Hier schreibt nicht Robert sondern ich (stoffel) ein Teil der unfreiwillig daheim gebliebenen. Es ehrt mich sehr das Robert zum einen das Vertrauen besitzt ich könnte auf seinen Blog aufpassen und zum anderen das er mich gebeten hat über „Das Leben der Anderen“, in diesem Fall über mich selbst hier zu schreiben. Ich hoffe nur hier die richtigen Kategorien und Tags verwendet zu haben, nicht das der Meister nach dem Wochenende meckert.
Wer Robert kennt, der ahnt wahrscheinlich schon was da kommt. Eine Batterie an Fragen hat er mir geschickt, jawoll! Und Selbige versuche ich nun nach besten Wissen und Gewissen zu beantworten … jedoch zuerst: Ich wünsche allen die sich auf dem WGT tummeln bannig viel Spass und Sonne.
Wie und wann bist du in die Szene geraten und warum hast du gefallen daran gefunden dich nun schwarz zu kleiden? Ist das schwarze für dich eine Ausdrucksform deiner Einstellung zum Leben, findest du schwarz besonders edel oder ist das deine Form von persönlicher Individualität.
„Schwarze Kleidung habe ich früher bereits gerne und oft getragen. Ich finde Schwarz ist eine schöne, edle und flexible Farbe und war schon sehr früh Teil meines Lebens. Als Inselei kannte ich als Kind/Teenie keine Grufties … das ist irgendwie an mir vorbeigegangen. Zum ersten Mal intensiver mit der Szene in Berührung kam ich in Mülheim an der Ruhr. Der Schulfreund meines Ex schleppte mich ins Scarface in Dortmund und lieh mir die CD „Dark Star“ von Deine Lakaien. Die Stücke faszinierten mich und die Stimme von Alexander Veljanov fesselt mich bis heute. Bei „Love Me To The End“ bekomme ich noch immer eine Gänsehaut. Gefühlt war ich sicher schon länger ein Anhänger der schwarzen Lebensart, ausleben seit ca. 2004.“
Wie ist deine „Karriere“ in der Szene verlaufen, hast du über die anfängliche Begeisterung hinaus versucht ein schwarzes Lebensgefühl für dich zu entwickeln, oder geht Dir das zu weit? Wie würdest du deine Definition der Szene am ehesten beschreiben?
„Ich war noch nie ein Karrieretyp *lach*. Die Szene ist für mich vor allem vielfältig, kreativ sowie positiv und gerade diese Punkte sind Teil meines Lebens. Das gepaart mit dem Ausdruck durch die Kleidung ist es mein persönliches, schwarzes Lebensgefühl. “
Durch die Kleidung und deinen Stil grenzt du dich ja bewusst von dem Rest der Gesellschaft aus, gerade in eurer ländlichen Gemeinde wird die Anzahl derer, die genauso aussehen wie du verschwindend gering sein. Wie hat dein Umfeld deinen Wandel wahrgenommen und wie geht man heute damit um?
„Oh ja es wird wahrgenommen und hin und wieder auch kommentiert. Bevor ich nach Meldorf zog waren die Kommentare öfters negativ. Ich würde sagen hier hat man sich inzwischen an meine Art gewöhnt. Wobei ich noch hinzufügen möchte das ich im Alltag auch Alltagsklamotten trage, d.h. ich koche, putze oder was auch immer nicht im Reifrock und Korsage sondern ganz pragmatisch in Jeans und Shirt. Ich bin eben ‚Jenni’s schwarze Mama‘.“
Eure gemeinsame Tochter taucht ja bald noch tiefer in die Pubertät ein, was würdest du sagen wenn sie genauso aussehen möchte wie du? Gehst du deiner Meinung nach offener mit Szenen um weil du Dich selbst in einer befindest?
„Ich bin ein toleranter Mensch und egal was Jenni meint anziehen zu wollen wird akzeptiert. Ausnahme: wenn die Kleidung nicht der Jahreszeit entspricht. Die Lütte muss natürlich mit entsprechenden Kommentaren rechnen, wenn sie etwas anzieht was meinem Geschmack nicht entspricht (z.B. braune Hose mit türkisfarbenen Shirt plus lila Turnschuhe, da stellen sich meine Nackenhaare hoch). Die Lütte kennt meine Kommentare seitdem sie sich selbstständig anziehen kann und kontert entsprechend. Finde ich genial :)
Ich lasse mich überraschen wohin sie sich entwickelt … aus eigener Pubertätserfahrung weiß ich, dass sich ihre Einstellungen, etc. in den kommenden Jahren noch öfters ändern werden.
