Video: Einmaliges Grufti-Treffen in Tecklenburg 1991

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Idyllisch zwischen Münster und Osnabrück gelegen, trafen sich 1991 zahlreiche Gruftis in Tecklenburg, um sich zu treffen, ihre Türme und Teller zu präsentieren und sich auszutauschen. Leider endet an dieser Stelle schon mein Wissen über diese kunstvolle Video-Perle aus den frühen 90er Jahren. Möglicherweise erkennt sich aber der ein- oder andere auf den Bildern wieder und möchte – aller Peinlichkeit zum Trotz – etwa über das Treffen erzählen. Wie es dazu gekommen ist, wo es genau stattfand und warum es offensichtlich bei einem einmaligen Event geblieben ist.

Die Musik im Hintergrund stammt im übrigen von der Neoklassik-Band Camerata Mediolanense. Der Titel „Il Trionfo Di Bacco E Arianna“ bezieht sich auf die Mythologie rund um den Triumph des Bacchus und einer gewissen Ariadne. Wikipedia weiß dazu mehr. Vielen Dank an die Ersteller des Videos! Bleibt gespannt, aus dieser Quelle gibt es noch weitere Leckerbissen.

1989: Die Wave-Bewegung in den Dreck gezogen – Sind die Medien noch glaubhaft?

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Immer, wenn die Medien Teile der Gesellschaft abzubilden versuchen oder Subkulturen und Jugendbewegungen erklären wollen, prallen Welten aufeinander. Auf der einen Seite möchte sich die Szenen in der Regeln gar nicht abgebildet wissen, weil das natürlich ihren Wunsch nach Abgrenzung torpediert und zum anderen vereinfachen die Medien Beweggründe und Zusammenhänge für ihre Leser, reißen Dinge aus dem Zusammenhang und greifen immer wieder die als negativ empfundenen Auswüchse mancher Szene-Mitglieder als allgemeingültig auf. Das ist kein Phänomen der Neuzeit, sondern war im Grunde genommen immer schon so. Wie ein Artikel über eben diese Form der Berichterstattung im „Church – Independentmagazin“ vom Juni 1989 zeigt.

1989 - Church Indepenentmagazin - Sind die Medien noch glaubhaft (3)ZDF, RTL, Spiegel, Bravo, Tempo, Marabu – sie alle waren im Zwischenfall, dem Szenetreffpunkt der Waver, um über diese Bewegung zu berichten, negativ zu berichten. Setzt man sich mit entstandenen Berichten auseinander, so stößt man unweigerlich auf die Tatsache, daß sie einzig und allein zum Ziel hatten, die Wave-Bewegung zu verunglimpfen bzw. in den Dreck zu ziehen. Unsere Recherchen ergaben, daß die Herren Redakteure Zitate […] verdrehten, Sarkasmus „nicht erkannt“ und bei Glatteisfragen auf die Naivität der Waver gesetzt wurde. Durch vorhergehende Berichte gewarnt, wichen sie den Reportern schließlich aus oder verarschten sie.“

Die Mischung aus Jugendlichen, die sich auch gegenüber den Medien abzugrenzen versuchen und Redakteuren, die auf der Suche nach einer polarisierenden Geschichte sind, ist der Nährboden für teils hanebüchenen Märchengeschichten und Schlagzeilen, die die breite Masse an Veröffentlichungen über die Szene aus den späten 80ern und frühen 90ern beherrschten.

Der Medienkonsument will eine kaputte Story! […] Das Volk braucht seine Außenseiter„, konstatiert das Magazin und genau so ist es auch. Die Gruftis von damals polarisieren durch ihr Outfit, denn umgedrehte Kreuze, eine Leidenschaft für okkulte Themen und ein ausgeprägter Hang zur Selbstdarstellung erzeugen Reibungspunkte in der Gesellschaft. „Sie wollen ihre Ruhe, und wenn schon nicht Akzeptanz, so doch Toleranz.

Doch das generiert natürlich keine Auflage und kaum Zuschauer. Die Medien, die damals versuchen dem Zuschauer mit der Formel „Brot und Zirkusspiele“ Aufmerksamkeit zu entlocken überwiegt einfach und überstrahlt völlig ernst gemeinte Artikel, die damals durchaus zu finden gewesen sind. Die Wahrheit ist eben manchmal langweilig:

Lediglich eine unbedeutende Minderheit übt sich in okkulten Relikten. Ja sogar Verachtung gegenüber Satansanbetern stellte ich als ein Fazit meiner Gespräche fest. […] Düstere Kleidung, umgedrehte Kreuze und auch andere magische Symbole dienen weniger als Zeichen des Glaubens denn als markantes Outfit. Auch wenn einige im „Zwischenfall wie lebende Tote aussehen, so ist Angst vor ihnen unbegründet. Sie akzeptieren jeden, der dorthin kommt, solange sie nicht schräg angemacht werden. Sie bringen vielmehr gegenüber anderen die Toleranz auf, die ihnen beim Verlassen dieser Stätte nicht entgegengebracht wird.

1989 - Church Indepenentmagazin - Sind die Medien noch glaubhaft (2)

Und heute? Gruftis regt heute keiner mehr auf. Tatsächlich sind auch Medien dazu übergangen, feinfühlig und reflektiert über die Szene zu berichten, wenngleich wir auch bei vielen Formaten als Party- und Festivalbesucher mit einem Hang zu äußerlicher Selbstinszenierung gelten. Auch die Szene-Mitglieder sind differenzierter geworden, je älter, desto weniger Abgrenzung und dafür um so mehr Selbstverwirklichung. Einige Medien liefern ihrem gierigen Publikum derweil das „Dschungelcamp“ und „Shopping Queen“. Brot und Zirkusspiele für das Volk. Genau wie früher.

