Während der Kartenverkauf für das Wave-Gotik-Treffen 2022 läuft, entbrennt in den sozialen Medien die alljährliche Diskussion um die Ticket-Preise des Festivals. Öl ins Feuer dieser Debatte goss jüngst der Veranstalter, der kurz vor dem Start des Vorverkaufs, am 17. April, verkündete, dass er die Preise um 40 Euro erhöhen müsse, um den gestiegenen Kosten Rechnung zu tragen. Dass es sich dabei allerdings immer noch um ein Schnäppchen handelt, zeigt das ZDF in einer Dokumentation über das Tomorrowland, das weltweit größte Techno-Festival, das in Belgien stattfindet.
Und jährlich grüßt das Murmeltier
Nach zwei Jahren Durststrecke findet das WGT 2022 wie gewohnt in Leipzig statt. Eigentlich hatte ich angenommen, man wäre froh, endlich wieder Künstler und Veranstalter mit seinem Eintrittspreis aus der finanziellen Talsohle zu holen, allerdings wurde gleich nach Ankündigung der Preiserhöhung wieder über die Ticketpreise diskutiert. „Zu teuer, zu wenig geboten und dazu noch überfüllte Veranstaltungsstätten?“ Bevor sich aber jemand genau davon angesprochen fühlt, möchte ich eine Doku des ZDF in den Raum werfen, die eigentlich klarmachen dürfte, in welcher privilegierten Blase sich der WGT-Besucher befindet, auch hinsichtlich der Preise innerhalb des Treffens.
Techno, Kult und Kommerz – Die Dokumentation
Tomorrowland in Belgien ist das weltweit größte Festival für elektronische Musik. Im Jahr 2005 begann das Festival mit 10.000 Besucher, 2019 feierten etwa 400.000 Menschen ein rauschendes Techno-Fest. Das bereits ausverkaufte Festival 2022 soll sogar rund 600.000 Menschen anlocken.
Ein Klick auf das Bild führt direkt zur Dokumentation in der ZDF Mediathek.
Auch, wenn die Doku mit Aufnahmen aus den Jahren 2018 und 2019 arbeitet, verfehlt sie nicht ihre Wirkung. Krass, wie junge Menschen auf einem Festival ausgenommen werden.
Etwa 300 Euro kostet hier die Basisversion des 3-Tages-Tickets, mit der man allerdings nicht in den Genuss aller Bühnen kommt. Da muss dann der rund 500 Euro teure „Full Madness Comfort Pass“ her. Möchte man gerne auf dem 45 Minuten entfernten Zeltplatz „Dreamville“ nächtigen, werden 80 Euro extra fällig. Nach oben gibt es preislich – ihr könnt es Euch denken – KEINE Grenzen.
Bezahlt wird auf dem Festival mit „Pearls“, eine eigenen Währung im „Tomorrowland“, die man überall mittels Armband aufladen und ausgeben kann. Ein perfektes Instrument, um den Bezug zum realen Geld auzuhebeln. Da ein Pearl mehr wert ist als ein Euro, erscheinen alle Getränke, Nahrungsmittel und Dienstleistung günstiger als sie eigentlich sind.
Das Festival, das zufällig von Marketing-Experten veranstaltet wird, erscheint wie eine Gelddruckmaschine. Allerdings nur für die Veranstalter. Bewohner des Ortes Boom in Belgien, bei denen das Festival stattfindet, dürfen keinerlei Gewinn mit den Menschen, die durch ihren Ort ziehen, machen. Kein Getränkeverkauf, keine Andenken oder Dienstleistungen und auch kein Platz im Vorgarten für das Zelt zum Übernachten. Allerdings laden die Veranstalter alle Anwohner zu einem kostenlosen Besuch in Tomorrowland ein, das dann nur für die Menschen der beiden angrenzenden Gemeinden geöffnet ist.
Da soll noch mal jemand behaupten, das WGT sei kommerzialisiert. Denn das Treffen ist schließlich ein schwarzes Magnet für Leipzig, von dem nicht nur die Einwohner und unabhängigen Geschäftsleute profitieren, sondern auch zahlreiche weitere Veranstaltungen, wie das Gothic-Pogo-Festival oder die Glitter + Trauma Party, die ohne die Popularität des WGT wohl nicht in dieser Form existieren dürften.
In diesem Jahr wird der legendäre Stummfilm HÄXAN von Benjamin Christensen 100 Jahre alt und wird vom Label Xcess in einer völlig überarbeiteten und bereicherten Fassung neu herausgebracht. Wie mir Filmwissenschaftler, Cineast und Musiker Marcus Stiglegger in einer Mail mitteilte, hat er dazu einen alternativen Soundtrack eingespielt, den er zusammen mit dem Film auch Live aufführen will. Wer sich jetzt unwissend und kulturell abgehängt fühlt, ist bei hier genau richtig, denn mit dem Filmtitel konnte ich rein gar nichts anfangen. Ich wollte herausfinden, was Häxan für ein Film ist, was ihn so kultig macht und vor allem, warum er so unheimlich „Gothic“ sein soll.
Häxan sind schwedische Hexen
Vor ein paar Wochen erhielt ich also eine Mail von Marcus Stiglegger, in der er vom 100-jährigen Geburtstag des Films sprach und mir erzählte, dass er mit seiner Band „Vortex“ einen Soundtrack dazu eingespielt hätte. Er fügte hinzu: „Ich denke, er ist für die Gothic-Szene ziemlich relevant.“ Möglicherweise unabsichtlich hatte er mich damit höllisch neugierig gemacht, schließlich ist er auch schon eine gefühlte Ewigkeit selbst ein Teil der Szene und weiß, wovon er spricht. Ich musste mir allerdings eingestehen, dass ich den Film nicht kannte und Stummfilme im Allgemeinen nicht meinen cineastischen Geschmack treffen, aber in diesem ging es immerhin um Hexenverfolgung und Inquisition. Themen, mit denen ich mich schon in der Vergangenheit beschäftigt habe.