Grundsätzlich stehe ich allem und jedem offen gegenüber. Das ändert sich erst wenn mir jemand etwas aufzwingen will. Das mag ich überhaupt nicht und da hört auch meine Toleranz auf.“
Hast du Stefan schon vor oder erst nach deinem Hang zu Szene kennengelernt? Ist eine Szeneübergreifende oder auch Szenefremde Partnerschaft überhaupt möglich? Was wären deiner Meinung nach typische Szenekonflikte innerhalb einer Partnerschaft?
„Als ich Stefan 2004 „offline“ kennen lernte gehörte er nicht der Szene an und meinereiner war noch nicht so intensiv dabei wie heute.
Ich behaupte das es möglich ist eine szeneübergreifende/-fremde Partnerschaft zu führen. Im Grunde ist es doch völlig egal zu welcher Szene der Partner gehört … denn wenn der Partner nicht in der Lage ist die Einstellungen des Anderen zu respektieren kann meiner Ansicht nach auch aus der Partnerschaft nix werden.
Neben den stinknormalen Konflikten einer Partnerschaft würde ich den jeweiligen Musikgeschmack als mögliches Konfliktpotential ansehen … wobei die Lösung hierzu sehr einfach ist: Kommunikation und Kopfhörer sind die Schlüssel zum Glück.“
Du arbeitest beruflich von zu Hause. Was machst du beruflich und wie würdest du deine Tätigkeit beschreiben? Würdest du dich für die Arbeit verkleiden oder würdest du dich eher jetzt als verkleidet betrachten? Hast du bereits ein berufliches Feedback wegen deines Aussehens, deiner Einstellung oder Musik erhalten?
„Booz & Company ist ein Beratungsunternehmen für das ich seit 1997 arbeite. Seit 2004 bin ich für die Webentwicklung innerhalb der Firma zuständig.
In einem Beratungsunternehmen herrscht ähnlich wie z.B. im Bankgewerbe eine entsprechende Kleiderordnung, das bedeutet wenn ich nach Düsseldorf fahre sollte ich mich schon entsprechend kleiden. Natürlich verkleide ich mich, Freizeitklamotten wären nicht angebracht. Ich kann sehr gut damit leben … denn auch meine „Business Kleidung“ ist Schwarz.
Einzig wegen meines Tattoos (Jack Skellington auf dem linken Unterarm) wurde ich bis dato angesprochen, mit der Bitte es im Büro zu verdecken. Halte ich für Blödsinn und ich halte mich nicht wirklich dran. Ich sehe und zeige mein Tattoo nunmal gerne … im Juni kommt übrigens ein neues Tattoo auf dem rechten Arm hinzu .“
Was bedeutet dir Gothic? Meinst du, es ist nur ein Lebensabschnitt aus dem du „herauswächst“ oder ist es etwas, was du für den Rest deines Lebens vorstellen kannst.
„Wie weiter oben bereits geschrieben sind es für mich die Einstellungen der Szene mit denen ich mich identifizieren kann und ich denke das ich für den Rest meines Lebens Anhänger der schwarzen Lebensart bleiben werde … ich fühle mich in der Szene wohl und warum sollte ich etwas ändern worin ich mich wohlfühle?“
Glaubst du an Gott? Wie ist deine Beziehung zu Religion? Viele „schwarze“ leben ja in eine Religionscollage und mischen unterschiedliche neue und alte Religion (Heidentum, Naturreligion, christliche Religion) zu einer neuen, eigenen. Beschäftigst du Dich mit Religion und glaubst du mit dem Wissen steigen die Zweifel? Was kommt nach dem Tod?
„Früher habe ich an Gott & Co. geglaubt. Als meine Mutter 1988 starb glaubte ich an garnix mehr. Das ist bis heute so geblieben. Der Bezug zu Religionen fehlt mir seitdem völlig.
Was nach dem Tod kommt? Ich lasse mich gerne überrachen … wenn ich es mir aussuchen könnte, dann gerne als Katze in einem Haushalt wie bei uns … bis zu 14 Stunden am Tag schlafen, ein Dach über dem Kopf und Futter satt … ein Traum *lach*.“
Der Tod ist ja zumindestens früher ein integraler Bestandteil der Szene gewesen. Toteköpfe, Knochen, die Beschäftigung mit Friedhöfen, Todesritualen und dem eigenen Dasein waren beliebte Themen und Accessoires. Hast du seit deiner Zugehörigkeit ein anderes Gefühl für den Tod und die eigene Sterblichkeit? Sind Totenköpfe und Knochen auch für dich mögliche Kultgegenstände? Magst du Friedhöfe?
