Spontis Wochenschau #07/2013

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Gewonnen. Oder wahlweise verloren. Wieder einmal hat die musikalische Lust gewonnen und die guten Vorsätze verloren. Was haben wir über das Amphi-Festival in Köln geschimpft. 2011 nannten wir es „Gothic Karneval mit Schattenblicken“ und 2012 war es gar das „Little Amphi of Horrors„. Das müssen wir uns nicht mehr antun, lautete unser persönliches Resümee kurz nach dem Amphi. Wir müssen kleine Festivals besuchen und darüber berichten! Das ist nicht unsere Szene!  Im Laufe des vergangenen Jahre bröckelte der eiserne Standpunkt jedoch kontinuierlich. Phillip Boa, Alien Sex Fiend, Fields of the Nephilim, Anne Clark, Diary of Dreams oder auch Rosa Crvx, mit jeder Bandbestätigung wurde fraglicher ob wir unsere guten Vorsätze halten könnten. Dann erfuhren wir auf dem WGT, dass einige sehr liebe Menschen dem Amphi ebenfalls ihre Aufwartung machen wollten. Das Fundament zerfiel. Und ja, auch die Gespräche mit einigen von Euch, die rieten, wir sollen doch das Ganze „drumherum“ ignorieren sorgten für die letztendlich Entscheidung. Wir werden es versuchen. Die Karten hängen an der Pinnwand, die Vorfreude stellt sich ein. Alle guten Vorsätze dahin? Beim schreiben dieser Zeilen komme ich mir vor, als hätte ich wieder mit dem Rauchen angefangen. Die Lust auf Bands, die man immer schon mal wieder sehen wollte, hat gewonnen, die Moral hat verloren. Jedenfalls ein bisschen. Schließlich haben wir auch noch einige kleine Festivals auf dem Programm und berichten hier immer wieder über „andere“ Veranstaltungen, wie beispielsweise das Gothic-BBQ.

  • Das Blogger-Rückblick-Special zum WGT 2013
    Ein Festival und tausende Wahrnehmungen. Niemand hat wohl das exakt gleich Wave-Gotik-Treffen 2013 erlebt. Andere Bands, andere Partys, eine andere Reihenfolge und andere Prioritäten. Nachdem wir bereits unsere subjektiven Rückblicke verfasst haben, ist es Zeit zu lesen, was andere erlebt haben. Und das alles nur, um die Wartezeit bis zum Pfingstgeflüster angemessen zu überbrücken.

    • Gesprächsmäander und Worttsnuamis – das Wave-Gotik-Treffen 2013 | Gedankensplitter
      Ja, Musik gab es durchaus. Beispielsweise den recht emotionalen Auftritt von „Das Ich“, vor dem allerdings zuerst das Durchschreiten der Agra-Flaniermeile bewältigt werden musste. Ein buntes Treiben. Zu bunt. Zu laut. Diverse Gerüche überlagerten sich. Seltsame Verkleidungen im Augenwinkel. „Stimmungsmusik“. Erinnerungen an Volksfeste wurden geweckt. Keine allzu schönen. Nach wenigen Minuten war der Spuk vorbei. Der Halleneingang in Sicht. Durchatmen. Ein tolles Konzert entschädigte für diesen unvermeidbaren Ausflug in eine Welt, die mich zu sehr an die bunte Spaßgesellschaft erinnerte, zu der man sich ursprünglich einen Gegenpol schaffen wollte.
    • Mein ABC des WGT 2013 | Der schwarze Planet
      „Bei diesem WGT war jedenfalls so Einiges anders, aber meinen Realitätsverlust in diesen 5 Tagen habe ich dennoch wieder ausgiebig genossen! Nur war ich eben letztes Jahr mit Eindrücken hinterher etwas praller gefüllt […] Ich plädiere dafür, dass der WGT-Blues zu einer anerkannten Geisteskrankheit erklärt wird, wegen der man die restliche Woche nach Pfingsten daheimbleiben und sich von der aufkeimenden Realität erholen kann.
    • Tiefenentspannt in Leipzig – eine WGT-Nachlese | Rosa Chalybeia
      Auch daß wir so ziemlich alle Stressfaktoren umschifft haben war herrlich – kein victorianisches Picknick a.k.a Knipssnick, kein Knippserterror in welcher Form auch immer. Und Konzertmarathons sind einfach auch nicht mein Ding. Ich jedenfalls hab mich rundum wohl gefühlt – jetzt mal unabhängig ob es um Treffen, Freunde, Bekannte, Veranstaltungen oder die heurige Klamottenwahl geht. Es war wie gesagt anders, aber eben gut anders – faszinierend war auch der andere Blickwinkel, bedingt durch den Rockverzicht – aber darüber könnte man einen eigenen Artikel schreiben.
  • Das satanische Leben – Einblicke in unsere Welt | Black Magazin
    … meldet sich der engagierte Kleinverlag von Lars Kronlob mit Das Satanische Leben – Einblicke in unsere Welt zurück. In dem im amerikanischen Original bereits 2007 erschienenen Band liefern 11 Mitglieder der Church of Satan zum Teil sehr persönliche Berichte über ihren Weg zum Satanismus und erläutern, wie sie das satanische Weltbild in ihrem Leben umsetzen. So erzählen die Tierschützerin Magda Graham, der Journalist Joel Gausten sowie die Verlegerin und Horrorautorin Scarlet Norton ausführlich und mit großer Offenheit, wie die Schriften Anton LaVeys ihr Leben veränderten und ihnen halfen, ihren eigenen Platz in dieser Welt zu finden. In drei Essays findet sich praktische Lebenshilfe aus der Perspektive des Gehörnten: Shiva Rodriguez hält ein flammendes Plädoyer für den Individualismus, Corvis Nocturnum gibt Tipps, wie sich Kontakte mit der Masse Mensch vermeiden lassen und Diana DeMagis erläutert in bester survivalistischter Manier den Sinn von Vorratshaltung und privatem Katastrophenschutz.
  • „Die letzte Instanz“ – Ein Livehörspiel braucht Unterstützer | Clockworker
    Gothic oder nicht, die Idee ist toll und sollte Nachmacher zum nachmachen animieren: „Hamburg – 1888: Früher Morgen auf dem Fuhlsbüttler Flugplatz. Eine Kutsche prescht heran und als sich die Nebel lichten taucht ein imposantes Luftschiff auf. Vier geladene Gäste, die unterschiedlicher nicht sein können, haben die Ehre das neuste Wunderwerk der Technik zu betreten um die Jungfernfahrt von Hamburg nach München zu erleben. Was sie nicht wissen ist, dass sie alle mehr als die Tickets eint. Noch ahnen sie nicht was für ein Grauen sie über den Wolken erwarten wird. Es geht um Schuld, Sünden, Buße und Erlösung. Doch die Reise endet für alle anders als gedacht. Ein rasanter Krimi als Live-Hörspiel in der Zeit von Jules Verne und Königin Victoria. Inszeniert in furiosen Wortgefechten, atemberaubenden Effekten und dramatischer Musik.“ – Weitere Informationen und Möglichkeit zum Unterstützen findest du HIER.
  • 7 most morbid Victorian mourning traditions | MNN
    Sie fotografierten sich mit ihren toten Verwandten, trugen die Haare der Verstorbenen und brachten Klingeln an den Gräbern an, mit dem die Toten, die dann doch nicht tot waren, auf sich aufmerksam machen konnten. Jedes einzelne Thema würde Raum für einen eigenen Artikel bieten. „Halloween’s ghouls, goblins, ghosts and skeletons — we may get dark and creepy about death one day a year, but we’ve got nothing on the Victorians. While people of the 19th century were wildly repressed about many things, their comfort with death was a far cry from modern sentiments. Nowhere is this more evident than in British mourning etiquette during the time of Queen Victoria’s reign (1837 to 1901). The death of her husband, Prince Albert, in 1861 ushered in a rigorous display of mourning that set the stage for the general culture to follow. What became customary mourning, by today’s standards, seems downright macabre and morose.“
  • 30 Jahre Chaostage – „So ein Leben hältst du nicht ewig durch.“ | einestages
    Punk, oftmals als Lebenseinstellung idealisiert, war dann doch eine Jugendsünde. In einem wirklich tollen Bericht von Christoph Gunkel werden einstige Punks, die in erste Reihe dabei waren als es „Hoch her ging“, vorgestellt, die heute alles andere als rebellisch und dagegen sind. Anpassung als unweigerliche Konsequenz? Ein Artikel, der zum Nachdenken anregt. „Nach monatelanger Recherche hatte Eisermann aber doch zwölf Alt-Punks gefunden, die nicht nur bereit waren, mit ihm zu reden – sondern sich sogar ein zweites Mal von ihm fotografieren ließen. Beeindruckende Porträts sind daraus entstanden, denn viele der Draufgänger von damals sind heute in der Mitte jenes Bürgertums angekommen, das sie früher bespuckt hatten […]Von Brüchen in den Lebensbiografien möchte Fotograf Eisermann trotzdem nicht reden. Das klingt ihm zu hart, zu abrupt, für ihn ist es „kaum verwunderlich, im Alter bürgerlicher zu werden“. Und jene, die einfach so weitergemacht haben wie in ihrer Jugend? „Viele sind längst tot“, sagt Karl Nagel abrupt. „So einen Lebensstil hältst du nicht ewig durch.
  • Goth Picknick | VICE
    Aus der Rubrik „Was Goth nicht sein sollte“ präsentiert mir VICE-Deutschland in meinem Postfach einen Link, den ich auch in einer Bravo aus den 80ern entdecken könnte. Gothic als Modelinie. Pur und ohne drumherum. Ob hier ein wenig Ironie mit im Spiel ist, überlasse ich dem Betrachtet, klar ist nur: Von „Goth“ ist hier garantiert keine Spur.
  • Gothic BBQ
    Das Picknick auch andere Formen annehmen kann, zeigt das Gothic-BBQ, dass mittlerweile zum 5. mal in Nordhessen stattfindet. Am 31. August versammelt man sich wieder auf Decken um das Feuer. Wer den ersten Zweifel – „was hab ich denn mit BBQ am Hut?“ – überwunden hat, findet man im Programm des Treffens einige sehr interessante Ideen, die ich so noch auf keinem Festival gesehen habe: „Wir wollen mit Gleichgesinnten feiern, tanzen, musizieren und Spaß haben. Deshalb steht im Mittelpunkt das große Feuer und das Musikzelt. An den Ständen wird mit Grillgut und Getränken zu fairen Preisen für euer leibliches Wohl gesorgt – an die Vegetarier unter uns wird natürlich auch gedacht. Um das Feuer herum, sowie an manch anderer Stelle gibt es Sitzgelegenheiten. Das Feiergelände lädt jedoch auch dazu ein, sich eine Decke mitzubringen, um sich niederzulassen, wo es einem Jeden gefällt. Zwischen den beiden Türmen darf unter einem riesigen Fallschirm getanzt werden, für ausreichend Beschallung sorgt unser Resident DJ und wechselnde Gast-DJs mit einem Querschnitt durch alle “schwarzen” Genres. Für extrovertierte Seelen findet am Rande des Feiertrubels traditionell ein semiprofessionelles Fotoshooting statt. Wer Lust hat, kann sich gern an einem vorbereiteten Set mit Durchlichtschirmen und allem, was dazu gehört, ablichten lassen. Die Bilder werden im Anschluss an das BBQ auf dieser Website und auf facebook präsentiert. Ein besonderer Tipp ist die kleine Drachenhöhle, ein ehemalige Fluchtstollen in der Nähe. Nur spärlich von Grabkerzen beleuchtet, akustisch von der Außenwelt abgeschlossen und mit Strohballen ausgestattet dürft ihr wechselnden Klangereignissen lauschen. Dies können nervenaufreibende Hörspiele aber auch Dark-Ambient Klangwelten sein. Bringt eure Instrumente und/oder eure Stimme mit! Im Musikzelt stehen Trommeln und eine Gesangsanlage zum jammen und gemeinsamen musizieren bereit – Es mischen sich auch immer wieder Künstler aus der Szene unter die Sessions.
  • Handwerker bauen Stadt mit Werkzeug des Mittelalters | Nerdcore
    Innerhalb der nächsten 40 Jahre soll eine Stadt aus dem 9. Jahrhundert entstehen. Nur mit den Methoden des Mittelalters. „40 Jahre soll das Projekt dauern. Im süddeutschen Meßkirch bauen Handwerker an einer mittelalterlichen Stadt samt Kathedrale. Sie schuften für niedrige Löhne, haben wenig Freizeit – und arbeiten mit dem Werkzeug des 9. Jahrhunderts.“ Die Franzosen kennen das schon eine Weile, denn die bauen in Guédelon eine Burg. Hier noch eine Doku:
  • You rang, Mr. Addams? | Pixella Bloggt
    Kurze, aber sehr informative Dokumentation über Charles Addams, der als Zeitungs-Karikaturist beim „New Yorker“ begann und sich zum kreativen Vater der „Addams Family“ entwickelte. Die spätere Fernsehserie mauserte sich zum Meilenstein der Grusel-Komödie und wird in regelmäßigen Abständen auch heute noch wiederholt. Es wird übrigens wieder einmal Zeit, liebe Programmdirektoren, solange begnüge ich mich mit YouTube.