 

Artikel 13 – Der (Alb)Traum von einer Zensur im Netz droht Realität zu werden

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Im dauerhaften Streit um die Reform des Urheberrechts in der europäischen Union scheint man nun eine einheitliche Stimme gefunden zu haben. Doch die Einigung – für die maßgebliche Deutschland und Frankreich verantwortlich sind – klingt in den Ohren der Kritiker wie eine Kakophonie der Zensur. Besonders traurig ist die Beteiligung Deutschlands, nachdem sich CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag klar gegen die Upload-Filter ausgesprochen haben. Sollte der Entwurf im Europa-Parlament so gebilligt werden und verabschiedet werden, müssen Anwender damit rechnen, das viele ihrer hochgeladenen Inhalte blockiert werden.

Artikel 13 soll Plattformen wie beispielsweise Youtube, Facebook oder Instagram für Urheberrechtsverstöße auf ihren Seiten strafrechtlich verantwortlich machen. Daraus resultieren die sogenannten Upload-Filter die bereits beim einstellen eines Videos automatisch erkennen sollen, ob darin Urheberrechtsverstöße begangen werden. Es soll einen Anreiz geschaffen werden, Medienschaffende und Kreative besser für ihre Inhalte zu vergüten und verpflichtet die Plattformen gleichzeitig, Inhalte zu blockieren, für die von den Urhebern keine Lizenz erteilt wurde.

Die realistischen Folgen sind jedoch, dass massiv Inhalte blockiert werden, die in irgendeiner Form gegen das Urheberrecht verstoßen oder vom Rechteinhaber nicht lizenziert sind. Susan Wojcicki, CEO von Youtube kündigte bereits an, „dass der Artikel 13 und der Uploadfilter in der aktuellen Form die Möglichkeit, dass Millionen von Menschen Inhalte auf Plattformen wie YouTube veröffentlichen, bedroht“. 

Was interessiert mich das alles?

Ganz einfach: Du kannst viele Inhalte nicht mehr mit anderen teilen und auch die Zugänglichkeit zu vielen aktuellen Inhalten wird nicht mehr möglich sein. Du filmst den Auftritt deiner Lieblingsband auf dem Festival? Gerne, aber hochladen geht nicht mehr. Du fährst im Auto und singst mit deinen Freuden ein Lied im Radio mit? Behalt es lieber für dich, es wird vermutlich sowieso gelöscht. Die Folge wird einfach sein, dass kaum noch Inhalte Verbreitung finden, die auch nur das Urheberrecht ankratzen, damit sich Firmen wie eben Youtube vor strafrechtlichen Konsequenzen schützen. Das gilt natürlich nicht nur für Youtube, sondern für (fast) alle Plattformen, die Inhalte mit User-generiertem Content  bereitstellen.

In der Praxis ist diese Prüfung kaum möglich. Wie will Youtube bei jedem Video kontrollieren, ob dem Ersteller alle Rechte der Beteiligten vorliegen? Im Prinzip müsste ja auch deine Freundin zustimmen, die auf dem Video zu sehen ist und auch eine Sport-Artikel Firma möchte möglicherweise nicht, dass du mit ihrem Logo in dem Zusammenhang zu sehen bist und das zufällig im Hintergrund ein Stück aus dem Radio zu hören ist – hast du die Rechte dafür?

Was kann ich tun?

Sich eine Meinung bilden und diese den Parlamentariern unter die Nase reiben, vor allem denen, die FÜR diese Art der Filterung sind. Demokratie heißt nicht, zugucken, abwarten und lamentieren. „Ist mir doch egal, diese Internetriesen müssen endlich mal den Marsch geblasen bekommen!“ Letztendlich betrifft es jeden, auch die, die eigentlich geschützt werden sollten, nämlich die Kreativen und Medienschaffenden. Wenn Plattformen, die ihnen eigentlich den Weg zum Empfänger ebnen können, nun ihre Inhalte ablehnen, bekommt sie niemand zu sehen. Niemand kann sie teilen, verbreiten und darüber berichten. Und alles nur, weil es irgendwo ein Lizenzgeber tangiert.

Wer hat dann noch Lust irgendwas zu machen? Schon jetzt ist das Veröffentlichen im Internet ein Minenfeld aus Urheberrecht, Lizenzinhabern und Datenschutzverordnungen. FairUse und Remixkultur rücken damit in ein weit entferntes Universum. Mittlerweile rudern ja die Lobbyisten zurück, Bertelsmann, einer der größten Rechteinhaber Europas, scheint Stimmung gegen die Reform zu machen, wie der Spiegel berichtet.

Und auch wenn andere Probleme unserer Welt viel größer erscheinen, so sind es letztendlich solche Gesetze und Werkzeuge, die einen Umgang mit eben diesen Problemen im Internet unmöglich machen. Das Netz ist längst der Ort, an dem Demokratie gelebt wird. Das immer weiter zu reglementieren, zu kontrollieren und letztendlich zu filtern schadet jedem.

Zeichnet die Petition, die mittlerweile eine der größten Petitionen ist, die es in dieser Form gegeben hat. 4,7 Millionen Menschen haben bereits unterschrieben.