Treuen Spontis-Lesern wird Marcus Stiglegger bereits ein Begriff sein, denn er war bereits als Interview-Partner zu Gast, als es 2012 um Nazi-Ästhetik und sein Buch „Nazi-Chic und Nazi-Trash“ ging. Grund genug, um seinem Hinweis auch in dieser Sache nachzugehen.
Nachdem ich mir den Film bei Youtube angeguckt hatte, fühlte ich mich bereichert, aber nicht viel schlauer. Glücklicherweise bot Marcus auch gleich an, ein Interview zu geben, mit dem ich meine Wissenslücken füllen und der Sache mit der Relevanz auf den Grund gehen konnte.
Interview mit Prof. Dr. Marcus Stiglegger: „Gothic ist ewig“
Spontis: Ich muss gestehen, ich habe den 1922 veröffentlichten Stummfilm „Häxan“ (zu Deutsch: Hexen) erst nach deiner Nachricht zum ersten Mal angeschaut. Obwohl der dokumentarische Ansatz heute, 100 Jahre nach seiner Erstaufführung, nicht mehr zu greifen scheint, ist die visuelle Aufarbeitung der Hexenverfolgung und Inquisition sehenswert. Wie würdest du „Häxan“ inhaltlich zusammenfassen?
Marcus Stiglegger: Häxan ist einer der wichtigsten Filme seiner Zeit, steht aber immer im Schatten von Nosferatu, der nun ebenfalls 100 Jahre alt wird. Der Regisseur Benjamin Christensen war jahrelang geradezu besessen von der Idee, die Hexenverfolgung filmisch aufzuarbeiten und im modernen Kontext zu diskutieren. Er bezog sich dazu auf zeitgemäße psychologische Erkenntnisse. Obwohl nicht alles heute noch so gültig ist, hat der Film revolutionäre Vorzüge: In mehreren Kapiteln inszeniert er beispielhafte Szenen von Hexerei, Verhör, Folter, Hinrichtung und Pathologisierung. Seine Mischung aus Dokumentarfilm und Spielfilm würde man heute als Essayfilm bezeichnen. Er verwendete in seinen Spielszenen spektakuläre Spezialeffekte, mit denen er den Hexenflug, Zaubereien und Dämonen zu Leben erweckte. In der Rolle des Teufels ist der Regisseur selbst hin und wieder zu sehen.
Spontis: Der Film löste seinerzeit Kontroversen aus. Die französische Kirche protestierte, in Deutschland wurde er verboten und in Dänemark löste er einen Sturm der Entrüstung aus. Heute gilt der Film als Meisterwerk des expressionistischen Films. Was fasziniert Dich an dem Film?
Marcus Stiglegger: Häxan hat eine einzigartige Gothic-Ästhetik, die großen Einfluss auf spätere Filme, Musikvideos und Albencover hatte. Auch in der Industrial Culture der frühen 1980er-Jahre erfuhr er eine intensive Wahrnehmung, meist durch den 1968 mit einem Offkommentar von William S. Burroughs eingesprochenen Kommentar der US-Fassung mit dem Titel Witchcraft Trough the Ages. Ich habe von dem Filme gehört und gelesen, bevor ich ihn im Programm von ARTE sah und völlig fasziniert war. Heute würde man diese Bilder als Gothichorror einordnen. Es gibt einen expressionistischen Einfluss, der ist aber eher marginal.
Spontis: Ich frage mich, welchen Zweck der schwedische Regisseur Benjamin Christensen mit seinem Film verfolgte, war es eine spätviktorianische Faszination für Okkultismus und Mystik, ein aufklärerischer Ansatz, die Sünden des Mittelalters zu verarbeiten oder die Lust, etwas Neues und nie dagewesenes zu machen? Welche Beweggründe hat Christensen Deiner Meinung nach?
Marcus Stiglegger: Die damalige Zeit um die Jahrhundertwende war tatsächlich vom Okkultismus fasziniert, doch Christensen sah sich als Aufklärer und früher Feminist. Er war überzeugt von der später viel zitierten „Verfolgung der Hexen“ als „Jagd auf die Frau an sich“. Die Inquisition wurde als patriarchale Herrschaftsausübung betrachtet und als „female holocaust“ verklärt. Tatsächlich waren auch viele Männer Opfer der Hexenverfolgung. Allerdings sind bestimmte Tendenzen ebenfalls begründbar.
Spontis: Mit Deiner Band „Vortex“ hast du dich dem Film musikalisch genähert und hast einen neuen Soundtrack geschrieben. Wie bist du an die Sache herangegangen?
Marcus Stiglegger: Das beim südfranzösischen Label Cyclic Law erscheinende Album „Häxan“ von Vortex ist eine musikalische Hommage an den Film. In zwei jeweils zwanzigminütigen Stücken werden die Themen des Films mit musikalischen Mitteln reflektiert. Live sind diese Stück von Filmszenen untermalt, die in Absprache mit dem Label des Films ausgewählt wurden. Die Filmveröffentlichung von Xcess Entertainment wird auch die CD-Version enthalten. Es handelt sich aber nicht um einen kompletten neuen Soundtrack, sondern um eine musikalische Hommage. Bei Cyclic Law erscheint ein LP/CD-Set, das auf CD einen düster-dronigen Ambientmix und auf Vinyl einen härteten Black/Doom-Mix enthält. Die Gitarre wurde hier von Oliver Freund (MARS, Vinur) eingespielt.
