Spontis Wochenschau #23/2011

Ich bin mittlerweile seit etwa 20 Jahren Online unterwegs. Über Modems, in die man einen Telefonhörer drückte, zu BTX und dann zu den ersten 56k Modems, die mit ihrem unverwechselbaren Einwahlgeräusch von der großen weiten Welt zeugten. Später kam dann DSL, als das Wort noch niemand kannte und die Splitter so groß waren wie Videorekorder. Heute ist das Internet ein zentraler Bestandteil meines Lebens geworden. Ich sitze auf dem Sofa, der Kaffee dampft und in der gedruckten (!) Zeitung lese ich einen Artikel von den „Netzkulturverstehern“, von denen die uns erzählen wollen, was denn das so abgeht im Internet, wie sich die User voneinander unterscheiden, wie Kultur kriminalisiert und hochgelobt wird. Niemand scheint sich einig, nicht einmal das Netz selbst. Es scheitert wie immer daran, sich selbst erklären zu wollen um sich für andere greifbar zu machen um Verständnis zu erzeugen wo überhaupt nicht verstanden werden will. Früher war wir ein Kreis von Spinnern, wurden belächelt, ignoriert. Nun sitze ich hier mit meiner Zeitung und schüttele den Kopf über den Erklärungsversuch. Doch auch so sehr ich mich bemühe, ich kann mich selbst nicht mal erklären, schon gar nicht in Schubladen, die andere beschriften. Das Netz war eine kleine, undergroundige Szene, aus der Mainstream wurde und die jetzt ein Bestandteil des gesellschaftliche Alltags ist. Woher kenne ich das?

  • Unheilig: Der Graf zahlt sich mächtig aus | Abendblatt
    Vom Underground-Künstler zum Produkt. Der Graf von Unheilig bleibt im Gespräch der Medien, mittlerweile sind aber auch aufmerksame Redakteure dabei: „Nur eines eint die dunkelbunte Szene nach wie vor: das Selbstverständnis als Gegenentwurf und Gegenkultur. Schon Beweise der eigenen Popularität wie die mittlerweile 20 000 Besucher bei den Wave-Gotik-Treffen in Leipzig oder bei den M’era-Luna-Festivals in Hildesheim gelten als Zeichen des Ausverkaufs von Idealen, seien sie noch so vage und ungeschrieben. Wie jede Subkultur ist die Schwarze Szene eine Gemeinschaft, der durch freiwillige Selbstausgrenzung nach außen ein Selbstverständnis durch die Vereinigung in das Innen gelingt. Musik und Kleidung sind auffälligste Merkmale der Identifikation, aber letztendlich sind es nur attraktive Stilmittel. Den Lebensstil aber macht die Haltung aus. Und die Anti-Haltung (…) Der Graf, mehrfach Gast beim Wave-Gotik-Treffen, hat die Geister, die ihn einst riefen, losgelassen. Unheilig ist so dermaßen Konsens geworden, dass selbst ein Sondermodell des deutschen Konsensautos VW Golf diesen Namen trägt.“ (via Shan Dark)
  • Solar System Builder | misterhonk
    Bevor wir lange darüber nachdenken, wie das mit den Planeten, Sternen und Sonnensystemen so funktioniert, probieren wir es es lieber aus. Der National Geographic Channel hat eine Simulation gebaut, in der man sich seine eigens Sonnensystem aufbauen kann. Dabei muss man penibel auf Massenverhältnisse und Anziehungskräfte achten, damit nichts aus dem Gleichgewicht gerät. Sie verrät spielerisch wie schmal der Grat zwischen Koexistenz und totaler Zerstörung ist.
  • Two Versions | Behind the Style
    Das Frau Petroni, die ich auf dem WGT 2010 schon als Alwa kennenlernen durfte, nicht nur ein ausgesprochenes geschicktes Händchen für selbstgenähte Kleidung hat, beweist das neue schlichte Design des Blogs. Zwischen all den wunderschönen Arbeiten finden sich auch immer wieder gedankliche Perlen, die aus dem Leben gegriffen ein paar Einblicke in den Menschen erlauben. Als stiller Bewunderer ihrer Fähigkeiten halte ich mich aus Unwissenheit über Epochen und Zeitalter zurück, finde aber, das jeder der sich mit dem „Romantik-Goth“ auch nur ansatzweise identifizieren kann hier einige an Inspiration und Leidenschaft mitnehmen kann. „Ich liebe das 18.Jahrhundert und speziell die Silhouette, die von einer Schnürbrust erzeugt wird. Der Gedanke hinter diesem Outfit war, die typischen Formen dieser Epoche auf das Minimum zu reduzieren, herausgekommen sind dabei ein Rock mit Hüftkissen darunter, eine kurze Wickelbluse mit austauschbarer Schleife über dem Verschluß und natürlich eine Schnürbrust als zentrales Element. Ergänzt um einen Mühlsteinkragen erinnert das Ensemble an die Kleidung des späten 16.Jahrhunderts.
  • Mailand: Der Friedhof der Lust | Der schwarze Planet
    So ein herrlicher Text, der nur für sich selbst stehen darf: „Im Auto sind es zu warme 24 Grad. Ich öffne das Fenster dreifingerbreit. Schnell huscht eine Mücke nach der anderen hinein. Mein Freund wirft – auf seinem Autositz liegend – einen Blick auf das monströse Eingangsportal vom Mailänder Friedhof und sagt: „Andere warten darauf, dass am nächsten Tag ihr Popstar auftritt und wir warten darauf, dass der Friedhof öffnet…“ Wir schauen uns an und müssen grinsen. Eine Straßenbahn rattert direkt am Auto vorbei. Ich mache mir Ohrenstopsen rein und bin relativ schnell weg. Nach 6,5 Stunden wecken mich die Hitze im Auto und Durst. Auch meine ersten italienischen Mückenstiche wollen gekrault werden. Es ist 8.30 Uhr, der Friedhof hat seit 30 min geöffnet. Am Trinkwasser-Brunnen vor dem Friedhofseingang erfrischen wir uns erstmal und 9 Uhr „sind wir drin“, im Cimitero Monumentale. Ein lang gehegter Reisetraum geht für mich in Erfüllung, der vor mehr als 15 Jahren mit den schönen Fotos in Isolde Ohlbaums Bildband „Denn alle Lust will Ewigkeit“ begann…
  • Picture my Day 6 | Werturteilsfrei
    Ich bin ein neugieriger Mensch. Vielleicht erklärt das die Faszination für das Leben der anderen, für die Einfachheit der Ding, für die Liebe zum Detail. Als ich bei tobikult die Bilderserie unter dem Titel „Picture my Day“ entdeckte, war ich sofort gefesselt. Sei es von der schlichten Eleganz mancher Bilder oder den Augenblicken im Leben eines anderen. Sei es der Espresso der aus der Maschine poltert oder der Rasierer, mit dem ich mich schon längst zerschnitten hätte, oder die Tasse im Hello Kitty Design, aus dem jeder Kaffee furchtbar schmecken würde. Ich weiß es nicht. Mag auch sein, dass ich seine Ambivalenz zum Thema Kirche so schätze oder auch die brennenden Kerzen, die durch den Bildschirm Wärme spenden. Im Grunde sind es nur Bilder, doch wer den Blick für das Detail verliert, wird das Ganze nie verstehen.
  • Videospiele: Mehr Geist bitte, liebe Games-Tester | SpOn
    Das ich gerne das ein oder andere spiele, dürfte keine Geheimnis sein. Auch das ich gelegentlich über eine Spielzeitschrift stolpere, darin blättere und nicht die leiseste Ahnung von dem habe, was dort geschrieben steht. 10 Seiten Spieltests, ohne eine konkrete Aussage. Endlich hat es mal jemand auf den Punkt gebracht: „Für die deutsche Spielekritik ist der Vollständigkeitsanspruch zu einer Hypothek geworden. Ihr Detailfetisch gaukelt eine Gründlichkeit vor, die weder dem Medium gerecht wird noch dem eigenen Ziel. Wer das Kleinteilige zu seinem Sujet macht, muss dort vom Hundertsten ins Tausendste kommen. Es ist ein Kniefall von dem Hardcore-Gamer, der Laientum wittert, wenn im Test nicht erwähnt wird, dass die Gegner bei Beschuss mit Glock-Pistolen manchmal nach links umfallen statt nach rechts. Die Redaktionen irren, wenn sie diese Ultras als ihre Kernklientel verstehen. Aber sie lassen sich von ihnen vor sich hertreiben.“
  • Vegan Black Metal Chef | misterhonk
    Das Gerichte nicht immer im von lachenden Kochstudiohampelmännern (und Frauen) medienwirksam zubereitet werden können, beweist der Black Metal Chef:
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Kommentare

