Durchgelesen: Grufties – Jugendkultur in Schwarz

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Eine Sisyphusarbeit ist das akribische Analysieren des Gruftie- oder vielleicht besser verständlich Gothic-Stils in all seinen nach außen hin sichtbaren Merkmalen. Zu recht bemängeln Kritiker, das man sich einer Jugendkultur und insbesondere der Gothic-Szene nicht allein von dieser Seite aus näher kann um sie überhaupt als solche zu erfassen und in Ansätzen greifbar zu machen. Man bezweifelt sogar, das dies überhaupt möglich ist.

2000 machen sich Doris Schmidt und Heinz Janalik daran, die bis dahin bekannten Erscheinungs- und Ausdrucksformen der Grufties zu erfassen. Das sie dabei den wesentlichen Kern nicht erreichen ist ihnen bewusst: „Wer als Außenstehender Erkenntnisse über jugendkulturelle Szenen gewinnen will, um Verstehen und Verständnis als Grundlage für humane Koexistenz zu entwickeln, muss in einen vorbehaltlosen und vielseitigen Dialog mit den Repräsentanten der Szene treten, wohl wissend, dass ein Beobachter von außen die von den Jugendlichen gezogenen Grenzen anerkennen muss und deshalb in gewisser Weise immer außerhalb verbleiben wird.

Bevor im mir das Buch bei Amazon bestellt habe, kam ich nicht daran vorbei, die Kritiken der Leser zu studieren, die sich bis dahin dem Buch genähert haben. Die durchweg schlechten Kritiken ließen mindestens eine Sache erahnen, entweder wurden Erwartungen nicht erfüllt weil das Buch dafür nicht geeignet ist, oder die gestellten Erwartungen waren einfach falsch, wir werden sehen und erfahren warum Brillen die Masken der Grufties sind.

In erster Linie geht es in dem Buch um das äußere Erscheinungsbild der Grufties, deren Unterscheidung und Bedeutung einzelner Stilelemente. Die Szene als solche zu erfassen, zu beschreiben und zu analysieren strebt das Werk nicht an. Dafür wird jedoch fein säuberlich auseinandergelegt, was die Gruftieszene und die Untergruppierungen (Wave, Romantic, SM-Stil und Normal-Stil) ausmacht, woraus ihr Look besteht, welche Accessoires man verwendet, welche Frisuren man sich macht und wie das Make-Up getragen wird. Wenn man so möchte ist das Buch ein ultimativer „Wie muss ich mich anziehen um gruftig zu sein?“ Leitfaden, der nicht viel auslässt – wenn man sich am Erscheinungsjahr 2000 orientiert.

Die Eckwerte des Buches sind ernüchternd. Für rund 15€ (Amazon) erhält man ein 126 Seiten umfassendes Werk, das sich gespickt mit unzähligen Quellen und Bildern in schlechter Qualität einem Thema nähert, was eine starke emotionale Komponente besitzt, die in dem Buch als solche gar nicht zum tragen kommt. Es bleibt eine sachliche Aufzählung dessen, was 2000 das Gruftie Dasein ausmachte, das mitunter in übertriebene Detailverliebtheit ausartet. Ich möchte als stellvertretendes Beispiel für den Stil des Buches, seinen Informationsgehalt und die stellenweise Absurdität ein Kapitel über die Sonnenbrillen zitieren:

10.3 Brillen – Etliche Grufties beiderlei Geschlechts schmücken wie ihre Vorläufergruppe der New Waver ihr Gesicht mit dunklen Brillen. Solche Brillen mit dunklen Gläsern dienen üblicherweise als Sonnenbrille dem Schutz vor UV-Strahlen und werden seit den 50er Jahren als modisches Accessoire mit vielfarbigen Fassungen getragen. Neben ihrer Schutzfunktion haben Brillen mit dunklen Gläsern zuweilen auch die Funktion, den Träger oder die Trägerin vor den Blicken anderer zu schützen […].

Solcherart verwendete Brillen sind letztlich Masken, die den Träger oder die Trägerin unkenntlich machen und manchmal auch Distanz schaffen sollen. Sie verweisen damit auf die Masken im 16. und 17. Jahrhundert. Damals wurden von der Stirn bis zur Nase reichende Halbmasken aus schwarzem Samt oder aus Seide getragen. Sie hatten ursprünglich ebenfalls eine Schutzfunktion, nämlich den Teint gegen die Witterung zu schützen. Im 17. Jahrhundert bekam diese Halbmaske, die sog. Chanez eine andere Funktion. Sie wurden von beiden Geschlechtern benutzt, um unerkannt zu bleiben. Diese Absicht, Identität zu verbergen oder eine andere Identität zu verkörpern und für diese Aufmerksamkeit zu erregen, steht hinter den Glanzmasken der griechischen Schauspieler in der Antike und kann noch heute beim Karneval in Venedig identifiziert werden.

Auch Grufties eröffnen sich mit ihren dunklen Brillen die Möglichkeit, einerseits in auffälliger Weise unerkannt zu bleiben. Andererseits provozieren sie mit diesem Accessoire die Neugier des Betrachters und wecken dessen Interesse am Träger.

Faszinierend. Zwischen dem Gefühl aus Oberflächlichkeit, Geschichte und Absurdität steckt ein Funke von dem wofür sich dieses Buch letztendlich dann doch eignet. Für Hintergrundwissen über den eigenen Stil und das konsequente Verfolgen geschichtlicher Ansätze – von der Einrichtung der schwarzen Wohnung, die Unterscheidung grundsätzlicher Äußerlichkeiten bis hin zu Sonnenbrillen. Wer wissen will, warum Grufties spitze Schuhe tragen ist hier richtig, wer wissen will was hinter der Szene steckt, was Menschen dazu bewegt und warum es für manche über einen einfachen Kleidungsstil hinausgeht, ist hier falsch aufgehoben. Kauftipp? Fehlanzeige.