Das Cover besteht aus Kreidezeichnungen von Nadine en Noir, die auf Filmfotos basieren. Man hat also ein volles Programm, wenn man das Album kauft. Die Grundidee ist bei unseren Filmvertonungen immer, dem Klischee des melodiösen Klavierklimperns zu den flackernden Bildern zu widersprechen, das sich in Deutschland als Stummfilmuntermalung verfestigt hat. Unsere Klangkunst ist vielschichtig und soll der Komplexität des filmischen Werkes gerecht werden.
Album Cover Artwork für das Vortex-Album von Nadine En Noir (@Facebook)
Spontis: In Deiner E-Mail, die du mir geschrieben hast, um auf Dein Projekt aufmerksam zu machen, hast du von einer Relevanz für die Gothic-Szene gesprochen. Wie sieht diese Relevanz aus?
Marcus Stiglegger: Ich kenne die Gothicsubkultur seit den mittleren 1980er Jahren, war DJ zwischen 1991 und 2000 und bin seit 2002 selbst musikalisch in diesem Bereich aktiv. Ich habe bis heute einen sehr grundsätzlichen Gothic-Begriff, der die gesamte Kunst und Kultur umfasst, die mit Gothic Fiction, schwarzer Romantik und modernem Gothicstil in Zusammenhang steht. Meine persönliche Erfahrung in der Gothic-Szene ist sehr gut in dem Buch „Schillerndes Dunkel“ gespiegelt, das die vielschichtigen Interessen und Obsessionen innerhalb der Gothic-Szene diskutiert.
Alles, was düster, pessimistisch und menschenfeindlich erschien, wurde in den 1980er und 1990er-Jahren erkundet: Okkultismus, Heidentum, Faschismus oder auch Serienmord. Die Inquisition, die Folterungen, die Verfolgung der Heilkundigen als Hexen – all das war von Interesse und tauchte in Musik, Videos und Selbstdarstellung wieder auf. Man las Nietzsche, Anton la Veys „Satanic Bible“, Edred Thorssons „Runenkunde“, Elisabeth Haichs „Einweihung“, den „Hexenhammer“ und die „Psychopathia Sexualis“. Gothic-Musiker wie Rozz Williams oder David Tibet lebten das vor.
Filme wie Häxan, The Wicker Man, Das Omen, Der Exorzist, Nosferatu, Das Cabinet des Dr. Caligari wurden gesehen und getauscht. Aus diesen Interessen heraus ist Häxan von enormem Interesse, wenn man keinen Gothic-Begriff lebt, der bei Plastiktotenköpfen, New Rock Stiefeln und Elektrobeats endet.
Spontis: Ich stelle folgende These auf: Diese Relevanz – die ich durchaus auch erkenne – ist ein konstruiertes Gebilde erwachsener Alt-Gruftis, um ihrem Dasein in schwarzen Klamotten und Totenkopfdeko einen Hintergrund zu verleihen. In den 80er waren entsprachen Musik und Styling unserem Wunsch, uns von der „Erwachsenen-Welt“ abzugrenzen. Die Bühne lebte diese okkult angehauchte Lebensart vor, die Künstler spielten mit Todesästhetik und suggerierten durch teilweise auf der Bühne projizierte Stummfilme und Horror-Klassiker eine inhaltliche Nähe zu diesem Thema. Mir kam das sehr gelegen, denn so hatte ich Anfang der 90er Dinge, die mich über die „jugendliche Phase“ in der Szene hielte und bis heute halten. Wie siehst du Das?
Marcus Stiglegger: Das ist im Grunde eine eher selbstkritische Variante meiner These. Für eine solche kritische Selbstbespiegelung sehe ich keinen Anlass. Gothic ist ewig. Als ich wirklich in die Szene kam, war ich kein Jugendlicher mehr. Ich sehe Gothic als einen Lebensstil, nicht als eine jugendliche Subkultur, die es eben auch gab und gibt. Diese hat mich nie sonderlich interessiert. Meine Perspektive schafft eine Verbindung über Jahrhunderte hinweg, die ich nicht als ‚konstruiert‘ begreife, sondern als eine begründbare Beobachtung lange zurückreichender Prozesse.
Spontis: Du planst Konzerte mit dem Film, was ich sehr spannend finde. Ich stelle mir eine Stummfilm-Vorführung mit Live-Band ziemlich authentisch und aufregend vor, was können die Zuschauer erwarten?
Marcus Stiglegger: Vortex treten üblicherweise zu zweit auf, mit Percussion, Stimme, Gitarre und obskuren anderen Instrumenten (von Dulcimer bis Maultrommel). Die Projektion ist möglichst groß im Hintergrund, wir spielen vor der Leinwand. In Kinos hat das bereits sehr gut mit dem Film Vampyr von Carl Theodor Dreyer funktioniert. Die offizielle Premiere des Häxan-Konzepts wird an Halloween 2022 im Frankfurter Harmonie-Kino stattfinden. Dort wird auch die buddhistische Ritualband Nam-khar spielen, mit der Vortex aktuell das Album Nag Hammadi (Winter-Light) veröffentlicht hat. So oder so: Vortex ist abgrundtief finster, grollend, dröhnend und pulsierend in den rituellen Beats. Unser Programm ist archaische Ritualmusik mit modernen Mitteln. Hat das etwas mit Gothic zu tun? Ich denke schon, aber am Ende entscheidet das Publikum.
Seit vier Stunden steht die Grableuchte vor dem Fußgängerüberweg. Selbst wenn es grün ist, flackert sie solange vor Unsicherheit und kann sich nicht bewegen, bis es wieder rot wird. Hätte sie doch bloß nicht das Gruft-Orakel von Alana Abendroth gelesen. Aufpassen soll sie, von Grabsteinen ist die Rede und einer neuen Liebe mit Auto. Dabei hat sie doch so Angst vor Autos und hält, dreht sich weg, wenn eines an ihr vorbeifährt und dabei droht, die Flamme auszulöschen. Und als hätte sie nicht Zwangsneurosen genug, steht jetzt auch noch geschrieben, sie solle sich von Ampeln fernhalten. Herrje. Zum Glück brennt sie stundenlang und kann im Schutze der tiefen Nacht die Straße überqueren. Wir wünschen ihr viel Glück!