Mehr Informationen:

Noch 119 Tage: Doku-Countdown zum WGT: Wave Gotik Treffen 2000

Der Januar ist doof, ich mag den Januar nicht. Eigentlich kenne ich niemanden der den Januar mag. Der Januar ist der Montag unter den Monaten. Aber wie Montage sind auch Januare ein neuer Anfang. Ein Auftakt. Nein, nicht zum abnehmen, nicht um endlich mehr Sport zu machen, weniger zu rauchen, mehr Zeit mit Familien und Freunden zu verbringen oder was auch immer man sich vornimmt, was man dann eh nicht tut. Deswegen erscheint der Artikel auch erst im Februar. Ich mag den Januar eben nicht.

Aber immerhin beginnt im Januar, zumindest für mich, so ganz langsam der Countdown zum nächsten Wave-Gotik-Treffen. Angefeuert wird die dezente Vorfreude von den ersten Bandbestätigungen. Dieses Jahr ganz besonders, sind doch für mich bereits jetzt einige Highlights dabei. Um die Vorfreude weiter zu steigern habe ich daher in den tiefen von Youtube eine Reihe Videos zu vergangenen WGTs ausgegraben, die ich euch nicht vorenthalten möchte und die euch die Zeit bis in den Juni von Monat zu Monat verkürzen sollen. Wir beginnen mit dem Jahr 2000. Noch 119 Tage.

Das „Chaos-WGT„. Irgendwie scheint es mir auf den ersten Blick, hat sich nicht viel verändert. Der Hauptbahnhof an dem viele der Besucher ankommen, sieht halt aus wie er aussieht, die Schlangen sind lang, das Straßenbild schwärzer als üblich. Aber irgendwie ist es doch anders. Das liegt sicher nicht (nur) daran, dass es dieses besondere WGT war. Im Gegensatz zu heute sieht man in den Aufnahmen mehr Samt, mehr dezentes Schwarz. Netz schien damals noch wesentlich angesagter und auch Glöcken sind heute nicht mehr der letzte Schrei. Die Federflügel, die damals noch beliebt waren, sind heute durch imposanten Kopfschmuck abgelöst worden. Auch große Kreuze kommen erst seit kurzem wieder in Mode scheint mir. Haben sich die Äußerlichkeiten wirklich so sehr verändert, oder nehmen wir es heute nur anders wahr? Mir zumindest erscheint das Auftreten der gezeigten Besucher wesentlich unaufgeregter als heute. Ist das nur die Verklärung einer Zeit, die ich so nicht miterlebt habe? Vielleicht war der ein oder andere ja dabei und kann berichten? Wie empfindet ihr es rückblickend? Wie empfinden es andere, die das WGT zu dieser Zeit auch noch nicht erlebt haben, beim betrachten der Aufnahmen?

Viele Leipziger wirkten damals schon recht offen und neugierig. So finden es einige „sehr interessant die Leute anzuschauen“ und bewundern, dass sie sich Besucher nicht verbiegen lassen. Anderem wiederum scheint die ganze Sache etwas suspekt: „Ist nicht meine Art aber wir finden es halt lustig. Was heißt lustig, das ist die Auffassung von denen und wie gehören halt so nicht dazu, aber wir akzeptieren das und tolerieren das.“ Und teilweise klingt deutliche Skepsis durch. „Was man davon halten soll, ich weiß es nicht“ gibt ein älterer Herr zum besten und seine Begleitung weiter: „Manche sehen ganz süß aus. Aber manche, da könnte man sich kaputt lachen, wie manche rumrennen.“ Wenn ich die Bemerkungen so höre, muss ich daran denken, dass man sich in meinem Umfeld auch einige Jahre später noch unter Teenagern erzählt hat, dass es am Bahnhof eine „Satanistenkneipe“ gäbe. In dieser Hinsicht scheint mir hat sich also schon einiges verändert. Ich empfinde die Reaktionen und Ansichten zumindest als wesentlich entspannter. Als neugieriger. Als offener. Vielleicht, weil die mediale Präsenz größer geworden ist. Vielleicht weil viele erwachsen geworden sind und man auch im beruflichem Umfeld gemerkt hat, das es sich nicht nur um rebellische Teenager in einer provokanten Phase handelt. Oder doch weil sich die Szene einer deutlichen Kommerzialisierung und damit einem breiteren Publikum geöffnet hat?

Gruft-Orakel Februar 2019: Der Vampir ist diesen Monat sehr anziehend

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Ein neuer Monat, ein neues Orakel – die gruftige Version eines Horoskops, dass uns voraussagen soll, was und in den kommenden Tagen erwartet. Vielleicht erinnert ihr Euch, im Januar präsentierte ich Euch das erste Gruft-Orakel von Alana Abendroth, diesen Monat geht es nahtlos weiter. Die gute Nachricht: Der Vampir (mein Gruft-Zeichen) soll diesen Monat sehr anziehend wirken, die schlechte Nachricht: Niemand kann mich sehen. Die Selbst-Überprüfung im Spiegel zeigte im übrigen: Das ist auch ganz gut so.

Gruft-Orakel Februar 2019

1990: Waver Treffen auf der Domplatte in Köln – Bericht über einen Vorläufer des WGT

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Für einen großen Teil der Szenegänger ist das Wave-Gotik-Treffen ein gewichtiger Teil ihres dunkeldüsteren sozialen Lebens. Hier trifft man Bekannte und Freunde aus der ganzen Welt, die aufgrund von Globalisierung deutlich geschrumpft zu sein scheint. Seit nahezu 30 Jahren ist das Festival, das jährlich zu Pfingsten in Leipzig stattfindet, der Inbegriff des Szene-Treffens. Doch subkulturelle Treffen hat es auch schon vorher gegeben. Das Wave Treffen in Köln, das auf der Domplatte zu Füßen der berühmten gotischen Kirche stattfand, ist so ein Prequel – einer der Vorläufer der Erfolgsserie WGT.