Interview: Martin Piekar über Lyrik und die Subkultur der Düsternis

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Schon seit Beginn der Szene spielt die Literatur eine wichtige Rolle im schwarzen Universum. So erzählte Melissa aus London beispielsweise im Spontis-Interview zur Szene Ende der 80er Jahre: „Viel­leicht habe ich nicht alles ver­stan­den, aber ich fühlte mich als ein Teil der Szene nur mit einer Aus­gabe des Buches »The Outs­ider« in mei­ner Tasche.“ Auch andere Zeitzeugen berichten, dass bereits damals in England die Liebe zur Literatur charakteristisch für die Schwarze Szene war. Im Video „Was ist Gothic“ geht Karnstein unter anderem den literarischen Hintergründen nach. Im Wikipedia-Artikel zur aktuellen Gothic-Szene heißt es: „48 % (der Gothics,  Anm.d.R.) beschäftigen sich mit Lyrik und Poesie und verfassen eigene Texte und Gedichte„.  Doch eins fällt auf: Es sind überwiegend die alten Meister von Edgar Allan Poe über Lovecraft bis hin zu Baudelaires, die in der Szene zu Ruhm kommen. Aktuelle lyrische Ergüsse sind offenbar für viele Szene-Mitglieder nicht geeignet, um sich darin zu verlieren. Oder gibt man aktuellen werken nur keine Chance? Vielleicht sollte man manchmal zweimal hinschauen.

Beispielsweise bei Martin Piekar. Er ist 23 Jahre alt, studiert Philosophie und Geschichte an der Goethe-Universität in Frankfurt. Der Lehrberuf ist sein Ziel, die Lyrik seine Leidenschaft und die Gothic-Szene seine Neigung. 2010 gewann er mit dem „Gedicht des Jahres“ beim Deutschlandradio und 2012 siegte er beim „Open Mike“, einem der wichtigsten literarischen Nachwuchswettbewerbe in Deutschland. Zeitungen, Magazinen und Online-Medien berichteten über ihn und immer wieder über seine Erscheinung, denn Martin Piekar fühlt sich als Mitglied der Gothic-Szene. Mehr als genug Gründe, Martin ein paar Fragen zu stellen die sich mit Lyrik befassen und endlich mal aufklären, was das alles mit Szene zu tun hat.

Wie würdest Du mir und den Lesern erklären, was „Lyrik“ eigentlich ist?

Lyrik. Die Frage was Lyrik IST, ist wie ein Schlag mitten in die Fresse. Die Frage ist nicht per se falsch, aber der Gefragte (hier ich) ist erstmal in Bedrängnis.  Ich denke, Lyrik ist, sie existiert, aber was Lyrik sei? Lyrik kann! –  Lyrik kann alles: Es gibt Dichter, die Schreiben nur nach Klang, da ist die Bedeutung des Begriffs unerheblich, es geht nur um die erzeugte Harmonie/ Disharmonie, den Rhythmus, die Klangfarben. Dann gibt es Lyriker, die mit Metaphern aufwartet. Ich meine nicht, dass sie sich so verzweigt, dass sie nicht zu entschlüsseln ist – darum geht es nicht, es geht nie um das Verstehen von Gedichten, es geht darum, wie man mit einem Gedicht umgeht. Es gibt Lyriker die sagen: Weg von der Metapher,- reine coole, ästhetische Beschreibung, es gibt Ironiker, es gibt Alberne, es gibt diejenigen, die keinen Pathos wollen: weg von der Gefühlsduselei. Und andere brauchen Pathos um überhaupt zu schreiben. Die Antwort: Lyrik kann – sie kann politisch, emotional, deskriptiv, kritisch, ironisch, konzeptionell, satirisch, phonetisch, verwirrend sein: Lyrik kann – Kunst ist immer ein Bedürfnis eines Menschen, das nach Außen drängt, viele Dichter sprechen bei Texten von Dringlichkeit, ich eher von Dranghaftigkeit, jedenfalls bei mir.

Martin Piekar
Lyrik kann alles!“ Martin Piekar – Worte sind seine Leidenschaft | (c) Wolfgang Becker

Du sagst, dass wir falsch an die Thematik herangehen und es uns deshalb so schwerfällt, damit umzugehen. Auch auf mich wirkt die Lyrik oft wie ein unbequemes und hölzernes Pferd, mit dem man nur beschwerlich über die Landschaften aus Worten reiten kann. Wie sollten wir Deiner Ansicht nach mit Lyrik umgehen?

Ha! Den richtigen Umgang gibt es natürlich nicht. Aber Umgang ist gefragt, – Ein Text ist gegeben, wir denken immer: Da muss ich was rausziehen, da muss Bedeutung und Tiefe dahinter sein. Was ist, wenn es ein onomatopoetischer Text ist (Klangpoesie). Dann kann dieses Gedicht – vorgetragen – einen einzigartigen Sound übertragen, dabei geht es dann wirklich nur ums hören. Vielleicht liest man auch was für sich heraus, aber da ist individuell und da liegt ein Knackpunkt. Der Leser ist ein Subjekt, er hat seinen eigenen Kopf – ich unterhalte mich manchmal mit Kollegen über Gedichte und sehe was ganz anderes darinnen als sie.  Dabei gab es aber noch nie ein „Falschliegen“ – natürlich kann man das, aber ich kann grade nicht sagen wie, es ist so, als würde man einen Schraubenschlüssel sehen und sagen: „Oh schau, eine Banane.“ Sehr blöd eben. Ich persönlich mag es ein Gedicht zu lesen und zu pausieren, noch mal zu lesen und vielleicht an einem anderen Tag noch mal. Dann sieht man automatisch mehr, durchs vermehrte Lesen und die tiefere Beschäftigung am Text – die Frage ist doch: Was sieht der Rezipient im Gedicht und nicht die Deutschlehrerfragen: Was steht im Gedicht – na da stehen Wörter – aber was bedeuten sie für mich?

Was hat Lyrik mit der Gothic-Szene zu tun?

Gothic als eine Subkultur, die stark von Elementen der Romantik beeinflusst wurde und in der Romantik gewann vor allem das Lied und das Gedicht an Aufmerksamkeit. Liedtext, Gedicht, unsere Szene lebt von der Musik. Die Texte, die Musik, das Düsterne, die Wahrnehmung des Dunklen, Weltschmerz vielleicht, Schmerz, Freude, Sado-Maso (auch im psychologischem Sinne) – das alles findet sich doch in den Gedichten – und dann natürlich das Hauptelement der Romantik, neben dem Gefühl und der Seele: Der Wahnsinn – Poe, Baudelaire, E.T.A Hoffmann, aber auch schon Eichendorf, Brentano (Spinnerins Nachtlied besonders). Verliebtheit als Wahnsinn, oder doch so was wie Verlorenheit in der Welt, die Einsamkeit trotz einer Großstadt, alles auch Themen nach der Romantik und bis heute und auch in der Lyrik! Ich glaube die Frage, was Lyrik und die Gothic-Szene miteinander zu tun haben, ist daher nicht einfach zu beantworten in dem man nur auf diese gemeinsame Wurzel zeigt – zeichnen sich Subkulturen nicht eben auch durch einen besonderen Zugang zur Kunst aus? (eher zu bestimmten Künsten?) – Eine düstere oder melancholische oder mystische oder erhabene Stimmung finde ich auch in vielen zeitgenössischen Gedichten, das sind Stimmungen, Zustände, etc. die unser Leben bestimmen und sogar ausmachen können. Das ist eine Grundhaltung, die nicht obsolet werden kann – weder als Subkultur, noch als Gedicht.

Die Szene beruft sich schon seit Jahrzehnten auf die Lyriker der alten Schule, Edgar Allen Poe, Charles Baudelaire oder auch William Shakespeare gehören zum guten Ton. Du machst dich für zeitgenössiche Lyrik stark und hast bereits an anderer Stelle einige Deiner Favoriten präsentiert. Und obwohl sich die schwarze Szene gerne mit Lyrik brüstet und es auch am Umgang damit nicht mangelt, ist sie Deiner Ansicht nach sehr „unbeweglich“, wenn es um aktuelle Lyrik geht. Warum ist es so schwierig, die Szene dafür zu begeistern?

Alles ist nahezu „unbewegt“ von zeitgenössischer Lyrik. Das hat viele Theorien. Die Frage im Buchladen selbst ist: Lesen die Leute keine Lyrik, weil keine im Buchladen steht oder steht im Buchladen keine Lyrik, weil sie niemand lesen will (zeitgenössische wohlgemerkt, „Klassiker“ stehen ja nahezu überall, sogar in Bahnhofszeitschriftenbuden). Weiterhin schmeißen immer mehr Großverlage Lyrik aus dem Programm oder verkleinern die Sparte der Lyrik. Ist es also wirklich der Profitgier geschuldet? Sind Gedichte schwieriger als früher? Einerseits wird sich heute nicht mehr so zwanghaft an Formen (z.B. Reimschema) gehalten, andererseits kann die Form ein Anker für den Leser sein. Ich glaube, genau DAS zu analysieren bräuchte einige kulturanthropologische Studien und ökonomische ebenso.

Sich selbst für Lyrik zu begeistern ist eben harte Arbeit. Mal Baudelaire lesen, das ist genauso schwer wie zeitgenössische Lyrik, Shakespeare auch, Poe kenn ich noch wenig, bin bisher auch noch kein großer Fan, aber Sachen können sich ändern. Ich dachte am Anfang, dass viele Lyriker irgendnen Mumpitz schreiben und das darf ich dann entschlüsseln. Heute weiß ich, dass ich einen Gedichtband niemals genauso lesen darf, wie eine Erzählung. Es ist ein Unterschied als Autor und als Leser. Jedes Genre braucht nen gewissen Lesekult, Leserituale oder so. Ein Gedicht ist so kompakt, so komprimiert, dass man wirklich viel mehr Zeit braucht um sich damit auseinanderzusetzen, als eine Seite Prosa – das ist keine quantitative Wertung – es gibt auch Prosa, die sehr fordernd ist, aber ein Gedicht ist meist ein konzentrierter Raum und wie bei allem Geballten, braucht man Zeit und Raum und Gedanken um das zu entfalten/ entfalten zu lassen.  Zudem haben Gedichte für mich immer eine Mystik: Es ist nie ganz klar, es wird es auch nicht und es soll auch nicht, die Beschäftigung mit einem Gedicht wird mich ganz intensiv, wenn ich nicht alles hinterblicke und alles auf Anhieb raffe, sondern mich, auch als Person, erstmal mit dem Gedicht auseinandersetzen muss: Das ist kein masochistisches Quälen, sondern eine rege Neugier.

Ich könnte jetzt weiter schreiben, aber hierbei aufzuhören ist glaube ich erstmal ok. Achja und Baudelaire ist für mich eines meiner Vorbilder: Für mich der Begründer moderner Dichtung. Ich nehme ihn als großen Bruch der europäischen Literatur wahr (und das darf man wohl) und beziehe mich in manchen Gedichten sogar auf ihn. Meine Zitat- und Bezugsmomente sind z.B. aber stetig so gestaltet, dass man sowohl mit dem Bezug, als auch völlig ohne Bezug etwas versteht, wenn man mit dem Gedicht in Umgang tritt.

Martin Piekar
Er hasst nicht das Wort, sondern die Tatsache, dass uns Normalität vorgegaukelt wird. | (c) Juliane Malii Dalchow

Seit du 13 Jahre alt bist, interessierst du Dich für morbide Ästhetik, das mystische und letztendlich auch für die Gothic-Szene und auch rein äußerlich bist du als Mitglied zu identifizieren. Das Wort „normal“ ist für Dich ein rotes Tuch, womöglich weil du sämtlichen Vorstellungen, die man auf einen leidenschaftlichen Lyriker projizieren könnte, widersprichst. In einem Artikel der Frankfurter Rundschau ist sogar zu lesen, dass es sich bei „Normal“ um Dein „Hasswort“ handelt. Warum ist das so?

Ich wurde angesprochen – auch von Freunden – dass solch eine Polemik gegen „Normal“ ja ganz billig und jugendlich-rebellisch rüberkommt. Aber das ist nicht mein Ansinnen. Ich rebelliere gegen das „Normale“, weil eine Norm immer eine soziologische Konstruktion ist. Normen werden aufgestellt, sie sind nicht in der Natur. Wenn wir sagen, dass ist „Norm“, dann erkennen wir bestimme natürliche Regeln an, die wiederholt auftreten: Es ist unmöglich zu sagen, es sei Norm, dass Vögel zwei Flügel haben, das Hunde vier Beine haben, das Menschen allerdings EIN Geschlecht haben, dass ist Norm. Was ist mit Einem Hund, der nur drei Beine bei der Geburt hatte, oder durch einen Unfall eins verlor. Was ist mit transsexuellen Menschen, Transgender, ein möglicher Wechsel zwischen den Geschlechtern, oder Intersexualität, ein beidgeschlechtlicher Mensch. Normen sind Werte, die wir Menschen festlegen und dann alles danach auslegen. Bitte nicht falsch verstehen: Bei der DIN-Norm für Blattgrößen sind wir alle froh, aber eine DIN-Norm für Lebensführung, Sexualität, Ästhetik, Spaß, Humor, etc. ist doch Mist. Ich wurde falsch aufgenommen, ich habe aber das richtige gesagt. Jeder, der etwas normales will, hat eine Vorstellung von festgelegten Wert im Kopf – bei Dinglichen Werten ok, aber allein beim Essen fängts schon an, das fast nur runde Äpfel im Supermarkt liegen ist eine Normgeschichte, Äpfel, die anders gewachsen sind werden nämlich aussortiert und zu Apfelmus oder –saft und & und. Das Normale was ich hasse, ist die Vorstellung eines menschlichen Lebenslauf, der zu laufen HAT oder von mir aus von Lebensläufen, die akzeptabel sind. Irokese bei nem Bankkaufmann, das müsste erlaubt sein. Dagegen bin ich: gegen genormte Verbote, die das Leben eines Menschen zu stark beeinflussen (Damit meine ich nicht das Grundgesetz – da steh ich sogar komplett dahinter). Aber demokratisch gesehen heißt es eben: Alle haben die gleichen Rechte (weswegen ich für die Homoehe bin, sogar radikal: entweder darf jeder Mensch heiraten, wen er will oder wir schaffen die Ehe für alle ab, Demokratie ist jedem die gleichen Rechte zugestehen). Also nicht: Ich hasse das Normale; sondern: Ich hasse, dass uns Normalität vorgegaukelt wird.