Ohne Skandale, Vorverurteilungen und wilde Gerüchte ist am 29. April Rammsteins neues Album „Zeit“ veröffentlicht worden. Wir erinnern uns an „Deutschland“, als die Band sich provokativ als verkleidete KZ-Häftlinge die Schlingen um die Hälse legen ließen. Über 7 Millionen Aufrufen nach 17 Stunden, die Single-Auskopplung „Angst“ hat nach 2 Tage nicht mal die Hälfte. Demnach ist das neue Album ein Leisetreter, jedenfalls in plakativer Hinsicht. Der musikalische Inhalt bleibt Rammsteins Linie allerdings treu. Laut, brachial und vor lauter inhaltlicher Bedeutung so schwanger, dass man fast Fünflinge erwarten könnte.
Das ist das Erfolgsrezept der Berliner Band, die das Genre „Neue Deutsche Härte“ vor fast 30 Jahren populär gemacht haben. Die Ernsthaftigkeit, mit der Rammstein die Rolle der „deutschen Teutonen“ verkörpern, ist bewundernswert, die Inszenierung, mit der man sich darstellt, ist stets an irgendeiner Grenze eines vermeintlich guten Geschmacks und ihre Live-Shows zählen zu den weltweit eindrucksvollsten Spektakeln. Sie sind erfolgreich, auch – oder vor allem – im Ausland, für viele verkörpern sie mit ihrer Musik und dem Gesang von Till Lindemann das typisch Deutsche, inklusive dem rollenden „R“ mit Nazi-Attitüde.
Wen wundert es da, dass Google die Frage „Ist Rammstein rechts?“ als Erstes vorschlägt, wenn man sich mit der Band beschäftigt. Nein, sind sie nicht.
Und so polarisieren Rammstein mit ihrem 8. Studioalbum erneut ihrer Hörerschaft, was Musikwissenschaftler Peter Wicke schlüssig erklärt, denn Rammstein „halten uns einen Spiegel vor und wir fühlen uns ertappt – und lehnen das ganz vehement ab, weil das, was nicht sein darf, auch nicht sein kann. Aber irgendwie erkennen wir uns doch irgendwie alle mit unserer Kultur in diesem Projekt wieder.“
Rammstein machen Angst
Der Song „Angst“, den ich zusammen mit seinem Video schon großartig finde, bringt den aktuellen Zeitgeist auf den Punkt. Anfangs versteht man sich prächtig, grillt und lacht zusammen. Heimlich wächst aber die Skepsis voreinander, aus dem kleinen Gartenzaun werden Mauern mit Kameras, im Internet besorgt man sich vermeintliche Informationen, die eine Paranoia voreinander bedienen. Die letzte Einstellung des Videos ist dann auch sowas wie ein Stillleben einer gesellschaftlichen Angst, das den Titel „Realitätsentkopplung“ tragen könnte. Die Band verspeist genüsslich den Schokokuss, während man im Fernsehen das Leid von Mutter und Tochter betrachtet, die hinter Stacheldraht eingepfercht sind.
Es wird Zeit für Rammstein
Rammstein muss man wahnsinnig gut und total Scheiße finden. Gleichzeitig. Im Stern finden sich daher gleich zwei Artikel, der eine Autor hält das Album für gut, der andere eben Scheiße. Die Zeitschrift kann nun wirklich nicht mehr ernst nehmen. Die TAZ findet: „Männlichkeitskult aus Ostberlin: Rammstein mit neuem Album „Zeit“ und Songs, deren Strukturen klingen wie an der Baumarkt-Säge zugeschnitten.“ Der Spiegel freut sich auf das Ende der Band: „Mit provozierenden Auftritten sind sie bekannt geworden, geblieben sind nur Altherrenwitze über Botox und Brüste: Das neue Album von Rammstein könnte ihr letztes sein – schlimm wär’s nicht.“ und auch die gleichnamige Zeit fühlt sich auf den namentlichen Schlips getreten und schreibt. „Hat Andrea Berg nach ein paar Gläschen Schwarzburgunder den Existenzialismus entdeckt? Nein, es ist die neue Rammstein-Platte.“
Immerhin. Jetzt gibt es wenigstens NACH der Veröffentlichung der Platte Skandale und Gerüchte, denn viele munkeln, es könne das letzte Album der Band sein, schließlich würde man im Song „Adieu“ genau davon singen. Vielleicht ist die Zeit der Band tatsächlich erschöpft und sie ziehen die Reißleine, bevor sie als Karikatur ihrer Selbst, wie in dem Video „Zick Zack“ zu sehen, enden.
Nehmt euch mit, was ihr haben wollt. Rammstein machen es jedem leicht, sie gut oder schlecht zu finden, jeder findet seinen Reibungspunkt. Bei mir hat sich die Band Respekt erarbeitet. Anfangs hatte ich so meine Schwierigkeit mit ihrer plakativen „Deutschness“ ihrer schwülstigen Attitüde und den bedeutungsschwangeren Texten und auch die Musik, die nach dem immer gleichen Schema funktioniert, war nicht immer meins. Dennoch gibt es zahlreiche Songs, die ich großartige finde und auch ebenso viele, die ich doof finde. Unter dem Strich bleibt aber der Respekt, vor dem Fleiß, den die Band in ihrer Musik und ihren Shows zeigen. Respekt vor dem ewigen Grenzgang zwischen Provokation und Kitsch und zwischen aufgesetztem Verhalten und authentischem Ausdruck.
