Gothic-Klassiker „Everyday Is Halloween“ bekommt Musikvideo

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1984 schufen die Band Ministry mit „Everyday Is Halloween“ einen Song, der mittlerweile zum Mantra der gesamten Gothic-Szene mutierte. Jetzt hat Al Jourgensen, Sänger der Band, den Frieden mit seiner Vergangenheit gemacht und dem Klassiker endlich ein Musikvideo spendiert. Eine Hommage an die Gothic-Szene, die der Band von ihren frühen Synthie-Pop-Tagen bis zur Industrial-Metal-Band, zu der sie sich wandelte, loyal geblieben ist.

Nach rund 40 Jahren beschloss Ministry Frontmann Al Jourgensen, Frieden mit seiner Vergangenheit zu machen und mit dem Album „The Squirrely Years Revisited“ einigen alten Tracks die Liebe angedeihen zu lassen, die sie verdient haben. „Da ich meine frühen Sachen jahrzehntelang hasste, beschloss ich, das jetzt mal in die Hand zu nehmen und es endlich richtig zu machen.„, sagte Jourgensen, der selbst als schärfster Kritiker seiner frühen Synthie-Tage bekannt ist.

Allerdings hat er nicht nur das neue Album auf Cleopatra Records herausgebracht, sondern auch gleich ein Musikvideo zu seinem größten Szene-Hit „Everyday Is Halloween“ gemacht, dessen Titel zum Mantra einer ganzen Szene geworden ist.

Ich bin erstaunt und fühle mich geehrt, dass die Leute diesen Song auch nach 40 Jahren noch hören. Hisst die Freak-Flagge mit Stolz.

Das Video ist dann auch eine augenzwinkernde Hommage an die Menschen der Szene, die eben diese Flagge mit einem gewissen Stolz tragen. Um visuelle Brücke zur heutigen Szene zu schlagen, hat er sich prominente Unterstützung gebucht. Influencerin Victoria Venin beispielsweise, die stilecht aus einem Sarg kriecht oder auch Malice McMunn, die zu Beginn des Videos mit einem Walkman durch die Gegend läuft, um letztendlich von ElisaWiitch flankiert zu werden, die einen Globus mit schwarzer Schmiere besudelt.

Es scheint so ein bisschen, als hätte man sich gruftige Reichweite zusammengebucht, wobei die Profile der Protagonisten dann auch stark dem aktuellen „Szene-Bild“ eines düsteren Erotikkalenders ähneln. Schön finde ich allerdings, die Idee zu solch einem Video überhaupt umzusetzen und sich bei den Menschen, die den Song als Hymne verstanden haben, zu bedanken. Ich will das aber gar nicht weiter kommentieren, sondern überlasse euch die persönliche Einordnung.

Hat der Song und sein Titel überhaupt eine Bedeutung für euch? Was haltet ihr von dem Musikvideo?

Hier gibt es übrigens auch noch einen Blick hinter die Kulissen des Musikvideos:

WGT³ – Franky Future empfiehlt 3 Bands fürs Wave-Gotik-Treffen 2025

WGT³“ ist unsere Artikelserie, in der wechselnde Autor:innen jeweils drei Bands vorstellen, die man sich beim Wave-Gotik-Treffen 2025 auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Heute sind es 3 Tipps von Franky Future, der im übrigen auch die Idee zu dieser Artikelserie hatte.

New Wave aus der Schweiz: Lone Assembly

Wer im WGT-Lineup nach frischem Gitarren-Wave mit Synthie-Einschlag sucht, sollte unbedingt bei Lone Assembly die Ohren spitzen. Das Schweizer Quartett nennt Joy Division, The Sisters of Mercy und The Cure als Vorbilder. Trotzdem klingt ihr Mix aus Post Punk, New Wave und Synthie-Pop alles andere als altbacken. Wirklich. Vor allem haben die Jungs von Lone Assembly ein Händchen für wirklich gute Melodien und einen Sänger mit Bühnenpräsenz. Beides ist vielen neueren Post Punk-Combos leider nicht gegeben. Lange hat niemand seine Texte mit so viel Leidenschaft ins Mikro geschmachtet, wie Raphael Bressler. Aktuell auf jeden Fall eine der spannendsten Bands des Genres.

Hexen-Sabbat auf dem WGT: Tristwch Y Fenywood

Sieht aus, als hätten sich drei Hexen zum Liederabend verabredet. Und dieser Eindruck ist offenbar genau so gewollt, betrachtet man das Artwork von Tristwch Y Fenywod. Der Sound der Band erinnert an die frühen Veröffentlichungen des Kult-Labels 4AD, das unter anderem This Mortal Coil und die Cocteau Twins groß gemacht hat. Auf Doppelzither, Bassgitarre und elektronischem Schlagzeug kreiert das walisische Trio seinen mystischen Klangteppich, über dem sich ein sirenenhafter Gesang legt. Die Songs handeln von Moorleichen und Mondnächten. Die Einladung zum Hexen-Sabbat auf dem WGT steht.

Wiederauferstanden von den Toten: Silke Bischoff

Könnte ein Spektakel werden – oder auch nicht. Und da will man doch dabei gewesen sein. Mitbegründer Axel Kretschmann lässt die 2002 zu Grabe getragene Kult-Band Silke Bischoff auf dem WGT von den Toten auferstehen. Weil Sänger Felix Flaucher nicht mehr lebt, werden Gastsänger wie Alexander Veljanov (Deine Lakaien) und Sven Friedrich (Solar Fake) die Gesangparts übernehmen. Wer den Über-Hit „On the other Side“ also einmal live erleben möchte, hat beim WGT die Gelegenheit dazu. Unwissende können die Anreise zum Treffen nutzen, um sich in die skandalumwitterte Biografie der Band einzulesen, die sich nach einem Opfer des Gladbecker Geiseldramas benannt hat und im Streit zerbrach.

„Schwarzmaler – DEAD Classics Band 2“ – Der liebenswürdige Grufti von nebenan ist zurück!

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DEAD, der liebenswürdige Grufti von nebenan, ist zurück! Uwe Roesch bringt pünktlich zum 30-jährigen Jubiläum den zweiten Band seiner „DEAD Classics“ Reihe heraus. Er hat die frühen Werke aus den Jahren 2002 bis 2010 zusammengestellt, mit unveröffentlichten Schätzen gewürzt und mit einem formschönen Aufkleber abgerundet.

Auch wenn es wohl keine neuen Abenteuer des bleichen Helden geben wird, war dieses denkwürdige Jubiläum ein entsprechender Anlass für Uwe Roesch seinem zeichnerischen Sohn einen zweiten Band zu schenken. Er schrieb dazu:

Hallo zusammen!

Verdammte Axt, wie doch die Zeit vergeht! Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mit „Easy“ Ettler, dem damaligen Herausgeber des Zillo-Magazins telefonierte. Ich hatte ihm ein paar Cartoons geschickt in der Hoffnung, sie dort veröffentlichen zu können. Und tatsächlich, „Easy“ fand die Sachen cool, allerdings zu wenig „gruftig“. Und so entstand ein blasser junger Mann, der fortan unter dem Namen „DEAD“ sein schwarzbuntes Unwesen treiben sollte. Das war vor 30 Jahren!

Zwischenzeitlich wurden insgesamt sieben DEAD-Comic-Bände veröffentlicht, und es gab jede Menge an DEAD-Merchandise. Nachdem das Zillo-Magazin dann leider 2015 eingestellt wurde, fand DEAD eine neue Heimat im Orkus!-Magazin, in dem auch weiterhin „DEAD-Classics“ veröffentlicht werden.

Der zweite, 70 Seiten starke Band ist ab sofort über den Orkus-Shop zu bestellen. Der Preis inklusive eines Aufklebers beträgt 19,95€ – für den Versand werden 1,80€ im Inland und 2,99€ im Ausland fällig.

Mehr Informationen findet ihr direkt in der Gruft von DEAD, die unter dead-comic.de zu erreichen ist. Bitte seht davon ab, den ewig jungen Grufti allzu früh zu besuchen, er reagiert empfindlich melancholisch, wenn in jemand vor dem schwarzen Kaffee stört. Wir veröffentlichen in den nächsten Tagen noch ein Interview mit Uwe Roesch, das wir für das Spontis-Magazin 2022 geführt haben.

Übrigens: Spontis dankt für die Ehre, dem liebenswürdigen Grufti von nebenan eine kleine Widmung auf dem Cover zu hinterlassen.

Schwarzmaler Dead Classics Band 2
Dead Classics Band 2 – Jubiläumsedition 30 Jahre Dead
Dead Classics Band 2 - Rückseite
Dead Classics Band 2 – Rückseite | Aufmerksamen Lesern dürfte die Beschreibung, die wir hinterlassen durften, aufgefallen sein.

Gruft-Orakel Mai 2025: Eine tote Fledermaus und ein blutverschmiertes Laptop

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Die Höllenpolizei steht vor der Wohngemeinschaft der bösen Wesen. Das blitzende Rotlicht der Sirenen spiegelt sich an den umliegenden Häusern und beleuchtet gelegentlich die Gesichter der neugierigen Bewohner der Infernostraße. Auf dem Gehweg liegt eine tote Fledermaus, ein paar Zentimeter weiter liegt die vermeintliche Tatwaffe: Ein blutverschmiertes Laptop. Die Kobolde von der Höllenpolizei bringen gerade den kleinen Metallsarg heran, mit dem sie die Leiche der Fledermaus wegschaffen wollen. Aus der Wohngemeinschaft dringt verbittertes Schluchzen. In der Küche sitzt die Grableuchte zwischen zwei dämonischen Beamten und heult sich die Seele aus dem Leib, der ganze Boden ist mit Tränen aus Wachs bedeckt. „Das wollte ich nicht!“ – Die Grableuchte ist kaum zu beruhigen, „es tut mir so unendlich leid!“ Sanitöter betreuen den lodernden Nervenzusammenbruch, während den Beamten bei der Suche nach den Hintergründen über das frische Gruft-Orakel von Alana Abendroth stolpern. Beim Lesen kommt ihnen ein schrecklicher Verdacht!