Das Kind in dir – Kindergeburtstage

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Schon eine ganze Zeit habe ich die Aktion Das Kind in Dir von Heuni in meinem Google-Feed-Reader und immer wieder erfreue ich mich an den kleinen Anekdoten die es aus den Tiefen mancher Teilnehmer zaubert. In der 10. Jubiläumsrunde geht es Heuni um die Kindergeburtstage, die man gefeiert hat, eine Gelegenheit das Internet mit einer Anekdote zu versorgen, die mir just in den Sinn gekommen ist.

Kindergeburtstage sind ein beinahe traumatisches Erlebnis, denn ich habe eigentlich nie Kindergeburtstage gefeiert und beinahe traumatisch, weil ich darunter eigentlich nie gelitten habe und noch bis heute nicht leide. Ich muss dazu etwas weiter ausholen. Natürlich weiß nicht wirklich jemand, wann sein erster Geburtstag gefeiert wurde, oder wann man seine ersten Kerzen dazu ausgeblasen hat – denn in dieser frühzeitlichen Entwicklung seiner Persönlichkeit ist man ja eher das Opfer seiner Erziehungsberechtigten. Die haben in meinem Fall keinen wirklichen Wert darauf gelegt mich auf meinem Geburtstag in Szene zu setzen, Weihnachten waren eigentlich die Feiertage der Feiertage. So erinnere ich mich erstmals an eine Geburtsfeier als ich im Kindergarten war, mehr dunkel, aber aus Erzählungen formt sich daraus ein Bild.

Ich habe als Kind immer sehr darunter gelitten, das meine Eltern nicht im Besitz eines Führerscheins und demzufolge auch nicht im Besitz eines Kraftfahrzeuges waren, denn im Kindergarten vergleicht man sich mit anderen Kinder auch anhand der Statussymbole der Eltern. So habe ich dann versucht, das zu kompensieren in dem ich erzählte, wir hätten 7 Fernseher, was die Kinder aus dem Kindergarten natürlich sehen wollten und – ihr könnt es euch denken – bitter enttäuscht wurden.  So kam es wohl, das ich nie viele Freunde hatte und auch mein erster Geburtstag den ich feierte war eher dürftig besucht. Ganze 6 Seelen versammelten sich um unsere großen weißen Wohnzimmertisch, immerhin stilecht mit Hütchen, bunten Servietten, Kuchen und Kakao, dazu eine bemühte Mutter und eine eher genervte Schwester. Viel mehr ist davon eigentlich nicht hängen geblieben, denn danach feierte ich meine Geburtstage nicht mehr im klassischen Sinne, sondern eher im kleinsten Kreis. Intim möchte man sagen.

Versteht mich nicht falsch, meine Eltern feierten ihre Geburtstage auch eher sporadisch und sehr minimalistisch, meine Schwester ebenso. Ich habe es also nie wirklich anders kennengelernt und vermisse deshalb auch keine Erinnerungen daran. Als Kind genoss ich lediglich die Privilegien, die einem an seinem Geburtstag eingeräumt wurden: Essen nach Wunsch, lange aufbleiben, ungehemmt Fernsehen gucken und natürlich Geschenke, möglichst eingepackt und kindgerecht. Mir konnte man mit Lego immer eine Freude machen, später kamen Bücher und Hörspiele von TKKG und den drei Fragezeichen dazu. Lenkende Geschenke, wie andersartige Literatur und Prosa habe ich mit Missachtung gestraft.

Als Jugendlicher empfand ich Geburtstagspartys sogar als uncool und habe mich in meiner Selbstfindungsphase auch nicht wirklich gestört. Geschenke in Form von Geld gewannen nun zunehmend an Attraktivität. Zu meinem 18. Geburtstag schenkten meine Eltern mir das Geld für den Führerschein, mein zu dieser Zeit wichtigstes Geschenk, gerade vor dem Hintergrund jahrelanger Radfahrerei. Auch wenn es komisch klingt, ich feiere meine Geburtstage immer noch nicht gerne. Bis auf einige fremd organisierte Feiern, die ich natürlich nicht ablehne, ist alles so geblieben wie es einmal war. Ich bin neugierig, wie es den anderen Teilnehmern heute ergeht.

[Update] Massenpanik bei Loveparade in Duisburg

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Die Loveparade, die dieses Jahr unter dem Motto „The Art of Love“ in Duisburg stattfand wurde durch eine Katastrophe nur noch ein Schatten ihrer selbst. Bei einer Massenpanik vor dem Haupteingang des Veranstaltungsgeländes sind nach Angaben von tagesschau.de mindestens 19 Menschen ums Leben gekommen, 342 wurden schwer verletzt. (Stand vom 25.07.2010 – 07:42) Wie es letztendlich zu dem Unglück kommen konnte ist noch ungeklärt, die zahlreichen und mittlerweile auf YouTube hochgeladenen Videos zeichnen ein erschreckendes Bild.

Wie auf dem Liveticker Der Westen nachzulesen ist, sieht Duisburgs Oberbürgermeister die Schuld bei den Besuchern selbst: „Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland sieht die Ursachen nicht im Sicherheitskonzept. Die Ursache sei, das 15 Menschen über die Absperrung und dann die Mauer hochgeklettert seien und – vermutlich aus acht bis neun Metern Höhe – heruntergefallen seien. Die Notärzte hätten bei den Toten und Verletzten Quetschungen des Rückenmarks festgestellt. Das unterstreiche seine These.“ (20:32)

Ich finde es unmöglich, verwerflich und respektlos das man sich zu solchen Äußerungen hinreißen lässt und den Toten die Schuld selbst zuschiebt. Wahrscheinlicher ist, das es durch viele Umstände zu der Massenpanik gekommen ist, die im Vorfeld unterschätzt wurden. In einer solchen Menschenansammlung aus der eine solche Panik entsteht, herrscht eine ganz eigene Dynamik, die man als einzelner nicht kontrollieren kann, was bei vielen wieder zu einer Panik führt. Die Menschen die auf gefährliche Art und Weise solche Wege nutzen und dann abstürzen handeln in Todesangst und niemand, der nicht gleiches empfunden hat, darf so vermessen sein zu urteilen wie man sich besser verhalten hätte. Das solche Veranstaltungen grundsätzlich beherrschbar sind, zeigen viele Beispiele aus der Vergangenheit: Die Loveparade in Berlin oder auch das Stillleben auf der A40 einige Tage zuvor.

