Musikalisches aus dem Grufti-Briefkasten #1: Hört selbst, was ich mir so alles anhören soll

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Eine ganze Weile habe ich nach einer Lösung gesucht, die musikalischen Tipps und Empfehlungen, die ich manchmal per Facebook, manchmal per E-Mail oder auch manchmal mit der richtigen Post bekomme, vorzustellen. Dabei frage ich mich schon manchmal, ob dies oder jenes überhaupt gezeigt oder vorgestellt werden sollte. Das wäre aber schon wertend, deshalb überlasse ich es Euch die Zusendungen zum loben oder kritisieren.

Zwei Quellen will ich vorstellen: Zum einen den Briefkasten (virtuell oder real) und die Empfehlungen und die mir persönlichen geteilten Dinge aus Facebook und Twitter, die mir aus dem ein- oder anderen Grund im Gedächtnis geblieben sind und zu denen ich mir partout keine Meinung habe (oder machen möchte).

Aus dem (elektronischen) Briefkasten

Bei großen Umschlägen in meinem Briefkasten wird es in der Magengegend immer recht unruhig, vor allem wenn sie von Gesellschaften stammen, die ich nicht kenne oder zuordnen kann. Diesmal entspannte sich meine Magengrube, denn der Inhalt war das Album „My Favourite Faded Fantasy“ von Damien Rice, von dem ich weder gehört noch gelesen hatte. Ich nutzte daher den Weg zur Arbeit, um das Album im Auto probezuhören.

Nun, was soll ich sagen. Musikalisch hat der irische Singer/Songwriter sicherlich was drauf, wenn man möchte, klingt es sogar durchweg melancholisch und nachdenklich, aber mein Fall ist es überhaupt nicht. Seichter Pop ohne Ecken und Kanten. Ich verstehe den Ansatz, den Künstler hier in Deutschland bekannter zu machen, aber ob Spontis dafür eine fruchtbare Plattform ist? Nun ja.

Nach dieser Enttäuschung kam mir die E-Mail von Danijel Zambo gerade recht, der mit seinem Projekt Derailed den Pfad des Post-Punks entdeckt und seine gerade veröffentlichte Single „Runaway“ ganz ausgezeichnet zu Gefühl passt, das Damien Rice hinterlassen hat. Das gefällt mir schon deutlich besser, ein Ohrwurm wird es aber sicherlich nicht werden.

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Karl Morten Dahl schrieb mir in einer E-Mail, dass er ein Stück von Hante. geremixt (schreibt man das so?) hätte. Mit seinem Project „Antipole“ versucht sich der Norweger aus Trondheim auf den Pfaden des Coldwave, wie er in seiner Beschreibung angibt. Ich finde es persönlich ja außerordentlich schwierig, ein bereits „Coldwaviges“ Stück wie „Empty Space“ von Hante. noch „kälter“ zu machen. Und so plätschert dann der Remix durch den Kopfhörer ohne mir wirklich ein kalten Schauer über den Rücken laufen zu lassen:

Andere Stücke von Antipole hätten da deutlich mehr Potential, wie beispielsweise „Shadow Lover„, warum man sich dann an einem Remix von Hante. versucht, bleibt mir schleierhaft.

Neulich bei YouTube

Auch von den Gründern des Cholo-Goth, den Prayers, gibt es Neuigkeiten. Die haben noch kurz vor dem Jahreswechsel ihr neues Album „Baptism of Thieves“ veröffentlicht und versorgen nun auch YouTube mit audiovisuellen Background und präsentierten mit „One 9 One 3“ ihre jüngste Singleauskopplung. Tattoos, nackte Körper und markanten Textzeilen wie:  „I’m fucking your Girlfriend as she’s painting my Nails“. Cholo-Goth. Ist klar.

Die Pale Waves sind eine noch recht unbekannte Band von der britischen Insel, deren Frontfrau Heather Baron-Gracie zwar rein äußerlich wie die Tochter von Goth-Legende Robert Smith erscheint, musikalisch jedoch auf einem ganz anderen Planeten zu Hause zu sein scheint. „Television Romance“ jedenfalls ist gefälliger Pop, der zwar ein bisschen 80er klingt, mit Goth aber nichts zu tun hat. Letztendlich hat man der Band den Stempel aber wieder mal aufgedrückt.

Chris Corner, kreative Hydra von IAMX, hatte nicht nur Ende Januar Geburtstag, sondern hat seine Fans auch gleich mit einem neuen Album beschenkt: „Alive in New Light“. Das neue Licht scheint dann wohl Kat von D, die Tattoo-Künstlerin die sich als Reality-TV Star zahlreiche Stars unter ihrer Nadel sicherte, zu sein. Denn die ziert nicht nur die Videos, sondern ist auch musikalisch an der Seite von Chris Corner zu hören. Ich bin mir unschlüssig, ob ich das gut oder schlecht finden soll und ob die „weibliche“ Attitüde wirklich hilfreich ist.

Bild im Titel: Eric Nopanen via unsplash.com

Britischer Vampir-Grufti fordert schwarzen Streifen in der Regenbogenflagge

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Die Regenbogenflagge ist das Symbol der internationalen Lesben- und Schwulenbewegung und steht für den Stolz, auf die eigene sexuelle oder geschlechtliche Identität und symbolisiert darüber hinaus die vielfältigen Lebensweisen der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender. Seine gruftige Majestät „Darkness Vlad Tepes“ aus Großbritannien, ein schwuler Vampir und Goth, fühlt sich in seiner eigenen Identität jedoch unprepräsentiert und fordert im Lancashire Telegraph, einen schwarzen Streifen für die LGBT-Regenbogenfahne.

Ein Meldung, die sich ganz wunderbar in das Schlagzeilen-Gewitter der Boulevard-Presse einfügt und darauf ausgelegt ist, sich zu reiben, zu protestieren, zuzustimmen oder sich allgemein über die massive Präsenz solcher Themen aufzuregen. Schon die erste Meldung von Pink News zu dem Thema machte die Sache nicht unbedingt besser, erklärte man doch die Tatsache, das Vlad Tepes wie ein Vampir lebt, Goth ist und dann auch obendrein auch noch schwul ist, zu einer Besonderheit. Die Quintessenz: Er ist nicht so wie andere Gothics, er ist besonders.

