Resümee September: Eure Welt im Schatten des Netzes

Der Gothic Friday drehte sich im September um eure schwarze, digitale Welt in Schatten des Internets. Dazu wurden diverse Leitfragen gestellt, deren erste sich auf eure Verbindung eures Schwarzen Daseins zum Netz bezog.

Internet und Schwarze Szene?

Die Mehrheit der Beitragenden empfinden das Netz für ihr schwarzes Dasein als Bereicherung – zum Beispiel zum Kennenlernen von Menschen auf der selben Wellenlänge. O-Ton Cookie: „Über das Internet, ob über Twitter oder Blogs oder sonstwas, ist es einfacher Menschen zu finden, die ähnlich ticken, weil man viel schneller viel mehr über sie erfährt und dann auch direkt Gemeinsamkeiten entdeckt.Robert sieht das Netz in diesem Sinne als Bindeglied, welches in den 2000ern die Szene am Leben hielt: „hier fand man auch als einsamer Grufti in der tiefsten dörflichen Provinz Anschluss.“ Das Netz wird auch unter Schwarzen für den generellen Austausch und die Kontaktpflege genutzt (Ronny), wie beispielsweise hier beim Gothic Friday 2016 (Fledermama). 

Aber auch der Einstieg kann durch das vorhandensein digitaler Infrastruktur erleichtert werden. So machte das Netz Victormit seinen Foren, Communities und der Anonymität viel einfacher, sich zu informieren, mit Anderen ins Gespräch zu kommen, Veranstaltungen, neue Musik und Inspirationen zu finden. Besonders Seiten wie „Radio Dunkle Welle“, „Schwarzes Glück“ und diverse Blogs und Foren haben mir bei meiner Schwarzwerdung starke Impulse gegeben.“ Auch Prinzessinwäre nicht so schwarz, wie sie es jetzt ist„. In Punkto Leidenschaften und Interessen bietet das Netz auch hier zahlreiche Möglichkeiten. GM nutzt es beispielsweise für die Entdeckung neuer Literatur (bspw. über Gutenberg) und Lyrik, doch auch für die Inspiration zum Nähen (bspw. auf NatronUndSoda), Cookie ebenfalls „für Tipps und Tricks zu DIY-Sachen und Infos zu erster Halloween-Deko in den Regalen.Svartur Nott hilft es bei seiner Suche nach Lost Places, es stillt u.a. zudem seinen Wissensdurst hinsichtlich Geschichte & Politik, aber auch gesellschaftlichen und subkulturellen Hintergründen.

Und dann gibt es ja noch den großen gemeinsamen Nenner Musik: Viele Beitragsschreiber haben, teils auch bereits im März, das Internet als wesentliche Quelle für neue Musik genannt: Ob nun über Bandcamp, Videoplattformen wie Youtube, Internetradios, Streaming-Mixclouds wie Dazed And Confused, Blogs (z.B. Systems of romance, Tapeattack, Plunderthetombs, Gutroy, GothIndustrialEBMSynth), Magazine (bspw. Unter.Ton, Gothic Rock, Post-Punk, Klangwelt), Labelseiten wie GothicMusicRecords, Strobelight, ZorchFactory oder für Freunde Elektronischer Musik Elektro Agression Records – es werden alle Möglichkeiten des Netzes dazu genutzt.

Und nicht nur zum Konsum, auch in der Produktion und Verbreitung der Musik schafft das Netz für die Schwarze Szene Möglichkeiten: „So basieren viele Partys oder Veranstaltungen auf der Reichweite des Mediums, unzählige Gothic-Bands nutzen die Möglichkeit sich und ihre Musik zu promoten (…) und mittlerweile werden sogar Geschäftsideen per Crowdfundig finanziert (Robert)“.