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Karnstein
Karnstein(@karnstein)
Vor 13 Jahre

Ich hab gegen Ende erst verstanden, dass die Dame im „Punk“-Video schon das Endprodukt darstellen sollte. Ich dachte das wäre die angepasste Spießer-Trulla für das „Vorher“-Bild…
Aber man lernt ja nie aus.

NorthernNephilim
NorthernNephilim (@guest_16223)
Vor 13 Jahre

komische Vorstellung beim Abendblatt Text das der Graf alleine 20000 WGT Besucher angezogen hätte.
Zudem um die Agra so zu füllen hätte man die Menschen bis zur Decke stapeln müssen.

Madame Mel
Madame Mel (@guest_16224)
Vor 13 Jahre

Na endlich mal einer, der mit Gemüse umgehen kann! Echt jetzt – was hab ich über den Vegan Black Metal Chef lachen müssen :D Da kannste diese blöden TV-Küchenfuzzis in die Tonne stecken und richtig draufhauen!

Bloß: Wo krieg ich nur schnell das Beil her, ich muss noch Paprika schnippeln…?

tobikult
tobikult(@tobikult)
Vor 13 Jahre

Ich fühle mich heute so punky! Und ja, bei der Hello-Kitty-Tasse bin ich definitiv bisher eine Erklärung schuldig geblieben :-)

Altgruftipunk
Altgruftipunk (@guest_16257)
Vor 13 Jahre

Wollte mal nachsehen, wie punk heutzutage so lookt. Ich weiß das nicht, bin ja bloß ein Altgruftipunk. Das Video indes behauptet, privat zu sein. Sein Standbild immerhin zeigt zwei blonde Frauen, die rechte hat ein schwarzes Trägershirt an. Das ist dann wohl die, die schon, öhm, „fertig“ ist?

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