Obwohl du verträumte Gedichte schreibst, bist du kein Träumer und trotz der vielen Preise und daraus resultierenden Aufmerksamkeit bist du nicht abgehoben. Dir ist sehr bewusst, dass die Lyrik eine brotlose Kunst ist und hast Dich entschieden einmal Lehrer zu werden um ohne Nagellack und mit zusammengebundenen Haaren Wissen zu vermitteln. Dennoch, welche Träume erlaubst du Dir hinsichtlich deiner großen Leidenschaft, der Lyrik?

Ich bin ein leidenschaftlicher Mensch, ich bin Epikureer, ich versuche immer die feinste Lust zu erlangen. Das kann ich eben auch mit der Lyrik, ein gutes Gedicht zu schreiben ist für mich ein Glückserlebnis. Nicht um damit Preise zu gewinnen, das ist ein netter Nebeneffekt, aber es zu allererst um das gute Gedicht. Preise und Veröffentlichungen sind Anerkennung und als Künstler möchte man Anerkannt werden. Manchmal habe ich das Gefühl das grenzt an Prostitution, dass ich so viel ver- und einsende. Manchmal habe ich das Gefühl, meine Werke nicht rauszuhaun wäre Verschwendung, weil ich eben den Drang spüre es zu veröffentlichen. Es ist eine Geschichte voller Zweifel, ambivalenter Zweifel. Das ist das Absurde im Leben und dagegen zu revoltieren und doch damit weiter zu machen, das hab ich von Camus gelernt, und es macht glücklich ein Sisyphos zu sein: „Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen“ – ich sehe mich als eine Art Sisyphos und bin glücklich. Mit Lyrik verdien ich kein Geld, nicht genug um Miete zu bezahlen, oder generell etwas, mit diesem Geld kann man nämlich nie rechnen, entweder man bekommt etwas oder nicht, das ist nie sicher. Träume? Einen Verlag zu finden, war mein Traum seit ich 14 bin, jetzt bin ich 22 und das wunderbare Verlagshaus J Frank hat mein Manuskript angenommen. Übrigens bin ich darüber so froh, weil schon Kollegen von mir ganz wunderbare Bände dort veröffentlicht haben, es ist also ein Verlag, den ich auch persönlich gerne lese! Ich habe vertrauen in den Verlag und kenne das Programm, ich stehe hinter dem Motto des Verlages: Poetisiert euch! – und weiter Träume für die Zukunft? Leute, die meine Gedichte lesen, mal schauen, ob sich das erfüllt.

Und jetzt legen wir den Baudelaire mal beiseite und treten aus Hesses Nebel hervor. Wo haben wir als neugierige Grufties die Möglichkeit tiefer in die aktuelle Lyrik einzusteigen? Welche Internetseiten kannst du empfehlen, welche Zeitschriften sollte man lesen und wo kann man Deine Werke lesen, Dich hören oder sogar sehen?

Ich beginne mit mir, weil ich mich einfach schnell abhandeln kann: www.martin-piekar.de – meine Gedichte lesen, meinen Blog lesen, meine Gedichte hören!, einen Überblick über meine Veröffentlichungen bekommen. Im Internet gibt es hervorragende Lyrikportale! www.poetenladen.de – diese Seite gibt auch zweimal im Jahr eine wirklich dicke Literaturzeitschrift heraus, mit Lyrik, Prosa, einem Special und zusätzlich Gesprächen zwischen Leuten des Literaturbetriebs.  Auf der Internetplattform gibt es auch viele Autorenprofile, wie z.B. auch meins – Du erwähnst Hesses „Im Nebel“ – mein Auftritt beim Poetenladen beinhaltet ein Gedicht, in dem ich mich darauf beziehe. Zudem gibt es auf der Internetseite auch Rezensionen und er ist auch ein Verlag. Ähnlich und genauso gut verhält es sich mit www.fixpoetry.com – ein sehr tolles Feuilleton im Internet, pur und umsonst, viele gute Bücher werden besprochen, Belletristik allgemein. Hier bespreche ich ab und an Lyrikbände, so wie ich auch als Autor mit Gedichten vertreten bin.

Zeitschriften gibt es so viele und niemals ist in allen nur Gutes, aber ich mag besonders: Den Poet (vom Poetenladen), Bella Triste, Edit, randnummer, Neue Rundschau, floppy myriapoda, [um]laut, ]trash[pool. Und eigentlich viele mehr. Meine Werke liest man eben auf diesen Seiten, in Zeitschriften (in welcher ich erscheine ist ja mehr oder minder Glück)  und ab Frühjahr 2014 in meinem eigenen Band beim Verlagshaus J Frank.

Übrigens, wer mich bei Facebook findet, oder mit eine Mail schreiben will, etc. darf mich gerne immer fragen, was ich empfehle. Ich führe immer aus wieso und kann meine Meinung belegen, die muss man auch nicht teilen, so totalitär bin ich: Ich streite mich häufig mit Kolleginnen und Kollegen über die Bände dritter, aber das macht eben auch Spaß, die Wahrnehmungen und Meinungen eines Bandes zu vergleichen und sich gegenseitig darin abzutasten. Die Kraft der Lyrik ist, dass sie immer wieder Neues macht, dass sie Kreativität des Autors und des Lesers fordert, dass sie nicht fürs Zwischendurch ist, sondern substantiell, wie Kunst generell für den Menschen. Häufig ist nicht entscheiden WAS gemacht wird, sondern WIE – so auch in der Lyrik, nicht die Lyrik per se ist schlecht oder blöd oder unverständlich, sondern vielleicht dieser Autor, dieser Stil, dieser Band, aber das ist alles nichts Universelles. In der Lyrik gibt es eine große Bandbreite, wir entdecken sie nur häufig nicht – das tat auch ich nicht, bis ich an ein paar Literaturwerkstätten teilnahm, mich mit anderen jungen Autoren austauschte, gegenseitig Erfahrungen austauschte und bereit war, meine Meinung zu revidieren, wenn ich überzeugt (nicht überredet wurde!).

Zudem, ganz Aktuell: Jannis Plastargias, Autor und Blogger, bat mich, 10 Lyriktitel vorzustellen, die ich empfehlen würde: ich gab mir Mühe und habe jeden Lyriktitel mit meinen ganz subjektiven Eindrücken, Erfahrungen, etc. begründet und stehts Gedichtbeispiele angeführt, alles ist nachzulesen auf: http://schmerzwach.blogspot.de/ oder auf meiner Homepage (s.o.) im Blog. Zudem: Lest Baudelaire!

Mystische Gedankenwelt – Der längste Tag

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Er ist schon fast wieder vorbei, der längste Tag des Jahres. Heute ist die Sommersonnenwende, astronomischer und kalendarischer Sommeranfang und Mittsommer. Ohne das heutige Google-Doodle wäre dieser Tag wohl an vielen einfach vorbeigezogen und in der Freude auf das bevorstehende Wochenende untergegangen. So weit sind wir schon gekommen, denke ich mir, Google sagt uns, welche Bedeutung der heutige Tag hat. Schwarz malen wäre, wenn ich mir vorstelle, dass Google uns in 100 Jahren erzählt, dass heute Weihnachten ist und wir in den Supermarkt laufen um die letzten Zimtsterne zu ergattern. Aber soweit sind wir noch nicht, schließlich gibt es Wikipedia und da können wir ja nachschlagen, was heute wirklich geschah. Überhaupt ist die breite Masse schon so konditioniert, dass man beim Schlagwort „Mittsommer“ sofort an die Rabatt-Aktion einer schwedischen Möbelhauskette denkt. Wissen ist im Internet und Glaube ist in der Kirche.

Unsere Welt ist entmystifiziert. Was wir nicht wissen, gibt es nicht und eigentlich glauben wir nur noch an uns selbst. Zwischen Himmel und Erde gibt es außer diversen Luftschichten, unzähligen Wolken, riesigen Ozonlöchern und Abgasen nicht mehr viel. Und alle Fragen, die wir heute noch nicht beantworten können, verschieben die Agnostiker auf den Tag, an dem man es herausfinden wird.

Die Sommersonnenwende hat für die Meisten an Wichtigkeit verloren. Vorbei sind die Zeiten als die Menschen diesem Tag ein Steindenkmal in Stonehenge setzten, prachtvolle Himmelsscheiben aus Bronze fertigten oder sich auf dem Elsässer Belchen trafen. Heute werden solche Tage von heidnischen oder neuheidnische Bewegungen mit Bedeutung gefüllt, die ihre Feste „Sol invictus“ oder „Litha“ nennen und Bedeutungsschwangere Plätze aufsuchen, um sich dort zu versammeln. Doch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung werden solche Menschen oft als esoterische Freaks abgestempelt, die der „normalen“ Weltanschauung „entrückt“ sind. Dank des nationalsozialistischen Interesses an „germanischem Kulturgut“ zwischen 1933 und 1945 finden auch heutige Neonazis an diesen Tagen willkommene Anknüpfungspunkte für ihr wirres völkisches Gedankengut und bringen sich mit inszenierten Sonnwendfeiern in mediales Interesse. Das wollte ich nur der Vollständigkeit halber erwähnen, denn Politik ist nicht Gegenstand dieses Artikels.

Die Gothic-Szene als mystisch verklärte Parallelwelt?

Sind solche Tage also nur esoterisch verklärter Schnickschnack? Seit einigen Jahren wird meinem Eindruck nach das Interesse an Mystischem, Übersinnlichem und Absonderlichem wieder größer, auch – oder vor allem – in der schwarzen Szene. War das in den Ursprüngen nur jugendliches Ausprobieren und Experimentieren, so ist heute daraus handfestes Interesse oder sogar ein Teil individueller Weltanschauung geworden. Im Dunstkreis der Szene bewegen sich unzählige Experten für religiöse, okkulte, astronomische astrologische oder mystische Themengebiete. Sommersonnenwende, Wintersonnenwende und alles was sonst noch mystisch, religiös oder okkult erscheint sind mitunter willkommene Anlässe für tiefgreifende Diskussionsrunden, probiert es aus.

Für mich ist das die konsequente Weiterentwicklung einer schwarzen Parallelwelt, einem Rückzugsort innerhalb unserer leistungsorientierten und sterilen Gesellschaft. Vielleicht ist das auch genau der Grund für dieses Interesse. Gothics, die sich der Überlieferung nach von den Moralvorstellungen der übrigen Gesellschaft abgrenzen wollen, fühlen sich genau von diesen als irrational abgestempelten Dingen magisch angezogen um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.

Die meisten Gothics fühlen sich nicht zu eine der klassischen Religionen hingezogen, im Gegenteil, die meisten lehnen diese offen ab. Doch die intensive Beschäftigung mit alternativen Religionen oder Weltanschauungen mündet nicht, wie oft angenommen, in einer Art „Gruftiereligion“ die an übersinnliche Wesen oder sogar den Satan glaubt. Das wäre auch ziemlich paradox, denn damit würden wir uns ja wieder einem Glauben unterwerfen, dem wir eigentlich entfliehen wollten.

Letztendlich sind die meisten Grufties atheistisch ausgerichtet, behaupte ich jetzt mal ganz dreist. Wir glauben allenfalls an den Tod als übergeordnete Macht, der sich kein Mensch entziehen kann. Wir umgeben uns mit dem, was andere mit dem Tod in Verbindung bringen, nicht etwa weil wir danach streben, sondern um unser Bewusstsein zu schärfen. Wir setzen uns mit dem auseinander, was andere als Fremdartig oder Abstoßend empfinden, weil das alles ein Teil des Lebens ist. Die meisten Gothics leben hier und jetzt. Sie haben jedoch eine andere Beziehung zum eigenen Tod und wissen, dass es keinen Sinn macht Probleme und Wünsche auf einen unbestimmten Zeitpunkt zu verschieben. In unserer mystisch verklärten Parallelwelt setzen wir uns mit all dem auseinander, was von allen anderen totgeschwiegen, belächelt oder verachtet wird.

Und so findet sich auch der ein oder andere Gothic alljährlich an den Externsteinen  im Teutoburger Wald ein, mischt sich unter die Esoteriker und Neuheiden um die Sommersonnenwende zu erleben. Die Externsteine sind eine deutsche Sehenswürdigkeit, die auch ich mir bei Gelegenheit unbedingt mal anschauen muss. Vielleicht zur Wintersonnenwende oder Walpurgisnacht? All die Spinner und Verrückten die dort ums Feuer tanzen sind mir jedenfalls näher, als der ganze Rest der Gesellschaft.  Denn die leben nur so, wie es gut für sie ist. Sagt man.

The Black Book 1996: Wie man einen Turm baut

Das „The Black Book“ (ehemals Berlin Black Book) war ein in den 90ern monatlich erscheinendes Musikmagazin im Postkartenformat, das sich vornehmlich mit Veranstaltungen und Rezensionen beschäftigte und hauptsächlich in Berliner Clubs auslag. Marlene vom Radio Dunklewelle, die zu dieser Zeit in Berlin lebte, hat sich ein paar Ausgaben gesichert um sie in weiser Voraussicht für die Nachwelt zu erhalten. Für Spontis hat sie einen Bilder und Text eines Artikels vom Juni 1996 zur Verfügung gestellt, der sich mit den aussterbenden Türmen beschäftigt. Und nein, das ist kein Artikel über Architektur.