Interview mit Cold Transmission – Ein ungeplant entwickeltes Label

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Cold Transmission ist ein Label aus Bad Homburg, bei dem mittlerweile rund 40 Bands aus der Szene unter Vertrag sind. Die beiden Betreiber Suzy und Andreas Hermann haben sich meiner Neugier gestellt und etwas über sich und das Label erzählt, vor allem, wie die Musik letztendlich unter die Leute kommt und welche Aufgaben ein Label dabei übernimmt. Rund dreieinhalb Stunden haben wir uns unterhalten. Dabei ist dieses Interview entstanden.

Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für das folgende Interview genommen habt. Könnt ihr euch den Lesern kurz vorstellen?

Suzy: Ich bin Suzy und bin 47. Ich komme aus Köln und bin vor neun Jahren hier ins Rhein-Main-Gebiet gezogen.

Andreas: Mein Name ist Andreas. Ich bin noch 55 und leidenschaftlicher Musikliebhaber.

Wie seid ihr damals in der schwarzen Szene gelandet? Was hat euch besonders angesprochen?

Suzy: Ich bin 1978 geboren. Das heißt, die coole Urszene, die Wave-Szene, habe ich gar nicht mitbekommen. Ich habe damals hauptsächlich Sachen gehört, die im Radio liefen. Das war in den 80ern auch cool. Irgendwann bin ich zu Depeche Mode gekommen. Richtig in die Szene gekommen bin ich erst Anfang der 90er mit Deine Lakaien. Ich hatte einen Klassenkameraden, der war Grufti und der hat mir Kassetten oder CDs gegeben, und gesagt, hör dir das mal an. Der hat mir die Dark Star von Deine Lakaien gegeben. Das war für mich ein Aha-Moment.

Ein Faible für schwarze Klamotten hatte ich vorher lustigerweise schon. Mein Klassenkamerad hat irgendwann gesagt, bei uns in der Nähe, da gibt es jeden Mittwoch eine Party in einem Club, komm doch mal mit. So bin ich reingekommen und geblieben.

 

Andreas: Ich könnte da wahrscheinlich Stunden drüber reden. Ich bin das klassische Kind der 80er. Ich habe mit elf Jahren vorm Radio gesessen und da ist für mich eine neue Welt aufgegangen. Mit Bands wie Depeche Mode, Ultravox oder Visage. Und meine erste Single war Fade to Grey. Ich habe diese ganzen 80er durchlebt und habe mehr oder weniger mit den kommerziellen Sachen angefangen. Blancmange, Howard Jones und Pet Shop Boys. Diesen ganzen Kram habe ich aufgesaugt. Formel Eins war ebenfalls ein Augenöffner.

Ich habe meine erste große Liebe 1986 kennengelernt. Die war ganz klassisch ne Waverin – mit Ratte. Und durch sie habe ich die ganz coolen Sachen hören dürfen. Von Fad Gadget über Alien Sex Fiend zu Skinny Puppy. Mir wurde durch das Zusammensein mit ihr eine Welt offeriert, wo ich mir gesagt habe, Holy Shit, das ist genau der nächste Schritt für mich. Dann ging es richtig in diese Industrial-Elektro/ EBM-Schiene. Da hat man Front 242, Nitzer Ebb und Frontline Assembly gehört. Da bist du nach Frankfurt gefahren mit Älteren – ich hatte noch kein Auto – und das erste Mal in den Techno Club gegangen. Sonntags, und hast dir gesagt, das ist genau mein Ding hier. Und das hat mich bis heute nicht losgelassen. Das ist ein bahnbrechender Moment gewesen.

Eine Person kennenzulernen, die einem genau das an Musik gegeben hat, was man wollte. Wo man vielleicht auch bereit für war. Seit ich angefangen habe, sauge ich das auf. Das hat mich alles interessiert. Was gibt es denn noch? Dieser Pioniergeist oder wie soll man das ausdrücken, diese Neugier? Die ist mir bis heute geblieben und das kommt dem Label zugute.

Welche Konzerte und Festivals habt ihr denn eure Anfangszeit besucht?

Suzy: Mein allererstes Konzert war 1993 Depeche Mode in Dortmund in der Westfalenhalle. Da war ich 15. Viel auf Konzerte gegangen ist man am Anfang gar nicht. Ich bin nicht in Köln groß geworden, sondern in der Nähe von Koblenz. Da war nicht wahnsinnig viel. Und du hattest kein Auto. Du musstest jemanden finden, der dich irgendwo hinfährt. Geld hattest du nicht, weil du noch Schüler warst. Das erste WGT, auf dem ich war, `97, das hat mich besonders beeindruckt. Das war noch sehr, sehr klein zu der Zeit. Da gab es das Werk 2 und ich glaube eine Halle in der Agra. Das war schon was anderes. Das fand ich richtig cool.

Andreas: Ich habe ein ziemlich cooles erstes Konzert gehabt, relativ spät. Ich komme aus Hanau, war jung und wenn du niemanden hast, der fährt, kommst du nicht weg. Hanau ist zwar nur 30 Kilometer von Frankfurt entfernt, aber es war eine Riesendistanz. Ich habe es tatsächlich über eine Bekannte geschafft, dass sie mich mitgenommen hat. Da war ich bei DAF in der Music Hall und das war ein cooles Erlebnis – sie live zu sehen. Ich war bei diesem Konzert zur First Step to Heaven Tour.

Waren in euren Anfangstagen Rebellion und Selbstausgrenzung relevante Themen?

Suzy: Da habe ich tatsächlich persönlich nie drüber nachgedacht. Du bist in die Szene über die Musik, aber nicht bewusst, um dich abzugrenzen. Wenn du schwarz trägst, polarisierst du automatisch. Das ist heute noch so. Wenn wir heute irgendwo hingehen, und die Leute kennen uns nicht, bekommst Du immer einen Spruch, da kannst du 15 oder 50 sein. Ich war nie ein extrem gestylter Grufti. Ich hatte nie eine Riesenfrisur oder bunte Haare. Man war in seinem Ding, in seinem Movie oder in seinem Style drin, aber nie so extrem, dass man angeeckt wäre. Muss ich wirklich zugeben.

Andreas: Würde ich auch für mich sagen. Ich habe gedacht, ich habe einen coolen Musikgeschmack und sowas hören viele andere gar nicht. Für mich wurde es eher schwierig, wenn die Normalos die Musik entdeckt haben. Wenn die gesagt haben, das ist richtig cool. An der Stelle wurde es für mich uninteressant. Dann habe ich gesagt, ich bin raus, ich such mir was anderes. Ich finde nicht, dass das Rebellion ist. Ich habe kein Wort dafür, dass es umschreibt.

Die Optik kam bei mir durch meine erste Freundin. Vorher trug ich eher Jeans und vielleicht grüne Pullover. Und als ich sie kennengelernt habe, wollte ich in diese Richtung gehen. Sie hat gesagt, ich habe hier noch einen alten Fischgrät-Mantel von meinem Papa, den könntest du anziehen. Dann hat sie ein schwarzes Synthetikhemd gehabt und irgendwo haben wir noch einen schwarzen Pullover gefunden. Der Ex-Schwager hat noch irgendwelche Bundeswehrstiefel dazugegeben. Und du hattest eine schwarze Hose und das Outfit war fertig. Und das hattest du. Du hattest nichts anderes. Das hast du bis zum Erbrechen angezogen. Da gab es nicht, heute ziehe ich das und morgen das an! Das war das Einzige, was du hattest.

Was verbindet eurer Ansicht nach die Menschen in der Szene?

Andreas: Das Lebensgefühl! Nicht mit der Masse zu schwimmen. Sein eigenes Ding zu machen oder seine eigene Welt aufzubauen anstatt dem ganzen Mainstream zu folgen. Die Szene könnte sich darüber definieren, dass man nicht wie die Lemminge sein möchte, sondern ich höre coole Musik und mich interessiert es nicht, ob das anderen gefällt. Hauptsache mir gefällt es.

Suzy: Ich mag die Szene, weil sie international und tolerant ist. Es ist eine Szene, wo jeder sein kann, wie er will. Sie ist sehr friedlich. Man kann sich ausleben. Ohne dass man das Gefühl haben muss, man wird komisch angeguckt. Das ist für mich das, was die Szene bis heute ausmacht. Die Vielfalt, die die Szene hat, finde ich in allen Bereichen. Musik ist das Rückgrat. Die Liebe zu einer bestimmten Art von Musik. Am Ende eint uns alle die Musik. Die Liebe zu der Musik und zum Anderssein.

Kennt ihr das? Wenn normale Leute bei euch im Auto sitzen und sagen, mach das aus, sonst kriege ich einen Anfall. Auf normale Menschen wirkt die Musik irgendwie dissonant.

Suzy: Das ist komisch. Man hat das Gefühl, man hört gar nicht so schlimme Musik. Wenn du den Leuten versuchst zu erklären, was du für Musik hörst, haben sie von den Genres noch nie gehört. Du versuchst es Hintenrum über Depeche Mode und The Cure. An der Stelle hört es aber auf. Und dann kriegen die überhaupt keinen Zugang dazu, wo du denkst, so schlimm ist das doch gar nicht. Manche Sachen könnten Mainstream sein. Interessanterweise nehmen die Normalen, wenn man das so nennen darf, die Musik trotzdem nicht auf.

Gab es bezüglich eurer Szenezugehörigkeit Konflikte in der Familie?

Suzy: Die Klassiker. Meine schwarzen Klamotten habe ich immer viel getragen, auch bevor ich mich offiziell zur Grufti- Szene gezählt habe. Als meine Mutter das mitbekommen hat und Freunde von mir gesehen hat, die in die Richtung angezogen waren, hast du mit den ganzen Klischees zu tun gehabt. Dass man plötzlich Satanist ist, Drogen nimmt, in der Nacht auf Friedhöfen rumhängt oder im Sarg schlafen will. Richtige Konflikte gab es nicht, keine ernsthaften Konflikte. Die Eltern haben sich irgendwann dran gewöhnt und haben gesehen, dass man nicht, wie sie es befürchtet hatten, in irgendwelche komischen Ecken abdriftet.