Seine erlauchte Dunkelheit Vlad Tepes ist tatsächlich besonders, denn neben der Behauptung sich wie ein Vampir zu fühlen, Gothic zu sein und zu seiner Homosexualität zu stehen, schläft er auch in Särgen und trinkt Blut, wie er dem Lancashire Telegraph bereits vor rund 2 Jahren erklärte. Ja, er ist besonders, denn mit Gothic hat das alles nichts zu tun. Den zahlreichen Vegetarieren, Veganern und Tierschützern und den Gruftis würde es wohl die Zehennägel aufrollen, wenn sie daran denken würden, das Tierblut zu gruftigen Lebensweise gehören würde. Vom überwiegenden Teil der Gruftis ganz zu schweigen, die es wohl möglich eher lächerlich empfinden, wenn jemand wie „Vlad“ mit weißen Turnschuhen, braunem Gürtel und einem Shirt mit Werbeaufdruck eines Modelabels in einem Sarg liegt und sich als Vampir-Goth fühlt.

Vlad fühlt sich jedenfalls unrepräsentiert und meint:

It’s easy to see that the current colours in the gay flag don’t really represent the gothic community. With a black stripe we will be treated as equals within the gay community. Gay people are already accepted within the gothic community only we don’t have a flag.

Nun, offensichtlich hat Vlad die Fahne noch nicht ganz kapiert, denn die Farben stehen nicht für Subkulturen, Splittergruppen, spezifische Lebensweise, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung. Gilbert Baker, der die Fahne erstmals am Gay Freedom Day 1978 als Abwandlung der Flagge der Friedensbewegung präsentierte, hatte anderes im Sinn. So steht Rot für das Leben, Orange für die Gesundheit, Gelb für das Sonnenlicht, Grün für die Natur, Blau für Harmonie und Violett für den Geist. Genug Spielraum also, dass sich alle Menschen der LGBT(Q)-Bewegung von ihr angesprochen fühlen dürften. Sie wird im allgemeinen als Forderung für Akzeptanz und Toleranz gewertet, nicht als farblicher Setzkasten einzelner Vorlieben.

Für mich scheint die Frage – ob die Regenbogenflagge einen schwarzen Streifen braucht – ziemlich schnell beantwortet, obwohl ich erklären muss, dass ich als Sympathisant der LGBTQ Bewegung selber kein Teil von ihr bin und meine Meinung somit weniger Gewicht haben dürfte.

Ich bin der Meinung, dass die Fahne bereits ALLE Menschen mit LGBTQ-Hintergrund ausreichend repräsentiert. Auch schwule Gruftis dürften sich unter Regenbogenfahne gut aufgehoben fühlen, denn die Vielfältig der Farben findet im Innern statt, das Äußerliche ist Nebensache. Für mich ist Vlad ein orientierungsloser Jugendlicher auf der Suche nach Aufmerksamkeit, der sich einfach nur besonders fühlen möchte. Der Blogging Goth sieht das ganz ähnlich und versammelt dazu auch einige Stimmen aus der Community.

Was mich aber wirklich nachdenklich stimmt ist die Tatsache, solchen Leuten eine Bühne zu bieten und damit die Plattform für die lächerliche Forderung zu erhöhen. Denn damit leuchtet die Grufti-Szene erneut in dem belächelten Licht der Lächerlichkeit, das bereits hierzulande bereits ausreichend propagiert wird. Sei es als Fetisch-Monster, blutüberströmte Zombies oder grüne Elfen. Jetzt kommt noch bluttrinkender Sargschläfer, dem Sonnenlicht nichts ausmacht.

Viel Schlimmer noch: Der Kampf für Akzeptanz und Toleranz und gegen Unterdrückung und Verfolgung der LGBT-Bewegung wird torpediert, wenn einzelne Individuen ihren ganz eigenen persönlichen Probleme und Defizite auf Kosten einer ganzen Bewegung austragen. Fehlt nur noch, dass die Fetisch-Pferde fordern, einen Schweif auf die Regenbogenflagge zu drucken, damit sie sich nicht unterrepräsentiert fühlen müssen.

Gesucht: Kreativer Leser für den Spontis-Family-Button zum 27. WGT

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Viele von Euch werden ihn kennen. Den Spontis-Family-Button, den alle Leser und Freunde dieses Blogs zum Wave-Gotik-Treffen kostenlos von uns bekommen. Es ist eine düstere Tradition (denn die müssen nicht immer schlecht sein), dass ein Leser den Button gestaltet, der dann von uns in Auftrag gegeben und verteilt wird. 2012 kreierte Katharina das wunderschöne Wappen für den Spontis-Family-Button, Tobi symbolisierte 2013 das dritte Treffen mit den 3 Spitzen der Pikes, während Marlene sich 2014 in den selben schwarzen Fluten bewegte wie wir. 2015 entwarf Madame Mel, die auch irgendwie die Mutter des Family-Treffens ist, den Button „Gefangen im Netz“. 2016 war es dann die Spontis-Designerin Sabrina herself, die wieder eine Fledermaus zum Star machte und den Button entwarf, während sich 2017 GM wieder dem Old-School-Style widmete und eine stilisierte Waver-Frisur in Szene setze.

Was noch fehlt, ist jemand, der den Button 2018 für das 27. Wave-Gotik-Treffen gestalten möchte. Wenn Ihr also Lust habt, Euren Entwurf hundertfach auf den Jacken, Taschen und Mützen der Spontis-Leser zu wissen, seid Ihr hier genau richtig.

Wie der Button für das kommende Family-Treffen aussieht, liegt völlig in Eurer Hand. Die einzigen Vorlage ist die Größe und Form des Buttons. Am Ende dieses Artikels findet ihr entsprechende Vorlagen für alle möglichen Grafikprogramme direkt vom Hersteller der Buttons. Aber auch wenn es damit nicht klappen sollte, es gab in den letzten 8 Jahren noch nichts, was wir nicht in eine runde Form gepresst hätten ;)

Es würde mich wirklich außerordentlich freuen, wenn ihr Eure Vorschläge und Designs direkt an mich schickt (robert@spontis.de), hier in den Kommentaren verlinkt, oder auch bei Facebook als persönliche Nachricht verpackt. Als Belohnung winkt ein Platz in meinem Herzen, eine namentlich Erwähnung hier im Blog und die kostenlose Zusendung eines kleinen privaten Vorrats für die eigene Galerie. Wenn es zeitlich noch passen sollte, kommt der Button sogar noch in das Magazin. Es gibt übrigens keine doppelten Einsendungen, sollte mehrere tolle Vorlagen eintrudeln, wird dieser im nächsten Jahr gedruckt.