Doch es gibt auch kritische Stimmen. So sieht Guldhan fast keinen Bezug zwischen dem Netz und der Schwarzen Szene, nur dass auf manchen Websites „(…) öfter als im normalen Durchschnitt die Worte: »Schwarz« bzw. »Black« oder »Dead« auftauchen (…)Sabrina merkt an, dass durch das Netz „jeder Zugang hat, jeder mitmischen kann und leider kommen dadurch eben auch viele Leute in die Szene, die sich verkleiden und schwarzen Karneval feiern.“ Zudem „(…) findet jemand, der eine subkulturelle Heimat sucht, schnell die Schwarze Szene, auch wenn es nicht 100prozentig passt. Früher wuchs man in eine kleine, überschaubare Szene und musste einigen kritischen Blicken standhalten, bevor man „mitspielen“ durfte.“ Ein weiterer Punkt, den sie anspricht betrifft teils aufgebauschte „Trends“, wie „Health-Goth“ & „Pastell-Goth“ oder Cyber & Steampunker, sowie zahlreiche optische Verwirrungen und Verirrungen der Fetish-Szene, welche es ohne Netz wahrscheinlich heute auf Szene-Veranstaltungen nicht geben würde.

Nicht in direktem Bezug auf die Schwarze Szene, aber dennoch thematisch zuweilen damit verbunden sind psychische Störungen und Erkrankungen. In Schwarzen Foren und auch auf Kanälen, welche insbesondere Jugendliche ansprechen, werden diese thematisiert. Problematisch sind dabei Internetnutzer, welche die Störungen und Erkrankungen verharmlosen oder sie sogar gutheißen. „Was sich in Instagram an Pro-Anas (Magersucht), Pro-Mias (Bulimie/Ess-Brechsucht) oder Pro-Svvlern (Selbstverletzendes Verhalten) rumtreibt ist wirklich beängstigend (Prinzessin).“ 

Social Media, Diskussionskultur & Selbstdarstellung

Das Themenfeld der Social Media wurde in der zweiten Frage explizit angesprochen und gefragt, ob ihr diese nutzt und wenn nicht, warum nicht. So gut wie alle Teilnehmer nutzen Facebook („Da sind die Leute, die man kennt, aber nicht mag…) und/oder Whatsapp, Twitter (…hier die, die man mag, aber nicht kennt“ Fledermama), sowie Instagram zum Kontaktaufnehmen und -Halten, zur Information und Organisation. Nur wenige, wie Svartur Nott verweigern sich dem und verweisen auf alternative Wege der Kommunikation.

Ein weiterer Punkt hinsichtlich der Social Media betraf als dritter Stichpunkt die Diskussionskultur. Positiv angemerkt wird generell von der Fledermama, dass „man im Internet ganz wunderbar fruchtbare Diskussionen führen (kann). Denn, was in einer Debatte von Angesicht zu Angesicht nicht möglich ist, man kann seinen Standpunkt auch mit Belegen, Studien, Statistiken etc untermauern. Links zu weiterführenden Informationen setzen, einen ordentliche Argumentationsstruktur ganz nach Lehrbuch aufbauen und so tatsächlich überzeugen.“ Guldhan merkt hierbei noch die Beständigkeit der Information an: Foren oder Blogs archivieren die Gedankenfindung „(…) und können sie damit im wertvolleren Umfang nutzbarer machen, als der Debattiertisch.

Wird generell eine Verflachung der Diskussionskultur beklagt, sehen es Sabrina und weitere Beitragende schlicht so, dass es „die flache Diskussionskultur schon immer gab. Sie ist vielleicht einfach deutlicher zu sehen im Internet.“ In Punkto Schwarze Szene gibt Ronny ein Beispiel mit der WGT-Facebook-Gruppe, bei welcher „sich einige eben hinter ihrer Anonymität verstecken und da mächtig herablassend schreiben.“ Victor merkt in Bezug auf die Diskussion zum letzten Amphi-Video an, dass er selbst auf Spontis schon beobachtet habe, „(…) wie in Kommentaren Arroganz und Elitendenken hemmungslos ausgelebt werden„. Prinzessin dagegen empfindet die Diskussionskultur teilweise FB, zumindest aber auf Spontis alles andere als abgeflacht.“ Und stellt auch gleich klar, warum dies so ist: „Das hängt dann wieder davon ab, mit dem man sich umgibt.