Die Lücke, die Rammstein mit einer Auflösung schaffen würden, füllt sicherlich niemand mehr. Das kann man gut finden oder eben – ihr wisst es schon – schlecht.
Es gibt eine ganze Menge Informationen, mit dessen Hilfe man die Entwicklung der Grufti-Szene in der DDR nachzeichnen kann. Ein ganzer Haufen Bücher, Filme und Artikel beleuchten unzählige Facetten dieser Deutsch-Deutschen Geschichte, die sich hauptsächlich unter den ostdeutschen Jugendlichen in den 80er-Jahren abgespielt hat. Wie rechtfertigen also Sascha Lange und Dennis Burmeister ihr neuestes Werk Our Darkness: Gruftis und Waver in der DDR, das am 13. Mai 2022 im Ventil-Verlag erscheinen wird?
Nachdem ich mir ein Vorab-Exemplar zu Gemüte führen durfte, sind mir einige Dinge aufgefallen, die dieses Buch durchaus rechtfertigen – allerdings nicht für jeden. Die Grundvoraussetzungen waren schon mal ideal, denn die Autoren, die bereits die Bücher „Depeche Mode Monument“ und „Behind The Wall. Depeche Mode-Fankultur in der DDR“ herausgebracht haben, glänzten schon da mit Akribie und Genauigkeit und einer geradezu erschreckenden Leidenschaft für das Zusammentragen von Informationen, die sich auch in stets in der tollen haptischen Qualität der Bücher selbst spiegelten. Diesmal kommt auch besonderer Fleiß hinzu, denn die unzähligen tollen Bilder, die man zusammengetragen hat, geben dem Buch ein extrem nostalgische Gänsehaut-Attitüde. Jedenfalls für mich.
Our Darkness: Inhalt
Ich bin 1974 geboren und damit (fast) genau in dem richtigen Alter, um mit diesem Buch auch in der eigenen Nostalgie zu schwelgen. Nicht etwa, weil ich in der DDR aufgewachsen bin, sondern weil die musikalische, popkulturelle und subkulturelle Entwicklung ganz ähnlich abgelaufen ist. Ich lege also die Erinnerungen der Leute, die sich an ihre Wave- und Gruftizeit in der DDR erinnern wie eine Blaupause auf die eigenen Erinnerung und bin erstaunt über manche Unterschiede und überrascht über viele Parallelen.
Our Darkness vermittelt einen unglaublich detaillierten Blick in ostdeutsche Kinderzimmer heranwachsender Gruftis, der mit unfassbar vielen und großartigen Bildern angereichert wird. Durch die Erzählungen der vielen Leute, die man für das Buch befragt hat, bekommt ein Gefühl davon, wie heilig beispielsweise eine Ausgabe der Bravo gewesen sein muss, wie Musik in Kopier-Session verbreitet wurde und mit wieviel Phantasie und Enthusiasmus man an einer möglichst „gruftigen“ Erscheinung arbeiten musste.
Ich erinnere mich gut daran, wie ich litt, weil ich kein paar anständige Pikes bestellen konnte und der einzige alternative Schuh-Laden in den nächstgelegenen Großstadt nie meine Größe hatte. Beim Lesen komme ich mir in der Rückbetrachtung ziemlich lächerlich vor, denn in der DDR war es faktisch unmöglich überhaupt so etwas zu erwerben. Ja, so ein bisschen peinlich berührt über die Probleme in der eigenen Jugend ist man dann schon.
Auch wenn sie die DDR ab Mitte der 80er versucht hat, sich zu „öffnen“ und mit DT64 1987 sogar seinen eigenen Jugendradio-Sender an den Start gebracht hat, bleibt bei allem, was die Jugendlichen dort trieben, ein fader Beigeschmack der Überwachung und Kontrolle. Sich in Kellern oder verfallenen Gebäuden heimlich zu treffen, um zu quatschen und leise Musik zu hören, war eine Notwendigkeit, keine Freiwilligkeit.
Das Buch beleuchtet auch diese Teil der ostdeutschen Vergangenheit, lässt aber die Eindringlichkeit zugunsten der Information auf kleiner Flamme lodern.
Obgleich die Überwachungsorgane des Staates tonnenweise Akten produzierten, Namenslisten anlegten und Verhöre durchführten, hatte das auf die Ausbreitung der Jugendkulturen in der DDR der späten 1980er Jahre keinerlei nennenswerte Auswirkungen mehr. Der Kontrollverlust wurde immer offensichtlicher, verbunden mit einer Orientierungslosigkeit, wie mit den Jugendkulturen umzugehen sei.
Mit der Wende endet dieses Buch glücklicherweise nicht, denn es stellt auch dar, wie sich ostdeutsche Grufti- und Waver-Szene in einer rasanten Aufholjagd alles das zu konsumieren versuchte, was ihnen über Jahren verwehrt geblieben war. Reisen nach London, Platten der angesagten Bands und natürlich Konzerte der Stars. Ein Cure-Konzert im August 1990 in Leipzig markiert, wenn man so möchte, das Ende einer geteilten Szene. Alles, was sich in der sterbenden DDR Grufti oder Waver nannte, war an diesem Tag in Leipzig und machten daraus ein ganz besonderes Konzert.