Depeche Mode und die DDR – Dokumentarfilm zum 30-jährigen Jubiläum eines legendären Konzertes

Am 7. März 1988 wurde die Werner-Seelenbinder-Halle in Ost-Berlin der Ort für ein legendäres Konzert. Depeche Mode gaben ihr erstes und einziges Konzert in der DDR.

Bereits Stunden vor dem eigentlichen Konzert standen tausende schwarz gekleidete Jugendliche vor der Halle am Prenzlauer Berg. Es war bitterkalt und leichter Schneefall tauchte das schwarze Meer der Wartenden in eine bizarre Atmosphäre. Eine Eintrittskarten hatten nur die Wenigsten von ihnen, das „Geburtstagskonzert der FDJ“ – wie das Konzert offiziell ausgewiesen wurde – war längst ausverkauft. Die frierenden Fans boten den Anstehenden utopische Summen, um an eine Eintrittskarte zu gelangen.

Eine reelle Chance die Karten auf legalem Weg zu kaufen, hatten sie sowieso nicht, die Karten wurden zum überwiegenden Teil an die Berliner Schulen verteilt, wo sie dann klassenweise vergeben wurden. Katrin kommentiert: „An meiner Schule waren es pro Klasse der Stufen 8 – 10 je 2 Karten. Die Vergabe erfolgte bei uns durch Abstimmung durch die Schüler selbst.

Die tausenden Fans vor der Halle, die ohne Aussicht auf Eintritt und nur aufgrund eines Gerüchtes nach Ost-Berlin gekommen waren, interessierte das nicht. Für sie war es eine Sensation, die angesagte New-Wave Band in der DDR zu wissen. Aus der ganzen Republik reisten die Jugendlichen in die Hauptstadt. Depeche Mode war nicht nur eine Band, sondern ein Symbol für die Freiheit hinter dem eisernen Vorhang.

Der MDR hat zum 30-jährigen Jubiläum dieses Ereignisses einen Dokumentarfilm gedreht, der neben unfassbar tollen Aufnahmen aus dem damaligen Zeit auch einige Besucher des Konzerts vor die Kamera gezaubert hat inklusive der Protagonisten von Detlef Bermanns legendärer Video-Doku „People are People“, den der damalige Sozialarbeiter mit einer von der FDJ gesponserten Kamera drehte. Die Aufnahmen, die Bestandteil der Dokumentation sind, feiern so eine gelungene Premiere. Obendrauf gibt es noch Interviews mit Martin Gore und Daniel Miller, denen damals gar nicht so richtig klar war, wo sie da spielten und was sie da „anrichteten“.  Am 10. März wird das Meisterwerk ausgestrahlt, es ist aber bereits jetzt und in voller Länge in der Mediathek verfügbar. Ich sag nur soviel: Wenn der Film einmal läuft, macht ihr ihn nicht wieder aus. Fantastisch!

Für die DDR-Führung war das der Beginn einer ganzen Reihen von Konzerten mit westlichen Superstars, mit denen man versuchte, die Jugend wieder für ihre sozialistische Ideologie zu begeistern. Das hat letztendlich nicht geklappt, denn bereits ein Jahr später fällt die Mauer.

Warum die Begeisterung für Depeche Mode gerade in DDR so ausgeprägt war, lässt dieser Dokumentarfilm nur erahnen. Möglicherweise ist der Sound und die Ästhetik der Band das, was für die Jugendlichen Identitätsstiftend wirkt, während die Texte Gedanken und Träume von einer besseren Welt transportieren. Es wird jedoch deutlich, dass die Begeisterungskultur in DDR deutlich ausgeprägter war als in Westdeutschland, der Zusammenhalt, der sich in rund 70 Fanclubs zwischen Rostock und Zwickau manifestiert, einzigartig. Das Wave-Gotik-Treffen ist übrigens ein Kind dieses Zusammenhaltes.

Das Autorenteam Heike Sittner und Nils Werner geht auf Spurensuche, wie es zu dieser Faszination Depeche Mode in der DDR gekommen ist und welche Parallelen es zwischen den jungen Musikern aus dem ostenglischen Basildon und der sozialistischen Jugend gibt. So wird das legendäre Konzert in Ostberlin mit den damaligen Veranstaltern, Musikexperten und Fans minutiös nachgezeichnet. Ebenso die Erfolgsgeschichte von Depeche Mode, ihre Anfänge in einem englischen Arbeiterort, ihre Schaffenszeit in Westberlin, ihre Einstellung zum Ostblock und ihr besonderes Verhältnis zu den Fans der DDR.

Update vom 7.3.18 – 17:00 – Die Karten wurden nicht – wie zunächst von mir gebloggt – an Linientreue Genossen und ihre Familien verteilt, sondern zum großen Teil an Berliner Schulen verteilt. (Danke Katrin)

1989 – Grafton Street: A Posers Paradise for Goths and Cureheads

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Die Grafton Street in Dublin ist die wichtigste Einkaufsstraße der irischen Hauptstadt und ein Laufsteg der Eitelkeiten, der neuesten Mode und der angesagtesten Street-Styles. So behauptet es jedenfalls der irische Sender RTE in seiner Sendung „Head to Toe“ vom 3. Februar 1989. Diesmal ist die Moderatorin auf der Suche nach Goths und Cureheads und wird auf den ersten Schwung befragter Passanten in eindeutigen Outfits nicht fündig. Niemand will dazu gehören, keiner hat was gesehen und „Cureheads?“, nein das sind wir nicht. Doch dann findet man sie doch noch, Goths oder sogar noch besser Gothics, wie die junge Frau selbst erklärt: „It’s the type of Music we like and the way we dressed…“ Wir lernen: Englischsprachige Gruftis nennen sich nicht zwangsläufig „Goths“ und definieren sich durchaus als „Gothic“ obwohl man das auf den Inseln im Norden von Europa für eine rein architektonische Bezeichnung hält.

Und während sich eine der Damen, die sich zu nichts zugehörig fühlen mag und keiner Einordnung von außen Folge leisten will, abfällig über den Begriff „Cureheads“ äußert, entdeckt man die besondere Spezies dann doch. Schwarze, wuschelige Frisur, schwarze Klamotten und das so wichtige weiße Hemd. Cureheads. Und nein, so bestreitet man energisch, höre man natürlich nicht nur die Musik einer Band, sondern findet neben „The Cure“ auch beispielsweise „The Smiths“ oder auch die „B52s“ ziemlich gut. Leider endet das kurze Video viel zu früh und lässt keine tiefergreifenden Einblicke in die Jugendkultur der späten 80er zu.