Wir schreiben das Jahr 1996. Die schwarze Szene wächst unaufhörlich und saugt wie ein Schwamm immer neue Musikrichtungen in sich auf. Metal drängt sich in die Szene, Techno und seine Jünger finden im Future Pop ihre Anknüpfungspunkte. Etablierte Musikmagazine wie der Zillo propagieren die neuen Stile als feste Szenebestandteile. Gothic Rock und Dark-Wave erscheinen wie zwei verstaubte Dinosaurier einer längst vergangenen Zeit. Für Andreas Starosta, Herausgeber des Black Book-Musikmagazin aus Berlin, ist der Zenith längst überschritten. So schreibt er im Dezember 1996:  „Lässt man das Jahr Revue passieren, so fällt es mir eigentlich schwer zu sagen, ob es in Bezug auf die Szene ein gutes oder ein schlechtes war. Ich musste aber (mit ein paar Freunden) feststellen, dass so ein richtiger Auftrieb wie zu Beginn der 1990er Jahre nicht mehr stattgefunden hat.

Nicht nur die Musik ändert sich seinerzeit, sondern auch der Frisurengeschmack. Türme, Teller und Vogelnester gehören zu einer aussterbenden Rasse und werden immer seltener auf den Köpfen beobachtet. Bei nachwachsenden Jung-Grufties rufen diese Begriffe dann auch eher Schulterzucken und keine euphorische Neugier. Stattdessen gibt es Pferdeschwänze zu ausrasierten Seiten. Reconcile, wie sich ein Autor des „The Black Book“ nennt, erkennt die Zeichen der Zeit bereits im Juni des gleichen Jahres und entschließt sich, einen Artikel zu verfassen. Ein Artikel der alten Schule, denn hier wird nicht nur gemeckert, sondern auch gleich noch beschrieben, wie man sich selbst einen Turm zaubert.

Reconcile´s Styling-Tips

The Black Book Juni 96
Der originale Artikel, der im Juni 1996 im „The Black Book“ erschien.

Was ist nur mit der Szene los? Als langjähriger Beobachter derselben stellte ich mehr und mehr fest, wie sich die Veränderung breit machte: jetzt ist es also so weit. Während früher die Leute des Aussehens wegen aus ihren Elternhäusern verbannt wurden, hält schon seit langem die Gewöhnlichkeit Einzug.

Wo sind nur die Kreaturen der Nacht, bei denen man dreimal hinsehen muss, welchen Geschlechts sie angehören. Selbst das Angebot, sich auf der Helloween-Party der Insel von professioneller Hand stylen zu lassen, wurde kaum wahrgenommen. Was letztendlich dabei herausgekommen ist, stellte sich als ein Variationsdrama von Pferdeschwänzen heraus – was soll man auch schon mit zwei Flaschen Haarspray anfangen. Selbst auf die Gefahr hin, komisch angepöbelt zu werden, stellte ich einigen die Frage, was ein Toupierkamm sei. Die Antwort war ironisch oder ernüchternd.

Unvermögen, Faulheit oder Desinteresse, das ist hier die Frage. Eigentlich schade, und mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da. Nach vielen Worten folgt nun endlich die Tat!

Der Turm

The Black Book Juni 1996
Das Format des Musikmagazins entsprach Postkartengröße

Material: Stielkamm (Toupierkamm), Skelettbürste (Fönbürste) oder ähnliches, Fön und Haarlack. Letzteres muss nicht von Design sein, denn Taft (blau) tut es auch. Wer umweltbewusst sein möchte, kann aber auch tief in die Tasche greifen und Clairol verwenden, wobei beachtet werden sollte, dass am Anfang noch eine gewisse Menge vonnöten ist. Sollte ein Klappspiegel oder Alibert vorhanden sein, so ist dieses zweckdienlich, ein Handspiegel tut es aber auch. Sollte sogar ein Crepe-Eisen vorhanden sein, ist man perfekt ausgestattet, es geht aber auch ohne.

Vorbereitung: Als erstes: Frisch gewaschene Haare lassen sich nicht so gut hochstellen, wobei der Pilz nicht kultiviert werden sollte! Zunächst wird für musikalische Unterhaltung gesorgt, welches die Moral bzw. die Euphorie ungemein hebt. Besonders kreativitätssteigernd wirkt sich ein Treffen mit Gleichgesinnten zu einer Stylingsession aus.

Durchführung: Als Erstes werden die Haare durchgekämmt, dass alles lotrecht gen Erde zeigt. Wer es sich einfach machen will, kann die Haare jetzt creppen. Nun wird Mitte links (bei Rechtshändern) begonnen. Die zwei unteren Drittel der Haare werden mit Lack leicht angesprüht und mit dem Fön gefestigt. Danach wird mit einem Stielkamm (Toupierkamm) eine ca. zwei Finger dicke Strähne abgeteilt und mit der linken Hand hochgehalten. Mit der linken Hand wird die Strähne ca. 3 Finger über der Wurzel gehalten, mit der rechten wird in etwa zwei Finger über der Wurzel mit dem Kamm angesetzt und nach unten (also zur Kopfhaut) gekämmt.

The Black Book
Eine kleine Sammlung Nostalgie

Die Strähne muß so locker gehalten werden, daß beim Kämmen immer neues Haar nachrutscht und verfilzt, bis die Strähne in der linken Hand ausgedünnt ist. Dann zwei weitere Finger darüber angesetzt und der Vorgang solange wiederholt, bis die Strähne von selbst steht, zwischendurch ansprühen und festfönen. Dasselbe wird mit der Strähne direkt daneben gemacht, wobei darauf geachtet werden sollte, daß die zweite Strähne in die erste mit eingearbeitet wird u.s.w. und so fort. Es empfiehlt sich, sich von innen nach außen zu arbeiten.

Sollten sich Schlaufen bilden, so werden die mit dem Stiel des Toupierkamms herausgezogen, hochgehalten und eingearbeitet. Abschließend eingesprüht und festgefönt. Damit es am Rand keine Perlen (vom Haarspray) gibt, sollte man das Haarspray mit den Fingern etwas verstreichen. Sollte es Beulen geben, werden diese mit dem Haarspray angeweicht, entsprechende Partien straff gezogen und festgefönt oder mit dem Stiel des Kamms nach außen gedrückt und ebenfalls festgefönt. Im allgemeinen ist darauf zu achten, dass mehr Haarspray in den unteren Dritteln als oben ist. Um eine Nestbildung zu verhindern, werden die Haarspitzen mit den Fingern herausgezupft, mit dem Toupierkamm aufgebauscht, angesprüht und festgefönt.

Haare bis 10 Zentimeter Länge werden lediglich mit Lack besprüht, mit der Fönbürste hochgehalten und festgesprüht. Toupieren ist in diesem Fall äußerst selten vonnöten. Ab vier Zentimetern hört der Spaß auf…

PS.: Wie wird man den Turm los? Waschen, waschen, waschen, waschen, waschen, waschen…

Rückblick: Spontis Family Treffen auf dem WGT 2013

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Rueckblick Spontis Family TreffenDie Aufgabe, endlich einen Rückblick zum Spontis Family Treffen zu schreiben, schiebe ich schon eine ganze Weile vor mir her. Doch das liegt nicht an fehlender Zeit, sondern in diesem speziellen Fall an einem blinkenden Cursor, der unaufhörlich am Anfang einer leeren Seite blinkt und mich auffordert nun loszulegen. Doch es passiert nichts. Worüber soll ich schreiben? Wer alles dort gewesen ist? Mit wem ich mich über was unterhalten habe? Ich wäre froh, wenn ich das noch wüsste, wenn ich mich an jeden Einzelnen und an jedes Gespräch erinnern könnte. Deshalb versuche ich es erst auch gar nicht, sondern schreibe über das, was mich beschäftigt. Objektive Berichterstattung ist nicht meins. Natürlich gibt es auch zahlreiche Bilder, dich ich hier exklusiv zur Verfügung stelle und auch eine Möglichkeit bereit, das auf dem WGT ausgeteilte Spontis-Magazin und einige Buttons zu ergattern. Wer möchte, überspringt meine Gedanken (ich wäre froh wenn ich das könnte) und springt gleich zu den Bildern oder dem Magazin.

Schon im Vorfeld des Treffens war ich nervös. Wird das Wetter mitspielen, wird die Wiese besetzt sein, werden alle kommen, werden es allen finden, haben wir genug Buttons und Zeitschriften? Und vor allem, was für einen Eindruck werde ich hinterlassen? Natürlich erwies sich die Nervosität als unbegründet, wie jedes Jahr, aber vermutlich werde ich auch in den nächsten Jahren ähnlich nervös sein. Es war unglaublich, wie viele Menschen zu der Wiese gekommen sind! Endlich konnte ich den ein oder anderen endlich mal oder endlich mal wieder in die Arme schließen, ich konnte einigen Lesern die Hand schütteln und mir zu so manchem Kommentierenden ein Bild machen.

Spontis Wochenschau #06/2013

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Und obwohl ich gar nicht lamentieren will, lamentiere ich: Die Tage nach Pfingsten waren arbeitsreich und einleuchtend, deshalb war es hier etwas ruhiger als sonst. Warum? In meiner gnadenlosen Selbstüberschätzung habe ich mich auf dem WGT für einen zweiten Artikel im Pfingstgeflüster 2013 zur Verfügung gestellt. Dabei habe ich wieder völlig unterschätzt, wie viel Arbeit das Ganze macht. Es gab 43 Interviews zu lesen, auszuwerten und zusammenzufassen und Seitenweise Gedanken zu sortieren und in einen halbwegs logischen Zusammenhang zu bringen. Man möchte sich ja nicht vor einer großen Leserschaft blamieren. Glücklicherweise habe ich eine ausgebildete Redakteurin, ausgezeichnete Lektorin und attraktive Schriftstellerin an meiner Seite, die mir helfen kann. Doch das ist so eine Sache mit der Hilfe, denn hier spricht der Profi (Sie) mit einem Amateur (Ich). Ich schreibe was ich denke und schreibe auch wie ich denke. Das ist meistens durcheinander, unlogisch, subjektiv und Formulierungsverliebt.  Sie ist Vollprofi, schreiben ist Handwerk und Grammatik ihr zweiter Vorname. Zielorientiert, schnell und unschlagbar logisch nimmt sie meine Artikel auseinander und führt mir vor, was ich besser machen könnte. So habe ich geschrieben, sie hat geflucht, ich habe nochmal neu geschrieben sie schon wieder geflucht. Am Ende lagen wir uns dann doch in den Armen, denn dafür sind wir gemacht – nicht für das Zusammenarbeiten. Das Ergebnis dieses Kampfes werdet ihr bald im Pfingstgeflüster lesen können. Ich weiß schon, warum ich Blogger geworden bin, hier bin ich Mensch, hier kann ich sein – und Links posten, die mir gefallen mit Fehlern, grammatikalischen Unsinn und unsinnigen Formulierungen. Jetzt auch wieder öfter. Yeah!