Auch wenn viele Gruftis- und Waver dann eigene Wege gingen, entstand aus dem Geist der Jugendlichen von damals das heutige Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Man wollte sich wohl 1992 nochmal wiedersehen, um dann in den folgenden Jahren eine spürbare Distanz zur gesamtdeutschen Szene aufzubauen. Alexandra Tchen schreibt dazu im Buch: „Über die späteren Wave-Gothic-Treffen habe ich mich eher aufgeregt, weil das für mich nur Fasching war. Mich ärgerten diese ‚Wochenendgruftis‘, denn wir hatten uns das damals hart erkämpft.„
Our Darkness: Fazit
Auch wenn die meisten Informationen und Hintergründe schon vielfach aufgeschrieben wurden, bietet „Our Darkness“ eine komplette Zusammenfassung der ostdeutschen Grufti- und Waverszene. Hier wurde nicht nur lieblos aneinandergereiht, sondern akribisch recherchiert und zusammengetragen. In vielen Dinge pulsiert die Leidenschaft der beiden Autoren für das Thema aus jedem Abschnitt dieses Buches. Besonders hervorzuheben sind die vielen tollen Bilder, die man zusammengetragen hat, die ich in so einer Ansammlung noch nicht gefunden habe. Optimal finde ich auch, dass das Buch nicht mit dem Fall der Mauer in seinen Erzählungen stoppt, sondern den Bogen auch in die „Post-DDR-Zeit“ spannt.
Our Darkness – Eine Gruppe von Gruftis posieren. Einige Beteiligte wollten auch nach 30 Jahren unkenntlich gemacht werden | (c) Malte Freymuth
Allerdings bietet das Buch für Leser, die ebenso leidenschaftlich lesen, wie die Autoren schreiben, keine neuen und bahnbrechenden Erkenntnisse, Geheimnisse oder Einblicke, denn dieser Teil der deutschen Geschichte ist nur einmal passiert und vielfach und aus verschiedenen Blickwinkeln nacherzählt worden. Auch geht für meinen Geschmack in der Fülle der Informationen, Fakten und Bilder die Tiefe verloren, die ich mir persönlich gewünscht hätte.
Aber das ist, wie könnte man es anders vermuten, jammern auf höchstem Niveau. Ich bin mir sicher, dass ich mir auch dieses Mal ein Exemplar des Buches ins Regal stellen werde.
Wer möchte, kann auch eine Lesung der Autoren besuchen: Am 17. Mai in Rüsselsheim, am 18. Mai in Leipzig, 21. Mai Potsdam, 25. Mai Berlin, 25. Juni Erfurt, 27. Juni Karlsruhe, 07. September Bremen und am 8. September in Lübeck. Alles Weitere dazu erfahrt ihr hier.
Seit 40 Jahren gibt es die Toten Hosen, die als Nachfolger von ZK Anfang 1982 im Ratinger Hof in Düsseldorf gegründet wurden. Zu ihrem runden Bandjubiläum hat der SWR eine ganz besondere Geschichte ausgegraben und aus dieser eine dreiteilige Dokumentation gemacht. Es geht um ein geheimes und zutiefst illegales Konzert, das man 1983 in Ostberlin organisierte, um das sich bis heute wilde Legenden ranken.
Zugegeben. Ich gehörte damals nicht zu den Fans der Toten Hosen, sondern war eingefleischter Ärzte-Anhänger. Irgendwie gab es da zwischen den einzelnen Lagern der Fans auch eine schwelende Feindschaft, von der eigentlich niemand wusste, woher sie stammte. Angeblich gab es da ein Konzert der Hosen im Ballhaus Tiergarten, bei dem auf die Band „Die Suurbiers“ auftraten, die wiederum die Ärzte auf die Gästeliste setzten. Daraufhin soll Campino ausgerastet sein und hat Backstage einen Schrank zerstört. Es soll sogar eine Schlägerei gegeben haben. Könnte aber auch ein Gerangel gewesen sein. Daraus zauberte man jedenfalls in der Presse eine „Feindschaft“ an der sich hauptsächlich die Fans orientierten.
Allerdings hatten die Hosen Rückblickend einen Stein mehr im Brett der Legenden, auch wenn ich die Ärzte immer noch besser finde. So heißt es in der ARD Mediathek:
Bald nach ihrer Gründung vor 40 Jahren führen Die Toten Hosen die Stasi an der Nase herum. Die wilde Kombo aus dem Westen wittert die Chance, gemeinsam mit den Ost-Punks jenseits der Mauer ein Statement gegen das System zu setzen. Und so spielen die Musiker Campino, Andi, Breiti, Kuddel und Trini ein heute legendäres Geheimkonzert in einer Kirche, mitten in der damaligen DDR.
Das haben die Ärzte nicht hinbekommen, auch wenn es geplant war. Die Dokumentation erzählt diese Geschichte, interviewt die Hosen und damalige Weggefährten und besucht auch damalige Schauplätze.
Wie die Veranstalter des Wave-Gotik-Treffen in einem Newsletter mitteilten, findet das WGT 2022 wie gewohnt auf dem AGRA-Gelände statt. Die Stadt Leipzig hat sich dazu entschlossen, das Gelände erst später für die Unterbringung der Flüchtenden aus der Ukraine zu nutzen. In der LVZ lässt sich Finanzbürgermeister Torsten Bonew zitieren: „Die in Leipzig zur Verfügung stehenden Kapazitäten an Unterbringungsmöglichkeiten machen diesen Schritt möglich.“ Man habe die Bedeutung des Treffens für die Stadt erkannt und sich auch so die rund 700.000 Euro Mehrkosten, die bei einer Verlegung auf die neue Messe Leipzig angefallen wären, gespart.
Neue Messe offenbar keine Alternative
Bereits kurz nach der Ankündigung des Veranstalters, das Wave-Gotik-Treffen nicht auf dem AGRA-Gelände ausrichten zu können, kam die Neue Messe Leipzig im Norden der Stadt ins Gespräch. Zwischen der Stadt Leipzig, dem Veranstalter des WGT und der Leipziger Messe fanden Gespräche statt, aus denen jedoch keine konkreten Pläne folgten. Für viele WGT-Fans, die sich in den sozialen Medien über die Pläne austauschten, wäre das moderne Messegelände keine Alternative gewesen. Viele fürchteten um den Charme der Veranstaltung.