Und dann gab es ja noch das Stichwort Selbstdarstellung. Diese ist nicht nur Sabrinas Ansicht nach einer der Eckpfeiler der Schwarzen Subkultur. So schreibt Cookie:von vielen Outfits und Looks kann ich gar nicht genug bekommen.“ Doch dass dies auch karnevaleske Züge annehmen kann, zeigt die Fledermama mit Verweis auf die MeraLuna-Gruppe und den dortigen „Kostümen“. Und das wenn wir schon beim Thema Bekleidung sind: Victor wies in Verbindung mit dem Model-Trend auf die einseitige und primitive Darstellungsart von vermeintlichen Szenezugehörigen auf Veranstaltungswerbungen oder Online-Shops hin, welche das Bild von der tatsächlichen Szene verzerren und gegenüber Außenstehenden einen falschen Eindruck erwecken. Einen weiteren problematischen Aspekt der Selbstdarstellung zeigt Robert auf. Er sieht die Labilen unter den Selbstdarstellern, die „(…) sich auf der Suche nach Anerkennung des Internets bedienen und den Blick für die 50 lobenden Kommentare verloren haben, sondern sich an den chronisch Frustrierten reiben, denen das Bild nicht gefällt. Die daran kaputt gehen und nicht damit leben können, wenn andere sie scheiße finden, die sich zu Herzen nehmen was Facebook-Bekanntschaften über sie denken und dann zu Hause alleine gegen das Gefühl der Minderwertigkeit kämpfen.“

Belfry NetworkEure schwarzen Anlaufstellen im Netz

Zum Schluss konntet ihr uns noch eure (schwarzen) Betätigungsfelder im Netz bzw. weitere schwarze Links zeigen. So sammelten sich neben eigenen Internetauftritten der Teilnehmer einige Links an. Das Spektrum reichte von Schwarzen Blogs (The Belfry Network) und Podcasts (Cemetery Confessions) über Kanäle von Künstlern (Ben Bloodygrave, Engel mit nur einem Flügel) und einzelner Partizipienten der Schwarzen Szene (Amazing Graves, ask a Mortician, Black Friday, Just Keep Brains, Mina Miau, The Goblin QueenThe Gothic Alice, Toxic Tears) bishin zu einem Schwarzen Familienblog (Die Schwarze Familie), einem Blog, welcher sich mit der Lebensweise des 18. Jhrs. beschäftigt (Jas Townsend), und letztlich zum Blog eines Travestiekünstlers (Jurassica Parka).

Und das Ende vom Lied? Es gibt keines. Es lässt sich auch trotz der relativ geringen Teilnehmerzahl feststellen, dass das Netz fester Bestandteil der Schwarzen Szene und ihrer Teilhaber ist. Es hat in Bezug auf die Schwarze Szene einige negative, doch auch zahlreiche positive Auswirkungen und wird unabhängig davon mannigfaltig genutzt, um eigene Interessen auszuleben. Man darf gespannt sein, was in Zukunft nach der Etablierung des Internets kommen wird…

 

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Flederflausch
Flederflausch(@flederflausch)
Vor 7 Jahre

Danke für diese schöne Zusammenfassung :)

Svartur Nott
Svartur Nott (@guest_52885)
Vor 7 Jahre

Vielen Dank, Flederflausch. Ich werde aber irgendwie das Gefühl nicht los, dass nicht doch besser ein anderes Thema hätte genommen werden sollen… Wir haben/hatten ja eine gute Auswahl. War dieses Thema hier zu banal? Zu alltäglich? Zu „unschwarz“ für manch einen, weshalb die Beteiligung relativ niedrig war? Nun gut, eine Bereicherung war es dennoch (ich nehme an, auch für die Leser), daher blicke ich hoffnungsvoll auf die kommenden Themen.