  • Top 10 most evil Humas | Listverse
    Mittlerweile gibt es Top 10 Listen für jeden Einsatzzweck, eigentlich fehlt nur noch eine Top 10 Liste für die besten Top 10 Listen. Aber es gibt auch durchaus spannende, skurrile, schrecklich oder merkwürdige, also genau aus den Zutaten gestrickt, die Goth so mag. Da hätten wir beispielsweise die 10 teuflischsten Menschen. Platz 10 geht an Delphine Lalaurie (USA), Platz 9  an Ilse Koch (Deutschland), Platz 8 Shiro Ishii (Japan), Platz 7 an Ivan der Schreckliche (Russland), Platz 6 ergattert sich Oliver Cromwell (England), Platz 5 an Jian Qing (Frau von Mao-Tse-tung – China), Platz 4 wird belegt von Pol Pot (Anführer der Khmer in Kambodscha), Platz 3 geht an Heinrich Himmel (Architekt des Holocaust – Deutschland), nur Platz 2 für Adolf Hitler (Deutschland) und Platz 1 geht an Josef Stalin (Russland)- Auf dass ihr nie eure Ruhe findet. Warum diese Kreaturen die ihnen zugewiesenen Plätze bekleiden, erfahrt ihr mit einem Klick auf den Link.
  • God save the Queen | Die Welt
    Die Punks führten der Gesellschaft provokativ ihre Fehlerhaftigkeit vor und lebten das Gegenteil von dem „Idealbild“. Doch schnell wurde Punk vom Kommerz geschluckt und zur Modelinie degradiert. Vivienne Westwood, Malcolm McLaren entdeckten schnell, dass sich hier viel Geld verdienen ließ. Mittlerweile ist Punk auf den Laufstegen, in Bücher und auch in Ausstellungen zu finden. Rein auf das Äußere fixiert. „Bis heute greifen Modedesigner der exklusivsten Marken die Protest-Mode auf. Im Februar beispielsweise zeigte Donatella Versace in Mailand auf dem Laufsteg ihre Kollektion für den Herbst/Winter 2013 und nannte diese „Vunk“, zusammengesetzt aus Versace und eben Punk. „Ich glaube, dass Punk die letzte Bewegung war, die Musik, Stil und Haltung miteinander verbunden hat“, erklärte Donatella. Zahlreiche Modedesigner sympathisierten mit der Punkbewegung oder suchten zumindest deren Nähe und Inspiration.
  • World Goth Day: Going Dark | Rolling Stone
    Am 22. Mai war der 5. „World Goth Day“, der einst von Martin OldGoth und Cruel Britannia ersonnen wurde, statt. Genug Stoff für das Rolling Stone, das eine 30-jährige Subkultur in ein paar Zeilen Text kondensiert und quasi umreißt, wo Goth gelandet ist, im Mainstream. „In the 2000s, goth moved to American malls through the Hot Topic chain, as the term became a generic catch-all for any band where the guys wore eyeliner, dressed in black or sang about being alone. From emo bands and Evanescence to popular culture, „goth“ had gone mainstream. In 2003, while Evanescence was selling millions of albums with „Fallen,“ CBS debuted NCIS featuring a forensic specialist (played by Pauley Perrette) who would be mistaken for goth […] The dark culture of goth remains vibrant – you might even say bright.“ Stichwort Mainstream – Passend dazu gibt es im VICE einen neuen Modeartikel „Goth Picknick“ – Viel Spaß !?
  • Lepra, Hexen und der Tod | Der schwarze Planet
    Doppelfeature 1: Die hübsche Rothaarige zu Besuch in Köln. Gemeinsam mit Katharina und Parm geht es zum Melatenfriedhof, um seine morbide Schönheit zu erforschen. Ein wunderschöner Bericht über einen tollen Friedhof: „„Melaten“ kommt tatsächlich von „malade“ – dem französischen Begriff für „krank“. Denn ab dem 12. Jhd. lebten hier vor den Stadttoren von Köln die Aussätzigen […] nachdem die Krankheit besiegt war, dienten die Gebäude des Melatenhofes bis 1801 als „Zucht- und Arbeitshaus“ und danach kurzzeitig als Waisenhaus. Unter seiner französischen  Besatzung verbot Napoleon 1804 mit dem „Décret sur les sépultures“ die Bestattung innerorts und verwies die Toten, besonders aus hygienischen Gründen, vor die Stadttore. So kaufte die Stadt Köln den Melatenhof und das umliegende Gelände, riss die meisten Gebäude ab und funktionierte das langjährige Leprakranken-Asyl zum Zentralfriedhof und „Gottesacker der Stadt Köln“ um.
  • Schmetterling und Mohn – Tier und Pflanzensymbolik auf den Grabmalen des Melatenfriedhofs in Köln | Schemenkabinett
    Doppelfeature 2: Wie bereits erzählt, traf sich Shan Dark mit Katharina und Parm vom Schemenkabinett zum Friedhofsbesuch in Köln. Die beiden waren in forschender Mission unterwegs und erkundeten die Symbolik einiger Grabstätten. Erstaunlich, wie viele Details man auf so manchen Grabstein entdecken kann, wenn man sich die Zeit nimmt und genauer hinguckt. Ein Hochspannender Artikel! „Ein sehr häufiges Motiv auf dem Melatenfriedhof ist der Mohn, der als Mohnblüte oder als Samenkapsel Grabsteine ziert. Wegen der berauschenden und einschläfernden Wirkung der in seinem Milchsaft enthaltenen Alkaloide wurde der Mohn in der Antike zum Symbol für den Schlaf (Hypnos), den Zwillingsbruder des Todes (Thanatos). Insbesondere im Klassizismus wurde die Pflanze häufig auf Grabmalen dargestellt, wo sie einen sanften Tod symbolisiert.
  • Was ist bitte „Steampunk“? | Dark-News
    Kannte ich noch nicht, die dunklen Neuigkeiten. Mit zahlreichem Lesestoffe im Feedreader sollte sich das ändern. Da ist zum Beispiel ein Artikel über „Steampunk“, der die Schnittpunkte zwischen Gothic und dieser Subkultur an der Kleidung festmacht: „Und warum ausgerechnet die „Schwarze Szene“? In England ist Steampunk schließlich auch etwas völlig Eigenes. Ich erkläre es mir so, dass es einfach eine Menge Schnittstellen gibt. Auch in der schwarzen Szene sind Korsetts, Zylinder und viktorianisch angehauchte Gewänder beliebt. Mit seiner Tendenz, wertige Gegenstände zu schaffen anstatt billigen Plastikzeugs, übt Steampunk auch eine Gesellschaftskritik an der heutigen, oberflächlichen Wegwerfgesellschaft aus […] Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass viele aus der schwarzen Szene zunehmend auch Steampunk für sich entdecken und in beiden Szenen beheimatet sind. Häufig werden auch Stilelemente beider Richtungen kombiniert, das Eine schließt das Andere nicht aus, sondern ergänzt sich.“ Kühne Behauptung oder Tatsache?
  • Punk in Afrika | In your Face
    Bekanntlicherweise hat ja mit Punk alles angefangen. Wenn die Chronologie stimmt, kommt Goth bald auch nach Afrika, Punk ist nämlich schon angekommen, wie eine kommende Doku zeigen soll. „Um unsere Vorurteile zu widerlegen: Es gibt Punk in Africa! Die Doku „Punk in Africa“ beweist dies. Keine gelangweilten rebellischen Vorstadtkinder aus guten Haus, sondern Kampf gegen Rassismus pur in Südafrika, Mosambique und Zimbabwe mit der Gitarre in der Hand und bunten Haaren.
  • WGT 2013 im Morgenmagazin  | ZDF
    Die Schwarzen und Richard Wagner: „Und so traf Gothic auf Hochkultur. Was passiert wenn beide Seiten aufeinandertreffen?“ Vorsicht! Dieser Beitrag könnte Illusionen zerstören. Er könnte aggressiv machen und frustrieren. Merkt auf beim Zitat von Frau Thalbach: „Das ist ja kein Festival der Doofen, sondern ein Gothic-Festival.
  • Bar refused me entry for being a Goth | The Shields Gazette
    Unfassbar! Da wird jemand nicht in eine Bar gelassen, weil er wie ein Goth aussieht! Neulich in Newcastle. Kieran Martin wird an seinem 22. Geburtstag nicht mit seinen Freunden in eine Bar gelassen, weil er wie ein Goth aussieht. Zynismus beiseite. Ich würde es auch nicht toll finden, wenn Leute in bunten Hip-Hop-Hoodys einen schwarzen Tempel belagern würden. Nun lassen wir mal die Toleranzkeule zu Hause, ich muss nicht überall reingelassen werden. Wenn ich mich so kleide und mich eine Subkultur zugehörig fühle, mache ich das doch, um mich abzugrenzen, oder? Bitteschön, Martin, klappt doch super. Ertrag es wie ein Goth.

WGT 2013 – Wer hat an der Uhr gedreht?

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Das WGT ging in diesem Jahr wahnsinnig schnell vorbei, oder? Mir kam es jedenfalls so vor. Eine Tatsache gleich vorab: Je weiter man sich von der Agra, der Moritzbastei und dem Heidnischen Dorf entfernt (gerne auch im übertragenen Sinne), desto schöner werden die Eindrücke und Erlebnisse. Ich weiß, dass das kein Geheimnis ist, aber ich möchte es noch einmal für all diejenigen betonen, die sich über Kitsch, Kommerz und die „Kirmesbäckerei“ aufregen. Hätten wir uns in die Nähe der Knipser und Karnevalisten begeben, würde dieser Bericht anders ausfallen. Haben wir aber nicht – oder kaum – , deswegen gibt es 2013 einen Spontis-WGT-Nachbericht, in dem ein glückliches Lächeln durch die Zeilen schimmert.

In Leipzig war noch Platz, als wir am Donnerstag gegen 15 Uhr ankamen. Es ist immer aufregend, die ersten „Schwarzen“ auf Leipzigs Straßen zu suchen und dann so zu tun, als sei das ganz normal. Es ist natürlich nicht „normal“ – auch nicht für alteingesessene Gruftis. Das WGT ist, nicht zuletzt durch die Fülle der Schwarzen, die sich über die ganze Stadt verteilen und nicht etwa auf einem abgeschlossenen Festivalplatz zusammengepfercht sind, etwas Besonderes. Aber auch die schwarze Welt ist nur ein Dorf – und so trafen wir kurz nach unserer Ankunft in unserem Hotel zunächst im Fahrstuhl auf Herrn Benecke und später dann auf Parm und Katharina vom Schemenkabinett.

Leider landeten wir diesmal im fünften Stock unterm Dach, so dass es bei den erstaunlich/erfreulich hohen Temperaturen trotz Ventilator ziemlich warm im Zimmer war. Wenn man morgens aufwachte, standen die Chancen, wieder einzuschlafen, sehr schlecht, wie wir später feststellen mussten. Ich lege an dieser Stelle allen Hotelbuchern ans Herz, auch nach der Größe der Kleiderschränke zu fragen. Wir hatten für drei pralle Kofferladungen Klamotten eine kleine Kleiderstange, zwei flache Regalbretter und zwei Schubladen zur Verfügung, so dass wir erst einmal umbauen und Schreibtisch, Sessel und Bodenfläche zum „Schrank“ umfunktionieren mussten. Ich frage mich, wie die Nähtanten und Kalkleisten mit dem Platz im

WGT 2013 - Baendchenausgabe
Donnerstag Nachmittag – Ab hier noch 90 Minuten Wartezeit

Hotelzimmer oder sogar im Zelt auskommen, wenn wir schon die Klamotten für knapp eine Woche nicht unterkriegen. Und ich frage mich, was aus den lockeren Rucksack-Reisen mit wenig Gepäck und einem Herz voll Freiheit und viel Improvisation geworden ist. Entweder werden wir alt oder bequem oder … maßlos. Lustig war übrigens der Blick ins Zimmer nach einigen Stunden. Auf Roberts Seite war alles fein säuberlich sortiert, gefaltet und gestapelt und bei mir flog alles durcheinander. Wir hätten das fotografieren sollen.

Nachdem wir eingecheckt und ausgepackt hatten, machten wir uns auf den Weg in die Innenstadt, um Nahrung zu finden und unsere Bändchen zu holen. Was bei uns die Dönerbuden sind, sind in Leipzig offensichtlich die indischen Restaurants – zumindest zahlenmäßig gesehen. Also gingen wir indisch essen. Schmeckte auch wie in einer Dönerbude – nur indischer eben. Beim „Grablicht kaufen“ für die Blaue Stunde am Abend trafen wir Alice Insanity und Nec Romant, die gerade mit dem Zug angekommen waren und die Bändchenausgabe suchten. Auch Silvia und Angela standen schon in der Schlange, als wir uns in die Menge derer reihten, die Karte gegen WGT-Band tauschen wollten. Während der Wartezeit wurde ich durch die Gespräche hinter mir darüber aufgeklärt, wie toll Oswald Henke ist. Es konnte nur besser werden… Eineinhalb Stunden später hatten wir es geschafft. Über Facebook erfuhr ich heute übrigens, dass es auch an der Moritzbastei eine Bändchenausgabe gegeben hat, an der weit weniger los war. Wer kann das bestätigen? Könnte man sich ja dann fürs nächste Jahr merken.

WGT 2013 - Blaue Stunde am Donnerstag - Grablichtprozession
Die blaue Stunde. Die Besucher nähern sich mit entzündeten Grablichtern – (c) Dennis Merbach

Gegen Abend machten wir uns dann auf zur Blauen Stunde im Wald unter freiem Himmel. Ein sehr stimmungsvoller Einstieg ins WGT mit Grablichtern bei Nacht, Fackeln und Musik. Es war unser „erstes Mal“ und deshalb waren wir auch etwas unvorbereitet. Silvia und Angela gewährten uns Asyl auf ihrer Decke. Da es schon recht dunkel war, übersahen wir erst einmal Marcus und Edith, die eigentlich direkt neben uns saßen. Wir trafen Shan Dark, Michael und Dirk, Christian und Rosa, Dennis, Piet und Chris und und und… eigentlich war die Blaue Stunde das erste Spontis Treffen auf dem WGT 2013. Weiß eigentlich irgendwer, wonach es da auf der Wiese roch? Bärlauch? Knoblauch? Irgendeine andere Pflanze? Dieser Geruch stieg einem in manchen Ecken von Leipzig immer wieder in die Nase. Mit einigen Mückenstichen und einem beschaulichen schönen WGT-Gefühl machten wir uns gegen 2 Uhr nachts auf ins Hotel. Die Blaue Stunde eignet sich hervorragend, um anzukommen.

Freitag

Um 5 Uhr – nach knapp drei Stunden Schlaf – war ich wieder wach. Es war drückend warm im Zimmer und ich konnte nicht mehr pennen. Vielleicht war ich auch aufgeregt und wollte, dass es endlich losgeht. Der Wizard of Goth schlief tief und fest, also schaute ich doof im Zimmer umher und ging gegen 6 Uhr erst einmal baden. Um 7 Uhr weckte ich den Overlord, um ihm mitzuteilen, dass mir langweilig ist. Wir machten uns fertig und saßen um 8 Uhr am Frühstückstisch. Das ist selbst mein persönlicher Rekord im Urlaub, obwohl ich nie lange schlafe. Nachdem wir uns gestärkt und gestylt hatten, schlenderten wir in die Stadt, wo wir Angela trafen und gemeinsam einen Kaffee tranken. Der Ausdruck „detonierte Hose“ löst beim Wizard of Goth jetzt noch Lachanfälle aus.

Der nächste Anlaufpunkt war die Agra, denn wir hatten den Freitag zum Shopping-Tag auserkoren. Wir verpassten vor lauter Konsum die „Historische Buchkunst“ (an allen Tagen! Hat sich das jemand angeschaut und kann berichten?) und machten uns viel zu spät auf die Socken zur Parkbühne. Leider bekamen wir deshalb nur noch die letzten Songs von den hervorragenden Terminal Gods mit.

Lesung bei City Comics
Lesung bei Citycomics. v.L.n.R: Carolin Gmyrek, Torsten Low, Isa Theobald

Danach scheuchte uns die Folgeband mit uns missfallendem Gesang vor die Tore und wir machten es uns mit einigen Spontis-Family-Mitgliedern, die ebenfalls das Weite gesucht hatten, auf der Wiese gemütlich. Hierbei vermissten wir schmerzlich Tobi, Sita und Anton, mit denen wir an dieser Location zu diesem Anlass fest gerechnet hatten. Aus lauter Frust über diesen Verlust schlugen wir uns auf die Nachbarveranstaltung, das Viktorianische Picknick. Wir hielten es etwa 20 Sekunden dort aus und flüchteten dann von diesem Ort der Poser und Fotografen.