Adolf Sauerland weiter: „Adolf Sauerland verteidigte sich auf der Pressekonferenz im Rathaus gegen Vorwürfe, das Festival-Gelände sei nicht geeignet und die Stadt Duisburg  nicht auf den Andrang und Engpässe vorbereitet gewesen: „Alle Sicherheitsvorkehrungen, die notwendig waren, sind von den Ordnungskräften eingeleitet worden. Es ist dafür gesorgt worden, dass nur die Größenordnungen in den Tunnel geleitet wurden, die der Tunnel verkraftet. Aber soweit wir das Szenario kennen, sind die Toten entstanden, weil man Sicherheitsvorkehrungen überklettert hat und dann abgestürzt ist.

Angesichts der Bilder und der Berichterstattung wirkt die letzte Aussage des Bürgermeisters wie ein schlechter Scherz. Ich denke, ein solcher Zugang ist grundsätzlich ungeeignet für eine Veranstaltung dieser Größenordnung und der Hauptgrund für ein solches Unglück. Man hat die Menschenmassen unterschätzt und sich zu einer vorschnellen Genehmigung verleiten lassen. Schuld sucht man nicht bei den Toten einer solchen Panik, sondern bei denen die im Vorfeld nicht weit genug gedacht haben.

[UPDATE]:

Den wohl eindringlichsten und objektivsten Bericht zur Katastrophe in Duisburg lieferte am Sonntagabend SpiegelTV, die mit einem Großaufgebot an Kameraleuten eigentlich die üblichen Nebenwirkungen der Loveparade dokumentieren wollten. Was die Redakteure dann bis Sonntagabend zusammentragen, ist unglaublich authentisch und erschreckend und dürfte den Veranstaltern und Verantwortlich das Genick brechen. Hier ist es mit einfachen Rücktritten und Beileidsbekundungen nicht getan.

Spiegel TV Magazin – Chronik einer Katastrophe Teil 1
Für die Stadt Duisburg sollte das Techno-Event ein Imagegewinn sein. Man wollte zeigen, dass man dem Ansturm auf die Parade auch in einer mittleren Großstadt gewachsen ist. Eine fatale Fehleinschätzung, wie die Katastrophe von Duisburg gezeigt hat. Sehen Sie eine Rekonstruktion der Ereignisse von SPIEGEL TV.

Spiegel TV Magazin – Chronik einer Katastrophe Teil 2
Wie man auf die irrwitzige Idee kommen konnte, eine Million Menschen durch einen einzigen Tunnel zum Veranstaltungsgelände zu schleusen, bleibt das Geheimnis der Veranstalter. Am Haupteingang kommt es zur Massenpanik. Teil 2 der Rekonstruktion – Eine Treppe als Todesfalle

Spiegel TV Magazin – Chronik einer Katastrophe Teil 3
Die Katastrophe ist eingetreten: Mehr als 300 Verletzte, 19 Tote und ein Massenspektakel, das zum Alptraum geworden ist. Teil 3 der Rekonstruktion – Die Retter.“

Spiegel TV Magazin – Chronik einer Katastrophe Teil 4
19 20 Menschen sind tot. Das Sicherheitskonzept hat versagt. Teil 4 der Rekonstruktion – Es beginnt die Suche nach den Schuldigen.

Gruftis aus Solingen in der Sendung „Menschen 1993“

Vorurteile sind da, um ausgeräumt zu werden. Als ich das Video „Menschen 93“ aus der Sendung Schaufenster entdeckte, bin ich grundsätzlich vom schlechten ausgegangen, denn die Medien dieser Zeit nicht gerade berühmt für eine differenzierte und objektive Berichterstattung.  Meine negative Herangehensweise zeugt zwar nicht von grundsätzlichem Optimismus, den sonst immer nach Außen trage, schützt aber davor enttäuscht zu werden und lässt die Freude beim Gegenteil wachsen.

In der Anmoderation heißt es: „[…] Wir bleiben unter Menschen. Menschen 93. Gestern waren wir noch zu Gast beim Grafen und sahen die Buchenscheite im Kamin brennen, heute tauchen wir in eine ganz andere Szenerie. Junge Leute, die nicht so aussehen, als hätten sie den Tag zum Freund: Gruftis, dunkle Gestalten. Alles Quatsch, ganz normale Jugendliche die sagen was ihnen wichtig ist im Leben und was nicht.

Los geht es mit einer kurzen Vorstellung der Szene-Discothek Exit in Solingen, in der Menschen mit „wilden Frisuren und schwarzer Kleidung“ ihrer Musik lauschen. Es geht aber nicht darum, was Gruftis sind oder was ihnen die Szene oder ihr Aussehen bedeutet, sondern eigentlich und angenehmer Weise um den Menschen hinter der für viele immer noch abschreckenden schwarzen Fassade. Ganz normale Jugendliche, die sich den Fragen des Redakteurs über Ausländerfeindlichkeit (vor dem Hintergrund des Mordanschlags in Solingen), Wahlen, Zukunftsvisionen, Konsum und Kapitalismus stellen. Ganz interessant, was Sascha, Christian und Tassilo dazu zu sagen haben – Weltschmerz? Depression? Engstirnigkeit? Meinungslos? Mitnichten. Eigentlich nur Jugendliche die anders aussehen.

In der Abmoderation flachst der Moderator: „Ich wette, die bieten alten Frauen in der Straßenbahn sogar ihren Sitzplatz an und vielleicht setzen sie sich demnächst mal neben so einen jungen Mann.“ Ja, das taten wir, tun wir und werden wir tun, großes Grufti-Ehrenwort. Schaut euch selbst an, was die 3 zu sagen haben und erinnert euch vielleicht an eure Einstellung in diesem Alter. 1993 war ich 19 Jahre alt, gerade mit der Lehre fertig und muss zu meiner Schande gestehen, das ich ein Jahr später nicht zur Wahl gegangen bin.