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 7 Jahre

Ein schönes Resumee, schade dass es so wenig Beteiligung diesmal gab.
Vielleicht reiche ich noch einen Beitrag zum Thema nach, aber im Moment komm ich nicht dazu.
Zuviel Ärger mit meinem Internetanbieter, der sich schon ewig hinzieht, gesundheitliche Probleme und familiärere Besuch vor kurzem haben mich ausgebremst ;-)
Das Thema ist schon interessant und ergiebig, aber ich hab auch das Gefühl, dass bei vielen der bisher Mitwirkenden und Kommentatoren ein bißchen die Luft raus ist. Es macht ja auch mehr Spaß, Beiträge und Kommentare zu schreiben, wenn sich daraus ein reger Austausch entwickelt. Zumindest motiviert es mich, wenn Beiträge nicht nur ins Leere laufen. Ich schreib die ja nicht nur für mich, um mich hier darzustellen, sondern freue mich, wenn was zurück kommt. Kommt gar nichts, dann ist das irgendwie schade, selbst wenn man natürlich immer damit rechnen muss. Es ist schließlich alles freiwillig…

Vielleicht mag ja noch jemand seine aktuelle Unlust/Schreibhemmung näher erklären?

Robert
Robert(@robert-forst)
Admin
Vor 7 Jahre

Zur „Schreibunlust“ kann ich nur Vermutungen anstellen und das ist auch themenspezifisch immer ein wenig unterschiedlich. Ein Großteil ist dem blauen Riesen geschuldet, der Meinungen, Stimmung und Schreiblust hemmungslos auffrisst, weil er so manchen zu schier täglich Ergüssen über Alltag, Leben und Weltsicht verleitet. Also warum hinsetzen, nochmal etwas aufschreiben, was man FB sowieso schon erzählt hat?

Der blaue Riese hat übrigens noch einen anderen Effekt. Denn tatsächlich findet dort für die meisten Menschen das Internet statt. FB = Internet. Es gibt kaum noch Interesse, links und rechts zu schauen, Alternativ unterwegs zu sein und sonstwie im Netz zu stöbern. Woher ich das weiß? Es ist simpel. Veröffentliche ich einen Beitrag auf Spontis OHNE ihn bei FB zu crossposten, wird er nahezu nicht wahrgenommen. Er findet einfach nicht statt. Erst mit der Veröffentlichung bei FB wird der Artikel besucht und wahrgenommen. Es ist aber auch zu bequem: Du likest die Seiten bei FB, die du magst und man trägt Dir häppchenweise vor, was dort aktuell ist. Du musst quasi nichts tun. Nachrichtenseiten, Musikzeitschriften und auch der Wetterbericht. FB weiß Bescheid und kaut es Dir vor. Unheimlich praktisch. Wobei die Betonung auf Unheimlich liegt.

Ich will aber nicht alles auf fremde Seiten schieben, denn die Themen sind auch immer dafür verantwortlich, wie hoch der Rücklauf ist. Lieblingsorte sind eine interessante Sache und ich habe gerne gelesen, wo sich andere herumtreiben. Aber was sollte ich kommentieren? Lieblingsorte sind ein sehr intimes und lokales Phänomen, bei denen sich nur wenige Menschen wiederfinden und die für die meisten höchst unterschiedlich sind. Das macht das Thema nicht schlecht, aber eben „undiskutabel“.

Man möchte sich aufregen, meckern, echauffieren, richtig stellen, Sichtweisen aufeinander prallen lassen, Meinung tauschen und andere von seiner Meinung überzeugen. Was auch immer. Und natürlich: Es gibt 100 weitere Gründe, Dinge NICHT zu tun ;)

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