Einige Zeit später verpassten wir Gitane Demone und Thomas Manegold mit seinen „Gesprächen mit Goth“, außerdem fiel die geplante Friedhofsführung für uns aus. Ich bin mir sicher, dass auf dem WGT ein zeitfressendes, unsichtbares Monster herumläuft. Anders ist es nicht zu erklären, dass die verfügbare Zeit eines Tages plötzlich weg ist. Wie durch ein Wunder schafften wir es allerdings rechtzeitig zur Lesung von Isa Theobald ins „City Comics“. Den „bissigen Verleger“ Torsten Low kannten wir schon von einer Lesung vor zwei Jahren. Wie beim ersten Mal ging es familiär und sehr sympathisch zu. Ich persönlich mochte die Geschichte von Isa Theobald und habe mir extra das Buch „Geheimnisvolle Bibliotheken“ gekauft, um herauszufinden, warum James diesen Namen trägt und wie die Geschichte ausgeht. Auch die zweite Geschichte, die – etwas holprig aber engagiert – mit verteilten Rollen vorgetragen wurde, gefiel mir als Funny-Fantasy-Fan sehr gut. Das Buch wurde übrigens von Carolin Gmyrek herausgegeben, die – sofern ich das richtig verstanden habe – bei der Lesung vor zwei Jahren auf dem WGT noch im Publikum saß und Torsten Low danach wegen dieser Idee angesprochen hatte. Wie schön, dass es noch Verleger gibt, die mit dem Herzen dabei sind und neuen Ideen und neben etablierten auch unbekannteren Autoren eine Chance geben.

Das Moon WGT
Das Moon in der Moritzbastei am Freitag

Das Highlight des Tages tat sich dann am Abend auf. Der Wizard hatte mich mit der fadenscheinigen Begründung, er habe mir die Band vorgespielt und ich hätte sie gut gefunden, in die Moritzbastei gelockt, wo ich dann erfuhr, dass eine Frau singen sollte. Ich mag es nicht, wenn Frauen singen. Also erwartete ich Kopfschmerzen und langsam aufkommende schlechte Laune. Als „Das Moon“ aber loslegten, war ich sofort fasziniert. Tolle Sängerin, tolle Musik, sehr abwechslungsreich, schöner Auftritt (auch dank des Keyboarders). Kurzum: Das Moon gehören ab sofort mit auf meine Lieblingsband-Liste. Meine Güte, was hat die Frau für eine Figur!

Im Anschluss trafen wir Tobi mit Freunden, gesellten uns dazu und verschwanden nach einem späten Mahl in der Moritzbastei ins Hotel. Auf die geplante Synthie Party im „4Rooms“ hatten wir keine Lust mehr, weil wir ja schon so früh aufgestanden waren und uns die Müdigkeit einholte. Irgendwer (Silvia?) erzählte später, dass die Location deshalb nichts für uns gewesen wäre, weil dort geraucht wurde, was wir als frischgebackene Nichtraucher ja in geballter Form nicht mehr so gut aushalten. Egal…wir hatten einen tollen WGT-Freitag!

Samstag

Der Samstagvormittag fiel dem zeitfressenden Monster zum Opfer. Wir verpassten die Führungen zur Schuhausstellung im Grassi-Museum, eine Lesung im Centraltheater, die Gesprächsrunde zur Stasi-Ausstellung und noch so ein paar andere angedachte Programmpunkte. Ehrlich gesagt kann ich mich nicht mehr so richtig erinnern, was wir bis 17 Uhr gemacht haben.

Echo West WGT
Echo West bei ihrem Auftritt im Anker

Zu Echo West im „Anker“ setzt die Erinnerung jedoch wieder ein. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich „Echo West“ noch nicht kannte und demnach nicht als potentielle Lieblingsband auf dem Plan hatte. Die Musik hat mich jedoch direkt gepackt und wurde bis zum Schluss nicht langweilig. Den Auftritt der nachfolgenden Band ignorierten wir und gingen einem Tipp von Chris nach, der gegenüber der Tram-Station einen Imbiss mit breitem Angebot entdeckt hatte. War lecker, kann ich nur empfehlen! Unser nächster Programmpunkt waren „She past away“, auf die ich mich schon sehr gefreut hatte. Die waren auch nicht schlecht, aber nach einigen Songs wurde es langweilig. Klang irgendwie alles gleich, wenn auch gut. Da mit Sita, Andrea, Silvia, Katharina, Sophie, Konrad uvm. wieder viele Bekannte vor Ort waren, hatten wir ein alternatives Quatsch-Programm, das uns ebenfalls gefiel. „Frank (just Frank)“ konnten uns anschließend genau zwei Lieder lang vor der Bühne halten.

IAMX WGT
IAMX in der Agra-Halle. Leider ließ schlechte Beleuchtung keinen besseren Blick zu.

Zusammen mit Katharina Noire fuhren wir dann zum Werk 2, um uns Skeletal Family anzuschauen. Ist Euch eigentlich schon einmal aufgefallen, dass es in Leipzig kaum Tankstellen und auch keine Kioske gibt? Zu Skeletal Family kann ich nicht viel sagen, denn – wie erwartet – war das nicht meine Musik, was der Wizard of Goth sofort bemerkte. Er erlöste mich und wir trieben uns noch ein wenig im Werk 2 herum, bevor wir uns auf zur Agra machten, um IAMX zu sehen. Eine Stunde vor Beginn des Konzerts sicherten wir uns schon Plätze in der ersten Reihe. Wenn ich eins sehen wollte, dann diesen Auftritt! Okay, trotz der Sache mit der ersten Reihe konnte man von unserer seitlichen Position aus nicht viel erkennen, weil die Bühne sehr schlecht ausgeleuchtet war, aber das Konzert war der Wahnsinn! Die komplette Band überschüttete das Publikum mit Energie, Kreativität und Spaß an der Musik. Sehr leidenschaftlich, sehr professionell, sehr schön anzuschauen. Ein Highlight, das ich so schnell nicht vergessen werde.

Sonntag

Der Sonntag stand im Zeichen des Spontis-Treffens. Hierzu wird Robert einen eigenen Beitrag schreiben. Ich überspringe diesen eindrucksvollen Teil und gehe gleich über zur Lesung von Klaus Märkert im Centraltheater. Isabel hatte uns und Silvia vom Spontis-Treffen zum Centraltheater geführt, weil wir sonst den Weg niemals gefunden hätten. Wir kamen gerade noch rechtzeitig, verloren in den Hallen noch kurz Silvia und ließen uns dann in einer der oberen Reihen nieder. Auf der gegenüberliegenden Seite entdeckten wir auch Marcus und Edith im Publikum. Klaus Märkerts Stimme und seine Art zu lesen, sind uns sehr vertraut, da wir große Fans der Schementhemen sind (gibt es eigentlich irgendwann neue Termine?). Wir haben alle Bücher von Klaus Märkert gelesen (oder uns gegenseitig vorgelesen) und so kannten wir auch einige Geschichten schon. Allerdings macht es immer wieder Spaß, die Gedanken und Anekdoten vom Autor selber zu hören. Er hat eine ganz eigene

Klaus Märkert WGT
Klaus Märkert im Centraltheater. Das Publikum erlöste ihn von nahezu allen mitgebrachten Büchern.

Art, sie vorzutragen. Andere Geschichten stammten aus dem neuen Buch „Schlagt sie tot in den Wäldern“, das wir natürlich sofort kauften. Eine Rezension wird es im Blog bald geben. Ich wollte ohnehin Klaus Märkerts Bücher einmal näher vorstellen. Kurzum: Nach den schönen, aber auch sehr ungewohnten und überwältigenden Eindrücken vom Spontis-Treffen, war die Lesung von Klaus Märkert gefühlsmäßig ein Stück „Heimat“, das uns zur Ruhe kommen ließ.

Im Anschluss sollte Christian von Aster lesen, was unsere Gelegenheit gewesen wäre, ihn einmal live zu sehen und zu hören. Seine Lesungen sind ja immer sehr überfüllt und wir hatten einen ziemlich guten Sitzplatz. Doch irgendwie war uns das nach dem Spontis-Treffen alles zu viel und wir suchten stattdessen ein Restaurant auf, um die Eindrücke vorm nächsten Programmpunkt ein wenig zu verarbeiten. Dann ging es auf in den Volkspalast, wo wir auf Heike und Lothar stießen. Außerdem trafen wir einen uns bis dahin unbekannten Spontis-Leser mit seiner Freundin, der Robert auf den Blog ansprach. Der Wizard ist sozusagen schon berühmt und wird an der Nasenspitze erkannt. :-)

Wir warteten gefühlte zwei Stunden auf den Auftritt von Karin Park, die Tobi doch so angepriesen hatte. Nach einem halben Lied setzte ich mich außerhalb der Veranstaltungshalle auf einen Sessel. Auch Heike und Lothar waren dorthin geflüchtet und der Wizard of Goth gesellte sich zwei Songs später auch zu uns. Karin Park konnte uns nicht überzeugen.

Die letzte Station des Tages war die Gothic Pogo Party in der Damenhandschuhfabrik. Schließlich mussten wir uns das diesjährige Plakat abholen, um unsere Sammlung fortzuführen. Dummerweise hatten wir kein Geld mehr dabei. Alice Insanity und Nec Romant halfen uns aus der Patsche und schenkten uns das Poster. Vielen Dank, ihr Lieben! Ansonsten gab es – wie immer – gute Musik und wir trafen die üblichen Verdächtigen – Shan Dark und Micha, Dirk, Chris, Piet uvm.

Blaue Stunde WGT
Die blaue Stunde in der Nacht zu Dienstag. Gemütlicher Ausklang in gruftiger Atmosphäre

Montag

Der Montag war ein waschechter Treffen-Tag. Ich weiß nicht, ob es Euch auch so geht, aber wir kennen von Jahr zu Jahr mehr Leute auf dem WGT und sehen an jedem Veranstaltungsort, bei jedem Konzert und jedem Event bekannte Gesichter. Das WGT wird immer persönlicher und immer familiärer. Dennoch kommt man natürlich kaum dazu, sich ausgiebig miteinander zu unterhalten, denn die Zeit drängt und der Tag ist vollgestopft. Am Montag war das anders. Auf der Agra trafen wir Christian, der von „La Catrina“ aus Mexiko und ihrer Geschichte erzählte. Sehr interessant! Dann verpassten wir zahlreiche Lesungen, Vermaledyt im Heidnischen Dorf und die letzte Chance auf eine Führung über den Südfriedhof und trafen dann zu „Other Day“ an der Parkbühne ein. Nach den ersten Klängen zogen wir es vor, mit Angela und Silvia über die Szene im Allgemeinen und im Speziellen zu quatschen. Katharina und Thilo kamen auch noch kurz vorbei. Es war ein sehr schöner Nachmittag mit Kaffee, Pommes und guten Gesprächen.

Etwas wehmütig steuerten wir den letzten Programmpunkt für dieses Jahr an: Die Blaue Stunde. Hier trafen wir auf Rosa, Christian, Dennis, Grabesmond, Schatten, Kathi, Marcus, Edith und viele mehr. Ein toller Abend in wunderschönem Ambiente, bei dem man den einen oder anderen näher kennenlernen konnte. Eigentlich hatte ich vor, nur kurz dort zu bleiben und dann mit dem Wizard noch irgendwo tanzen zu gehen. Es kam anders und das war auch gut so. Ein toller Abend!

Dienstag

Da sich während der ganzen WGT-Tage keine Gelegenheit gezeigt hatte, in Ruhe mit Edith und Marcus zu quatschen, verabredeten wir uns kurzerhand vor der Abreise in einem Café. Wir tauschten Erfahrungen und Erlebnisse aus, redeten kurz über die neue „Pfíngstgeflüster“-Ausgabe, für die Robert zwei Artikel schreiben wird, und machten uns dann auf den Weg zurück gen Heimat. Was gibt es noch zu sagen? Nach dem WGT ist vor dem WGT! Wir freuen uns aufs nächste Jahr. Und wie war es bei Euch so?

Pressespiegel zum 22. Wave-Gotik-Treffen in Leipzig

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Während die Gruftis am Pfingstwochenende 2013 ihre 22. Zusammenkunft in Leipzig zelebrierten, waren wieder zahlreiche Redakteure, Journalisten, Kamerateams und Fotografen damit beschäftigt, den Rest der Welt über genau diese Tatsache zu informieren. Sie schrieben, befragten, recherchierten, fotografierten und filmten, was sich 4 Tage lang in Leipzig ereignete und berichteten über das größte Gothic-Treffen in Leipzig. Der Zenit scheint jedoch überschritten, das Interesse an der schwarzen Subkultur scheint weniger zu werden. Die Anzahl der Berichte ist überschaubar, die meisten überregionalen Zeitungen bemühen eine kurze dpa-Meldung, setzten vorgefertigte Floskeln zusammen oder sind gänzlich verstummt. Für die „Welt“, die „FAZ“, die „TAZ“ oder auch die „Zeit“ ist das Wave-Gotik-Treffen schon lange kein interessantes Event mehr. Die Gesellschaft hat sich Gothic erklärt, es gibt keine Fragen mehr, die Mitglieder sind harmlos, ihre Interessen auch nicht gefährlich. Der Boulevard macht aus dem Treffen eine sexy Modenschau, die Privaten höchstens noch eine Reality-Soap. Vielleicht ist auch sonst viel mehr passiert auf dieser Welt. Schlimmeres, schrecklicheres, furchtbareres. Auch der subjektive Eindruck bestätigt diesen Trend, das Treffen 2013 ist „normaler“ also sonst, was durchaus positiv gemeint ist, haben die fetten Jahre doch tiefe Narben im Gefüge der Gruftis hinterlassen. Schauen wir mal, wie das Treffen gesehen wurde.