Andreas: Nicht wirklich, ich war nicht extrem vom Outfit her. Meine Mutter war sehr bedacht darum, dass ich eine ordentliche Frisur habe. Eine Freundin, die war Friseurin und hat mir eines Tages schön die Haare auf zwei, drei Millimeter runter gemacht. Ich hatte ein bisschen längeres Haar, das war alles ordentlich. Meine Mutter ist morgens in mein Zimmer reingekommen und hat in dem Moment gesehen, dass ich die Haare abhabe. Da gab’s fünf Minuten, wo es ein bisschen hakelig war. Ich fand es megageil. Ich habe mich ausgelebt. Es sah cool aus mit schwarzen, gelackten Haaren oder irgendwelchen coolen Klamotten. Typisch klassisch Gothic war das für mich nicht. Das klingt vielleicht blöd, aber ich fand, es war eher Avantgarde. Das Foto in Berlin ist ein gutes Beispiel.

Wie würdet ihr die Entwicklung der Szene von eurem Einstieg bis heute beschreiben?

Andreas: Mit dem Synthpop von Duran Duran über Blancmange, Ultravox und Gary Numan hat das angefangen. Hat sich weiterentwickelt über The Cure, Sisters of Mercy, The Mission, mehr in die elektronische Richtung mit Skinny Puppy, mit dem Vancouver Bands. Über die EBM-Schiene aus Belgien hat sich alles weiterentwickelt. Später kamen die Neue Deutsche Todeskunst oder der Future Pop. Nach dem Future Pop kam nicht groß was ganz Neues, sondern es hat sich eher ein wenig zurückbesinnt. Wir haben das Gefühl, dass die Genres, die früher strikt getrennt waren, mittlerweile ineinander überlaufen. Du hast Italo-Elemente im Techno oder Dark Wave oder Cold Wave geht in Industrial-Techno über. Diese Verschmelzung der Genres ist das, was im Moment stattfindet. Wo du sagst, das ist Post Punk, aber es ist ziemlich tanzbar. Diese Gothic-The Cure-Anfangszeit, das kannst du nicht in die Neuzeit tragen. Das muss heute anders aufbereitet werden, dass die Leute, auch Jüngere, einen Zugang dazu bekommen.

Suzy: Die Genres verschmelzen mehr. Das siehst du in der Szene selbst, in den Menschen. Wir altern gemeinsam, wir haben wenig Nachwuchs, den klassischen Grufti-Nachwuchs. Es kommen Jüngere dazu, aber die sind nicht mehr der klassische Grufti. Die werden bunter von den Klamotten. Nennen wir es Hipster. Die finden ihren Zugang zu dieser Musik. Die machen die Szene jünger, aber auch bunter, weniger schwarz.

Die Cold Transmission Label Night 2023
Die Cold Transmission Label Night 2023 – Auf der Bühne spielt „Kalte Nacht“

Andreas: Man sieht heutzutage viel mehr Tennissocken oder Turnschuhe. Die fühlen diese Musik, aber die passen sich nicht an dieses Alte an, dass du komplett schwarz gekleidet bist und Doc Martens trägst. Das haben die auch, aber die haben einen eigenen Stil. Die haben längere Mäntel oder weiße T-Shirts an, wo du sagst, okay, kann man machen. Du brauchst die Leute. Wenn wir jetzt nicht die Szene öffnen, auch für andere, oder Leute ausgrenzen, die anders aussehen, wird das irgendwann ein Ende finden. Die Szene und die Leute müssen offen aufeinander zugehen und nicht, weil jemand wie eine Art Hipster angezogen ist, dass er ausgegrenzt wird. Es geht nur zusammen. Um der Musik willen. Dass wir in Zukunft noch weiter gute Konzerte und Musik haben. Neue Musik. Sonst gehen wir auf Gothic-Oldiepartys.

Suzy: Es haben sich viele Genres entwickelt. Heute weißt du gar nicht mehr, wie du das alles nennen sollst. Früher war das alles Dark Wave, da gab es noch EBM und das war’s. Es gab viele Verzweigungen, in die neue musikalische Elemente reinkamen, die einen Namen bekommen haben, wie Future Pop. Weg von dem klassischen Düster-Gothic-Sound hin zu fröhlicherem Tanzbarem. Die Musik entwickelt sich weiter. Irgendwer bringt was Neues rein oder es entwickelt sich was und wo die Leute drauf anspringen. Und das hört nie auf. Bis heute nicht.

Andreas: Auch wenn das eher wieder das Aufgreifen von alten Sachen ist. Aber es geht trotzdem weiter. Diesem ganzen Modernen, was heute ist, wurde in dem Moment die Tür geöffnet, wo Lebanon Hanover auf die Bühne getreten sind. Die haben was bewegt in der Szene. Das ist eine ganz wichtige Band. Die haben diese alten Wavezeiten in die Neuzeit transportiert. Die waren auf einmal da. Und viele Bands orientieren sich an ihnen. Ob direkt oder indirekt – und sie haben bis heute Erfolg damit.

Wie habt Ihr Euch kennengelernt?

Andreas: Wir sind ein klassisches Wave-Gotik-Treffen-Pärchen. Wir haben uns dort kennengelernt.

Suzy: 2015, vor zehn Jahren, haben wir uns kennengelernt. Auf dem WGT, im Stadtbad, an der Theke. Ganz klassisch.

Andreas: Das ist eine meiner Lieblingsgeschichten. Ich wusste in dem Moment, da passiert was. Den Moment wünsche ich jedem. Ich habe direkt gemerkt, hier passiert was. Das ist außergewöhnlich. Da war ein Flow von Anfang an. Nach einer Stunde war klar: Wir sind fest zusammen.

Andreas und Suzy im Hochzeitsoutfit

War das Suzy ebenfalls klar?

Suzy: Eigentlich war es mir klar. Ich war zwei Jahre Single und ruhte in mir selbst. Ich war Mitte 30 und war gar nicht aus auf Beziehung. Ich war mit meinen Freunden da und wir hatten einen schönen Abend. Haben einen Aperol nach dem anderen getrunken, wie das so ist auf dem WGT. Und auf einmal stand er da an der Theke. Meine Freundin hat gesagt, da steht einer an der Theke, der guckt die ganze Zeit. Dann bin ich zur Theke. Und dann war der einzige Platz, der noch frei war, neben ihm. Und dann stand ich da.

Andreas: Ich war allein dort. Ich wollte das Wave-Gotik-Treffen einmal komplett erleben. Es war mein erstes, an dem ich komplett vier Tage da war. Die Anfangstage waren schwierig für mich. Ich habe gedacht, was mache ich hier? Und da habe ich gesagt okay, an dem Abend gehe ich ins Stadtbad, weil das Line-up gut ist. Und siehe da: Volltreffer! Wenn ich Suzy nicht kennengelernt hätte, wäre ich am Sonntag heimgefahren. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht in der Stimmung. Ich war irgendwie – keine Ahnung. Mein Leben war noch nicht so schön, wie ich mir das vorgestellt habe. Durch Suzy wurde das schlagartig anders.

Suzy: Das ging relativ flott. Wir haben uns kennengelernt und haben die ganze Nacht zusammen verbracht. Vorm Stadtbad. Morgens bis um fünf auf der Treppe gesessen. Und danach erstmal eine Fernbeziehung geführt zwischen Köln und Frankfurt. Nach anderthalb Jahren haben wir gesagt: Was machen wir? Entweder Kölle oder Hessen. Dann bin ich nach Hessen runtergezogen. Nach zwei Jahren haben wir geheiratet. Und ja, das ist ein Perfect Match. Das wünsche ich jedem, dass er sein Perfect Match findet.

Und die Musik verbindet euch?

Suzy: Das ist alles für uns. Allein, wie Andreas spricht, hörst du raus, dass es das ist. Das fließt bei ihm aus jeder Pore. Music is live. Ich kenne niemanden, auf den das mehr zutrifft als auf ihn.

Andreas: Und es ist schön, dass wir beide nicht nur Musik lieben, sondern dass wir die Musik gleich empfinden. Wir finden sehr, sehr viele Sachen genauso toll, wie wir andere Sachen nicht toll finden.

Suzy: Das ist doch irre, oder? Du legst irgendein Album auf, dann findest du einen Song. Den findest du so schön, dass dir direkt die Tränen kommen, weil er dich innerlich berührt. Musik fließt uns durch die Adern. Ich kann es mir nicht anders vorstellen.

Andreas: Und besonders schön ist es, wenn es von einer unseren Bands ist. Wenn man die neuesten Songs als Allererster anhören darf. Das ist Wahnsinn.

Die Gründung des Labels war letztendlich unausweichlich?

Suzy: Label Gründung, wenn man das so nennen darf, war im März 2018. Bereits 2017 ging es langsam los. Andreas hat irgendwann Mixcloud entdeckt und gesagt, er hat viel Musik und da kann man DJ-Mixe machen – und das macht er mal. Er war immer auf neue Musik fokussiert. Er hat den ersten Mix gemacht und gedacht, das will bestimmt keiner hören, wenn das nur neue Musik ist. Ich sagte, wenn du nur neue Sachen machen willst, mach nur neue Sachen. Wenn die Leute deine Leidenschaft spüren, hören die sich das an. Und so war es.

Der nächste Step war, dass wir eine digitale Compilation machen wollten – auf Bandcamp. Andreas war mit sehr vielen Bands aus der Szene in Kontakt. Durch Social Media und Mixcloud. Die haben wir gefragt, ob sie nicht Lust haben, dort mitzumachen.

Andreas hat dann irgendwann den Namen rausgehauen. Cold Transmission, das war der Versuch einer Verbindung zwischen Alt und Neu. Eine Verbindung aus Cold Wave und Transmission von Joy Division.