In einem späteren Video aus dem selben Archiv erklärt sich wenigstens die übermäßige Verwendung von Rosenkränzen als modisches Accessoire, den der sei tatsächlich nur dazu da, die Erwachsenen zur nerven. Von religiöser Zugehörigkeit, Protesthaltung gegen die Systems der kirchlichen Religion keine Spur. Früher war eben noch nicht alles und jeder in Bedeutungen, Protestsymbolik und Antihaltung ertränkt, wie es heute den Anschein haben könnte.

Die Gothic-Kollektion von IKEA – Mit Bea Åkerlund auf düsteren Pfaden

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Die selbsternannte Fashion-Aktivistin Bea Åkerlund, die sich als Stylistin von Beyoncé, Rihanna oder Lady Gaga profiliert hat, inszeniert sich und das schwedische Möbelhaus als vermeintliche Kenner des Gothic-Styles. Mit der neuen Kollektion „Omedelbar“, was soviel heißt wie „unmittelbar“, versuchen Designerin und Möbelhaus zu interpretieren, was Gothic für sie bedeutet. Ab März können sich also Konsumenten beim schwedischen Riesen auch noch gruftig einrichten.

Wo wir schon bei Interpretationen sind: dass die Kollektion wenig mit Gothic zu tun hat und eher wie eine Hommage an Alice im Wunderland (mit Johnny Depp natürlich) oder auch Beetlejuice erinnert, sei nur am Rande erwähnt, denn es bleibt ja nun mal Auslegungssache, oder wie gesagt, Interpretation. Genauso wie die Produktbeschreibung, die sich auf der Internetseite findet:

Die OMEDELBAR Kollektion erfasst das Wesentliche von Beas ganz persönlichem Stil – einer Mischung aus Gothic-Style und Hollywood-Glamour. Die Produkte schaffen eine exklusive Atmosphäre in Schlafzimmer und Garderobe – so entstehen Räume, in denen man sich einfach für immer aufhalten möchte […] So kannst du zeigen, was wirklich wichtig ist: nämlich, dass du dir selbst treu bleibst.

Manchmal wünscht man sich, der Begriff „Gothic“ wäre geschützt. Von so einem dunkel-schwarzen Geheimbund der darüber wacht, das nur Dinge so betitelt werden, die es auch verdient haben. Dinge die true und echt sind, und ein Gremium von seiner Melancholie und dem schwarzen Lebensgefühl überzeugt haben. Ist er aber leider nicht und so definiert IKEA als Marktführer in Sachen Inneneinrichtung flugs mal einen gruftigen Einrichtungsstil. Manche Medien stürzen sich begierig auf die Pressemitteilung und schon scheint festgelegt, was „Gothic-Style“ in Sachen Möbel ist und wie man sich damit einrichtet.

https://www.youtube.com/watch?v=bUuKG7NL_1E

Zugegeben, seit Ratte aus der Bravo ihre Zimmerwände schwarz strich und angeblich in einem gemieteten Sarg schlief, scheint unterschwellig ein Idealbild einer schwarzen Behausung zu existieren. Särge hat IKEA (leider) nicht zum zusammenbauen, dafür aber ganz andere Dinge aus besagter Kollektion, wie lustige Kussmund-Kissen, Vasen in Hutform und überdimensionale Taschenuhren.

Mag das für gruftig halten wer will. Ich hör sie schon, die Einrichtungsshows im deutschen Privatfernsehen: „Hier ist ihr neues zu Hause, total Gothic eingerichtet.“ DAS ist gruselig. Für mich ist Gothic jedenfalls kein Einrichtungsstil, sondern vor allem ein Lebensgefühl. Und das Gefühl richtet sich so ein, wie es sich wohlfühlt – auch wenn sicherlich Teile aus schwedischen Design-Zentren dabei sind :-).

 

Wochenschau #1/2018 – Wie Zuckerberg und seine Töchter die Wochenschau wieder wichtig machen

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Nachdem Spontis nun endlich einen neuen Anstrich bekommen hat, wird auch kräftig im Hintergrund umstrukturiert und aktualisiert. Keiner der 1329 Artikel, die hier zu finden sind, bleibt unangetastet. Warum? Es wurde in den letzten 10 Jahren – ja, ihr habt richtig gehört, Spontis wird im September 2018 eine Dekade alt – unfassbar gehaltvoll diskutiert und kommentiert. Für mich ein spektakuläres Nachschlagewerk des gruftigen Lebensgefühls. Zwischen den Zeilen versteht sich. Und trotz der viel beschworenen Unterschiedlichkeit innerhalb der Szene, lassen sich so einige und vor allem eigene Schlüsse auf den Mythos „Gothic-Szene“ ziehen. Das wollen wir erhalten und zu einer lebendigen Bibliothek wandeln, deren Wissen nicht in Monologen auf die Leser herunterprasselt, sondern in seitenlangen Diskussionen erfahren werden kann. Mehr dazu gibt es bald in einem anderen Beitrag. Die Wochenschau hat sich indes zu einer unverzichtbaren Linkschleuder gewandelt, die gerade die anspricht, die keinen täglichen Facebook-Stream an relevanten Nachrichten verfolgen oder aufrufen können. Sowieso wird sich ja beim blauen Riesen einiges ändern, das hat Zuckerberg seinen Töchtern versprochen „Es ist mir wichtig, dass wenn Max und August aufwachsen, sie das Gefühl haben, dass das, was ihr Vater aufgebaut hat, für die Welt gut war.“ Und so will er Medien, Firmen und Werbekunden weniger Platz einräumen um Facebook wieder zu einem Ort der Begegnung zu machen und nicht zu einer Dauerwerbesendung. Wir bleiben gespannt, was davon übrig bleibt. Spontis versorgt euch auch weiterhin mit interessanten Nachrichten und Geschichten, völlig frei von Fremdsteuerung, Algorithmen oder Meinungshygiene, vielleicht in Zukunft auch mit einem guten alten Newsletter. 