In der im Juli 1990 erschienenen Ausgabe des Magazins „Glasnost“ berichtet der Autor vom Besuch des Treffens, das auf die Bewohner und anderen Besucher der Stadt so gewirkt hat, wie es einige Jahre später auch in Leipzig empfunden wurde:

1990 - Domplattentreffen in Köln„Haben Sie hier ein Treffen?“ war die häufigste Frage, die die Kölner Bürger an diesem Tag stellten. Ein ungewöhnliches Bild bot sich schon, als sich mehrere hundert schwarz gestylte Waver und Gothics und einige Punx zu einem friedlichen Happening vor dem Kölner Dom versammelten. Man traf alte Freunde und schloss neue Bekanntschaften, Informationen wurden ausgetauscht und Kontakte zwischen Städten ausgebaut. Mit neugierigen Blicken blieben die Passanten stehen. Viele sprachen ganz unerschrocken  mal einen Waver oder eine Waverin an und fragten offenherzig nach Sinn und Hintergrund der schwarzen Erscheinungen. 

Dabei war auch viel Unsicherheit und Angst zu spüren. Die Souvenirläden rund um den Dom hatten Hochkonjunktur im Verkauf von Kreuzen und Rosenkränzen. So wundert es nicht, dass die Bürger hinter dem martialischen Styling vieler Teilnehmer von einer neuen Jugendrevolte bis zur Teufelssekte alle möglichen Bedrohungen vermuteten. Ebenso ratlos stand die Polizei dem Phänomen gegenüber, weshalb sie sich vernünftigerweise im Hintergrund hielt.

Für so manchen Bürger war es dann eine ganz neue positive Erfahrung, dass Jugendliche trotz exotischen Aussehens friedlich und freundlich sein können. Insofern provozierte der Massenaufmarsch nicht Empörung sondern eher Verständnis und Toleranz. Blamiert hat sich nur die Kölner Gastronomie. Zahlreiche Gaststätten verweigerten hungrigen Wavern den Zutritt.

Mittlerweile haben sich Waver natürlich in so ziemlich jeder Stadt etabliert, wenn es sie denn überhaupt noch gibt. „Exotisches“ Aussehen ist jedenfalls schon ein paar Jahre lang mehr kein Grund für Gastronomen, Gäste abzuweisen. Im Gegenteil. Wer möchte, findet im Spontis-Archiv auch Video-Aufnahmen vom 1993er Treffen auf der Kölner Domplatte.

Viel erstaunlicher dürfte für viele Leser sein, wie sich damals so ein Treffen organisiert hat, von woher die Leute alle gekommen sind, wie man davon erfahren hat und ob noch im Anschluss daran noch etwas unternommen hat. Ich würde mich freuen, den ein oder anderen Erfahrungsbericht in den Kommentaren von Zeitzeugen zu finden.

1990 - Domplattentreffen in Köln

Formel Goth – Von wilden Tieren, Kleidung mit Schachbrettmuster, Niederungen und einer US-Band Namens Ötzi

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Wusstet ihr eigentlich, dass Queen mit ihrem Video zu „Bohemian Rhapsody“ für das erste Musikvideo verantwortlich sind? In nur rund 9 Stunden entstand das fertige Video nach den Vorstellungen der Band, das am 20. November 1975 bei Tops of the Pops vorgestellt wurde. Es war als Ersatz für einen Auftritt in der Musiksendung gedacht, weil die Plattenfirma EMI eigentlich nicht an den Erfolg des „Überlangen“ Stückes glaubte und man sich wenigsten von dem Video eine verkaufsfördernde Wirkung versprach. Visualisierung zur Verkaufsunterstützung, wie man bei Wikipedia sagt. Wir kennen die Folgen und am Ende steht auch Formel Goth, dass das Bildmaterial der Bands zur Reichweitenerhöhung benutzt, irgendwie in den Fußstapfen der britischen Band.

Hante – Wild Animal

Hante fühlt sich lebendig, wenn sie auf der Bühne ihre Songs zum Besten gibt. Das ist auch gut so, denn sonst könnte die gelebte Melancholie in ihren Songs und die aus jeder Pore rinnende Dystopie des mitgelieferten Bildmaterials schnell zu einem anderen, möglicherweise falschen Schluss führen.

Unhappy Birthday – Niederung

Geburtstage sind nur bis zur Volljährigkeit lustig. Schließlich fallen mit 18 die magische Grenzen der Kindheit und Jugend (jedenfalls Theoretisch). Aber dann wird es traurig. Sagt man. Wenn man „drüber“ ist, spricht man nicht davon und erst zum Ende freut man sich über einen möglichen Highscore. Die Band Unhappy Birthday hat jüngst das Album „Schaum“ vorgestellt. Wir ergeben und des Traurigkeit von „Niederung“:

Ötzi – Hounds

Huch, die Amerikaner können Post-Punk. Die drei Damen der Band „Ötzi“ (ja, die heißen wirklich so), spielen sich erfrischend in den Genre-Himmel. Da ihre neusten Songs, die in einer „Part Time Punk“  Session vorgestellt werden sollen, noch nicht bebildert sind, gibt es hier was aus dem letzten Jahr.