Wir waren beide erkältet und haben abends auf der Couch gelegen. Andreas war am Mixclouden, da habe ich gesagt, ich mach ne Facebookseite. Für die Compilations. Und die Mixe. Ich habe die Facebookseite aufgesetzt und habe mein erstes Posting gemacht: Hallo, wir sind Cold Transmission und wir haben noch einiges vor. Wir haben schnell ein paar hundert Likes gehabt und du denkst, wo kommen die denn her? Über die Compilations wuchs das weiter. Wir haben insgesamt 15 digitale Compilations gemacht. Zeitgeist haben wir sie genannt. Dort waren viele neue Bands mit ihren neuen Songs vertreten.

Irgendwann kam der Zeitpunkt, dass uns irgendwer gefragt hat, wieso seid ihr kein Label? Haben wir gefragt: Label? Was macht denn ein Label heutzutage? Es war nicht so, dass wir uns hingesetzt und gesagt haben, wir gründen ein Label. Das hat sich ungeplant entwickelt. Wenn man damals gewusst hätte, was auf einen zukommen wird. Das ist manchmal…holla. Es ist deutlich mehr als ein Hobby. Es ist zum Beruf geworden. Wir sind zu zweit und haben Unterstützung von unserer Grafikdesignerin und Freundin Yvonne. Wir machen alles in Personalunion. Vertrieb, Poststelle, Versand, Presse-Mailing. Wir haben einen DJ-Newsletter, den wir bespielen. Wir pflegen die Social-Media-Kanäle, die Website und den Webshop selbst. Wir erstellen den Content, den wir posten, überwiegend selbst. Wir machen sehr viel. Natürlich machen auch unsere Bands sehr viel. Am besten funktioniert das Hand in Hand. Es ist auch der Anspruch an dich selbst. Du bist nicht allein. Du hast Bands, die dir vertrauen, die einen Vertrag unterschreiben. Du hast eine Verantwortung, du teilst Einnahmen. Du willst alles möglichst professionell machen oder so professionell, wie es geht.

Andreas: Die Vorgaben vom Staat sind in Richtung Professionalität. Du musst dich mit Steuern auskennen. Du musst wissen, wie funktioniert das mit der CD-Produktion? Was muss ich über Vinylproduktion wissen? Du hast mit der GEMA zu tun, mit Verpackungssteuer, mit der Künstlersozialkasse etc.

Suzy: Wenn du bewusst ein Label oder eine Firma gründest, setzt du dich damit vorher auseinander. Wenn du reinwächst, kommt nach und nach mehr auf dich zu und man setzt sich währenddessen damit auseinander. Du machst dich schlau im Internet, redest mit Leuten, etc. Du fragst dich, wofür braucht eine Band noch ein Label – gerade im kleinen Indiebereich? Du kannst heutzutage als Band alles selbst machen, wenn du das willst. Es gibt Bands, die können das und machen das super.

Viele Bands, die brauchen oder wollen jemanden an ihrer Seite haben, der ihnen hilft. Die sagen, ich habe einen Job, ich mache Musik, ich muss kreativ sein, ich will live spielen. Ich muss proben. Ich kann mich nicht um Social Media kümmern, mich mit Presswerken auseinanderzusetzen, Gigs organisieren oder versuchen, mich zu promoten. Da haben wir gesagt, okay, als Label produzieren CDs, Vinyl, Kassetten und T-Shirts für unsere Bands. Aber in allererster Linie bist du ein Partner für deine Bands. Wir helfen dir bei der Promotion. Wir haben ein Netzwerk aufgebaut, was wir dafür nutzen. Wir sind Sparringspartner für dich. Wenn du diskutieren, wenn du was besprechen willst, über Musik diskutieren willst oder versuchen möchtest, dich weiterzuentwickeln.

Wir sind an deiner Seite und das 24/7. Idealerweise erwächst daraus eine Freundschaft, was bei vielen Bands auch passiert ist. Gerade mit Bands, mit denen wir angefangen haben, da waren wir noch gar nicht so weit. Da haben wir selbst noch überlegt, wie das alles funktioniert. Und du bist mit den Bands gemeinsam über die Jahre gewachsen. Es ist professioneller geworden. Die Releases sind professioneller geworden. Die Bands sind mehr geworden.

Andreas: Wobei welche gekommen und wieder gegangen sind. Das ist der Lauf der Zeit. Manchmal wachsen Bands schneller als wir und sind sehr ambitioniert. Und die gehen dann. Weil wir nicht Schritt halten können, weil wir das Label auch nicht als Full-time Job machen. Und das ist auch in Ordnung. Uns ist es wichtig, fair miteinander umzugehen und nicht Bands wegen Verträgen, die wir haben, unnötig zu binden. Wir wollen lieber mit denen arbeiten, die gern bleiben.

Wie viele Bands habt ihr aktuell unter Vertrag?

Suzy: Ungefähr 40. Wobei die nicht alle gleichzeitig aktiv sind. Sonst würde das nicht funktionieren. Ich weiß jetzt schon nicht, wie wir das machen. Du machst das alles nebenher. Morgens, in der Mittagspause, abends. Den ganzen Tag hast Du es im Kopf. Du machst das am Wochenende. Manchmal sitzt du im Pyjama den ganzen Tag am Rechner mit der Kaffeetasse. Du stehst auf, schnappst dir deine Kaffeetasse und sagst, okay, warte, ich muss hier noch was machen. Du machst den Rechner an und es geht los. Du trinkst drei Kaffee. Zwischendurch denkst du: Frühstück? Und du merkst, oh, schon 17.00 Uhr?

Ihr scheint eine sehr enge Verbindung zu euren Bands zu haben. Könnt ihr eure Zusammenarbeit näher beschreiben?

Suzy: Wir wollen uns gemeinsam mit den Bands entwickeln und versuchen, sie weiterzubringen und bekannter zu machen. Wir fahren sehr viel auf Konzerte und Festivals, auch um Leute und Veranstalter kennenzulernen. Dass die sehen, wir sind nette Menschen, wir sind organisiert und arbeiten gut zusammen. Wenn du einmal ein Konzert gemeinsam gemacht hast und die waren happy, darfst du wieder kommen. Das Netzwerk muss wachsen, damit du deinen Bands dieses Netzwerk bieten kannst. Wir organisieren unsere eigenen Events, um unseren Bands eine Plattform zu bieten. Weil wir mittlerweile viele Veranstalter kennen, machst du oft noch das Booking. Und weil wir so viel Spaß an der Sache haben, managen wir noch die Tour. Das heißt, wir setzen die Band in unser eigenes Auto und fahren mit denen durch die Gegend.

SYZYGYX aus den USA
SYZYGYX aus den USA

Andreas: Im Sommer kommt SYZYGYX aus den USA rüber, sie ist fast Gründungsmitglied. Und mit ihr fahren wir rum. Fast zwei Wochen. Sie hat ein paar Auftritte in England, da sind wir nicht dabei. Hier in Zentraleuropa sind wir dabei.

Suzy: Wir haben auch Kalte Nacht dabei, die sind in der zweiten Woche mit auf Tour. Wir fahren mit zwei Autos von Gig zu Gig und das macht uns Spaß. Die persönliche Beziehung zwischen uns und den Bands ist uns wichtig. Passen wir zusammen, wollen wir das gleiche? Wir besuchen uns auch gegenseitig. Wenn sie hier sind, schlafen alle bei uns auf der Couch.

Wenn wir sagen CT Family, dann leben wir das. Du hast viele verschiedene Mentalitäten und Menschen. Jeder ist anders und jeder hat seine eigenen Bedürfnisse. Manche brauchen mehr Unterstützung, manche weniger. Wir freuen uns wie kleine Kinder, wenn wir nach ein paar Jahren ein geiles Album nach dem anderen machen und sehen, dass das wächst und dass immer mehr Leute unsere Bands kennen oder dass die auf größeren Veranstaltungen spielen. Das ist für uns echt das Allergrößte und deshalb macht es uns nichts aus, wenn wir beim WGT den ganzen Abend am Merchstand stehen. Wir sagen, ihr spielt, ihr genießt, ihr saugt die Atmosphäre auf, macht Fanarbeit. Die Leute wollen mit euch Fotos machen, die wollen eine Unterschrift haben. Wir kümmern uns um den Merch. Und das macht uns unheimlich Spaß. Da gehen wir beide völlig drin auf.

Das ist die pure Leidenschaft, die wir zum Glück teilen. Das ist eine Gratwanderung. Neben unseren Hauptjobs läuft das Label 24/7. Das ist unser Baby. Und das läuft. Das steht nicht still. Du musst dranbleiben und weitermachen. Es gibt viel rauszufinden. Jeden Tag musst du neue Features entdecken. Du versuchst, das Beste rauszuholen. Du hast ein Privatleben. Du bist ein Ehepaar. Du hast Freunde – die musst du unter einen Hut kriegen. Familie, die wollen wir irgendwann sehen. Das ist nicht leicht. Wir versuchen uns mittlerweile zu sagen, Sonntag machen wir nix. Nur für uns, für Freunde, für Familie, für uns zwei. Manchmal nicht einfach. Das Handy steht nicht still. Du denkst, oh Gott, der Facebook Algorithmus. Der sagt, ich muss was posten. Egal wo wir sind, wir haben eine Idee im Kopf. Da müssen wir drüber reden. Nein, heute ist Sonntag. Wir reden heute nicht. Nein, morgen früh wieder. Nein, nein. Das muss sofort raus. Und nun?

Andreas: Leidenschaft ist bei uns ein großes Thema. Wir behandeln die Bands respektvoll und wollen respektvoll behandelt werden. Das ist ein wichtiges und hohes Gut. Du musst das auf Augenhöhe betreiben. Wir fühlen uns nicht nur als Presswerk und nimm mal und mach mal, sondern wir wollen diesen Austausch. Manchmal sind wir sogar für eine Weile Teil des Projekts, dass wir gemeinsam besprechen, das könnte so oder so gemacht werden.