Kommerzpunk

Das Festival hat sich ohne Frage zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Stadt entwickelt“, sagt Rita Fleischer gegenüber der Leipziger Volkszeitung und meint damit 4,2 Millionen Euro Umsatz für die Stadt Leipzig. Im Schnitt, so die Zeitung weiter, gibt jeder Gast 22,90€ pro Tag aus und das nur für Essen, Trinken, Taxifahrten und Einkäufe in Leipziger Geschäften. Die Dehoga in Leipzig meldet bereits am Donnerstag, dass kaum eines der 14.000 zur Verfügung stehenden Betten in Leipzig leer bleibt, offenbar steigt die Zahl der Hotelbewohner von Jahr zu Jahr kontinuierlich. „Ein Garant für volle Häuser ist das WGT in jedem Jahr auch für die Hotels. Die IHK geht davon aus, dass rund 13 Prozent der 20.000 WGT-Besucher, also rund 2600, in Herbergen übernachten. Bei einem durchschnittlichen, von der IHK geschätzten Bettenpreis von 70 Euro und vier Übernachtungen ergibt das insgesamt 728.000 Euro Umsatz.“ Höchstwahrscheinlich wird jedoch viel mehr mit den Besuchern verdient, denn neben den gezählten Karten-Inhabern spülen auch die unzähligen Besucher ohne Bändchen, die vielen Künstler und Gäste eine große Rolle. So schätzt man, dass etwa 15 Millionen Euro durch das WGT im Jahr in der Stadt umgesetzt werden. So hätte das WGT die gleiche Bedeutung wie die Buchmesse, die in einer ähnlichen Liga spielt.  Wo soll das alles noch hinführen?

Mit Sicherheit spielt auch die Kreativität der Leipziger einer Rolle, jeder Laden, der etwas auf sich hält, kehrt seine schwarze Seite heraus. Bei Valentino gibt es schwarze Nudeln, bei Hans-Bernd Günther in den Höfen am Brühl gibt es Cupcakes mit Corsage, die Pinguin Milchbar hat schwarzes Eis, der Mytholon Store auf der Emilienstraße bietet 15 Sorten Honigwein und im Kellergeschoss des Hauptbahnhofes konnte man sich im „gruftigen Ambiente“ fotografieren lassen. (LVZ, 17. Mai 2013)

Nomen est Omen – Bild dir Deine Meinung

Die BILD wird nicht müde, sich Überschriften für das WGT auszudenken. „Leipzig freut sich auf die Grufti-Inavsion“ (Bild vom 15.05.2013), „Bleichenschau beim Grufti-Treffen“ (18.05.2013), „So sexy feierten die Gruftis in Leipzig“ (BILD vom 18.05.2013) oder „Leipzig wieder im Grufti-Fieber Schwarzer Freitag!“ (Bild vom 17.05.2013) um sich ganz nebenbei auch an schrecklichen Zusammenfassungen zu versuchen. „Ein wenig morbid, ganz viel schwarz und verdammt heiß. Gruftis in engen Korsetts, Neofolks in aufwendigen Kostümen“ Wer ist in aufwendigen Kostümen, Neofolks? Glücklicherweise gibt es Dr. Made, so wie der 42-jährige Mark Benecke genannt wird, der in der Bild erklärt, was es mit den ganzen Kostümen auf sich hat. Zum Beispiel die roten Viktorianer: „Die „Alternativen“ in der Reifrockszene: „Wer sich absetzen will, trägt alles – außer schwarz.““ In einer Bild-Serie erklärt er 14 an der Haaren herbeigezogene Stile, wie die „Biotechniker“, „Sexy Gothics“ oder die „Elfen“. Natürlich war Bild auch hautnah dabei, wie Stefan Ackermann 7 Hirnblutungen überlebte und sich vom Sterbebett zurück auf die Bühne kämpfte. „Sänger vom Sterbebett zurück auf die Bühne – Grufti-Wunder beim Wave Gotik Treffen in Leipzig“ (Bild vom 15.05.2013)

Herrje, was wären wir ohne die Bild-Zeitung und ihren knallharten Qualitätsjournalismus. Und trotz aller Ironie steht viel mehr zwischen den plakativen Zeilen als man denkt, so fasst beispielsweise folgendes Zitat aus der Bild vom 18.05.2013 das viktorianische Picknick sehr gut zusammen: „Der Leipziger Mike Möbes (47) und seine Frau Manuela (48) sind gekommen, um sich und ihre aufwendigen Kostüme zu präsentieren. „Wir haben gar kein Festival-Ticket, wir wollen uns nur verkleiden und gesehen werden.“

Kitsch, Kostüme und Karnevalisten

"Jedes Jahr an Pfingsten zieht es Tausende zum bunten Jahrmarkt der schwarzen Szene in die Universitätsstadt. Städteurlauber müssen sich nicht zwangsläufig dunklen Liedstrich auftragen und die Lippen rot schminken | Screenshot stern.de thx@tobikult
„Jedes Jahr an Pfingsten zieht es Tausende zum bunten Jahrmarkt der schwarzen Szene in die Universitätsstadt. Städteurlauber müssen sich nicht zwangsläufig dunklen Liedstrich auftragen und die Lippen rot schminken | Screenshot stern.de thx@tobikult

Viele Zeitungen nehmen jedoch ganz andere Schwingungen wahr, die der Realität deutlich näher stehen. So fragt die Münchener Abendzeitung „Ist das noch schön?“ und bemerkt: „Ein Ärgernis für einige Besucher ist allerdings, dass einige Szenemitglieder sich in Fantasie-Uniformen kleiden, die denen der Nazis sehr ähnlich sehen.“ Überhaupt geht es anscheinend nur um sehen und gesehen werden. Die TLZ berichtet in einem Artikel von Anita (78) und Oswald (82), die Pfingsten damit verbringen die Besucher zu beobachten: „Sie sitzen auf einer Bank vor der Einlasskontrolle – die Kühltasche ist mit dabei – und erfreuen sich am Anblick der Menschen. „Es gibt hier so wunderschöne Kleider zu sehen, die Leute zeigen soviel Fantasie und Kreativität“, sagt Anita Oswald. Eher zufällig gerieten sie im vergangenen Jahr aufs Wave-Gotik-Treffen – und konnten sich nicht satt sehen. Diese Jahr haben sie Tochter und Enkeltochter mitgebracht, die ein Foto nach dem anderen schießt – von Männern mit Science-Fiction-Brillen, Mädchen mit Zombie-Kontaktlinsen oder Familien in mittelalterlichen Gewändern.“

Der MDR hat passend dazu eine Abstimmung in Leben gerufen und fragt: „WGT – Szene-Treff oder Kostümfest?“ Eine berechtigte Frage. Schon jetzt stehen die Fotografen in Zweierreihen vor der Moritzbastei und an der Agra lauern unzählige Objektive auf ihren nächsten Abschuss. Wen wundert es, ist das WGT doch mittlerweile als große Show in Reisetipps etablierter Magazine avanciert.

In der Leipziger Volkszeitung vom Dienstag, den 21. Mai 2013 hat Lars Schmidt sich ein wenig intensiver mit dem diesjährigen Treffen beschäftigt. Kritisch und ohne jede Polemik bringt das 22. WGT auf den Punkt: „Freitagnachmittag. Clara-Zetkin-Park. […] Inzwischen ist es kein Subgruppen-Meeting mehr, sondern ein von beiden Seiten inszeniertes Aufeinandertreffen von Voyeuren und Exhibitionisten. Nicht schlimm, so lange es beide Seite wollen, auch kein Ausverkauf der Szene-Werte. Es bildet nur eine Facette der schwarzbunten Gothic-World ab. Wenn auch jene, die von den meisten wahrgenommen wird, wozu die Schnappschussjäger der Medien das Ihrige beitragen.“ In seinem abschließenden Satz heißt es: „Es wird manchmal vergessen, dass die Gothic-Kultur in bewusster und konsequenter Abwendung von der zeitgeistigen Spaßgesellschaft entstanden ist und sich noch heute so sieht. Freundliche Akzeptanz durch Mehrheiten ist eigentlich der sicherste Garant für den Untergang einer alternativen Bewegung. Bleibt zu hoffen, dass Gothic auch diese Gefahr übersteht.“

„Die Trauer soll ein Ende haben“

Die Christen interpretieren das WGT auf ihre ganz eigene Weise, so schreibt PRO, das christliche Medienmagazin: „Poetisch und doch klar hallt die Botschaft von vorne. „Die Predigt ist kein Plädoyer für Depression und Niedergeschlagenheit.“ Jedoch könne eine „gesunde Traurigkeit Zugang zu einem Alltag sein, in dem das Mystische und Geheimnisvolle wieder eine Rolle spielt.“ Am Ende steht ein Vers aus dem 20. Kapitel des Propheten Jesaja, welchen die Besucher an einem Band um eine Kerze auch mit nach Hause nehmen können: „Deine Sonne wird nicht mehr untergehen und dein Mond nicht den Schein verlieren; denn der Herr wird dein ewiges Licht sein und die Tage deiner Trauer sollen ein Ende haben.“ Gothic und Christ sein, kann man das überhaupt?“ Vielleicht missioniert die Kirche ja ihre verloren gegangenen Schäfchen aus der Szene heraus, die alles morbide feiert, sich für den Tod begeistert und überhaupt lieber trauert als sich freut. Wer dennoch möchte, informiert sich bei Gothic Christ über die Idee des Ganzen.

Dabei brauchen wir überhaupt keine Moralaposteln. Wir sind braver denn je, das bestätigen auch die Leipziger Krankenhäuser, die trotz der schwarzen Massen nicht viel zu tun gehabt haben. „Das Wave-Gotik-Treffen mit mehr als 20.000 Besuchern aus aller Welt mitten in der Stadt könnte vermuten lassen, dass Ärzte und Kliniken am Festival-Wochenende alle Hände voll zu tun haben. Doch typische Szene-Verletzungen gebe es nicht, berichtet Gießner. Selbst Unfälle mit hochhackigen Schuhen oder Probleme wegen der schwarzen Roben bei großer Hitze seien äußerst selten, weiß der 49-Jährige. „Das WGT ist immer easy und entspannt“, berichtet er.“ (LVZ, 17.05.2013)

Der MDR hat zudem noch einen kurzen Bericht zum WGT gedreht, denn ich euch nicht vorenthalten möchte, darüber hinaus könnte ich noch einen russischen Beitrag anbieten, für dessen Verständnis ich aber leider nicht genüge. Sollte es die nächsten Tage mehr zu berichten geben, wird es hier zu lesen sein. Das Fazit spare ich mir dennoch nicht: Es wird ruhiger um und während des Treffens in Leipzig. Und das ist gut so. Sinkt das Interesse, wird auch die Anzahl der Karnevalisten kleiner, denn wo keiner guckt will auch keiner gesehen werden. Wäre doch ein schöner Gedanke, wenn die aufgebrezelten Schauläufer ziellos vor der Moritzbastei auf- und ab laufen und verzweifelt versuchen auf einer Chipkarte gespeichert zu werden, oder?

Nachtrag: Der MDR hat wieder zugeschlagen und eine 30-minütige Reportage aus dem Ärmel geschüttelt. Der Schnitt durch die existierende Szene ist breit und schmeckt sicherlich nicht jedem, doch im Kern gibt es dennoch etwas zu entdecken. Bis auf die infantil bis alberne Reporterin ein interessanter Bericht, auch wenn es für die Meisten um die Verkleidung geht. „Man muss auch ausblenden können“, sagte eine gute Freundin zu mir. Klappt ganz gut, ignoriere ich das, was mir nicht gefällt, bleiben zwar nur 5 Minuten Bericht über, aber was soll es denn.

Afro Goth: Wie rassistisch ist unsere Szene?

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Dieser Artikel wird ein Problem haben. Schon bevor ich überhaupt eine Zeile geschrieben habe beschäftigt mich ein Problem, dass sich so schrecklich deutsch anfühlt und dennoch eine englische Phrase verwendet: „Political Correctness“. Es geht, wie die Überschrift bereits verrät, unter anderem um den Afro-Goth, also um dunkelhäutige Mitglieder der Gothic-Szene. „Schwarze“ wäre in diesem Zusammenhang irreführend, vielleicht auch witzig oder einfach nur peinlich. Und jetzt stecke ich im Dilemma. Habe ich die richtige Bezeichnung gewählt? Was darf ich schreiben uns was nicht? Wie spricht man von dunkelhäutigen Menschen, wenn es um die Hautfarbe geht? Uns fehlt offensichtlich der lockere Umgang mit heiklen Themen. Die „Politische Korrektheit“ (wie man es im Deutschen nennen könnte) schwebt wie ein Damokles-Schwert über unseren Köpfen und droht ständig, uns bei einem verbalen Verstoß gegen eben diese nicht definierten Regeln als Rassist zu zeichnen. Halten wir fest: „Afro-Goth“ ist keine von mir gewählte Bezeichnung, sondern ein Begriff, der von den „Betroffenen“ selbst verwendet wird. Viele der von mir verwendeten Links dürfen gerne als Beleg herangezogen werden. Genug Rechtfertigungen.

Ich gebe zu, dunkelhäutige Menschen als Mitglieder der Gothic-Szene sind für mich rein optisch ungewöhnlich. Sie fallen auf, weil sie in unsere Breiten selten sind und eher als „Ausnahme“ gelten dürften. Vermutlich liegt das daran, das die Wurzeln des Gothic kalkweiß sind. Die Szene wurde irgendwann in England geboren und hat sich im Laufe der 80er Jahre erst nach Europa und später um die ganze Welt verteilt. Das damals so wenig dunkelhäutige Gothics waren, lässt sich womöglich ganz einfach erklären. Ich bin mir sogar fast sicher, dass es immer wieder welche gegeben hat, sie sind nur nicht aufgefallen, oder wurden nicht thematisiert. Minderheiten in Minderheiten sind die Stecknadeln im Heuhaufen. Mit anderen Worten: In England war der Anteil der weißen Bewohner deutlich höher als der der schwarzen Bewohner, die Anzahl der Gothic noch überschaubarer. Doch kommen wir zum Punkt.