Tilly Electronics – Kleidung find ich gut

Wer steckt unter den Fleisch gewordenen Schachbrettmustern von Tilly Electronics? Ist Tilly nur ein Schreibfehler für Silly? Wir wissen es nicht. Wir erfahren aber, das Kleidung offensichtlich gut gefunden wird, vorzugsweise aus elastischem semi-erotischem Spandex oder einem vergleichbaren anschmiegsamen Material. Ernsthaft nimmt man nur die Sinnlosigkeit, wobei dieses lyrische Konstrukt schon fast wieder sexy ist.

https://www.youtube.com/watch?v=QFyhPL9_WZU

Sisters of Mercy: Die coolen Kultstars bald wieder auf Tour

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Alles gelogen!“ unterschrieb Andrew Eldritch sein Porträt in der Bravo, die im Januar 1994 erschien. Ob er damit auch das im Artikel der Jugendzeitschrift angekündigte neue Album meinte, wissen wir nicht. Die Tatsache, das nach dem 1990 erschienen „Vision Thing“ kein offizielles Album mehr erschien, spricht möglicherweise dafür. Doch auch wenn sich Eldritch seit dem nicht wieder zu einem Album durchringen konnte, sind die Sisters mit ihrem kleinen Lebenswerk die Kultstars von damals geblieben. So tourt Eldritch auch heute noch regelmäßig durch Europa, erst vor ein paar Tagen kündigte man auf der offiziellen Seite der Sisters eine neue Tournee an. Wie viel Kult an dem bald 60-jährigen Eldritch noch dran ist, darf jeder für sich selbst entscheiden, vor 25 Jahren war beispielsweise für die 17-jährige Valerie klar: „Andrew hat eine faszinierende Ausstrahlung.

Superbang! 1993 – Die Sisters touren zusammen mit den Ramones durch Deutschland

Pechschwarzer Lippenstift, Totenköpfe und Kreuze um den Hals, aufgemalte Spinnennetze im Gesicht, die Haare mit Zuckerwasser und Haarlack asymetrisch toupiert, halb abrasiert: Über eine Stunde hat sich Tobias für das Superbang-Festival gestylt. „Das ist für mich das absolute Hammerkonzert“, schwärmt er begeistert. Tobias ist einer von 2.500 Fans, die gekommen sind, um ihre Kultidole zu sehen: die Ramones und The Sisters of Mercy.

Damals ist die gemeinsame Tour von den Sisters of Mercy, den Ramones, La Costa Rasa und Monster Magnet durch zehn deutsche Städte ausverkauft. „Der größte Teil der Fans fällt dabei durch schräges Styling auf: Schwarze Klamotten, bleich geschminkte Gesichter, punkig gestylte Haare sind im ausverkauften Münchener Terminal 1 angesagt.“ Damals begeistern die Sisters noch hauptsächlich Jugendliche und junge Erwachsene mit ihrer Musik, die sich selbst vom damaligen Mainstream abgrenzen. „Ich hasse alle Spießer. Diese aalglatten Chartheinis können mir gestohlen bleiben“, meint Andrea (15). Der gerade erwachsen gewordene Markus hat ein klares Statement: „Ich engagiere mich gegen Rechtsradikale, Tierversuche und Diskriminierung. Deshalb will ich mit der angepaßten Gesellschaft nichts zu tun haben und höre Musik, die anders ist.

Fragt man sich, wie viel von dem „Anders sein“ übrig geblieben ist, wenn die Sisters im kommenden Herbst wieder durch Deutschland touren. Wenn sie denn touren – 2015 mussten einige Auftritte abgesagt und verschoben werden, nachdem sich Eldritch eine Kehlkopfentzündungen zugezogen hatte.

2019 – Die Sisters of Mercy wieder auf Tour

Können sich eigentlich heute immer noch Jugendliche für die bald schon ollen Kamellen der Grufti-Szene begeistern? Ich wage zu bezweifeln, dass man sich 2018 mit dem Genuss von Sistes of Mercy Alben noch von dem abgrenzen kann, was Andrea damals ablehnte. Heute haben Sisters-Konzerte den Flair von Veteranen-Treffen im Karaoke-Club. Aber vielleicht irre ich mich ja auch – wer möchte, kann es zu folgenden Terminen in Deutschland ausprobieren:

  • 16. August 2019 – Grossmarkt Open Air Hamburg
  • 04. Oktober – Berlin (Columbiahalle)
  • 10. Oktober – Dresden (Alter Schlachthof)
  • 11. Oktober – München (Tonhalle)
  • 13. Oktober – Stuttgart (LKA Longhorn)
  • 14. Oktober – Köln (E-Werk)
  • 17. Oktober – Wiesbaden (Schlachthof)

Karten gibt es bei FKP Scorpio im Shop.

Wochenschau #1/2019: Für eine lebendige und respektvolle Diskussionkultur!