Suzy: Manche Bands sind in ihrem kreativen Prozess gefangen, die sagen, ich muss darüber sprechen, hört euch das mal an. Sagt eure Meinung dazu. Manchmal haben wir stundenlange Zoom-Sitzungen und währenddessen zwei Flaschen Wein geleert. Eine auf deren Seite und eine bei uns. Dann redest du vier Stunden. Hast du das gehört? Da könnte man noch ein bisschen. Probier das doch aus. Manchmal entwickelt man sich gemeinsam, ein Album und am Ende kommt was Geiles raus. Das macht sehr viel Spaß. Das macht man nicht mit allen, aber mit einigen. Wir haben grade das neue Album von SYZYGYX bekommen. Das ist ein Brecher. Was sind wir happy. Die Leute werden das lieben. Wir lieben das. Oder die Kalte Nacht. Das ist eine tolle Band, eine Wahnsinnssängerin. Es ist die pure Freude, die auf der Bühne zu sehen. Das Feedback von den Leuten zu bekommen. Wenn sie sagen das war cool und dann bist du glücklich. Man lebt sich im Label aus. Du hast mit Musik zu tun. Du hast mit tollen Leuten zu tun. Wir machen viele Veranstaltungen selbst. Ich wollte ins Eventmanagement gehen. Früher im Studium habe ich viel auf Events gearbeitet und mitorganisiert. Heute kann ich mich da voll ausleben.

Cold Transmission Label Night
Am Samstag, dem 18. Oktober 2025 findet die Cold Transmission Label Night im „Das Rind“ in Rüsselsheim statt.

Event ist ein gutes Stichwort. Euer Haupt-Event ist die jährliche Label Night im Rind in Rüsselsheim?

Andreas: Wenn jemand musikinteressiert ist oder begeistert, der kann für das Geld nichts verkehrt machen. Einen schönen Abend in einem tollen Club. Wir sind total happy dort. Nach der Pandemie mussten die Clubs zusehen, dass sie mehr Geld oder sicheres Geld verdienen und deshalb buchen sie oft die sichere Nummer. Du brauchst Leute, die an deine Vision glauben und dich unterstützen. Und wir haben im Rind jemanden gefunden, der das sehr zu schätzen weiß und uns ein gutes Gefühl gibt. Wir haben in diesem Jahr vier Bands auf der Bühne stehen.

Suzy: Die Leute kaufen deutlich später Karten für Events. Ich weiß noch das erste Festival nach der Pandemie in Köln. Wir haben tatsächlich zwei Tage mit sieben Bands gemach, die alle aus verschiedenen Ländern anreisen mussten. Und der Vorverkauf hing und Du denkst oh Gott, oh Gott. In den letzten vier Wochen vor dem Event haben die Leute Karten gekauft. Am Ende hatten wir eine rote Null. Du musst heute deutlich mehr schwitzen, wenn du Veranstaltungen organisierst, gerade mit etwas kleineren Bands.

Und du willst sagen: Hey, wenn wir da was hinstellen, wird das geil. Es ist für alle was dabei. Wir versuchen zu mischen, so dass wir was Elektronisches, was mit Gitarre haben. Wir versuchen diese Community zu bauen. Die Bands sind alle cool und verstecken sich nicht im Backstage-Bereich. Wir haben einen schönen Abend zusammen. Das ist ein unheimlich cooles Gefühl, wenn du eine Veranstaltung hattest, und am Ende kommen alle und sagen, das war super, das war ein tolles Feeling. Wir sind danach drei Tage selig. Und wenn wir am Ende mit den Kosten auf null sind, ist das auch gut. Das ist die ganze Mühe wert. Ich könnte stundenlang darüber erzählen, weil mich das glücklich macht. Das Feedback, das wir von der Szene oder von den Leuten bekommen. Das ist für uns echt das Größte. Und das ist das, was uns antreibt, weiterzumachen.

Wir müssen langsam zum Ende kommen. Habt ihr noch irgendwas, was ihr den Lesern mitteilen möchtet?

Suzy: Siehst du? Ich hab’s dir gesagt. Wenn wir einmal anfangen, hören wir nie wieder auf.

Andreas: Wir sind unheimlich dankbar, dass unsere Bands Anklang gefunden haben in der Szene und dass sehr viel Unterstützung da ist. Das ist wichtig.

Suzy: Und geht mehr auf Konzerte.

Andreas: Kauft einen Tick früher eure Tickets.

Suzy: Unterstützt die Szene. Unterstützt die neuen Bands. Die kleinen Bands. Damit die Szene weiterhin schön und vielfältig bleibt.

Links:

Walpurgisnacht – Nur eine Nacht der tanzenden Hexen?

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Noch bevor man den 30. April Walpurgisnacht nannte, feierte man in grauer Vorzeit das keltische Fest Beltane. Nach Imbolc und Ostara ist es das letzte und wichtigste Fest naturreligiöser Glaubensgemeinschaften, auch in Irland wird das noch teilweise gefeiert. Es ist das Fest der Fruchtbarkeit und markiert den Übergang in die warmen Sommermonate. Für den Wechsel vom 30. April zum 1. Mai gibt es viele Namen, die keltische Bezeichnung ist vielleicht die ursprünglichste.

Woher der Begriff letztendlich stammt, ist historisch nicht eindeutig nachzuvollziehen. „bel“ bedeutet soviel wie  „leuchtend“ oder auch „strahlend“, während „tene“ ein Begriff für das Feuer ist. Wörtlich übersetzt könnte man Beltane also Fest des strahlenden Feuers nennen. Da für die Kelten an diesem Tag die Zeit des Sommers begann, spielte der Sonnengott Belenus ebenfalls eine wichtige Rolle bei den Feierlichkeiten.

Die Kelten feierten Beltane überschwänglich. Die Menschen waren voller Hoffnung und Vorfreude auf den Sommer in der Natur blühte es bereits in voller Pracht, die Tage des kalten Winters waren gezählt. Häuser und Ställe wurden mit frischem Grün geschmückt, überall entzündet man Feuer, um die bösen Wintergeister endgültig zu vertreiben. Für die Kelten war es das Erwachen der Erde nach einem harten Winter und sorgte auch bei den Menschen für eine weit verbreitete Aufbruchstimmung. Als Fruchtbarkeitsfest nicht nur im Zeichen der Fortpflanzung, sondern auch für Kreativität, neue Ideen und neue Beziehungen.

Die Menschen tanzten um die lodernden Feuer, die Druiden zeugten in dieser Nacht mit den Druidinnen den druidischen Nachwuchs und die Dorfjugend verliebte sich im Rausch des Mets ineinander. Die Kelten wussten, wie man Feste feiert.

Wie aus Beltane die Walpurgisnacht wurde

Mit dem unvergleichlichen Siegeszug der Kirche und des christlichen Glaubens verschwanden auch immer mehr „heidnische“ Feiertage. So war den Christen das ausschweifende Sommerfest Beltane ein ganz besonders spitzer Dorn im Auge. Als man im Jahre 870 die Äbtissin von Heidenheim „Walburga“ heilig sprechen wollte, war das der willkommene Anlass für einen eigenen Feiertag. Anlässlich der Überführung ihrer Gebeine nach Eichstätt am 1. Mai sprach Papst Hadrian II. die bereits 779 Verstorbene heilig und rief dazu auf, ihrer an diesem Tag zu gedenken.

Francisco Goyas - Beltane ist auch Hexensabbath und Walpurgisnacht
Francisco Goya – Hexensabbath | Francisco Goya artist QS:P170,Q5432, Francisco de Goya y Lucientes – Witches‘ Sabbath – WGA10007, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Doch das setzte sich nicht durch. Die Menschen blieben bei ihren heidnischen Bräuchen und feierten weiterhin ein ausgelassenes und höchst lüsterndes Fest. Böse Zungen behaupteten damals, dass der Name der Äbtissin „Walpurga“ sowieso auf die Walküren, heidnisch germanischen Priesterinnen, hinwies.

Also behauptete man, dass in der Walpurgisnacht die Hexen auf dem Blocksberg ihren großen Sabbat abhalten würden. Tatsächlich trafen sich in dieser Nacht auf dem heutigen Brocken die naturreligiösen Gläubigen, um am Feuer zu tanzen und den bevorstehenden Sommer zu feiern. Um die Fruchtbarkeit zu ehren, liebten sich die Menschen in freier Natur. Dieser Liebesakt galt als die Hochzeit zwischen Himmel (Mann) und Land (Frau). Hohe Priester verkleideten sich mit Hirschgeweihen, um dem gehörnten Gott der Männlichkeit zu huldigen. Die Christen machten aus ihm später den Teufel und dichteten den beteiligten Frauen später Buhlschaft mit dem Gleichen an.

Und irgendwie ist Goethe ist mit seinem Werk „Faust“ dafür verantwortlich, dass uns der Name Walpurgisnacht auch heute noch geläufig ist, wurde seine Vorlage in den folgenden Jahren immer wieder ein Bestandteil großer Dichter und Schriftsteller. Unter anderem erzählen Theodor Storm, Ottfried Preußler und nicht zuletzt der geschätzte H.P. Lovecraft vom Hexensabbat in der Walpurgisnacht am 30. April eines jeden Jahres.

Die Walpurgisnacht wird zum Tanz in den Mai

Heute ist von bedeutungsschwangerer Mythologie und Legenden nicht mehr viel zu spüren. Dennoch weisen die meisten der merkwürdigen Traditionen der Neuzeit erstaunliche Parallelen zu Vergangenheit auf. Junge Männer berauben junge Birken ihrer Lebensgrundlage, schmücken sie mit bunten Bändern und setzen sie ihrer Angebeteten als Zeichen ihrer Liebe vor das Haus. In Schaltjahren ist es umgekehrt, womöglich wegen der Gleichberechtigung. Das überall entzündete „Maifeuer“ dient schon lange nicht mehr dem Vertreiben böser Geister oder als Hintergrundbeleuchtung für Paarungen und freiem Himmel sondern dient als wärmender Versammlungsort zur Einnahme berauschender Getränke. Ist das Feuer etwas heruntergebrannt, springen einige junge und verliebte Paare über das Feuer um ihre Bindung zu besiegeln.  Dass meist ausreichende Mengen Alkohol das Urteilsvermögen bei der Partnerwahl trüben können, wird gerne außer Acht gelassen.