In einem Statement und Rundschreiben der Veranstalter zeigte man sich nach den Verhandlungen erleichtert und freute sich, dass die Stadt Leipzig „ihrer Verantwortung in allen Belangen gerecht werden kann.“ Demnach wird der Aufbau von Zelten in Halle 1 abgebrochen, um den Platz für den üblichen Markt freizumachen, lediglich ein kleineres Nebengebäude fällt weg, das als Lager für Zelte und Betten dient, welche die Stadt bereits aufgebaut hatte. Der Stadt wäre eine Verlegung der Veranstaltung teuer zu stehen gekommen, Finanzbürgermeister Bonew spricht von rund 700.000 Euro Mehrkosten. Offenbar hat man sich deshalb entschlossen, die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen zu verschieben.
In den sozialen Netzwerke ist die Freude groß, dass alles „beim Alten“ bleibt und man nun endlich „verlässlich planen kann„, wie die Kommentare in der größten WGT-Gruppe mit über 32.000 Mitgliedern zeigen. Die größten Sorgen sind nun offensichtlich, wo man noch kurzfristig ein Hotelzimmer buchen kann, da viele Unterbringungsmöglichkeiten und günstige Pensionen bereits Kriegsflüchtlinge beherbergen. Nur zur Info: Ich werde an diesem WGT nicht teilnehmen.
Klar, ein Herz ist kein Knochen, der auf Röntgenbilder deutlich offenbart, wenn er gebrochen ist. Ein gebrochenes Herz ist wohl eher eine Metapher für eine einseitig beendete Beziehung zweier Menschen. Bevor jetzt die ganz Schlauen kommen, es auch nicht das Broken-Heart-Syndrom gemeint, bei dem das Herz im medizinischen Sinne bricht. Als brandneue Neuerscheinung nehme ich mit dem Herzthema Bezug auf Mika Sawyer und den Song „Wie es ist“, ein absolutes Erstlingswerk, das irgendwann als Nachricht aufpoppte und der von einem gebrochenen Herz handelt. Mika kenne ich schon seit mindestens 7 (!) Jahren von einem Spontis-Family-Treffen auf dem WGT. Ehrensache, dass das Video hier einen Platz findet, wir sind gespannt, wie es musikalisch weitergeht.
FEE Lion – Baby
Die US-amerikanische Künstlerin Fee Lion (Justina Kairyte) hat sich wieder eine neue Musikrichtung ausgedacht und beschreibt ihren Sound als „Meditative Art Music“ – Ich würde da – jedenfalls in ihrem aktuellen Video – in Richtung Witch-House tendieren. Aber mein Goth, wenn keiner in beschriftete Schubladen will, bitte schön. Das Magazin „Ladygunn“ beschreibt es so: „Hedonistische House-Beats, die unerbittlich pumpen, bis das Tageslicht auf die Masse der Nachtschwärmer zu tröpfeln beginnt.“ Und ja, spätestens in der Mitte des Tracks möchte ich mich auch von hedonistischen Beats auf der nebelgeschwängerten Tanzfläche volltröpfeln lassen. Richtig gut.
Boy Harsher – Autonomy
Die, von denen man eigentlich erwarten sollte, dass irgendwas pumpt und tröpfelt, haben sich in eine für mich neue musikalische Richtung entwickelt. Seicht und poppig-plätschernd windet sich der Song „Autonomy“ von Boy Harsher in die Gehörgänge, verströmt den Sound der 80er ohne aber altbacken und fade zu klingen. Dazu noch so ein Video im Hill-Billy-Style mit schwoofenden Damen in 3er-Cheografie und schon wird daraus wieder so ein Ding, wo man nicht weggucken kann. Ich mag die abwechslungsreiche Bandbreite der Musiker aus der ältesten Stadt des US-amerikanischen Bundesstaats Georgia, Savannah. Mir fällt gerade auf, dass ich mal zurück nach Europa kommen sollte.
Kite – Panic Music
Die beiden Schweden Nicklas Stenemo und Christian Berg von Kite wurden mal irgendwo „Schwedens Pop-Geheimnis“ genannt, ohne einzuordnen, ob das nun gut oder schlecht gemeint ist. Unterwegs sind sie schon seit über 10 Jahren, allerdings sind sie mir persönlich erst jetzt zu Ohren gekommen. Das mag an ihrer eigenwilligen Marketing-Strategie liegen, die sie mal in diesem Interview äußerten: „Zwinge den Menschen deine Musik nicht Social-Media, Radiohits oder zu vielen Interviews auf. Es ist besser, die Musik durch Mundpropaganda verbreiten zu lassen.“
Betonprosa – Wie es ist
Eben noch auf der Wiese hinter der Moritzbastei, jetzt auf einer brennenden Bühne! Gut, dieser Schnitt mag für uneingeweihte Gruftis sehr scharf klingen, ist aber Mika Sawyer und dem Projekt „Betonprosa“ geschuldet. Eine Selbstverständlichkeit, dass ich Mika hier einen Platz freimachen muss. Mein Herz wurde allerdings nicht gebrochen und so bleibt es der Phantasie überlassen, auf wen sich die folgenden Zeilen beziehen: „Ich hab mich jahrelang gefragt; Wie es wohl ist, wenn dein Herz bricht; Aber jetzt wo es soweit ist; Bedeutet es mir nichts“ – Vielleicht müssen wir aber auch einen Schritt zurücktreten und das Gesamtwerk betrachten. Auf die Frage hin, wen oder was Mika im Song thematisiert, erhielt ich folgende Antwort: „Ich glaube für den Song ist es wichtiger, dass wir selbst die Deutungshoheit behalten über unser Erleben, Denken und Fühlen – und das ist in dem Falle dann eben wahrscheinlich am ehesten Wut.“ Und ja, Wut kann ein durchaus produktives Gefühl sein. Spontis ist gespannt, ob wir bald mehr zu berichten haben.