Musikperlen – Arroganz als Teil des Zeitgeistes (Tauchgang #14)

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X-mal Deutschland – Mondlicht

Die stark unterkühlte und ehemalige Frontfrau Anja Huwe hat sich ja mittlerweile der Kunst verschrieben und ist mit ihrer Ausstellung „Listen to the Pictures“ auch in Deutschland selbst unterwegs. Sie prägte in den frühen 80ern eine Bühnenpräsenz, die man durchaus als arrogant bezeichnen dürfte. „Wenn ich mich selber so rückwirkend betrachte, ich habe nie mit meinem Publikum gesprochen, ich hab die ja nicht mal angeguckt. Wir haben da irgendwie unsere Nummer abgezogen und sind gegangen. Das war auch so Teil der Zeit das war ein Stil den man irgendwie gepflegt hat und den man auch bis zum Exzess gepflegt hat.“ Die Band, die ihre größten Erfolge im Ausland feierte, gehörte zu den Stilikonen dieser Zeit wobei man das sicherlich auch auf die Verhaltensweisen und Gesten übertragen kann. Arroganz als Markenzeichen, Ignoranz als Stilmittel. Mit Mondlicht erreicht auch der Klang eine Kühle, die man bei diesem Wetter wie einen kühlen Schleier des Klangs empfinden kann.

https://www.youtube.com/watch?v=f62j9wxRrCQ

Malaria! – You, you

Ein anderes deutsche All-Girl-Phänomen sind Malaria! die sich ebenfalls zu Beginn der 80er in Berliner Musikkreisen sehr untriebig zeigten. Als sie 1981 mit ihrem Debütalbum Malaria den Begriff neue Deutsche Welle umdeuten, gelten sie in Untergrund-Kreisen schon länger als Geheimtipp. Vor allem in den USA erfreuten sie sich größter Beliebtheit, dem Marlene Dietrich Stil der 4 Frauen aus Berlin, die deutsche Texte mit so ungewöhnlicher Musik auskleiden konnte man sich einfach nicht entziehen. Anfang der 90er kam es durch die erneute Veröffentlichung alten und neuen Materials zu einem neuen Flash in den Untergrund-Discotheken. Als ich zu dieser Zeit das Video zu You, You sah war es um mich geschehen, seit dem ziert das Album Compiled mein Regal, früher auch ein altes Poster von Malaria! auf das ich besonders stolz war. Leider ist es der Zeit zum Opfer gefallen.

KAS Product – Never come Back

Untergrund-Club klingt immer so speziell, eigentlich war das früher die Disco im Jugendzentrum, der ich alle 4 Wochen treu war, da man sich der schwarzen Szene verschrieben hatte – Untergrund klingt natürlich viel cooler. Und obwohl populäre Stücke von Depeche Mode und The Cure im Vordergrund standen, verstand es der Plattenaufleger mich immer wieder mit Fragezeichen auf meiner Stirn an das Mischpult zu locken. So erging es mir auch mit KAS Product, das ich jahrelang nicht mehr gehört habe, bis ich vor einer Weile bei YouTube ein Video entdeckte, das zu einem sofortigen Deja-Vu führte. Heute betrachtet ist das Stück der französischen Band ein klassischer Vertreter des Coldwave, das dazugehörige Video schon fast kultig, der Stil einmalig. Mick Mercer schrieb einmal: „Gorgeously provocative duo of Mona Soyoc and Spatz who released a couple of singles on their own punk label, then signed to RCA which seemed a remarkably odd union, which produced two blindingly brilliant albums, ‚Try Out‘ and ‚Bypass‘ that found the haunting, mad vocals hemmed in by and stretched out over the alternately boiling/icy keyboards, the shattering chatter of arching/dive bombing guitar and stabbing electronic rhythms.

Archiv der Jugendkulturen – Jetzt retten!

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Mehrfach hatte ich schon über das Archiv der Jugendkulturen geschrieben und auch aus meiner Mitgliedschaft keinen Hehl gemacht. Doch so spießig der Name auch klingt, umso wichtiger ist seine Aufgabe. Es sammelt Wissen und Informationen über Jugendkulturen und Szenen, engagiert sich in Aufklärung und Vermittlung, forscht selber auf neuen und unbekannten Gebieten und hat sich in den letzten Jahren auch mit zahlreichen Veröffentlichungen einen Namen gemacht. Das Archiv ist in Europa eine einzigartige Einrichtung. die Arbeit mehrfach ausgezeichnet und die Bibliothek einzigartig. Darüber hinaus bemüht man sich mit dem Projekt Culture on the Road das Wissen in die Republik zu tragen. Und jetzt, nach 12 Jahren Arbeit steht es kurz vor dem Aus.

Warum retten?Seit zwölf Jahren arbeitet das Archiv der Jugendkulturen nunmehr schon als gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, differenzierte Informationen über Jugendkulturen zu erforschen und zu verbreiten, die in der (ver)öffentlich(t)en Meinung ja zumeist in simplen Schwarz-weiß-Rastern diffamiert werden. Das alles, obwohl wir bis heute keinen Cent Regelförderung erhalten. Die große Mehrzahl unserer MitarbeiterInnen arbeitet ehrenamtlich. Ich finde, das ist durchaus eine Erfolgsgeschichte. Die Kehrseite: Immer wieder müssen MitarbeiterInnen sogar privat Gelder spenden, um die laufenden Kosten zu zahlen. Damit ist die Existenz dieser in Europa einmaligen Einrichtung in regelmäßigen Abständen akut gefährdet. Auf Dauer braucht eine derartige Einrichtung wenigstens eine hauptamtliche Stelle und die Sicherung der Grundkosten.“

Warum finde ich das so wichtig? In Sachen Jugend kämpfen wir oft nur gegen die Symptome und lassen unsere Meinung von den Medien verzerren, wir erwarten Respekt von der Jugend, sind aber nicht bereit selber Respekt zu zeigen. Jugendliche, die nicht so aussehen, wie wir das erwarten landen in kleinen Schubladen aus denen sie unmöglich wieder entfliehen können, eine „Szene“ hat immer eine negative Tenor in unserer Gesellschaft. Hier schafft das Archiv Wissen und bereitet Informationen so auf, das wir sie verstehen. Es vermag Vorurteile abzubauen und der Sache mit anderen Augen zu begegnen. Viele Anhänger der Gothic-Szene beispielsweise sind mittlerweile erwachsen geworden und habe vergessen wie es war, als sie jung waren. Das Archiv hält die Erinnerungen bereit. Kostenlos. Und für jeden.