In den Dörfern und Gemeinden werden Maibäume gesetzt. Das sind riesige Holzstämme, die an ihrem Ende überdimensionale geschmückte Kränze „durchdringen“. Überhaupt ist das Ganze immer noch eine ganz große Ferkelei, auch bei den Christen. Ein genauerer Blick auf einen solchen Maibaum entlarvt die ganze Doppeldeutigkeit, denn die Symbolik spricht eindeutig auf die Vereinigung von Himmel und Erde oder auch von Mann und Frau! Der riesige Holzstamm ist der Phallus, der den Kranz, die Vulva, durchstößt. In seiner ursprünglichen Version war der alles überragende Baum, der immer ein bisschen höher sein musste als der Baum der Nachbargemeinde, ein unglaublich großes Fruchtbarkeitssymbol unter dessen Einfluss sich Menschen, Tiere und Pflanzen sich redlich vermehren sollten. So wie die Kelten einst ihre Ställe schmückten, ums Feuer tanzten und Met tranken.

Die in den letzten Jahren aufkommenden Neuinterpretationen von Beltane oder der Walpurgisnacht sind da eine vermeintliche Abwechslung zu den sonst inhaltsleeren Maifeierlichkeiten. Ein Hauch Mythologie macht aus jedem schnöden Feiertag ein intellektuell esoterisches Erlebnis und bieten alternativen Lebensentwürfen eine traditionelle Grundlage.

Warum ist der 1. Mai eigentlich ein Feiertag?

August Spies
August Spies wurde nach der Kundgebung zusammen mit 7 weiteren Organisatoren wegen Verschwörung festgenommen und hingerichtet. | Unknown author, August-Spies-1886, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Haben wir es also wieder der Kirche zu verdanken, dass wir am ersten Mai zu Hause bleiben dürfen? Diesmal nicht. Grund für den freien Tag ist der „Tag der Arbeit“, der auf die nordamerikanische Arbeiterbewegung von 1886 zurückzuführen ist und erstmals von den Nationalsozialisten 1933 als Feiertag eingeführt wurde. Doch der Reihe nach.

1886 waren die amerikanischen Arbeiter unzufrieden mit ihrem 12-Stunden-Tag und dem Durchschnittsverdienst von 3 Dollar. Zur Durchsetzung eines 8-Stunden-Tages rief die Arbeiterbewegung zu einem Generalstreik am 1. Mai auf. Der Chefredakteur und Herausgeber der „Arbeiter-Zeitung“ August Spies hielt am Abend des 1. Mai 1886 auf dem Haymarket in Chicago eine bewegende Rede. Sie gilt als Ursprung des Arbeiterklassenbewusstseins und führte in den nächsten Tagen zu mehrtägigen Streiks und gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der „Haymarket-Riot“ markiert den blutigen Höhepunkt dieser Auseinandersetzung.

In Gedenken an die Opfer dieses Aufstandes rief man 1889 den 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ aus, an dem auf der ganzen Welt Massenstreiks und Massendemonstrationen begangen wurden. Nachdem die Weimarer Nationalversammlung mit ihrem Entwurf von 1919 gescheitert waren, den 1. Mai als Feiertag festzulegen, waren es die Nationalsozialisten, die 1933 den „Feiertag der nationalen Arbeit“ beschlossen. Nachdem man dann die Gewerkschaften verboten hatte, wurde der 1. Mai als „Nationaler Feiertag des deutschen Volkes“ durchgeführt. Nach Ende des Krieges wurde der Feiertag durch den alliierten Kontrollrat genehmigt und ist seitdem wieder offizieller Feiertag.

Es ist also der Arbeiterbewegung zu verdanken, dass wir am 30. April ohne schlechtes Gewissen unsere Hexen-Sabbat, den Tanz in den Mai, Beltane oder was auch immer feiern können.

Ein letztes Mal versuchte die Kirche übrigens 1955 auf den Zug des 1. Mai aufzuspringen. Unter Papst Pius XII. kam man auf den genialen Gedanken, den 1. Mai zum Gedenktag „Josef des Arbeiters“ zu machen. Dass ich, das noch nicht gewusst habt zeigt, dass auch dieser Plan von der ignoranten Gesellschaft nicht wahrgenommen wurde. Gut so.

Sisters of Mercy Tour 2025: Barmherzigkeit für die Schwestern?

Im Juni 2025 sind die Sisters Of Mercy wieder auf einer Kurz-Tour durch Deutschland. Was früher ein Grund für herzklopfende Vorfreude war, löst jetzt etwas zwischen betretendem Schweigen und lautem Empören aus. Immer noch hat Andrew Eldritch kein neues Material herausgebracht und nach einigen desaströsen Auftritten in den letzten Jahren habe auch viel Fans den Glauben an die Band verloren. Irgendwann ist selbst das stärkste Nostalgie-Gefühl gestorben.  In einem Interview, das er Ende 2024 gegeben hat, gesteht er Fehler ein und gelobt Besserung. Doch reicht das für eine Begnadigung durch die Fans?

Bereits vor dem Katastrophenjahr 2023, in dem die Sisters Konzerte abbrachen oder ausfallen ließen, war es nicht gut bestellt um das Ansehen der ehemaligen Kult-Band. Wir titelten unseren Artikel dazu „Demontage einer Legende“ und trafen damit in Szene-Herz. In den letzten Jahren haben die Sister of Mercy eine Schneise der Enttäuschung hinterlassen, zu jedem Konzertereignis finden sich in den sozialen Medien eine Vielzahl von enttäuschten Fans, die ihr Idol und die damit verbundende Nostalgie zu Staub zerfallen sehen. Im Netz finden sich Konzertberichte, die eine deutliche Sprache sprechen:

Puuh, was soll ich zu dem Konzert gestern sagen? Ich fühl mich immer noch irgendwie wie durch den Fleischwolf gedreht und grübele über die Frage, von wem wir eigentlich verarscht wurden.“ (Carsten Weirich, 2017)

Sisters of Mercy starten ein zaghaftes Konzertjahr 2025

Als Anfang des Jahres die Ankündigung in meinen Briefkasten flatterte, dass Konzertveranstalter FK Scorpio eine Tour mit den Sisters ankündigte, ließen meine Gedanken dazu nicht allzu lange auf sich warten. In Kurzform: „Nicht schon wieder!“

Neben einer Spur Aktionismus, andere Menschen davor zu warnen, sich nicht durch einen Konzertbesuch bei den Sisters Of Mercy, die schönen Erinnerungen an ein „damals“ zu zerstören, schwebte nach dem Recherchieren nach weiteren Informationen auch eine Spur Mitleid im Raum. So zeigte sich Andrew Eldritch in einem Interview bei louder.com fast schon ein bisschen reumütig, erzählt sogar von einem neuen Song, den er geschrieben habe.

2023 war wirklich schlimm und es sah aus, als wäre alles meine Schuld gewesen. Ich weiß, dass es nicht so war, aber es sieht so aus, als ob alles auf meiner Seite liegt, was bedauerlich ist. Ich persönlich habe mich also sehr elend gefühlt. Ich fühle mich immer noch elend, wenn ich daran denke, aber wir tun unser Bestes, um sicherzustellen, dass es nicht wieder passiert.

Barmherzigkeit für die Schwestern?

Ja, was wäre es spannend gewesen, wenn sich Andrew Eldritch noch einmal mit einem neuen Album musikalisch zurückgemeldet hätte, Bands aus derselben Zeit konnten sich bereits eindrucksvoll zurückmelden. „Songs Of A Lost World“ von The Cure ist da so ein Beispiel. Allerdings scheint die Flamme verloschen zu sein, denn weder stimmlich noch konzeptionell scheint es bei den Sisters rund gelaufen zu sein. Ob das die Konzertreihe ändern wird?

Ich glaube nicht. Vielleicht hat man ein Loch in der Kasse oder einfach nur wieder Bock, vor Publikum zu spielen. Es sei ihm gegönnt. Ich finde, Andrew Eldritch ist schon fast eine tragische Figur, wirkt er doch manchmal nahbar und sympathisch und dann wieder arrogant und abgehoben. Mitleid oder Verachtung? Ihm ist es offensichtlich egal.

Wie ist es, wenn die Leute dir zurufen: „Andrew, wir lieben dich!“? Ich nehme es nicht persönlich. Genauso wenig wie ich es persönlich nehme, wenn sie schreien: „Du bist ein Versager!“ und die ganze Zeit pfeifen. Wenn ich da oben bin, ist es mein Job, Gott zu sein, und das kann ich ziemlich gut.

Barmherzigkeit für die Schwestern? Was meint ihr? Werdet ihr wieder einmal eurem Nostalgie-Gefühl huldigen und einen der Auftritte besuchen?

Goth Disco Inferno & Dunkle Echos – Szenemusik im Stream

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Seit einigen Jahren ist Streaming in allen Formen und Variationen in unseren Alltag gesickert, nicht nur durch Filme und Fernsehprogramme, sondern auch durch Gaming und auch Musik. Heute werfen ein Ohr auf Thorsten und Michael, die bereits zahlreiche Streams ihrer Musiksendung „Gothic Disco Inferno“ und „Dunkle Echos“ erfolgreich absolviert haben. Seit 25 bzw. 60 Sendungen streamen sie auf Mixcloud Sendungen mit verschiedenen Schwerpunkten und den unterschiedlichsten Genres. Ich habe den Beiden ein paar Fragen geschickt, damit sie sich und ihre Sendungen näher vorstellen können.

Hallo Michael, hallo Thorsten! Mögt ihr euch den Lesern kurz vorstellen?