Für seine Töchter ändert er Facebook | Stuttgarter Nachrichten
Wir bleiben gespannt, ob das klappt. Künstliche Verknappung kann ja auch ein Instrument zur Absatzsteigerung sein, aber manchmal glauben wir einfach an das Gute im Menschen. Jedenfalls immer dann, wenn es uns nützt. Und so könnte die Wochenschau wieder wichtiger werden, weil uns Facebook noch weniger von den Dingen zeigt, die wir sowieso schon kennen. Die Wochenschau bleibt unangepasst, fremdartig, skurril und manchmal auch ungruftig. Ganz so, wie wir es uns noch nicht wünschen, aber brauchen könnten. 

https://www.facebook.com/zuck/posts/10104413015393571

Schwarze Szene, Bunte Praktiken | Universität Freiburg
Kulturanthropologe Markus Tauschek will auf deutschen Musikfestivals die Prinzipien der Gothic-Kultur beobachten und die Regeln und Ordnung offenlegen, die zwar nirgendwo niedergeschrieben stehen, aber seiner Meinung nach existieren. Bei einem Konzertbesuch auf dem WGT beobachtet er: „Die Menge drängt näher heran, darunter Martin und Philipp, die es bis in die erste Reihe geschafft haben. Martin schließt die Augen. Er lässt sich von Lewis’ hypnotischer Stimme treiben, stampft, wie die Sängerin es vormacht, mit seinen Stiefeln auf den Boden und wirbelt seinen Oberkörper im Halbkreis herum. Bis ein Mann an Martin herantritt und ihn mit dem Ellenbogen anstößt […] Das
Anrempeln, das dem Forscher zunächst als rüpelhaftes Verhalten eines Betrunkenen erschien, entpuppte sich im Gespräch mit Martin nach dem Konzert als nonverbales Zeichen: „Am Anfang durfte in der Gothic-Szene nicht getanzt werden. Man stand bei Konzerten einfach still da, als Protest gegen die Mainstream-Kultur, in der Tanzen zum Musikerlebnis gehört“, erklärt Tauschek.“ Das Forschungsprojekt läuft noch bis 2020, wir dürfen gespannt sein. Mehr zum Forschungsprojekt findet ihr im Forschungsmagazin „uni’wissen“, das auf der Seite der Universität zum Download angeboten wird.

Goths answer all your ignorant questions about being goth | The Overtake
Ich frage mich, warum man den „anderen“ immer so merkwürdige Fragen stellt und warum wir auch noch Rede und Antwort stehen. „FIRST THINGS FIRST: WHY DO YOU LOVE BLACK SO MUCH? Kat: I don’t really understand why people don’t love black! Black is slimming, sexy, edgy and… well a little bit dangerous. You see it all the time on Netflix: all the best dressed characters on all your favourite shows have “gone to the darkside”. Why save all the fun for one night of the year (Halloween) life’s too fucking short.“ Wie wäre es mal anders herum? Warum tragen sie eine atmungsaktive, Polarkreis-Erprobte und wasserdichte Regenjacke an einem sonnigen Tag in der Innenstadt? Warum tragen sie in Sandalen Strümpfe, obwohl die Sandalen ja eigentlich Luft an ihre Füße lassen sollten?

Die Brücke der Ausweglosen | Intro
Des Lebens überdrüssig? Mitnichten. Den Druck einer Industriegesellschaft, in der das Funktionieren eines der wichtigsten Dinge ist, kompensieren die Schwachen eben in der einzigen Befreiung, die ihnen sinnvoll erscheint. Dem Tod. „Südkorea ist das Land mit der zweithöchsten Suizidrate der Welt. Allein von der Mapo-Brücke in der Hauptstadt Seoul stürzen sich fast jedes Jahr bis zu hundert Menschen in den Tod. Für Christopher Lofland, der eine Organisation gegründet hat, um den selbstmordgefährdeten Menschen zu helfen, und Yu Tae-gang wurde diese Brücke zu einer besonderen Begegnung irgendwo zwischen dem Wunsch zu leben und zu sterben. Christian Schlodder war vor Ort.

Die LINKE fordert Veranstaltungssicherheit für das Wave-Gotik-Treffen | LVZ
Bis 2030? Dann gehe ich schon stramm auf die 60 zu. Mein Goth. Und dann immer noch nach Leipzig zu fahren, wäre ein Traum. „Die Faktion DIE LINKE im Stadtrat fordert Planungssicherheit für das Wave-Gotic-Treffen und Messeveranstaltungen auf dem Agra-Gelände in Leipzig bis 2030. Wie Siegfried Schlegel, Fraktionssprecher für Stadtentwicklung und Bau, mitteilte, wurde 2015 ein Antrag beschlossen, der die Erarbeitung eines Strategie- und Nutzungskonzeptes vorsah. Das Konzept sollte ursprünglich im zweiten Quartal 2016 vorliegen, bis jetzt gäbe es aber nur eine Informationsvorlage, so die Fraktion in einer Meldung am Montag.

100 Fiberglass and Resin Skulls Fill a Room at the National Gallery of Victoria in Melbourne | Colossal
Ein riesiger Raum voller riesiger Totenschädel. Künstler Ron Mueck hat mit 100 Totenköpfen sein bisher größte Arbeit abgeliefert: „The individual forms are created from fiberglass and resin, and when stood upright, rise to approximately three feet tall. In some areas of the installation piles reach five skulls in height, while in others visitors can approach individual works resting on the gallery’s floor. Placed amongst gilded paintings the works offer a somber reality, a morose peek into what physically relates each of us.

Viv Albertine: Unerbittlich unfickbar | Rollings Stone / Stern
Als in den späten 70ern der Punk ausbricht, sprechen alle von der musikalischen Revolution. Alles sei möglich. Talentfrei und völlig hemmungslos zur Spitze der Charts. Das galt allerdings nicht für die weiblichen Bands, wie beispielsweise „The Slits“. Viv Albertine, Gittaristin der Band erzählt im aktuellen Rolling Stone von ihren Erfahrungen. Der Stern hilft uns beim nachlesen: „Gab es in den 70er- und 80er-Jahren Übergriffe durch mächtige Männer gegenüber den Slits? Nein, schreibt Viv Albertine gleich zu Beginn ihrer Erinnerungen. Die jungen Punk-Frauen waren kompromisslos, „ein vierköpfiges, dreadlockiges, fauchendes Frauenmonster“ und: „Unerbittlich unfickbar“. Doch das verhalf den Slits keineswegs zu Triumphen und Unabhängigkeit. Im Gegenteil: „Sie wussten, dass eine ‚Slit‘ nach körperlichen Zudringlichkeiten nicht den Mund halten würde“, erinnert sich Viv Albertine. „Statt uns zu ficken, wollten sie etwas anderes: uns ein für allemal fertigmachen.“

SubKultur Hannover: Freundliches Kleinod im früheren Kino | Gruftbote
Erinnert ihr Euch noch an den Artikel „Grufti-Fete 1993: Die unheimliche Kerstin feiert ihren 30. Geburtstag“ von Malte? Darin stellt er fest, das Kai Hawaii seine Tätigkeit als DJ und Konzertveranstalter eingestellt hätte. Hat er aber nicht, wie Kai nicht nur bei Facbook kommentierte, sondern auch wie der Gruftbote erwähnte: „Das liegt an den DJs, die unterschiedlich auflegen und in der zerfaserten Hannoveraner Schwarzvolkszene teils regelrechte Kulturfolger haben: So zieht Kai Hawaii am jeweils ersten Mittwoch im Monat zu seiner „Limelight“ teils andere Leute an als DJ Lo-Renz mit seinen Depeche-Partys. “ Gleich mal gucken, ob das auch schon im Dunkeltanz erwähnt wurde.