Ich möchte euch gar keine langatmigen Beiträge zu den Vorzügen des Archivs halten oder euch davon überzeugen Geld zu spenden, das macht das Archiv durch seine Arbeit von ganz alleine. Ich will euer Geld nicht, sondern wünsche mir, das man die Möglichkeiten der sozialen Vernetzung nutzt um dem Archiv zu helfen. Die Möglichkeiten sind zahlreich und nur einen Klick entfernt. Verfasst einen eigenen Beitrag in eurem Blog, verteilt die Information in euren Netzwerken oder erzählt es einfach euren Freunden.

Natürlich könnt ihr auch selbst einen Beitrag dazu leisten, auch über kleine Spenden freut sich das Archiv. Wenn ihr kein Geld habt, nutzt eure Möglichkeiten diesen Aufruf zu verbreiten. Für Spenden hat Klaus Farin, der Leiter des Archivs, einige Möglichkeiten eingerichtet:

Spendenkontonummer: 124 138 3853
BLZ: 500 502 01
Bank: 1822direkt Frankfurter Sparkasse
Konto-Inhaber: Klaus Farin
Zweck: Spende Stiftung

Für internationale Überweisungen: IBAN: DE85 5005 0201 1241 3838 53, BIC: HELADEF1822

Oder Paypal, die Adresse lautet: stiftung@jugendkulturen.de

Hier ein Banner, den mir Frank Kopperschläger freundlicherweise per E-Mail geschickt hat, danke dafür.

Punk – No One is Innocent

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Als Kunst den Punk infizierte. Das war meine erste Wortassoziation als ich bei Nerdcore über den kostenlos verfügbaren Ausstellungskatalog Punk – No One is Innocent der Kunsthalle Wien gestolpert bin. Beeindruckt zeigt ich mich jedoch vom Inhalt des recht umfangreichen Werkes. Künstler nehmen in der Geschichte des Punks einen ganz interessanten Stellenwert ein, denn Künstler und Modemacher waren es, die die Energie der Jugendkultur für sich entdeckten und so manchen Punk- und Post-Punk Act in den frühen 80er zu einer Vernissage erhoben und sich mit der Non-Konformität und vermeintlichen Avantgarde umgaben. Daher betrachte ich das Phänomen „Kunst“ in Jugendkulturen als zwiespältig und Missverstanden.

Umso erfreuter war ich, das Punk als solches nun eine künstlerische Betrachtung erhält, die es durchaus verdient hat. Der Ausstellungskatalog wie er hier genannt wird, kann mit durchaus beeindruckenden Fotografien und Texten verschiedener Autoren punkten und wird dem Wort „Katalog“ als solcher nicht gerecht. Allein das Bild auf dem Cover, das Gudrun Gut von Malaria! zeigt, als sie etwa 1978 von ihrer Schwester Anja abgelichtet wird, hat meine Neugier geweckt, denn bei Gut handelt es sich nicht um einen Punk im klassischen Sinne.

Die Kunsthalle selbst schreibt dazu: „…Punk interessiert uns als Kunsthalle im Anschluss an die Gitarren-Ausstellung Go Johnny Go! (2003) und die künstlerische Reflexion des Summer of Love (2006) weniger als musikalisches Phänomen, denn als Geste der Negation, als eine Pforte der Wahrnehmung, durch die man eintritt in ein Reich der chiffrierten Botschaften: Signal to Noise…

Nicht nur ein flüchtiger Blick lohnt sich, sondern auch das Lesen der darin enthaltenen Texte lohnt sich. So finde ich das abgedruckte Gespräch mit dem leider verstorbenen Malcom McLaren für großartig und lasse es mir nicht nehmen daraus einige Textstellen zu zitieren, die mich schon eine ganze Weile beschäftigen:

War man als Punk aufmerksam auf dasjenige, was sich in elitären Kunstszenen Londons, New Yorks oder anderswo abspielte?
Nein. Die Punks waren viel zu beschäftigt mit ihrer eigenen Eitelkeit – ihren Körpern, dem Dreck. Sie interessierten sich nur für Extreme. Sie interessierten sich für nichts, außer dafür, das 20. Jahrhundert zu verlassen und nie wieder ins normale Leben zurückzukehren. Das war ihre Mission. Sie waren elitär und ich war – ohne das beabsichtigt zu haben – dafür verantwortlich.
[…] Die gegenwärtige Internetkultur ist eine Erweiterung des Punk Do-it-yourself Lifestyles: Blogs, Facebooks, Youtube … alle tragen dazu bei. Dort wird heutzutage der Kulturterrorist geboren. Dort wird ein Großteil an Populärkultur vertrieben, die sich nicht länger dem Kapitalmarkt anbiedern muss, oder an ihn gebunden ist. Deshalb ist es heute schwieriger denn je, der jungen Generation etwas zu verkaufen. Aber Punk bleibt so geheimnisvoll wie eh und je und wird über unser Leben hinaus als
etwas so Wildes, Romantisches, für die Jugend sexier als Sex selbst wahrgenommen. Punk ist im Kern all unserer Träume.

