in gleich mehreren Richtungen zu Hause oder wollen sich nicht für die Medien einer bestimmten Szene zuordnen. “ Genießt die Fotostrecke und die zielsicheren Bildunterschriften.

Goth Doing Thing | The Goth Next Door

Sie sind wieder zurück! Die Goths vom amerikanischen Kontinent, die unter „The Goth Next Door“ schon vor Urzeiten gezeigt haben, wie man als Goth Ostern begeht, sind mit neuen Videos zurück. Zum Beispiel, wie man Fritten isst. Sinnfrei, verstörend, langweilig. So wie es sein muss.

Die Kuriosen Kreationen der Christine McConnell | Netflix

Die Königin des Zuckergusses und Maximalindividualistin Christine McConnell hat jetzt einen Folgenreichen Deal mit Netflix gemacht, in der sie als Serienstar nicht nur ihre atemberaubenden und essbaren Werke in Szene setzt, sondern auch sich selbst. Umgeben von Puppen im Jim Henson Style hat der Internetsender jetzt eine Miniserie mit ihr gestartet:

Toxic Tears: Sie schmissen Feuerwerk nach mir | BBC News

Auf BBC erzählt Kaya Lili, besser als Toxic Tears, von ihrem Leben als Goth im UK und beantwortet ein paar kurze Fragen: „Is goth going out of fashion?“ Immerhin. Es scheint ruhiger geworden zu sein in Belfast, Goths sind im Straßenbild rar geworden, dafür bündeln sich Online umso mehr Aktivitäten. So ihr Fazit.

Musikalisches aus dem Grufti-Briefkasten #3: Populär kann doch jeder!

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Nein, lieber Hörer, in diesem Beitrag geht es nicht um die anstehende Dead Can Dance Veröffentlichung und die anstehende Tour der beiden Briten, denn davon wissen die meisten Schwarzhörer. Jedenfalls sind viele der Konzerte bereits ausverkauft, was dann doch auf eine gewissen Bekanntheit hindeutet. Und schon gar nicht geht es um Schlager-Titan Unheilig, der trotz theoretischer Leichenstarre weiterhin Schnulzen herausbringt. Populär kann doch jeder!

Es geht wieder einmal um meine E-Mail Eingang und die abonnierten News-Feeds, die regelmäßig von fleißigen Menschen mit musikalischen Vorschlägen geflutet werden. Tatsächlich war auch wieder eine postalische Sendung dabei, obwohl ich große Umschläge in meinem Briefkasten ja überhaupt nicht leiden kann. Aber das nur am Rande.

Beginnen wir mit Beauty of Gemina, denn die veröffentlichen heute ihr neues Album, wie mir der Sonic-Seducer verriet. Leider konnte ich die Titelstory noch nicht lesen und nicht erfahren, „…wie die neuen Songs durch Reduktion noch intensiver wurden, welche Rolle Themen wie Geister, das sich fremd in der Gesellschaft fühlen oder Suizid in den Texten spielen…“ Ich habe nur die Singleauskopplung „Ghosts“ gehört (und gesehen) und bin verwirrt. Machen die Schweizer jetzt Gothic-Country? Überhaupt nicht meins. Das hindert mich schon im Grundsatz daran, zum Inhalt des Songs vorzudringen. Hier könnt ihr euch aber ein eigenes Urteil bilden.

VNV Nation lassen sich auch nicht lumpen und veröffentlichen ihr mittlerweile 14. Album. Singleauskopplung und Video überzeugen mich zwar nicht, an einer hochgradigen Weiterentwicklung teilzuhaben, doch solide und gewohnt tanzbar strömen die Klänge in meine Gehörgänge. In einem Interview verrät Ronan:  „Ich erachte das Album eher als ein Buch. Als ein Werk, das tiefer geht und tiefer blicken lässt als jeder flüchtige Eindruck, den die Musik beim ersten Hören hinterlässt.“

Tom von „Popsirup“ bewirbt die Band VADOT mit reichlich Material, veröffentlichen die doch am 19. Oktober ihr mittlerweile viertes Album mit dem Titel „Resonanz“, das der Linie der Band – elektronische Sounds mit deutschen Texten – treu bleibt. Leider kann ich mich auch dieses mal überhaupt nicht mit der Musik anfreunden, denn der VADOTs Popsirup verklebt mir die Gehörgänge. Musikalisch sicherlich einwandfrei, aber ohne Ecken und Kanten, verbleibt der Sänger in der bemühten Absicht, den Inhalt seiner Texte zu transportieren. Klappt bei mir nicht. Und das in doppelter Hinsicht. „Wolkskind“ wirkt für mich wie einer von diesen schwarzen T-Shirts, die mit kitschigem Wolfsaufdruck Mystik erzwingen wollen, wo keine ist. Ich weiß aber, dass es Facetten der schwarzen Gemeinde gibt, denen das sicherlich gefallen könnte und ich bin nicht der Nabel der Welt:

Vor 10 Jahren hat Superikone (damals noch Lunastoy) anscheinend einen Hit in den Clubs gelandet, so verrät jedenfalls die Postzusendung, die neulich in meinem Briefkasten lauerte. Auch dabei, die aus dem Album „Paläste aus Katzengold“ ausgekoppelte EP mit besagtem Stück „Traenen„.  Abgesehen von der Tatsache, dass es sich im Grunde um Popmusik handelt, dudelt das ganze recht unspektakulär durch die Lautsprecher und unterhält mich eigentlich ganz gut. Die Texte der anderen Stücke auf dem restlichen Album dürfen als sehr ordentlich bezeichnet werden. Mein Geschmack ist es leider nicht so wirklich, was aber durchaus daran liegen kann, dass deutsche Texte immer sehr zweischneidig sind, weil sie immer mehreren Qualitätsprüfungen standhalten müssen.

Blac Kolor präsentiert sich zurückhaltend und lässt seine Musik für ihn sprechen. Oder sagen wir besser hämmern? Frei nach dem selbst gewählten Motto „Nobody said it would be Easy“, stampft und krächzt der Sound aus den Lautsprechern und versucht sich hilflos unter den Bezeichnungen Industrial, Techno, EBM und Ambient zu verorten. Auch wenn „interessant“ eine Floskel für „Mist“ sein soll, finde ich die Musik von Hendrick Grothe wirklich interessant. Für mich ist das ganze zwar weit weg von „Gothic“, aber diesen Anspruch verfolgt der Wahl-Leipziger auch gar nicht. Hört mal rein:

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Das Label Synth Religion will mir Marble Slave (Marmorsklave?) aus Paris näher bringen. „Geboren aus schlaflosen Nächten und nicht ausgesprochenen Gefühlen„, wie es in der Beschreibung heißt, pendelt das Stück „Surveillance“ zwischen fruchtig lockerem New Wave und Synth Pop ziemlich schmerzfrei durch die Kopfhörer, aber deutlicher angenehmer, als die üblichen Vertreter dieses Genre. Ich finde die minimalistische, rhythmisch-melodische Art einfach eleganter und damit auch gruftiger. Irgendwie. Tatsächlich erreicht es die fast schon angenehme Monotonie, mich zum wiederholen des Stückes zu animieren.

Wo wir gerade in Frankreich sind. Sébastien von der Band „Autopsie d’une oimbre“ (Autopsie eines Schattens) schreibt mir: „Kurzgesagt, meine Musik ist ein Mix aus Coldwave, Darkwave und Industrial„. Er möchte, das wir sein aktuelles Album „Alive Somewhere“ hören. Nach Marble Slaves butterzartem New Wave aus obigem Video, spült Sébastien meine Gehörgänge ganz gehörig. Kratzig, kantig und ein bisschen wütend klingt seine Musik, während sein Gesang wie ein Ableger vom Joy Division Frontmann Ian Curtis klingt. Mit Industrial hat das freilich wenig zu tun, wie ich finde – muss es aber auch gar nicht. Elektronisch ist es in jedem Fall. Weniger melancholisch-traurig, sondern eher wütend-impulsiv.

Wer bei Brasilien nur an Zuckerhut, Samba und braun gebrannte Bikini-Damen denkt, liegt völlig daneben. The Knutz sind offenbar mit einem Album von Bauhaus unter dem Kopfkissen groß geworden und schicken sich an, Gothic-Rock aus Südamerika zu etablieren. Die Jungs aus Niterói (unweit von Rio), die mich erst du ihre Erscheinung neugierig gemacht haben, punkten auch in Sachen Musik sehr eindrucksvoll. Ihr neues Album „The Tower“ beeindruckt durch Stilsicherheit in Sachen Gothic aus den „Early Days“. Die schämen sich einfach nicht, den alten Sound einfach für sich zu verwenden. Diese ständige Geburt von absurden Musikmischungen aller Genre ist sowieso nervig, früher war nicht alles veraltet. Jedenfalls musikalisch. In Brasilien ist die Reinkarnation der Szene sowieso in vollem Gange. „The Knutz“ mit ihrem Oldschool-Style, ihrem astreinen Goth-Sound und dem künstlerischen Drumherum sind die Speerspitze einer neuen Bewegung, die sich nicht schämt, den Eintopf von damals aufzuwärmen. Lecker!

Ähnlich zielstrebig verfolgen die Flüsternden Söhne, also die Whispering Sons, ihr Ziel. Mit ihrem neuen Stück „Alone“ aus dem am 19. Oktober erscheinenden Album „Image“ definieren sie lupenreine Grufti-Mucke. Vielleicht nicht sonderlich innovativ, aber das muss auch nicht immer erstrebenswert sein, wie man an vielen anderen Beispielen sehen kann. Einfach melancholisch schön, dieses „Alone“ und nach knappen 4 Minuten viel zu früh vorbei.