The Year of Punk | YouTube
Mit einem besonderen Dank an GM für die beiden nachfolgenden Videos, möchte ich auch gleich damit beginnen zu schwelgen, denn diese Ausgabe des London Weekend Television hat so ziemlich genau 40 Jahre auf dem punkigen Buckel. Kurz zuvor stürmten die Sex Pistols die britischen Charts und wurden Leitfigur eines kulturellen Wandels, der niemand mehr ignorieren konnte.

Hansa Studios: By the Wall 1976-90 | YouTube
Für einige bislang kein Begriff, die Berliner Hansa-Studios. Zu Mauerzeiten mutierte das Studio in den späten 70ern durch David Bowie und Iggy Pop zu einem Magneten der wichtigsten Künstler der 80er. Möglicherweise durch die unmittelbare Lage zur Grenzmauer verhalf das Studio vielen Künstlern zu einem Inspirationsschub. Hier schrieb Bowie „Heroes“ oder Martin Gore spielte nackt am Klavier „Somebody“ während die Einstürzenden Neubauten die Studios zur Werkstatt umfunktionierten. Solange die Doku bei YT existiert, unbedingt anschauen!

Nur alle 150 Jahre: Der Super-Blaue-Blut-Mond am 31. Januar 2018! Werden wir überleben?

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Er kommt, der Super-Blaue-Blut-Mond! Mich wundert es ernsthaft, dass noch niemand vor dem bevorstehenden Weltuntergang gewarnt hat. Bestimmt öffnet sich aber irgendwo ein geheimer Tempel der Maya oder das durch einen Kristall fallende Mondlicht öffnet morgen in Ägypten eine verschollene Grabkammer. Der Grund sind drei äußerst seltene Himmelsereignisse, die am 31. Januar 2018 – also Morgen – aufeinanderfallen. Ein Supermond, ein Blauer Mond und eine Blutmondfinsternis. Ein solches Ereignis hat es zuletzt vor 150 Jahren gegeben. Leider ist dieses Ereignis in unseren Breiten nur bedingt zu sehen, hauptsächlich wird man das Phänomen in Ostasien, Neuseeland, Australien und im Westen Nordamerikas sehen können. Mondsüchtige Gruftis sollten also schnell noch eine Reise buchen.

Was passiert?

Von einem Supermond spricht man, wenn der Mond der Erde besonders nahe steht, also die Entfernung zwischen der Erde und seinem umkreisenden Trabanten besonders gering ist und er dadurch deutlich größer erscheint. Von einem Blauen Mond (der dann aber nicht blau aussieht) spricht man, wenn es innerhalb eines Kalendermonats ZWEI Vollmonde gibt und ein Blutmond wird während einer Mondfinsternis sichtbar, wenn der Mond vollständig im Kernschatten der Erde verschwindet und durch die Lichtbrechung in der Erdatmosphäre der schwach sichtbare Mond rot zu sein scheint. Eine vollständige und genauere Erklärung findet ihr bei der NASA.

Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. (Joel 3,4)

Ihr könnt Euch sicherlich vorstellen, was das Ereignis, das regelmäßig, aber selten auftritt, in der Vergangenheit für Spekulationen ausgelöst hat. Einer der größten Mythenspender sind natürlich Religionen aller Art, christliche Interpretationskünstler verschwurbeln das ganz sogar so, dass es sich auch 2018 anfühlt, als hätte die Bibel alles gewusst. Wahlweise spekuliert man auf den Weltuntergang oder auf die Wiederkehr von Jesus Christus. Da aber auch die Bibel keinen genauen Termin nennt, will ich hoffen, dass ihn jemand abholt. Rund 2000 Jahre nach seinem Tod ist hier einiges passiert.

Werden wir überleben?

Trotz aller Ironie und Mythologie bleibt jedoch das Gefühl zurück, nicht alles zu verstehen, was außerhalb unseres Planeten geschieht. Dass der Mond einen unmittelbaren Einfluss auf die Erde hat, ist weitestgehend bekannt. Welche anderen Phänomene jedoch noch einen Einfluss haben, oder haben könnten, steht sprichwörtlich in den Sternen.

Vielleicht wieder mal ein Tag, sich klein und unwichtig zu fühlen. In unserem Universum sind wir schließlich nicht mehr als eine Spezies auf einem der unendlichen vielen Planeten, die mit einem zukünftigen Ereignis zum Aussterben verdonnert werden könnte. Und natürlich, liebe Gruftis, werden wir das morgige Ereignis überleben. Manchmal ist es aber einfach mal hilfreich sich sterblich zu fühlen, um das tägliche Leben zu schätzen.

Photo by Hoàng Duy Lê on Unsplash

1983: Die Ghouls erorbern die Fledermaushöhle – Das Batcave ist Londons heißeste Diskothek

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Ghouls waren die bösen Geister im alten Arabien, deren Vorliebe es war, Leichen zu fressen und Menschen zu erschrecken. Diese Dämonen waren so heidnisch, so böse, das Prophet Mohammed beschloss, sie aus seinem Koran zu verbannen.“ Mittwoch Nacht, wenn der brave Bürger das Londoner Westend längst verlassen hat, tauchen sie auf. Finstere Gestalten, die Ghouls genannt werden, belagern den Eingang zum Batcave, dem Tempel der einer kultisch-mystischen Jugendbewegung der frühen 80er Jahre. Was sich in diesem Londoner Club wächst, sind die Wurzeln unserer Szene. Den Fernsehbericht, auf den mich Andreas in einer E-Mail aufmerksam machte, darf man schon als unglaublich bezeichnen. Unglaublich gut.