„Hmmm, da meine Eltern bereits seit mehreren Jahren verstorben sind, habe ich einen anderen Bezug zum Tod. Geliebte Menschen zu verlieren tut verdammt weh und darin sehe ich nichts Schönes, Mystisches, Kultiges oder was auch immer. Meine Sicht auf die eigene Sterblichkeit ist sehr pragmatisch … Testament, Generalvollmacht, Patientenverfügung … ich bin gerne vorbereitet.
Ja ich mag Friedhöfe, wenn es nicht der Friedhof ist wo meine Eltern begraben liegen. Friedhöfe sind Orte an denen ich u.a. absolute Ruhe finden kann … zum nachdenken. Friedhöfe sind aber auch Orte die Geschichten erzählen die man sich selbst im Kopf zusammen spinnt … denn die wirklichen Geschichten kenn man ja nicht.“
Kommen wir zu Musik. Nenne deine persönlichen 5 Hymnen der schwarzen Szene. Hat ein Song eine spezielle Bedeutung für Dich?
„Nur 5? *lach* … da wären folgende Stücke die ich gerne höre und als Hymnen bezeichnen würde: Werben (ASP), Freiheit (Unheilig), Love Me To The End (Deine Lakaien), A Forest (The Cure) und Nemesis (VNV Nation). „Werben“ von ASP hat eine ganz persönliche Bedeutung für mich. Auch wenn ich die Bezeichnung “unser Lied” nicht mag, so trifft es auf Stefan und mich wie die Faust auf’s Auge. „Aus der Tiefe“ kam am 03.07.2005 in den Handel … zu diesem Zeitpunkt war ich bereits total verknallt … nur Stefan brauchte ein kleines bischen länger. 2 Tage später war es dann fest und noch ein paar Tage später bekam Stefan Post und wurde mit ASP “infiziert”.“
Wenn du die Szene als solche betrachtest, das was sie für dich bedeutet, wie wird sie sich deiner Meinung nach Entwickeln? Welche guten Rat würdest du der Szene geben?
„Das Leben selbst ist im ständigen Wandel, was natürlich auch auf die Szene zutrifft. Ich weiß es beim besten Willen nicht wohin die Entwicklung gehen wird. Gute Ratschläge sind immer schnell vergeben. Ich würde mir von den Menschen allgemein und nicht nur der Szene selbst mehr Toleranz, Mut und Humor wünschen.“
Danke Euch für’s lesen (wenn es wer bis hier unten geschafft hat) und an Robert für Deine interessanten und nicht ganz einfachen Fragen … in diesem Sinne habt einen wundervollen Tag und geniesst das Leben … das ist nämlich Einzigartig wie jeder Selbst.
Steffi: vielen Dank für das „überhaupt hier schreiben“. Zu einem Kommentar bin ich zur Zeit viel zu müde, aber vielleicht kommt das noch ;)
Hallo Stoffel, sehr interessant, dich auf diese Art ein wenig kennen zu lernen ^^
Besonders deine Gedanken zum Thema Tod fand ich aus aktuellem Anlass interessant.
Ich habe in den letzten Wochen viel darüber nachgedacht, inwiefern meine Einstellung zum Thema Tod irgendwie mit meiner Szenezugehörigkeit zusammenhängt, und ich denke, dass beide Aspekte für mich zwar vielleicht nicht unbedingt in unmittelbarem Zusammenhang stehen, aber doch auf den gleichen Grundgedanken zurückzuführen sind. Ich habe mich schon immer für Spiritualität, Religion und die Frage nach dem Tod interessiert – zu sehen, wie die unterschiedlichen Glaubensrichtungen das Thema angehen.
Und Gothic als Lebensstil auszuleben und es nicht nur auf Musik und Kleidung zu reduzieren heißt für mich eben vor allem auch, sich nicht nur mit den schönen, fröhlichen Aspekten des Lebens auseinander zu setzen, sondern eben auch mit den Schattenseiten wie der eigenen Sterblichkeit und der der Menschen, die man liebt.
Meine Szenezugehörigkeit hat mich also vielleicht ein Stück weit motiviert, mich noch tiefer in die Meterie zu begeben und ein Konzept (bzw. einen Glauben) zu entwickeln, der mir ein wenig Trost spendet.
Am letzten Sonntag starb meine Mutter nach 11-tägigem Koma an Leukämie. Sie war nur 58 Jahre alt.
Natürlich tut es weh und macht mich sehr traurig, aber ich glaube, ich kann mit dem Thema jetzt besser und hoffnungsvoller umgehen und alles besser verkraften als ich es vielleicht vor meinem bewussten Hinwenden zum Gothic gekonnt hätte.