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Die Seite netzpolitik.org schafft seine Kommentare ab. Zwar lässt man sich einen moderierten Rückkanal offen, dennoch ist das für mich eine deutliche Reaktion auf das, was im Augenblick in vielen Kommentarbereichen stattfindet. Glücklicherweise (noch) nicht bei Spontis, denn hier funktionieren die Reinigungskräfte der Gemeinschaft noch ausgezeichnet. Doch zu manchen Artikel, die auch bei Facebook geteilt werden, würde ich am liebsten die Kommentare im sozialen Netzwerk abschalten. Warum? Man nimmt keine Artikel mehr als ganzes wahr, sondern nur als Überschrift. Und am liebsten reagiert man dann auf die Menschen, die sich dann genau darüber aufregen. Ein Tanz auf zwei Hochzeiten. Während hier im Blog ganz wunderbar diskutiert wird, laufen manche Artikel bei Facebook völlig am Thema vorbei. Trotzdem eine besorgniserregende Entwicklung. Auf beiden Seiten. Ich will noch nicht ganz einsehen, dass einige wenige das Netz so verseuchen. Glücklicherweise läuft das hier im Blog ein bisschen anders. Ich mag unsere Leser :-)  Zur Belohnung, die Wochenschau:

Johnny Deathshadow: Als wir angefangen haben, wirkte die Szene deutlich vitaler | Monkeypress

Von allem ein bisschen, wie mir scheint. Die Gothic-Metal-Combo Johnny Deathshadow spricht mit Monkeypress über den Zustand der Szene.  „Generell scheint das Livegeschäft aktuell etwas nachzulassen, zuhause bleiben ist wohl deutlich gemütlicher. Ob das nun eine Auswirkung der Digitalisierung und Spotify und Co. ist oder vielleicht einfach zu viele Bands touren und zu viele Festivals die Aufmerksamkeit des Publikums beanspruchen, weiß ich nicht. Wir haben aber auch den Eindruck, dass es ein Problem gibt. Als wir angefangen haben, wirkte die schwarze Szene deutlich vitaler.“ Warum verarbeitet das eigentlich niemand in Songs?

Stadt der Sterblichen – Besondere Kulturtage im September 2019 in Leipzig | #sds19

Im September 2019 finden in Leipzig zahlreichen Veranstaltungen statt, die das Thema Leben-Sterben-Tod wieder mehr in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken wollen. Sie nennen es selbst „Endlichkeits-Kultur“ und schmücken sich mit dem Motto: „Ja, eines Tages werde ich sterben – aber an allen anderen Tagen werde ich leben – also mache ich das Beste draus.“ Ein Interview mit Dirk Rotzsch gibt ein wenig Einblick in die Beweggründe für eine derartige Veranstaltungsreihe: „sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt? Weil es jeden betrifft. Es gibt ja kein Yin ohne Yang. Ich sag immer, das Leben ist die Krankheit zum Tode. Ich finde es absurd, sich mit abstrakten Bedrohungen den Tag zu versauen und zu ignorieren, dass die Sanduhr beständig den Sand durch die Verengung rieseln lässt. Manche Sorgen und Ängste sind so konstruiert und fallen doch auf fruchtbaren Boden und andere reale Bedrohungen werden wegignoriert.

„Jugendkultur wird nie nur online stattfinden“ | jetzt.de

Klaus Farin, Gründer des Archivs der Jugendkulturen, wird mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Womöglich, weil er jahrelang ein Archiv aufgebaut und betrieben hat, das seit je her keine Förderung der Stadt Berlin oder des Bundes bekommt. Zynismus bei Seite und zurück zur Überschrift. Für Farin ist jedenfalls klar, dass das Internet einen wichtigen Teil im Leben der Subkulturen hat: „Natürlich präsentieren Jugendliche sich auch in der Onlinewelt. Aber nicht nur. Vor allem erleichtert es das Internet auch, an bestimmten Kulturen teilzunehmen. Zum Beispiel, wenn du der einzige Punk in deinem Dorf bist. Oder als einziger in deinem Freundeskreis total auf Cosplay stehst. Durch das Internet kriegt man alles mit, wenn man möchte, und es gibt auch Jugendkulturen, die ohne das Internet nicht so präsent wären: Cosplay zum Beispiel. […] Vertreter einer bestimmten Kultur haben immer das Bedürfnis, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen und sie wirklich zu treffen. Jugendkultur wird nie nur online stattfinden.

WGT 2019: Leipzig führt Gästetaxe ein | LVZ

Die Stadt Leipzig erhebt ab diesem Jahr eine Gästetaxe in Höhe von drei Euro pro Tag und pro Person, mit den Mehreinnahmen, will man die „touristische Infrastruktur“ fördern. Für den durchschnittlichen WGT Besucher, der am Donnerstag anreist und Dienstag die Stadt verlässt, wird der Aufenthalt in Leipzig nun 18 Euro teurer werden. Ausgenommen von der zusätzlichen Gebühr sind Kinder und Jugendliche, Studenten und Auszubildende (Nachweis) sowie Behinderte und deren Begleitpersonen.

Der weltweit einzig bekannte Piraten-Friedhof ist in Madagaskar | Curiosity

Die kleine Insel Sainte-Marie, die rund 8 Kilometer vor der Küste Madagaskars liegt, war einmal die Heimat für geschätzte 1000 Piraten. Für 100 Jahre war jeder Pirat, der etwas auf sich hielt und unter seinesgleichen feiern wollte, zu Gast auf der Insel. Die zerklüftete Küste der Insel mit zahlreichen Buchten war ideal, sein Piratenschiff vor allzu neugierigen Jägern der königlichen Flotten zu schützen. William Kidd, Henry Every, Thomas Tew, John Bowen, und La Buse waren nur einige der Piraten, die sich dort des öfteren aufhielten. „We all know pirates weren’t the most venerated of characters — far from it. But, that doesn’t mean their fellow scoundrels didn’t give ‚em a proper burial when their time came. Today, Île Sainte-Marie is home to the world’s only known pirate cemetery. When pirates died on the island, they were buried atop a hill overlooking the water. Notorious marauders like Thomas Tew are known to reside in the cemetery, lying six feet under crumbling tombstones adorned with symbolic skulls and crossbones. Although it’s open to the public, the graveyard is now overgrown by tall grass and only has 30 headstones still intact. But that doesn’t stop adventurous travelers from paying a visit.