5 weitere Gründe sein Geld nicht aus dem Fenster zu werfen

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Nach dem ich bereits vor eine ganzen Weile 8 gute Gründe sein Geld nicht aus dem Fenster zu werfen lieferte, kommt hier die inoffizielle Fortsetzung, da sich sicherlich inzwischen wieder unermessliche Reichtümer in euren Schatzkammern angesammelt haben dürften. Mittlerweile hat sich ja herumgesprochen, das Gothic zu einer der beliebtesten Szenen gehört, jedenfalls aus Sicht der Händler und Produzenten, denn üppigen Ausstattung, die unbändige Lust auf Accessoires und unzählige schwarze Klamotten einer mittlerweile und teilweise erwachsenen Szene bringen ungeahnte Kaufkraft. Und da habe ich 5 Produkte gefunden, die es unverantwortlich finden, diese Ressourcen weiterhin brach liegen zu lassen.

Alister Crowley Tapete

Eine hübsche Tapete ist die ideale Basis für eine aufregend andere Raumdekoration. Einfach schwarze Farbe an den Wänden ist für den Gruftie von Heute keine zufriedenstellende Lösung mehr. Was läge also näher, als sich eine von Alister Crowley inspirierte Tapete als Akzent auf die Wand zu kleben um sich so Stilbildend von der verhassten Masse abzuheben. Sicher hätte es ihn stolz gemacht die Muse für eine solch tiefschürfende Inspiration zu sein und hätte zufrieden auf den elitären Kreis der Benutzer geblickt, denn schließlich kostet eine Rolle der hübschen Tapete rund 150€.

Auf der Seite von Grow House Grow! gibt noch eine große und alternative Auswahl der skurrilsten Muster, Farben und Formen. Die Macher sind auch nicht scheu, zu jeder Tapete eine passende Geschichte zu liefern- Zu der von Crowley inspirierten schreiben sie: „The bizarre stories surrounding the life of Aleister Crowley are anything but few and far between. Dubbed “the wickedest man in the world,” Crowley kept heads turning as an avid occultist, insatiable drug user and devoted hedonist. This wallpaper pattern stems from the summer of 1938, which Crowley spent in Cornwall. Some unsubstantiated sources site cultish melees involving dancing beauties, hard narcotics and evenings spent in black magic debauchery.

Digitalkamera als Kreuz

Welcher Gruftie kennt das nicht? Liebevoll hat man sich zurecht gemacht, aufwendig Frisur und Schminke dem Outfit angepasst und unglaublich viel Zeit und Liebe in die Wahl der richtigen Klamotten gesteckt bevor man sich auf ein Fest von Gleichgesinnten wagt. Und dann das! Die kleine Digitalkamera, mit der man die Momente mit seinen Freunden festhalten möchte, versaut den ganze Style. Entweder zeugt ein überdimensioniertes Objektiv von dekadenten Attitüden und stabiler Nackenmuskulator oder der silberfarbene und kompakte Handschmeichler ist so deplatziert am Handgelenk wie weiße Turnschuhe an den Füßen.

Doch es gibt eine Lösung: Die Cross-Spy-Camera! Das kleine und formschöne Wunderwerk der Technik hält die Kamera getarnt im inneren Verborgen und vermag zudem noch Filme aufzuzeichnen und verfügt und 4GB internen Speicher, mit dem es problemlos möglich ist, seinen besten Freund beim trinken von Weißwein zu filmen, um ihn dann am Rechner dem Konsum von ungruftigen Getränken zu überführen!

Batman Regenschirm

Der größte Feind des Grufties ist der überraschende Platzregen. Auch die größte Individualität weicht dem Eindruck einer nassen Katze und macht Stunden der Arbeit mit einem mal zunichte. Nicht zu vergessen auch die Gefahr für die Umwelt, wenn das mit Haarlack geschwängerte Wasser im Boden des Festivalgeländes versickert und für ausgewachsene Vogelnester im Erdreich sorgt. Die Lösung? Ein Schirm! Viele Grufties schützen ihre visuellen Kunstwerke bereits mit einem Schirm vor der direkten Sonneneinstrahlung, doch diese erscheinen für den Einsatz während eines Wolkenbruchs eher ungeeignet.

Glücklicher Weise gibt es einen passenden Fledermaus-Regenschirm, der sich harmonisch dem Outfit anpasst und ganz nebenbei noch ein Hingucker sein wird. Der französische Designer hat sich noch keiner Massenfertigung seines Produktes angenommen, wird aber sicherlich dem Druck vieler kaufwilliger Interessenten bald nachgeben müssen.

Handtasche mit Gothic-Kreuz

Bleiben wir thematisch beim Kreuz, mit dem hat man es wirklich nicht leicht. Jetzt gibt es bei Dein-Schuh-Versand eine Handtasche mit dem Gothic-Kreuz. Was für ein Kreuz? Zunächst einmal finde ich, das das Symbol auf der Handtasche nicht wirklich etwas mit einem Kreuz gemeinsam hat, denn es sieht ein bisschen so aus wie eine Alarmsirene die man auf Dächern von Feuerwehrhäusern sieht, erst beim 12. hinsehen erschließt sich mir die mystische Aura. Die Sargform, die genieteten Ränder, das Gothic-Kreuz! Alles Attribute die kein ernstzunehmender Gruftie vernachlässigen darf, obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob zum Geschlechterverwischen eine Handtasche gehört. Das lederähnliche Material, so wie es die Produktwerbung beschreibt, ist sicherlich leicht abwaschbar und hält auch den stärksten Platzregen aus. Für 28,50€ ein wahrliches Schnäppchen!

Jetzt muss ich mich erst mal bei Wikipedia einloggen und den unvollständigen Beitrag zum Symbol des Kreuzes um das Gothic-Kreuz ergänzen. Es ist doch kein Wunder das die freie Wissensdatenbank so keine ernst zunehmende wissenschaftliche Anerkennung erlangt, wenn man so ein wichtiges Symbol vernachlässigt.