Umgekehrt hat diese Erfahrung jedenfalls bis jetzt noch keine Auswirkung insofern gehabt, als dass ich jetzt morbide Themen und Bilder ablehnen würde. Das mag aber auch daran liegen, dass meine Mutter meinen alternativen Lebensstil immer vollauf akzeptiert und teils sogar ausdrücklich begrüßt hat.
Danke Euch Beiden :)
@ von Karnstein … ein harter Schlag und ich wünsche Dir Kraft die Zeit danach zu überstehen. Wie ich Deinem Kommentar entnehmen konnte bin ich zuversichtlich das Du diese Kraft hast und Trost findest. Diese Kraft bzw. die Möglichkeit Trost zu finden hätte ich nach dem Tod meiner Eltern auch gerne gehabt. Es ist schwer gerade dieses für mich sensible Thema in „lesbaren“ Häppchen für andere Leser verständlich niederzuschreiben … vielleicht braucht man hierfür wirklich das reale Leben um alles zu verstehen.
Klasse Beitrag, ich bin – neben einer gewissen Spur Überraschung – schwer beeindruckt von Deiner Ausarbeitung und bedanke mich hier an dieser Stelle schon mal für Deine Antworten. Ich denke, das ich die nicht weiter kommentieren möchte, denn sie stehen für sich selber und zeigen Dich als Teil der schwarzen Gemeinde. Ich werde mir lediglich erlauben deine musikalischen Top in ansprechenden Links zu verarbeiten. Habt nocheinmal dank für eure Bereitschaft ein wenig nach dem rechten zu sehen, ich werde mich zeitnah und in angemessener Form revanchieren.
Lieber Karnstein, Dir gilt mein ganz besonderes Mitgefühl. Lasse Dir nicht einreden wie du mit dem Tod deiner Mutter umzugehen hast, es gibt dabei nur DEINEN Weg. Kurioserweise teilen wir das gleich Schicksal, meine Mutter starb an 1997 im Alter von 58 Jahren an den Folgen des Brustkrebs. Ich glaube deshalb in Ansätzen nachvollziehen zu können, wie Du dich fühlst.
Steffi: Auch ich besuche das Grab meiner Mutter nicht, weil ich keinen Ort brauche um ihrer zu gedenken. Meine Mutter ist immer noch ein Teil meines Lebens, sei es ihr genetisches Erbe oder der Geist, der mich immer wieder beeinflusst. Glücklicherweise lebt mein Vater noch, so dass wir uns gemeinsam daran erinnern und Einzelsituativ entscheiden, wie sie über etwas gedacht hätte.
Steffi: Ich wollte es ja noch kommentieren, aber ich lasse es, da Du ein Kind hast…
Gern geschehen Robert … und ich konnte Dich überraschen? Echt? Womit denn? *neugierigbin*
Meine Mutter verstarb ebenfalls an Krebs, sie wurde 43 Jahre alt. Ich brauche ebenfalls keinen Ort zum Gedenken an sie und meinen Vater, jedoch wurde nach dem Tod meiner Mutter entschieden das sie ein Grab auf dem Friedhof erhält. Ich wollte das damals nicht, aber das wurde überhört sozusagen. Bei meinem Vater habe ich mich für ein anonymes Urnengrab entschieden … leider war eine Seebestattung aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich. Beide leben in meinen Erinnerungen weiter und das tut gut, wenn auch manchmal weh.
@Vizioon … warum? Verstehe leider nicht was das mit meiner Lütten zu tun hat.
Steffi: macht nichts. Letztendlich war das auch eine dumme Bemerkung.
Hallo :),
ich mach zur Zeit eine Arbeit über Mode, Subkultur und Internet and der Uni Passau. Da ich gern über Gothic schreiben würde wär es super, wenn jemand mit mir ein kleines Interview machen würde. Gern auch der Betreiber dieses Blog.
In der Hoffnung auf Antwort…….
blueangelinwow@yahoo.de
Steffi: Die Überraschung liegt im unerwarteten. Also darin, das du nicht dem entsprichst was ich erwartet hätte, frei von jeglicher Wertung. Es gehört schon ein gewisse Portion Mut dazu sich in eine Szene zu wagen, deren Inhalt die Abgrenzung ist. Gerade bei Frauen, die einen starken Drang zur Gemeinschaft haben, ist ein später Szeneeinstieg oft die Folge von Enttäuschungen. Das scheint bei Dir nicht der Fall gewesen zu sein, daher finde ich diesen Schritt der eigenen Verwirklichung besonders mutig, vor allem vor dem Hintergrund das mehr dahinter steckt als nur die Lust sich „anders“ zu kleiden. Aber das können wir nochmal in einem persönlichen Gespräch erörtern :)
@Angelika: Deine Hoffnung blieb nicht unerfüllt.