Final Destination in Frankfurt schliesst seine dunkle Pforten | Facebook

Der schwarze Club in der Frankfurter City, der auch über regionale Grenzen hinaus bekannt war, feierte am 5. Januar seine letzte Party. Betreiber Boxi führt 2 Gründe an, die zur Schließung geführt haben: „Ich denke jeder von euch weiß, das die Geschäfte nicht mehr so rund laufen, wie noch vor 5 Jahren – der nicht enden wollende Sommer im letzten Jahr, hat uns fast das Genick gebrochen.“ – „Ich spreche nicht gerne darüber, in den letzten Jahren habe ich schon einige Weggefährten verloren […] Und auch meine Zeit ist mittlerweile, wegen einer Erkrankung begrenzt und ich möchte es zwingend euch nicht antuen , das ich im Final plötzlich zusammenklappe.“ Ob es mit der Location weitergeht, lies er offen, möglicherweise findet sich ja ein neuer Betreiber.

Gothic: Eine düstere, tolerante Jugendkultur | NDR

Schöne Zusammenfassung, die man auch gerne mal so stehen lassen kann: „Auch wenn Musik in der Gothic-Kultur als Ankerpunkt angesehen werden kann, sind es vor allem die mit der Szene verbundenen Ansichten, die die Lebensart der Goths bestimmen. „Geordneter Rückzug ist ihre Antwort auf eine als intolerant, konsumorientiert und egoistisch empfundene Gesellschaft“, so beschreibt es Autor Ingo Weidenkaff im Buch „Jugendkulturen in Thüringen“ […] Im Gegensatz zu den oftmals als provokant und ideologisch angesehenen Punks lege die „Schwarze Szene“ weniger Wert auf eine echte Einflussnahme ihrer Umwelt. Dennoch sei ihre Weltanschauung nicht inhaltsleer: „Vor allem Toleranz ist in der Szene ein ganz wichtiger Begriff. Homophobie, Rassismus, Sexismus – das sind ihre Gegner.

Radiosendung: Wie Siouxsie and the Banshees die Gothic-Bewegung befeuert haben | BR

Es wird mal wieder Zeit für ein bisschen Radio: „Siouxsie and the Banshees waren eine kultige und stets unnahbare Band mit einer der gewagtesten Frontsängerinnen im Pop: Siouxsie Sioux. Wir blicken zurück auf die 20-jährige Geschichte der Band und auf die Ursprünge der Gothic-Bewegung.“ Schöne Sendung, die nebenbei in die Kopfhörer dudelt. Stellenweise ein bisschen langatmig, aber hörenswert!

Rebel Dykes: Punk trifft Feminismus im Post-Punk London der 80er | Rebel Dykes

REBEL DYKES tells the story of a bunch of kick-ass young dykes who find each other in post-Punk London, and carve out a rebellion that has been detonating ever since.  Using interviews, original music, animation and archive, REBEL DYKES recreates the lives of a group of friends who meet at Greenham Common peace camp. Returning to London, they fight, love and live together, finding the freedom and power to live out their politics, and create their own world.

https://vimeo.com/221887606

Silent Disco: Neuer Trend für geplagte Betreiber die mit Lärmschutz geknechtet werden? | KFMW

Nichts ist nerviger als eine Discothek in der Nachbarschaft, oder? Nicht diese:

Das verlassene Fort Alexander vor Sankt Petersburg | YouTube

Schwarze Flecken in der Vergangenheit – Früher war alles … peinlich?

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Wie ich früher rumgelaufen bin? Total Peinlich!“ Vor ein paar Tagen wurde mir ein Video einer gewissen „CiraLaMare“ präsentiert, in dem sie sich mit Bildern aus ihrer Gothic-Vergangenheit beschäftigt, die sie rückblickend total peinlich findet. Doch die Fashion und Lifestyle Vloggerin, die schon eine Weile nicht mehr aktiv zu sein scheint, steht nicht im Mittelpunkt dieses Artikels, sondern war lediglich Stein des Anstoßes. Es geht vielmehr um die Frage, ob wir überhaupt etwas in unserer Vergangenheit peinlich finden sollten. Möchten wir lieber vergessen oder verdrängen und vielleicht im Gefühl der verschwendeten Jugend baden oder blicken wir belustigt oder stolz auf das zurück, was und wie wir waren?

Der Stein des Antoßes

CiraLaMare kam über „so ein Online-Portal“ zur Szene, fand, die Leute sehen super aus und konnte sich mit der Musik identifizieren. Sie beschloss: „…ich möchte auch so aussehen!“. Mit 14 setzte sie diesen Plan in die Tat um und färbte sich zum ersten mal die Haare, trug schwarze Klamotten, Doc Martens und schwarzen Cajal als Lippenstift. Heute möchte sie lieber nicht darüber nachdenken, „was die anderen Leute gedacht“ haben, als sie sich so in einem Park hat ablichten lassen. Damals war es ihr noch egal, wie sie sagt. Es geht ihr nicht darum, den Stil zu belächeln, sondern vielmehr sich selbst.