Gläserrücken für Pragmatiker

Was waren das noch für Zeiten. Was haben wir versucht Kontakt mit längst Verstorbenen aufzunehmen, stundenlang beisammen gesessen und auf improvisierten Hexenbrettern versucht die Buchstaben zu erahnen, die uns ein vermeintlicher Geist mitteilen wollte. Später habe ich dann aufgegeben, weil ich es immer lästig gefunden habe, Brett und Planchette in den Schrank zu räumen. Endlich gibt es bei Etsy.com eine praktische Lösung. Tagsüber schlummert die Glasschale mit dem integrierten Planchette ein unscheinbare Dasein als Obstplatte auf dem Esszimmertisch um Abends dann seiner eigentlichen Bestimmung nachzukommen. Außerdem bietet der wesentlich größere Durchmesser ungeahnte Möglichkeiten der Gruppentherapie, denn hier finden locker 10 Hände Platz. Der Hersteller schreibt: „Basically this idea can work as a real Ouija board, but we are not responsible for the outcome of conjuring up spirits. Our hilarious idea was to put a hamburger on the plate & see if the spirit of the cow talked to us. Ok, maybe it’s not so hilarious, but we thought it was rather clever!“ Ob die Kuh zu ihm gesprochen hat? Für 18$ exklusive Versand könnt ihr es selber herausfinden.

Man in Black: Johnny Cash und die melancholische Seite der Country-Musik

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Nicht immer bekommt man Antworten dort, wo man sie vermutet. Nicht immer haben die, die Fragen stellen, auch wirklich nach Antworten gesucht. In den frühen 70er fragten, begann Country-Sänger Johnny Cash nur noch in schwarzer Kleidung aufzutreten, was im extremen Gegensatz zu dem stand, was andere Musiker dieses Genre in ihren kitschig-bunten Hemden darstellten. Cash, der sich unangepasst und rebellisch in einem Genre bewegte das einen Teil des amerikanischen Way-of-Life symbolisiert, blieb sich und seiner Sicht der Dinge treu und sorgte so selbst dafür, dass man ihn Ende der 80er als Künstler der Country-Szene ignorierte.  Mitte der 90er startet er dann ein von Rick Rubin produziertes Comeback, in der er unter dem Titel „American Recordings“ seiner düsteren Grundintention folgt.

Bis zu seinem Tod 2003 veröffentlicht er vier Alben, die von den Symptomen seiner Krankheit geprägt den Untergang einer Legende begleiten. Auch in diesen letzten Werken vor seinem Tod widmet er sich den dunklen Bereichen des menschlichen Lebens. Coverversionen des NIN Klassikers Hurt oder dem Song The Mercy Seat von Nick Cave setzten ein weiteres Zeichen seines Schaffens und der Nähe zu unangepassten Themen am Rande der Gesellschaft.

Im Sommer 1971 veröffentlichte er den Song Man in Black aus dem gleichnamigen Album  um seinem Publikum zu erklären, warum er nur noch schwarz trug:

Well, you wonder why I always dress in black,
Why you never see bright colors on my back,
And why does my appearance seem always have a somber tone.
Well, there’s a reason for the things that I have on.

I wear the black for the poor and the beaten down,
Livin‘ in the hopeless, hungry side of town,
I wear it for the prisoner who has long paid for his crime,
But is there because he’s a victim of the times.

Posthum erschien 2006 die fünfte „American Recordings“, das durch die Legende erhoben erneut auf Platz 1 der Country-Alben Charts schießt und genau das erreichte zuletzt das Album „Man in Black“ im Jahre 1971. 2010 erscheinen unter dem Beinamen „Ain’t no Grave“ die letzten verbliebenen Werke der „A Hundred Highways“ Session. Manchmal muss man sich auch mit Dingen beschäftigen, die absurd erscheinen, um Antworten auf Fragen zu bekommen, die anderen absurd erscheinen.  Schwarz war seine Kleidung, Schwarz war seine Bürde, Schwarz wurde sein Schicksal.

Historische Friedhöfe: Der Highgate Cemetery in London (1839)

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Verlässt man das Zentrum der pulsierenden britischen Metropole entdeckt man das eigentliche England, so kommt es mir vor, als wir die Tube-Station Archway verlassen und die Frühlingssonne über dem recht verschlafenen Stadtteil Highgate in unsere Augen scheint. Die Straße ist gesäumt von typischen englischen Einfamilienhäusern die Wange an Wange die Straßenbilder in den Vororten Londons prägen. Wir wollen zum Highgate Cemetery, von dem wir schon viel gutes gehört haben. Er soll einer der schönsten Friedhöfe Londons sein und ist ein Teil der Magnificent Seven, der sieben viktorianischen Friedhöfen die man seinerzeit bauen musste um dem immer größer werdenden Bedürfnis nach einer Ruhestätte nachzukommen.

Im Vorfeld haben wir uns für den Westteil entschieden, der nur per Führung zu besichtigen ist, da es sich um teilweise kunsthistorisch wertvolle Ruhestätten handelt, die kurz vor dem Verfall stehen und man so vermeiden möchte, das unbedachte Besucher weiteren Schaden anrichten. Es entwickelt sich gar eine gewisse Art von mystischer Spannung als uns der Guide einige Verhaltensregeln auferlegt und eindringlich darum bittet bei der Gruppe zu bleiben, man könnte sonst im dichten und sehr weitläufigen Waldgelände verloren gehen.

Zu meiner Überraschung bin ich nicht der einzige Gruftie in der Führung, ein schlankes und hochgewachsenes Gruftiepaar die beide Joy Division noch Live gesehen haben könnten sind mit von der sonst so illustren kleinen Partie. Gerade als ich mich frage, wie sie in den wirklich hübschen Pikes mit Absatz das unwegsame Gelände durchwandern will, entlockt sie ihrer mitgebrachten Tasche ein paar schwarze Turnschuhe, die zwar jetzt nicht wirklich zu Outfit passen, aber sicherlich ein sehr kluge Entscheidung sind.

Nero, der schlafende Löwe

Die Führung beginnt gleich mit der Besichtung des aller ersten Grabs, das schon bei der Eröffnung 1839 angelegt wurde, um potentiellen und zukünftigen Kunden einen morbiden Eindruck von der Schönheit eines solchen Ambientes geben zu können. Auch die erste Legende wird uns mit auf den Weg gegeben, denn hier begann auch das Mysterium und den Highgate Vampire, der in den frühen 1970ern für einige unerklärliche Phänomene auf dem Friedhof verantwortlich gemacht wurde. 1972 ließen sich die legendären Hammer Studios von der Geschichte zum Film Darcula AD 1972 inspirieren, der mit Christopher Lee in der Hauptrolle inszeniert wurde.