Ein Artikel von „Bedlambedlam“ war auslösend für diesen Artikel und bringt es auf den Bildschirm:  „It’s time to admit that Goth culture has a race Problem„. Haben wir ein Rassismus-Problem? Die Gründe, die der Artikel anführt sind simpel, aber einleuchtend. Dunkelhäutige fallen in der Gothic-Szene auf und werden durch merkwürdige Fragen in einen Zustand versetzt, den sie eigentlich für überwunden hielten. „This whole experience was my first encounter with goth as a subculture. I didn’t expect the racism or the hostility and having gone through it, it threw me for a loop. It constituted an ugly truth about the subculture that I couldn’t ignore.“ Lucy Furr, eine 30-jährige Schriftstellerin aus England die sich selbst zur schwarzen Szene zählt, beschreibt es so: „Because without fail the very same person will say something completely ignorant within a very short time period, like “Do you use a pick for your hair?” “But I thought black people didn’t like goth stuff” Or the all-time stupid comment “But you really aren’t that black.”

Es gibt keine "farbige" Musik, nur einseitige Vereinnahmung
Es gibt keine „farbige“ Musik, nur einseitige Vereinnahmung

Wer an dieser Stelle denkt: „Was für ein Unsinn!“, dem pflichte ich bei. Ich finde nicht, dass „Gothic“ ein Rassismus-Problem hat. Ich finde dunkelhäutige Szene-Mitglieder zwar ungewöhnlich, dass sei jedoch ihrer Seltenheit geschuldet. Zunächst dachte ich, unsere Gesellschaft sei rassistischer als unsere kleine Randgruppe und dennoch stelle ich immer wieder fest, dass gerade die Randgruppen selbst „Fremdenfeindlicher“ sind als der Rest. Das gilt nicht nur dunkelhäutige Mitmenschen, sondern geht häufig auch gegen Homosexuelle und Transsexuelle. Dennoch, offensichtlich hat das Thema „Afro-Goth“ vor allem im englischsprachigen Teil des düsteren Internets einen gewissen Stellenwert. Darüber hinaus ist es auch Gedankenspiel zur Frage: „Political Correctness“, Medienwirkung und Toleranz.

Multiplikator einer einfarbigen Wahrnehmung: Szene-Magazine

Über die Frage, wie man Afro-Goths nun nennt sind wir hinaus. Die Frage, was dunkelhäutige so ungewöhnlich für die Szene macht bleibt.  Bedlambedlam trifft dazu folgende Feststellung: „How many Goths of Color have ever been featured on the cover of Gothic Beauty Magazine?  If you answered “Zero!”, you are correct.“ Und tatsächlich hat das amerikanische Szene-Magazin noch keine dunkelhäutigen Models auf seinem Cover abgebildet. Absicht oder logische Konsequenz. Deutsche Magazine, die sich hauptsächlich mit den Bilder angesagter Künstler schmücken, haben dieses Problem nicht. Sie bringen den auf ihr Cover, der in der Szene am „heißesten“ gehandelt wird.

Prägen die Magazine das Szene-Bild? Ein interessantes Zitat einer Wahrnehmung möchte ich von der Seite coilhouse.net einfließen lassen, hier wird Asha Beta zitiert, wie sie die Szene wahrgenommen hat: „The “traditional” ideal of the scene as the pale-faced, black-clad individual definitely never applied to me, but because of my instant and deep connection and attraction to the music and atmosphere of the scene I had to set that aside. I always felt that I was not perceived to be as attractive, as beautiful or even as “goth” as girls who were paler than me. I never attracted many suitors and I reconciled myself to never being able to approach the “gothic ideal of beauty” very early on, although I felt within myself that my personal way of being “goth” was very sincere and creative and very much true to what “goth” was all about. The one part of the scene that obviously made me uncomfortable was the military/Nazi/Aryan faction of it, although I understand that for many of those people it was a fetish or history obsession type of thing, and not necessarily based in racism.

Ein wenig traurig stimmt mich die Tatsache, dass sie „Gothic-Sein“ auf ein rein äußeres Gefühl beschränkt. „I was a loner within the scene just as I was in society.“ Vielleicht stimmt mich auch das Selbstbild der Szene traurig, die sich dank etablierter Szene-Magazine ein Bild in den Kopf einpflanzen ließ, dass nicht mit der Realität zu tun haben sollte.

Musikalische Intoleranz

In einer Szene, in der es zum Styling gehört sein Gesicht in Kalkweiß oder Tiefschwarz zu tauchen, kann die Hautfarbe doch nicht ernsthaft eine Rolle spielen.
In einer Szene, in der es zum Styling gehört sein Gesicht in Kalkweiß oder Tiefschwarz zu tauchen, kann die Hautfarbe doch nicht ernsthaft eine Rolle spielen.

Vielleicht auch ein Grund, warum die Szene als „weiß“ wahrgenommen wird. Es gibt kaum gruftige Bands mit schwarzen Musikern. Allein die O.Children – die noch nicht mal explizit düstere Musik machen – kommen mir als Act der letzten Jahre in den Sinn. Man möge mir eine Aufzählung aller anderen Bands mit dunkelhäutiger Beteiligung in den Kommentaren darlegen. Natürlich stellt sich auch die Frage, inwieweit „schwarze Musik“ (diesmal im Sinne von den stereotypischen Genre wie beispielsweise Soul, Blues und Rap) ihren Platz in der Szene findet.

Man könnte es ganz böse „Kulturelles Ausschlussverfahren“ nennen. Wie der Ursprungsartikel konstatiert, gibt es keine musikalisch „schwarzen“ Einflüsse in der Gothic-Bewegung. „Goth culture has always appropriated and absorbed other culture.  There is no ‘goth’ music, there’s goth versions of a bunch of music.  This is one of the things that has kept the scene vibrant.  Not only did we let metal into our scene, we incorporated it.  Gothic Metalheads look simultaneously Goth and Metal.  Same thing goes for Gothic Punks, and Cyber-Goths.  We play most of this in our clubs back to back with no problem. But the attitude about Black Goths often seems “Yeah, please be a part of our community.  But please don’t bring any of that ‘black stuff’ with you.”.

Wer A sagt, muss auch B sagen. Wer gesagt hat, das Cyber-Electro-Musik Gothic ist, der muss auch zulassen, dass es Gothic-Rap gibt – oder geben wird. Richtig! Aber ich habe nicht A gesagt! Und schon gar nicht B! Musik macht mich intolerant, entweder ich mag die Richtung, oder ich mag sie nicht. Musik, die ich nicht mag, will ich nicht hören. Intolerant  Ich habe nicht gegen Cyber und Metalheads, ich mag nur nicht die Musik, die sie hören. Ich mag keine Veranstaltungen, die möglichst viele diese Einflüsse auf die Bühne bringen um die Kassen zu füllen. Intolerant? Richtig ist: Mir gehört das Label „Gothic“ nicht, Gothic ist was jeder einzelne daraus macht. Richtig ist auch: Gothic ist nicht auf ein musikalisches Genre beschränkt, sondern vereint viele musikalische Einflüsse. Das war immer schon so. (Wollte ich immer schon mal schreiben.)

„Ich bin so true, ich wurde sogar schwarz geboren!“

Machen wir kein Problem, wo keines ist. Es gibt kein explizites Rassismus-Problem in der Szene – jedenfalls nicht auf die Hautfarbe bezogen. Was es sehr wohl gibt, ist ein visueller Rassismus, ein einteilen in „Gruftig“ und „Ungruftig“ oder in „True“ oder „Untrue“.  Aber was haben Szene-Einsteiger auch für eine Wahl? Die Magazine suggerieren : „Du musst schlank sein um Gothic zu sein“, „du musst Kleidung aus Latex tragen um Gothic zu sein“, „du musst Klamotten des Labels XYZ tragen um Gothic zu sein“ und auf fatale Weise unterstreicht auch das die Wahrnehmung der dunkelhäutigen Szene-Neulinge, „du musst weiß sein, um Gothic zu sein.“ Vergleichen und verglichen werden. Ein uraltes Spiel und zutiefst menschlich. Womöglich gibt es dazu keine Lösung.

Afro-Goth - Einfach nur Gothics (2)Doch das ist nicht Gothic! Vergesst Szene-Magazine, Musikvideos, Bühnenperformances und Klamotten-Kataloge. Gothic sollte es besser machen und sich zu mindestens in einigen wenigen Punkten von dem Rest der Gesellschaft distanzieren. Es war immer schon ein wichtiger Eckpfeiler der Szene, dass jeder sein durfte, wer er war. Dass jeder sich so kleiden und stylen konnte, wie er sich fühlte. Jeder konnte das ausdrücken, was er bewunderte. Dick, dünn, alt, hässlich? Szene-Klamotte, von der Stange oder selbst gemacht? Das sollte völlig egal sein. Der Ursprungsartikel warnt uns unter „What’s the Point“ davor abzustreiten, dass es ein Problem gibt. Alle dort aufgeführte Punkte lesen sich wie das kleine Einmaleins der Toleranz. Manchmal möchte man den Kopf schütteln: „Ist doch logisch!“ – Ist es das wirklich? Verfolgt man auf Facebook manche Diskussionen über Homophobie, Männer die sich als Frauen kleiden und Frauen die wie Männer aussehen, Transsexuelle die innerhalb der Szene gewinnt man schnell den Eindruck, dass Regeln der Toleranz bitter nötig sind. Und oftmals geht die größte Intoleranz von der kleinsten Randgruppe aus, ihre angebliche gesellschaftliche Ablehnung berechtigt offenbar, sich gegen alles und jeden zu stellen.

Gothic ist durch regen Zulauf im Mainstream angekommen, die Teilnehmer des WGT sind ein breiter Schnitt durch die Gesellschaft. Eine Szene, in der sich jeder ästhetisch feiert, in der Männerrollen und Frauenrollen nie definiert waren, definiert sich selbst über die Andersartigkeit. Doch einer der liebsten Beschäftigungen im Szene-Alltag scheint das Bewerten des Äußeren zu sein. Weiß, Schwarz, dick, dünn, Mann/Frau oder Frau/Mann – „was ist das denn?“ – „Meine Rüschen sind viel rüschiger.“ – „Wie der geschminkt ist!“ Eine Subkultur sollte anders denken, nicht nur anders aussehen, sonst haben wir die Berechtigung als „Kultur“ längst verwirkt und sind nur noch ein Haufen Opfer der schwarzen Bekleidungsindustrie.

 

Skeleton Dance: Disneys dunkle Seite

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Dass Disney sozusagen eine dunkle Seite hat weiß jeder. Ein nach außen hin familienfreundlicher Konzern, der unter der Oberfläche ebenso den Fall des Abendlandes heraufbeschwört wie MacDonald’s, MTV und Coca Cola, gegründet von einem nach seinem Tod eingefrorenen Anti-Semiten, der die Anti-Nazi-Propaganda Anfang der 1940er auf eine kriegstreiberisch nationalistische Spitze trieb. Das scheint heute ebenso „selbstverständlich“ wie die Tatsache, dass jeder von uns als Kind dennoch Disney-Cartoons liebte.

Dass Disney aber auch inhaltlich und bildlich eine schlichtweg schwarze und düstere Seite haben konnte, ist nur wenigen bewusst und soll daher hier etwas beleuchtet werden (wenngleich man hier betonen sollte, dass wir eher von Walt Disney selbst sprechen und nicht so sehr von dem Konzern der heute schlechte Teenie-Musicals und die Jonas Brothers verkauft).

Angefangen hat das Ganze 1929, nur ein Jahr nach dem originalen Steamboat-Willy-Cartoon, mit einer „Silly Symphony“ namens Skeleton Dance.

Natürlich ist alles humoristisch und niedlich aufgezogen, aber schon die schräge Szenerie (heute würde man sie vielleicht Burton’esque nennen), die grimmigen Spinnen und Fledermäuse und der mitternächtliche Friedhof stimmen einen auf einen reichlich düsteren Spaß ein wie er einem breiten Publikum wohl erst durch die Munsters oder die Addams Family bekannt wurde. Ob es bei Goethes Totentanz wohl auch so unterhaltsam zuging?

Als es Mickey Mouse im gleichen Jahr in das Haunted House verschlägt ist die Szenerie sehr ähnlich (die Spinnen und Fledermäuse mögen gar die selben sein), nur wird hier der schlotternde Mickey dazu verdonnert für die tanzenden Skeletthorden auf einer Orgel zu spielen (die natürlich wie ein ganzes Orchester klingt ;) ).

Pünktlich zu Halloween (immer noch des gleichen Jahres 1929!) wurden dann in einer weiteren „Silly Symphony“ namens Hell’s Bells sämtliche bösen Geister der Hölle beschworen. Die obligatorischen (und wieder auf die gleiche Weise auftretenden) Spinnen und Fledermäuse sehen etwas detaillierter aus, und diesmal sind es kleine Teufel die musizieren und tanzen. Wem das alles noch nicht zu eintönig wird, der wird auf YouTube auch noch etwa tanzende Mumien finden, aber alle anderen werden sich freuen, dass sich Disney einige Jahre später (mittlerweile in Farbe) dann auch mal an etwas anderem versucht hat, und zwar an nichts geringerem als einer Umsetzung von Washington Irving’s kurzer Gothic Novel The Legend of Sleepy Hollow. Lustigerweise ist der gesamte Handlungsverlauf wie auch die Darstellung des Ichabod Crane deutlich näher am Original als die populäre Burton-Verfilmung durch die die meisten (ich eingeschlossen) überhaupt erst mit der Geschichte bekannt gemacht wurden.