Hier war ein Link zu dem entsprechenden Video. Leider hat CiraLaMare ihren gesamten Kanal gelöscht, daher bleibt das hier jetzt leer.

Im Grunde genommen wäre das keinen Artikel wert gewesen, würde mich das Video nicht an das Gegenteil dieser Form der Vergangenheitsbewältigung erinnern. Das Vergessen und Verdrängen.

Von Jugendsünden und Vergangenheitsverdrängung

Drei Fälle aus meiner Blogger-Vergangenheit zeigen die andere Seite der Medaille. Wenn die eigene Vergangenheit nicht nur als peinlich, sondern als existenzbedrohend, rufschädigend oder schmerzhaft angesehen wird.

Fall 1 – Der Übergrufti: In den späten 80er war er in der ganzen Szene bekannt. Ein formvollendeter Grufti, der selbst vor einer melancholischen, mystischen und okkulten Lebensweise nicht zurückschreckte. Einem Fernsehteam präsentierte er sich und seine damaligen Ansichten. Vor einiger Zeit machte ich mich auf die Suche nach dem Menschen, wollte wissen, wie er zu Szene der 80er gefunden hatte und wie es damals überhaupt zu so einem Fernsehauftritt gekommen ist. Tatsächlich wurde ich fündig und versuchte, ihm seine Geschichte zu entlocken. Doch ihm war seine Vergangenheit nicht nur peinlich, sondern er sah auch darin seine aktuelle Lebensqualität bedroht. „Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich schon wieder damit in Verbindung gebracht werden möchte. Ich war 19 Jahre alt und werde immer wieder damit lächerlich gemacht. Heute bin ich selbstständig und dank Google kann das dann jeder wieder in Zusammenhang bringen.“

Fall 2 – Der Journalist: „Gruftis – die den Tod zum Gott erheben“ titelte in den frühen 90ern eine Zeitschrift in einem ziemlich schlechten Artikel. Die Vermischung von Fakten, Behauptungen und Halbwahrheiten sprengte jeden guten Geschmack. Ich suchte nach dem Autor des Artikels und fand heraus, das dieser mittlerweile als Journalist beim WDR arbeitet. Ich bringe in dem Artikel beides in Zusammenhang und bekomme ein paar Monate später eine Nachricht. Ja, tatsächlich habe er den Artikel geschrieben, doch nicht so, wie ich ihn dargestellt habe. Er schrieb: „…habe ich damals von April 1991 bis Januar 1992 dort gearbeitet. Einzelheiten möchte ich Ihnen ersparen, aber das Blatt hatte durch Wechsel in der Chefredaktion sein Gesicht radikal verändert. Es war üblich, dass von einer Autorengruppe alle Texte umgeschrieben oder ergänzt wurden – ohne Rücksprache.“ Er kündigte damals seine Stelle und hat nun offenbar diesen „schwarzen Fleck“ in seiner Vergangenheit. Ich schwärze damals seinen Namen und lösche die Verknüpfung zu seinem jetzigen Profil.

Fall 3 – Herz und Gefühl: Durch das Bloggen lerne ich eine sehr liebe Dame kennen, die mir zunächst stolz von ihrer Vergangenheit erzählt. Sie ist in den ganz frühen 80er nach England gezogen und hart dort einige Jahre gelebt, ihre große Liebe gefunden, ist zum Grufti geworden um dann das Land überstürzt, enttäuscht und verbittert einige Jahre später wieder zu verlassen. Ihr Geschichte fasziniert mich. Sie hat sogar Tagebuch geführt, Briefe und Gedanken aufbewahrt. Ein Zeitzeuge, der die Entstehung unserer Subkultur miterlebt hat. Ich treffe mich einige Male mit ihr, besuche sie zu Hause, lerne sie kennen. Immer wieder versuche ich, ihr ihre Geschichte zu entlocken, ihren erlebten und somit unfassbar authentischen Lebensweg als Geschichte niederzuschreiben, doch es scheitert immer wieder an dem Schmerz, der diese Zeit hinterlassen hat. Ich gewinne den Eindruck, die Erinnerung daran tut ihr nicht gut und beende mein Bestreben, ihre Geschichte nachzuzeichnen.

Flecken der Vergangenheit

Jede Vergangenheit ist einzigartig und jede persönliche Erinnerung wird so wahrgenommen, wie man sie empfindet. Zwischen der „peinlichen Vergangenheit“ die man in einem überdreht lustigen Video selbst auf die Schippe nimmt und der Vergangenheit, die immer noch weh tut, liegen Welten. Ein markantes Äußeres, wie im Falle von CiraLaMare, die sich mal eine Zeit lang wie ein Grufti gekleidet hat, lässt sich mit ein wenig Abstand selbstbewusst ertragen. Vielleicht ist man ja sogar stolz auf sein düsteres Erscheinungsbild und den Mut, den man „damals“ aufbrachte. Doch immer wenn da mehr mit im Spiel ist, wenn es eben nicht nur ein modische Erscheinung im eigenen Kleiderschrank ist, kann man nicht immer über die Vergangenheit lachen. Aber das, was gewesen ist, lässt sich nicht mehr ändern. Schon gar nicht durch das Verdrängen.

Wie ist das mit eurer Vergangenheit? Auch alles peinlich? Wie denkt ihr über euer Erscheinungsbild aus der Jugend? Wie sehr identifiziert ihr euch noch mit dem, was ihr damals von Euch gegeben habt? Ist alles, was ihr damals so getrieben hat ein Teil von Euch oder belastende Erinnerung?