Vor ziemlich genau 50 Jahren wurde die Ursprungssendung des heutigen Formats ttt – titel, thesen, temperamente, der Kulturweltspiegel, aus der Taufe gehoben. Ziel der Sendung war die Darstellung kultureller Strömungen innerhalb unserer Gesellschaft. Mal abseitig, mal bizarr, mal faszinierend. Und genau so hat man die Goths im London der 80er Jahre verstanden, die in „Londons heißester Discothek“, dem Batcave darauf warten, eingelassen zu werden. Neben den ziemlich einmaligen Aufnahmen aus den frühen Jahren des Clubs, darf auch die Art und Weise der Darstellung als legendär bezeichnet werden. Die ersten ernsthaften Bericht über die Szene kenne ich erst aus den späten 80ern. Dieses 8-minütige Video erfasst die Szene besser, als die meisten späteren Berichte und Artikel, die nicht selten von blinden Satanismus-Vorwürfen und anderen hanebüchenen Klischees durchtränkt waren.

In London nun feiern die Ghouls fröhliche Wiederauferstehung. Einmal die Woche, Mittwoch Nacht.“ Der im Video zu sehende Nachtclub „Foubert’s“ am gleichnamigen Fourbert’s Place war nur eine Zwischenstation, denn die Popularität, die der Club Ende 1982 erreicht hatte, zwang die Betreiber zu häufigen Umzügen innerhalb Londons. Das hatten die Ghouls auch der Hausband, den Specimen, zu verdanken, die durch ein Tournee und eine Club-Eigene Compilation („Batcave: Young Limbs and Numb Hymns“) für Aufmerksamkeit sorgte.

Der nächtliche Tanzabend der Ghoulischen Subkultur beginnt mit herkömmlicher Disko-Musik, erst in fortgerückter Stunde werden die Specimen, die Hausband im Batcave, ihren satanischen Gothic-Rock Live zelebrieren.“ Offensichtlich wurde das auch für spätere Vorwürfe zum Anlass genommen, denn man hat die Band, die in damaligen Ohren durchaus „teuflisch“ geklungen haben dürfte, gleich als Blaupause für ihre Anhänger genommen. Klar, wer „teuflische“ Musik hörte, musste Satanist sein. Doch der Bericht ist lange nicht so oberflächlich, wie man ihn an dieser Wahrnehmung aufhängen könnte:

Die Ghouls, die Mittwochnacht aus ihren Löchern kommen, sehen sich als eine Geheimgesellschaft, die kein modisches Aufsehen sucht, sondern mit ihrem bizarren Narzismus, ihrer schwankenden, sexuellen Zugehörigkeit allein gelassen sein will.

Dieser treffende Einschätzung kann man eigentlich nichts hinzufügen, vielleicht sollte man das als Leitmotiv in sämtliche Abhandlungen stellen und für sich sprechen lassen. Überhaupt überzeugt der Bericht durch seine lustvolle und wortreiche Moderation, die irgendwo zwischen unterschwelligem Humor und respektvollem Anerkennen stets interessant bleibt.

Die Bar des Batcave, die aussieht wie jede andere im Westend, wirkt wie ein Fremdkörper in der sanft-satanischen Dämonenwelt dieser Mittwochs-Maskerade, zu der sich der Stamm-Ghoul Ian Jones wöchentlich einfindet. Eine tätowierte Fledermaus weißt diesen vermutlich weiblich Ghoul als zünftiges Mitglieder des verrockt-verrückten Dracula-Clubs aus.“

Ein erstaunter Schlusskommentar

Nicht nur eine glucksig-überschwängliche Freude durchströmt mich beim Anblick dieser alten Bilder, sondern auch eine wohlig-warme Erkenntnis, die ich schon lange unter den Teppich der oberflächlichen, aktuellen Berichterstattung vermutet hatte. Die Erkenntnis, dass uns dann doch mehr eint, als ein gemeinsamer Musikgeschmack: „Diese Mittwochs-Dämonin meint, in 3-4 Wochen werde sie die Höhle verlassen und sich einen neuen Rastplatz suchen. Sie will im Untergrund bleiben, ihre Privatsphäre erhalten. Es mag wunderlich klingen, aber sie will das kultisch-geheime der Bewegung bewahren.“

Und das ist dann auch der große Unterschied zum „Kostümfest“ oder dem „Karneval“, mit dem die Szene seit einiger Zeit verglichen wird und für dessen Darstellung willige Motive finster in die Kamera schauen. Wir wollen unsere Narzissmus ausleben, die Vielfältigkeit des Daseins zelebrieren und losgelöst von jeglichen gesellschaftlichen Konventionen unter unseresgleichen feiern. Daran kann man eben nicht mit einem anderen Outfit partizipieren, sondern auch durch eine grundlegend andere Sichtweise auf den Menschen und seine Erscheinungsform als Individuum. 

Vielleicht klingt das jetzt zu hochtrabend, aber genauso sehe ich das. Ich lasse euch mit diesen tollen und sehr seltenen Aufnahmen allein und bin gespannt, wieviel „Ghoul“ in Euch schlummert. Vielen Dank nochmal an Andreas für diesen tollen Hinweis.

Die Worterklärung von Grufti – Wie ich auszog, den Duden zu korrigieren

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Ich und der Duden hatten schon immer ein schwieriges Verhältnis. Als Bibel der deutschen Sprache weiß der Duden immer, wie etwas geschrieben wird und was ein Wort zu bedeuten hat. Ich weiß das nicht immer. Das wäre jetzt nicht weiter schlimm, wenn ich nicht so gerne in diesen Blog schreiben würde, den jeder lesen kann und der eben diese deutsche Sprache als Form der Kommunikation nutzt. Manchmal ist das schon ziemlich peinlich, wenn mich meine Frau wieder einmal darauf hinweist, welche dummen Fehler in so manchem meiner Beiträge lauern. Die kann das nämlich deutlich besser mit der Orthographie. Wahrscheinlich ist sie heimlich mit dem Duden befreundet.

Wie kam es also dazu, das ausgerechnet ich auszog, den Duden zu korrigieren?