Linda, so der Name unseres weiblichen Guides, ist wirklich gut informiert. Und überhaupt scheint sie über fast jedes der hier angelegten Gräber etwas erzählen zu können und das in einer wirklich sehr gut verständlichen Form der englischen Sprache, was es wirklich nicht schwer macht ihr zu folgen. Der schlafende Löwe links im Bild zeigt das Grab von George Wombwell, einem Tierdompteur der 1825 den ersten in Gefangenschaft geboren Löwen züchtete und mit seinem Wanderzirkus über Jahrmärkte zog um die Zuschauer mit exotischen Tieren zu begeistern.  Er starb 1850 und wurde unter der Skulptur seines Lieblingslöwen Nero begraben, der nun über seinen ehemaligen Herrn wacht.

Der Friedhof ist wirklich fantastisch, die grüne Oase mitten in der Stadt ist so dicht gewachsen, das man nicht vermag den blauen Himmel zu sehen, der leichte Wind wiegt die unzähligen Baumwipfel die sich knirschend und knarzend aneinanderreiben und die Atmosphäre mit dieser gewissen Spur von Spannung laden, das man das Gefühl hat, nur noch flüstern zu können. Einzelne Lichtstrahlen, die durch das Dickicht fallen weisen auf einzelne Gräber hin als würden die verstorbenen selbst ihre letzte Ruhestätte ins rechte Licht rücken wollen.

Immer wieder unterbrechen eindrucksvollen Mausoleen die scheinbare Tristesse der viktorianisch gestalteten Gräbern. Selbst deutsche Geschäftsmänner, so erfahren wir, haben sich hier begraben lassen. Julius Beer, ein erfolgreicher Geschäftsmann aus Frankfurt ließ ein Mausoleum für seiner Tochter Ada bauen. Ein eingelassenes Wandbild zeigt das von der Totenmaske kopierte Gesicht des jungen Mädchens, deren Tod er nie wirklich überwand. Es lässt sich nur vermuten, wie unermesslich seine Trauer gewesen sein muss, als ihr italienische Steinmetze mit dem Bau der Ruhestätte beauftragte, die für diese Arbeit 5000 Pfund verlangten.

Thomas Sayer Grab

Während wir zur nächsten Ruhestätte gehen, können wir nur erahnen, wie viel Arbeit der Erhalt einer solchen Ruhestätte macht und wie viel Leidenschaft man opfern muss, die Gräber von Menschen zu pflegen, die man nicht einmal gekannt hat.

Noch einmal blicke ich in den hellblauen Himmel, bevor der Schatten der Bäume mich wieder umhüllt und Linda uns zum letzten Grab dieses Rundgangs führt, dem von Thomas Sayers. In seiner Karriere als Bare Knuckle Boxer zwischen 1849 und 1860 verlor er nur einen einzigen Kampf und wurde in London zu einem Lokalmatador. Als er an Diabetes und Tuberkulose erkrankte, zog er sich zurück und starb im Alter von 39 Jahren. Bei seiner Beerdigung begleiten 10.000 Menschen die sterblichen Überreste zum Highgate Cemetery, mehr als bei der Krönung von Königin Victoria 1837. Sagt man.  Sein treuer Hund Lion legte sich zu Füßen der Grabstätte und verschwand Tage später im Dickicht. Freunde spendeten ihm diese schöne Grabstätte.

Fast 2 Stunden sind wir über den Friedhof gewandert, haben unzählige Grabstätten gesehen und viele spannende Geschichten gehört, zu viele, um sie alle hier wiederzugeben. Jedem der einmal nach London fährt und Interesse an alten Friedhöfe hat, sei eine Führung über diesen sehr an das schwarze Herz gelegt. Ich habe eine Auswahl der Bilder in einem Album zusammengefasst. Darunter findet ihr eine knappe Wegbeschreibung, ich hoffe, ihr teilt eure Eindrücke mit mir, wenn ihr diese Gelegenheit wahrnehmt.

Mehr Bilder vom Highgate Cemetery findet ihr in unserer Galerie.

Wegbeschreibung

Adresse: Swains Lane, London N66PJ. Mit der Nothern Line (schwarz) fährt man Richtung High Barnet bis zur Station Archway (Zone 2). Wenn man die U-Bahn Station verlässt hält man sich links und geht den Highgate Hill hinauf, vorbei am Krankenhaus und biegt dann links in Bisham Gardens ein, man kann aber auch durch den Park zu seiner linken prima abkürzen. Jetzt erreicht man die Swains Lane, die den Highgate Cemetery in zwei Teile teilt, eine westlichen Teil und einen östlichen Teil. Der östliche Teil ist immer für Besucher geöffnet

Die Swains Lane trennt Highgate Cemetery in zwei Teile, der westliche Teil ist der originale, 1839 errichtete Friedhof, während es sich beim Ostteil um einer Erweiterung handelt, die 1854 angeschlossen wurde. Highgate West wurde 1975 geschlossen, weil die finanziellen Mittel fehlten, den Friedhof zu pflegen und zu betreiben. Kurz bevor Planierraupen das Gelände für eine alternative Nutzung erschließen konnten, gründete sich der Verein Friends of Highgate Cemetery (FOHC) und kaufte das Gelände der Stadt ab und rettete so einen der Kunsthistorisch wertvollsten Friedhöfe vor seiner Zerstörung. 1981 waren schließlich beide Teile des Friedhofs unter der Verwaltung des Vereins, der sich seit dem um die Erhaltung und Pflege beider Teile kümmert. Der Zugang zum älteren östlichen Teil ist kostenpflichtig und nur über eine Führung zu besichtigen. Die kostet 7 britische Pfund, dauert etwa eine Stunde und ist in sehr lohnenswert.