Der brutale und unmenschliche Krieg von Putins Regime gegen die Ukraine sorgt täglich für schockierende Nachrichten. Während der Präsident die Ukraine in unermessliches Leid stürzt, regiert er sein eigenes Volk mit eiserner Faust und allgegenwärtiger Propaganda. Staatsmedien und Behörden diktieren, was verbreitet, gesendet oder ausgestrahlt werden darf. Die Menschen in Russland werden gespalten, selbst Väter glauben ihren Kindern nicht, dass in der Ukraine Krieg herrscht. Für die pauschalisierende Sichtweise vieler Menschen außerhalb des Landes sind sämtliche Russen die Bösen. Dabei sind oppositionelle Stimmen nur ausgeschaltet oder weggesperrt, kritische russische KünstlerInnen und AktivistInnen geflohen oder versteckt.
ARTE hat jetzt ein „Tracks Spezial“ herausgebracht, das russischen Kulturschaffenden ein Forum des Widerstands, des Protestes und der Solidarität gibt. Es ist online bei ARTE zu sehen und wird darüber hinaus auch in russischer Sprache bei ARTE und den YouTube-Kanälen der Deutschen Welle und „Tracks“ gezeigt.
Tränen in Russland
Die 36-jährige russische Influencerin Olga Buzowa weint bitterlich vor laufender Kamera, das sonst so makellose Äußere scheint aus der Form geraten zu sein. Mit zittriger Stimme verkündet sie ihren rund 23,3 Millionen Followern: „Mein Leben wurde mir genommen„. Rund 700.000 mal wird dieses Video abgerufen, bevor es endgültig verschwindet. Nachdem Twitter und Facebook bereits seit einiger Zeit gesperrt sind, wurde zuletzt auch Instagram in Russland abgeschaltet, ein russisches Gericht hat die sozialen Dienste von Meta sogar jüngst als extremistisch eingestuft. „Die Aktivitäten der Meta-Organisation sind gegen Russland und dessen Streitkräfte gerichtet.“
Viele dieser Nachrichten prägen den Eindruck, als würde man den Russland den Krieg gegen die Ukraine nicht bemerken oder diesen völlig realitätsfremd wahrnehmen, allerdings schenkt man dieser Tage den vielen kritischen Russen – die es vor allem unter den Kunstschaffenden gibt – wenig Aufmerksamkeit. Wie auch, wenn sämtliche modernen Wege, Protest, Widerstand und Kritik abgeschaltet sind?
Der erfolgreiche russische Rapper „Morgensthern„, der bisher eher als typischer Poser-Rapper mit Blödel-Attitüde geglänzt hat, lebt zurzeit in Dubai und hat mit „12“ ein sehr kritisches Video zur Situation in Russland und der Ukraine veröffentlicht und bereits über 12 Millionen Views damit erreicht, wie ARTE Tracks berichtet.
Am Ende des Videos ist eine Voicemail der Mutter seines ukrainischen Produzenten Palagin zu hören. „Mein Sohn, heute Morgen wurde unser Dach fast weggefegt. Zuerst wollten wir fliehen, sind dann aber doch nach Hause zurückgegangen. Wir haben jetzt den Keller zum Bunker umfunktioniert und wohnen da, mach dir keine Sorgen mein Junge.“
Auch IC3PEAK haben sich vor der Veröffentlichung ihres aktuellen Songs „Dead but Pretty“ dazu entschlossen, ihr Land zu verlassen. Nicht zuletzt, weil sie schon seit Jahren auf der „schwarzen Liste“ stehen und sie – wie Spontis jüngst berichtete – viele Kremlkritische Songs herausbringen. Doch sie sind nicht die einzigen KünstlerInnen mit dem Anspruch, zumindest kulturellen Widerstand zu leisten.
Tracks Spezial – Ein Blick hinter die russische Kulisse der Leugnung
Viele russische Künstler leben im Exil, „Tracks Spezial“ gibt Bands wie IC3PEAK, Face, Oxxxymiron oder auch Pussy Riot oder auch Social-Media-Stars wie Nikita Sass eine Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Mehrheitlich musste sie dafür ihr Land verlassen, wenn sie die Möglichkeit dazu hatten.
Sie zeigen ein anderes Bild der russischen Bevölkerung. Anastasia Kreslina, Sängerin von IC3PEAK räumt jedoch auch ein, „Resignation“ zu empfinden, weil die meisten Menschen in Russland sich mit dem zufriedengeben, was das Fernsehen sendet und überhaupt nicht daran interessiert seien, sich alternativ zu informieren.
Unter dem aktuellen Präsidenten Putin wird kein freies Russland mehr Realität werden. Rosige Zeiten sind nicht in Aussicht, eher ein düsteres Klima der Unmenschlichkeit. Ich wünsche mir sehr, dass mehr KünstlerInnen aus Russland ihre Stimme dazu nutzen, Brücken zwischen ihren Anhängern und der Realität zu bauen.
Es ist eine Last. Jetzt ist der Werwolf schon einmal so gut im Flow und hat bereits sämtliche Schubladen aufgeräumt. Jetzt sitzt er in seiner Menschengestalt vor den zwei zu entsorgenden Schränken, die Alana Abendroth ihm im aktuellen Orakel aufgebrummt. Der nächste Vollmond ist am 16. April und ohne seine übermenschlich-mythische Erscheinung sieht er sich nicht in der Lage, die Schränke auch nur zu bewegen. Er wünschte, die Autorin des Orakels würde sich mal in seine Situation einfühlen und solche Eingebungen KURZ vor dem Vollmond verfassen! Immerhin kann er dann auch schon fast der Grableuchte helfen, denn die fühlt sich aufgrund fehlender Arme nicht in der Lage, die riesigen Kerzenstummel aus ihrer Wohnung zu entfernen.
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