Michael von Gothic Disco Inferno
Michael von Gothic Disco Inferno

Michael: Ich bin Michael, ich mache seit mehr als einem Jahr das GothDiscoInferno in der aktuellen Form. Angefangen hat es schon viel früher bei Twitter, als ich beim Hashtag #fridaydisco mitgemacht habe.

Damals habe ich die Songs noch als YouTube-Links getweetet, die ich vorher in eine Playlist gespeichert habe. Ich bin dann vor 3 Jahren zu Mastodon gewechselt und habe das fortgeführt. Anfang letzten Jahres hat mich dann Stefan angeschrieben, der zu der Zeit ein Gothic-Radio bei Mixcloud aufbauen wollte.

Er hat mich dann technisch unterstützt und so hat es seinen Lauf genommen. Stefan ist jetzt nur noch im Hintergrund dabei, ohne eigene Sendung. Vorher habe ich selbst Musik gemacht und mich als Musikblogger betätigt. Das baue ich nebenbei unter „VeGaNGoTH“ wieder auf.

Thorsten von den Dunklen Echos
Thorsten von den Dunklen Echos

Thorsten: Ich bin Thorsten, komme aus Kiel, bin Anfang 50, und streame seit Ende November 2024 regelmäßig meine Sendung „Dunkle Echos“ und unregelmäßig die Spezialsendungen „Kleine Echos“ bei Mixcloud.

Ich höre schwarze Musik, seit ich 15 bin, und gehe gern zu Konzerten wie beispielsweise ACTORS, Traitrs oder Grundeis, meist in Hamburg. Ein bis zweimal im Monat bin ich in Kiel als Besucher auf Partys unterwegs, meist bei der „Nightcreatures“ in der Pumpe mit DJ Würfel, seltener bei der „Lost Souls“ in der Traumfabrik mit DJ Schnee.

Ihr findet mich bei Mixcloud, bei Mastodon unter und auf der Webseite zu den Dunklen Echos und Kleinen Echos.

Wie kam es überhaupt dazu, zusammen etwas zu machen?

Thorsten: Ich hab bei Mastodon immer mal wieder entsprechende Videolinks zu Songs
gepostet, Michael ja auch, woraufhin wir in Kontakt kamen. Freitags haben wir dann beide dunkle Musik gepostet, bis Michael auf Mixcloud umstieg. Eine Weile später bin ich auch dahin gewechselt, sodass wir in der Regel zwei Sendungen pro Woche auf die Leute loslassen – ich meist mittwochs ab 21:00 Uhr, Michael wie ein Uhrwerk freitags ab 22:00 Uhr. Es gibt musikalische Überschneidungen, keine Frage, wir fahren aber beide schon einen distinkt eigenen Stil. Ich beispielsweise habe einen Hang zu weiblichem Gesang, der relativ häufig in meinen Sendungen zu finden ist. Faith And The Muse, Kalte Nacht, Saigon Blue Rain, Rue
Oberkampf und ähnliche Bands sind regelmäßig in meiner Playlist zu finden.

Michael: Stimmt, wir haben schon jeder unsere Eigenheiten. Mein Fokus liegt auf
neuen und unbekannten Bands, von denen es erstaunlich viele gibt. Gleichzeitig
haben wir auch ein paar gemeinsame Favoriten.

Während ihr streamt, seid ihr im Chat anwesend, wo ihr mit den Zuhörern interagiert. Worum geht es in den Gesprächen und welche Fragen stellt man Euch am häufigsten?

Michael: Da die Musik quasi von allein spielt, habe ich die Möglichkeit, im Chat mit den Zuhörenden zu schreiben. Ich poste dort auch Bandcamp-Links und ergänzende Infos zu den gespielten Titeln. Da wir mittlerweile schon ein kleines Stammpublikum haben, das sich auch untereinander von Mastodon kennt, geht es oft auch privat zu. Und „Running Gags“ gibt es auch.

Thorsten: Es gibt manchmal auch Anekdoten zu Liedern oder Bands, die jemandem einfallen. Und manchmal ist es im Chat auch einfach still, weil alle der Musik lauschen oder nebenher noch was anderes machen. Letztlich ist der Livestream doch eine Musiksendung wie im Radio, nur ohne Moderation.

Sind die Sets fest geplant oder reagiert ihr auch auf eure Zuhörer, was Stimmung oder Musikwünsche angeht?

Thorsten: Wir erstellen für die jeweilige Sendung Sets, die wir abspielen. Ich hab ein paar Mal auf Mastodon beim Stammklientel angefragt, ob sich wer was wünschen möchte, das wurde tatsächlich nur ein oder zweimal genutzt. Da scheint es kein Interesse zu geben. Ich kann für mich aber sagen, dass ich meine Pappenheimer ein bisschen kenne und schon manchmal die ein oder andere Band mit hineinnehme, weil ich weiß, dass es die Person sehr freut. Und dann freue ich mich mit. Faith And The Muse oder Chameleons sind Beispiele dafür und ein Hörer findet eine kleine Metalstrecke immer gut. Aus eigener Erfahrung als regelmäßiger Partygänger weiß ich aber auch, dass sich ein gewisser Teil der Musikauswahl bei jeder Party wiederholt, was ich für meine Sendung ein bisschen langweilig fände.

Ich drücke mich mit meinen Sendungen auch aus. Ich erstelle meine Sets fast immer erst am Tag der Sendung und gehe da viel nach Gefühl und aktueller Stimmung bei mir vor. Ich feile nicht stundenlang an der Reihenfolge oder so, das hätte für mich etwas von Hausaufgaben, ich möchte selbst an der Sendung auch Spaß haben und das funktioniert für mich nicht, wenn ich da zu viel plane oder die Sendung schon zig Mal durchgehört habe.

Was mir sehr gefällt: Seit ich die Sendung mache, schaue ich viel aufmerksamer nach neuen Bands und Liedern, mein Interesse hat sich da ziemlich erweitert. Ich bin regelmäßig auf postpunk.com unterwegs, bei discogs.com, bei den Neuerscheinungen bei YT Music und schaue auch bei spontis.de ab und zu rein.

Michael: Das stimmt, die Playlist steht vorher fest, dadurch kann ich leider nicht auf spontane Wünsche reagieren. Wenn Vorschläge kommen, versuche ich die in die nächste Sendung einzubauen. Manchmal bekomme ich vorher Musiktipps, die können dann ins Set kommen. Ich spiele viel neue und weniger bekannte Musik, das gefällt den Hörenden gut. Wenn eine Band gut ankommt, höre ich tiefer rein und spiele künftig mehr davon.

Ihr stellt Sets ohne Moderation zur Verfügung, dabei wäre es doch vielleicht ganz cool, wenn ihr Bandspecials mit entsprechenden Inhalten unterlegt. Wie seht ihr das?

Michael: Tatsächlich denke ich oft darüber nach, moderierte Sendungen zu machen. Allerdings sehe ich das GothDiscoInferno mehr als Gothic-Party denn als Musik-Podcast.

Thorsten: Wir witzeln ab und zu, dass wir vielleicht mal zusammen eine echte
Party in Person veranstalten könnten, ein bisschen so wie Gildentreffen bei
Onlinecomputerspielen, aber an Moderation während meiner Sendungen denke
ich nicht.

Im Internet gibt es unzählige Möglichkeiten zu streamen, ihr könntet beispielsweise auch auf Twitch etwas machen. Warum habt ihr euch für Mixcloud entschieden?

Michael: Twitch hat zudem den Nachteil, dass es soweit ich weiß im Grunde nicht erlaubt ist, dort Musik zu streamen, an denen man nicht die Rechte hat. Es ist sozusagen ein Graubereich, da es viele Streamer gibt, die sich nicht daran halten.

Thorsten: Mir war es auch wichtig, dass die Angelegenheit rechtlich in Ordnung ist. Das ist bei Mixcloud der Fall. Neulich stieß ich auf einen Artikel über Youtube, wo es auch Zahlungen und Abmachungen der Plattform mit den Vergütungsgesellschaften gibt. Ich überlege, ob ich meine Sendungen auch dort hochlade, da das rechtlich abgesichert ist.

Mixcloud gibt an, mit Plattenlabels und den Rechteinhabern der abgespielten Musik zusammenarbeiten. Wie habt ihr euch im Vorfeld darauf vorbereitet?

Michael: Mixcloud erlaubt im Gegensatz zu Twitch ausdrücklich, Musik zu streamen, weil sie wie du sagst, Vereinbarungen mit verschiedenen Verwertungsgesellschaften abgeschlossen haben, so dass auch die gespielten Künstler vergütet werden können. Diese Rechtssicherheit war für Stefan das entscheidende Argument, Mixcloud als Plattform zu wählen.

Thorsten: Mir war und ist es total wichtig, dass da nicht irgendwann eine Unterlassungsklage mit Kostennote ins Haus flattert, deshalb kommt etwas anderes als Hobbyprojekt für mich aktuell nicht in Frage. Mixcloud hält darüber hinaus noch einige Regeln vor, was die Anzahl der Bands und Alben innerhalb einer Sendung betrifft. Das macht es ein bisschen schwierig, Bandspecials zu konzipieren, in denen nur eine Band im Fokus steht. Deshalb hab ich mich bei den „Kleinen Echos“ auf Tributes-Sendungen spezialisiert, wo ich nicht so stark gebunden bin. Bisher hatte ich Tributes-Sendungen zu The Cure, DCD, NIN, Depeche Mode und Siouxsie.

Könnt ihr euch vorstellen auch mal „in Echt“ aufzulegen und gemeinsam
auf einer Party oder eine Clubnacht aufzulegen?

Michael: Ich auf jeden Fall, allerdings sind die Gothic-Partys, die ich so kenne, schon versorgt.

Thorsten: Wie schon angedeutet, steht so eine Party als kleines Communitytreffen als kleine Spinnerei vielleicht in den Sternen – zumindest träume ich manchmal davon, unsere Leute mal live zu unterhalten und sie persönlich kennenzulernen. Bis dahin freue ich mich, wenn ab und zu Leute in den Livestream reinschauen und sich an den Aufnahmen später bei Mixcloud erfreuen.