Alles begann schon im September des letzten Jahres. Da schrieb mir Leserin Nicole, die bei einer Unsicherheit in der richtigen Schreibweise von „Grufti“ die Online-Ausgabe des Duden bemühte, folgendes: „[…] suchte ich auf duden.de nach der richtigen Schreibung der Mehrzahl von „Grufti“. Dabei stieß ich auf diese lustige Definition: „Person, die schwarz gekleidet, mit schwarz gefärbtem Haar und weiß geschminktem Gesicht auftritt und (zusammen mit Gleichgesinnten) besonders Friedhöfe als Versammlungsort wählt“. Vielleicht sollte man dem Duden mal eine neue, zeitgemäße Definition vorschlagen? Ich sehe in letzter Zeit jedenfalls sehr selten Grufti-Versammlungen auf Friedhöfen.“

Und in der Tat erscheint diese Wortdefinition ein wenig abseitig, denn objektiv gesehen finden wir Gruftis Friedhöfe ja toll, aber klassische Versammlungsorte sind dann dieser Tage doch eher Discotheken und Festivals.

Grufti - Alte Duden-Definition

Mein erster Gedanke war, das Fundstück zu präsentieren, eine Diskussion anzuregen um uns dann genüsslich über diese Definition auszulassen. Doch den Duden angreifen? Das Bollwerk der deutsche Sprache diskreditieren? Ich fühlte mich unbewaffnet und kam mir vor einer von den unmusikalischen Gruftis, die den Leuten auf der Bühne erzählen wollen, wie man richtig Musik macht. Ein paar Monate später – ich hatte die Mail inzwischen ein wenig verdrängt – erinnerte ich mich an Nicole und ihre Frage und fasste mir ein Herz. Warum nicht den Duden anschreiben? Gesagt, getan:

Lieber Duden. eigentlich traue ich mich gar nicht, Dir zu schreiben, weil du als Duden dich ja bestens mit der Deutschen Sprache auskennst und meine Kenntnisse derselben eher als rudimentär zu bezeichnen sind. Mein Unwissen beginnt schon damit, dass ich nicht weiß, wie ich Dich anreden soll. Duden? Duden-Team? Duden-Redaktion? Leute? Deshalb schreibe ich Dir als Buch, als lebendiges Werk der Deutschen Sprache, das ständigen Änderungen und Entwicklungen unterworfen ist und dennoch als Buch und als Institution wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung steht.

Lieber Duden, ich habe eine Frage oder vielleicht auch einen Verbesserungsvorschlag, mit dem ich mich an Dich wenden möchte.

Dazu muss ich erklären, das ich mich als Grufti fühle, der bereits seit den 80er Jahren dieser Subkultur anheim gefallen ist. Seit über 9 Jahre betreibe ich sogar einen Blog dazu, der sich mit der Szene „Gothic“ und allen damit verbundenen Phänomen beschäftigt. Neulich wurde ich auf einen Eintrag im Duden – also bei Dir – aufmerksam gemacht.

Deine Erklärung stimmt bis zum Punkt mit den Friedhöfen. Woher stammt diese Erkenntnis, das wir uns auf Friedhöfen treffen würden? Dem ist nämlich nicht so. Sicher, wir treiben uns gelegentlich dort herum, um Atmosphäre zu schnuppern und Grabsteine zu fotografieren, aber im Grunde genommen gar nicht, um dort Treffpunkte draus zu machen. (Von den Klischeehaften Ausnahmen aus jugendlichem Wagemut mal abgesehen)

Vielmehr sind Festivals und Discotheken Versammlungsorte der schwarze Subkultur, weniger Ruhestätten und Gruften. Auch wenn ich das vielleicht ganz schön finden würde. Doch von einer solchen Hoffnung sollte kein Eintrag im Duden zehren.

Meine Frage(n): Wie kann man Einfluss auf eine Änderung der Definition nehmen? Kann man das überhaupt? Und: Wer hat Euch erzählt, dass wir uns auf Friedhöfen treffen?

In freudiger Erwartung eine Antwort verbleibe ich hochachtungsvoll.

Würde man mir antworten? Noch bevor ich zuviel Zeit daran verschwendete mir Gedanken zu machen, erhielt ich eine Antwort die versprach, meine Anfrage an die zuständige Redaktion weiterzuleiten. Das war zwischen Weihnachten und Neujahr die letzte Wortmeldung, die ich erhielt. In der Wartezeit kam ich mir dann auch ganz kurz bescheuert vor, denn welchen Wert sollte es haben, die Definition des Wortes „Grufti“ zu ändern? Ich schob es Nicole in die Pikes, denn die hatte mich ja darauf aufmerksam gemacht und meinen Anspruch angekratzt, alle Fragen, die mich über das Kontaktformular erreichen, adäquat zu beantworten.

Am letzten Dienstag, ich war gerade mit dem Hund in der freien Natur, erreichte mich eine E-Mail des Duden Kundeservices, auf die ich nicht vorbereitet war:

Vielen Dank für Ihre netten Zeilen und Ihren Hinweis auf eine falsche Angabe in der Definition (2) des Stichworts „Grufti“. Wir sind immer sehr dankbar für solche Hinweise, die uns helfen, Fehler und Lücken in unseren Werken zu beheben bzw. zu schließen. Nun haben wir die Bedeutungsangabe (2) zum Stichwort „Grufti“ im Duden online wie folgt geändert: Person, die schwarz gekleidet, mit schwarz gefärbtem Haar und weiß geschminktem Gesicht auftritt und deren Lebenshaltung von einer Faszination für Tod und Vergänglichkeit geprägt ist. Wir hoffen, dass diese Änderung in Ihrem Sinne ist.

Was soll ich sagen? Es hatte funktioniert. Einfach so. Grufti ist also nicht mehr definiert mit dem Treffpunkt Friedhöfen, sondern einer Faszination für Tod und Vergänglichkeit. Nicht schlecht. Könnt ihr gerne selber kontrollieren.

Screenshot Wortbedeutung Grufti

Natürlich, lieber Leser, dieser Definition ist sicher nicht perfekt und letztendlich könnte man Seiten mit dem füllen, was einen „richtigen“ Grufti ausmacht, wie er auftritt und was er spannend findet. Mit dem Ergebnis, dass eine sich daran anschließende Diskussion wiederum Seiten füllen würde, in denen andere wieder alles anders sehen. Friedhöfe als Treffpunkt jedenfalls, da bin ich mir sicher, sind aber nirgendwo dabei. Und wenn sich irgendwo Gruftis auf einem Friedhof treffen, dann meldet euch doch. Vielleicht kommen wir ja ins Gespräch.

Streitbar ist jetzt möglicherweise die Sinnhaftigkeit einer solchen Änderung. Habe ich wertvolle Lebenszeit verschwendet? Nein, nicht nach meinem Gefühl. Denn sich mit dem zu beschäftigen, was mir Freude Trauer bereitet, ist doch genau das, wofür Lebenszeit gemacht ist, oder?