Und natürlich, wie könnte es anders sein. Eure Top 5 Goth-Forever-Songs?

Thorsten: Oh fuck, das ist schwierig! Es folgt ausdrücklich eine Momentaufnahme in willkürlicher Reihenfolge:

Michael: Ja, 5 sind wirklich wenig. Auf jeden Fall gehören dazu:

Vielleicht nehmt ihr euch in den Kommentaren ein bisschen Zeit, eure Erfahrungen mit Streaming zu teilen. Was findet ihr an Streaming gut, was gefällt euch nicht so? Wie und wo konsumiert ihr solchen Sendungen.

Kurzgeschichte: Eurydikes Rückkehr aus der Gruft

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Orpheus, Ausnahmekünstler und Gesangstalent, der mit seiner dunklen, sanften Stimme selbst die finsteren Götter der Unterwelt zu herzzerreißendem Schluchzen zu rühren vermochte, saß voller Trauer und Verzweiflung auf einer Lichtung im Wald. Trauer fühlte er über den Tod seiner Liebsten, Eurydike, die ihm vorzeitig durch den Biss einer Giftschlange entrissen worden war, Verzweiflung über sein eigenes Versagen, als er die Chance vermasselt hatte, sie wieder ins Reich der Lebenden zurückzuholen.

Er war nicht imstande gewesen, die Bedingung, welche Hades, der Herrscher der Unterwelt, für ihre Rückkehr gestellt hatte, zu erfüllen: Er hätte sich auf dem Weg aus dem Reich der Schatten zurück ins Licht, nicht nach Eurydike umdrehen dürfen.

Orpheus, der eine Gitarre in der Hand hält, dreht sich zu Eurydike um

Nun, da er sie erneut verloren hatte, war der Schmerz noch gewaltiger und brach sich Bahn in einem Klagesong für seine Geliebte. So viel Trauer vereint mit so viel Schönheit drang bis in die Herzen der Bäume hinein und erschütterte selbst die Felsen bis ins Mark. Ach, wenn doch Hades zuließe, dass Eurydike dort unten bei den Schatten sein Lied hören könnte! Ach, wenn es ihr doch erlaubt wäre, ihm ein Zeichen zu senden, um ihm zu zeigen, wie sehr sie sein Lied rührte! Aber ein zweites Mal gewähren die Götter der Unterwelt den Sterblichen keine Gnade.

Erbarmen wurde dem Sänger aber dennoch zuteil, von einer alten, im Wald lebenden Seherin. Da Orpheus ihr leidtat, bot sie ihm ihre Hilfe an. Sie wüsste eine neue Möglichkeit, wie Eurydike sich ihm dennoch mitteilen könne. Orpheus müsse ihr nur ein Bildnis seiner Liebsten zukommen lassen und ihr verraten, wo sich beide oft aufgehalten hätten, damit sie dort das Echo von deren Stimme einfangen könne, um ihr wieder Sprache zu verleihen. Orpheus tat, was er geheißen worden war.

Nach einigen Tagen war die Begegnung mit der Seherin in Orpheus‘ Erinnerung nahezu verblasst, aber ein kleiner Funke Hoffnung glomm dennoch in seinem Herzen, und sein Gesang für Eurydike verstummte selten.

Daher bemerkte Orpheus am siebten Tag auch nicht, wie aus dem Schatten der Bäume plötzlich eine Frauengestalt hervortrat. Mit der Anmut einer Unsterblichen schritt sie über die Lichtung auf ihn zu. Als Orpheus ihrer gewahr wurde, zweifelte er an seinem Verstand und es verschlug ihm zunächst die Sprache: War dies wirklich seine über alles geliebte Eurydike, die da in vollendet strahlender Schönheit vor ihm stand?

Ihre Proportionen waren noch perfekter als vor ihrem Tod, ihr rabenschwarzes Haar wallte noch üppiger über ihre Schultern, ihre Gesichtszüge erschienen noch makelloser als je zuvor. Aber war das denn möglich?  Handelte es sich nicht vielmehr um die Ausgeburten eines vom Schmerz zerrütteten Geistes, der bereits halluzinierte?

Eurydike umgeben von Fledermäusen

Wie um ihn von der Richtigkeit seiner Wahrnehmung zu überzeugen, sprach sie ihn an:

Orpheus, Liebster!„, säuselte sie mit einer honigsüßen Stimme, die nicht von dieser Welt schien.

Unterlass dein katastrophal kakophonisches Geklampfe. Mich brauchst du nicht mehr von deiner Talentlosigkeit zu überzeugen, die bei den Musen Ohrenschmerzen auslöst. Die Götter der Unterwelt haben mich trotz deines Versagens schließlich doch nach oben geschickt, um dich zu beruhigen, damit du ihnen mit deinem grauenhaften Gejaule und Gejammer nicht länger auf die Nerven gehst. Man ist dort unten in der Finsternis einiges an schrägen Klängen gewöhnt, aber dein seichter Singsang, der sogar gräfliche Gruftschlager noch an Unerträglichkeit überbietet, hat dafür gesorgt, dass selbst der dreiköpfige Kerberos seinen Job als Gatekeeper der Unterwelt nicht mehr ausüben möchte. Er hat sein Kündigungsgesuch bei Hades eingereicht. Eigentlich wollte auch ich gar nicht zu dir in die Oberwelt zurückkehren, aber wer wagt schon, die Wünsche des Hades zu ignorieren?“

Orpheus Herz krampfte sich zu einem Eisklumpen zusammen, kälter als jedes Herz, das je von einem Splitter aus des Teufels geborstenem Spiegel getroffen worden war. Sein Gesichtsausdruck erstarrte und seine Wangen wurden aschfahl. Mit tonloser Stimme murmelte er:

Wenn du meine Musik und mich so sehr verachtest, warum bist du dann überhaupt zu mir zurückgekommen?

Eurydikes Stimme klang nun klar, kalt und schneidend:

Um dir zu übermitteln, dass du dein pseudo-waviges Gewinsel auch hier oben einstellen sollst! Das dringt nämlich bis zu uns nach unten in die Gruft und beleidigt dort noch immer unsere ästhetisch empfindsamen Gehörgänge. Es wäre in der Tat besser, du hättest keine Zunge mehr hinter den Zähnen und keine Finger mehr an der Hand. So könntest du weiteren Versuchungen, die Musen zu kränken, besser widerstehen!

Kaum waren diese Worte gesprochen, verschwand Eurydikes Gestalt ebenso plötzlich im Schatten, wie sie zuvor aus demselben hervorgetreten war. Orpheus Blick fiel auf einen alten, morschen Baumstumpf, der einen modrigen Verwesungsgeruch verströmte. In der Rinde desselben steckte ein stählernes Skalpell, das seine Aufmerksamkeit erregte. Sein Puls beschleunigte sich, seine Ohren wurden von einem dumpfen Pochen erfüllt. Durch sein Gehirn zuckten Blitze:

Kakophonisches Geklampfe„, „Talentlosigkeit„, „pseudo-waviges Gewinsel„, „In der Tat wäre es besser…“ Orpheus tat einen Schritt auf den Baumstumpf zu.

Der Ghostbot, von der mitleidsvollen Seherin generiert und mit dem Echo von Eurydikes Stimme gespeist, um Orpheus Schmerz zu lindern, hatte eine eigene Vorstellung davon entwickelt, wie man der Trauer des Sängers ein Ende setzen könnte.

Ein Baumstumpf, in dem ein Messer steckt

Angeregt wurde dieser Text durch:

30 Jahre „Tanz der Vampire“ – Partyporträt in der Lokalzeit Münster

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Am kommenden Samstag, den 19. April findet der Sputnikhalle in Münster ein ganz besonderes Jubiläum statt, den seit 30 Jahren gibt es dort die Gothic-Party „Tanz der Vampire„, die jeden dritten Samstag im Monat dort stattfindet. Zum Jubiläum gab es dann auch eine Art von Ritterschlag des öffentlich-rechtlichen WDR, der in seiner Lokalzeit einen kurzen Einblick in die Geschichte der Party gibt und Menschen zu Wort kommen lässt, die sich dort an solchen Abenden tummeln.

Herausgekommen ist ein kleiner, aber feiner Einblick in die Hintergründe der Macher und vor allem die Beweggründe der Leute, die da über die Tanzfläche schlurfen. Eine bewundernswert durchwachsene Mischung aus den unterschiedlichsten Grufti-Generationen, das sich auch in einigen der Playlisten spiegelt, die ich im Netz gefunden habe. Allerdings möchte ich vor allem das, was die Besucher über das Lebensgefühl gesagt haben, herausstellen.

Gothic ist nicht nur Klang, sondern auch Haltung

Gothic ist dann auch eine ganze Menge Lebensgefühl und eine ganze Menge Akzeptanz auch von den schlechten Sachen, durchaus auch Trauer. Die einen rennen dann 20 km durch den Wald, die anderen heben Gewichte und ich tanze.

Darin steckt viel mehr Wahrheit, als dieses einfache Zitat wiedergeben kann. Ich möchte allerdings nicht zu sehr ausholen, denn auch der Bericht beschränkt sich darauf, in 3 Minuten einen kurzen Einblick zu geben und kann sicherlich nicht zeigen, was so eine alt eingesessene Party für die Besucher bedeutet. Gerade, wenn sich – wie hier in der Sputnikhalle – Alt und Jung auf Augenhöhe begegnen.

Am kommenden Ostersamstag, dem 19. April 2025, könnt ihr dann eintauchen und eurem Lebensgefühl auf dem „Tanz der Vampire“ freien Lauf lassen. Zum 30. Jubiläum gibt es dann auch neben einer Geburtstagstorte, einem BBQ auch Jahreskarten und Getränkekarten zu gewinnen gibt.

Beginn ist 21:00 Uhr – der Eintritt kostet 8€

30 Jahre Tanz der Vampire Flyer