Die kommende Woche steht ganz im Zeichen des Exorzismus. Nicht nur, weil Conjuring 3 die frisch eröffneten Kinos in Angst und Schrecken versetzt, sondern auch wegen einer spannenden Dokumentation, die wir uns in den nächsten Tagen gemeinsam ansehen werden. Den Anfang macht allerdings unsere audiovisuelle Reihe „Formel Goth“, denn Kat von D hat sich auch vom Thema inspiriert gefühlt. Doch auch die anderen Künstler zeigen sich entweder klanglich verhaltensauffällig oder musikalisch besessen. Jedenfalls wenn man das Bild zugrunde legt, das uns Filme von der Teufelsaustreibung einpflanzen.
Kat Von D – Exorcism
Was passiert, wenn man zu viele Exorzisten-Filme anschaut, zeigt Kat von D in ihrem neuesten Video. Die amerikanische Tattoo-Künstlerin, die schon seit einiger Zeit neue Betätigungsfelder ohne Nadel sucht, hat sich nämlich nach exzessivem Genuss von derartigen Filme dazu inspiriert gefühlt, das Stück „Exorcism“ zu schreiben. Im Fahrwasser der Teufelsaustreibung schwimmt dann auch gleich ihr Debütalbum, mit dem sie sich als Solokünstlerin etablieren möchten. Bei mir etabliert sie sich leider nicht. Weder musikalisch noch mit dem recht eigenwilligen Video.
A Cloud Of Ravens – World On Fire (Clan of Xymox Remix)
Die aus New York stammende „Wolke der Raben“ hat eine Remix-Version ihres 2021 erschienen Albums „Another Kind Of Midnight“ veröffentlicht, auf dem sich auch der Clan of Xymox die Ehre geben und den Track „World On Fire“ einen anderen Anstrich verpassen. So gefällt es mir schon viel besser.
Camlann – 1983
Heute gibt es Indonesisch. Am musikalischen Herd stehen Ony Godfrey (17), Bayu Triyudanto (17) und Fauzan Pratama (16) mit ihrer Band Camlann. Die blutjungen Nostalgiker aus Jakarta in Indonesien haben sich von so ziemlich allem beeinflussen lassen, was einmal mit Synth/Wave die frühen 80er dominierte. So klingen die Indonesier wie ein Mashup aus einem ganzen Jahrzehnt Musikgeschichte, die dann auch noch irgendwie so creepy rüberkommen, dass es fast schon authentisch wirkt.
REIN – Reincarnated
Die schwedische Künstlerin REIN, die mit ihrem Debütalbum „Reincarnated“ nicht nur die schwedische Electro-Fachpresse beeindruckte, hat ihrem Album auch eine Art Kurzfilm gewidmet, der neben der Songs ihres Debüts auch eine Art Geschichte liefert. Das Weltuntergangsszenario in Cyberpunk-Optik passt nicht nur zum Sound der Schwedin, sondern auch zu den Inhalten der Songs und verleiten den Hörer vielleicht eher zum lohnenswerten Kauf bei Bandcamp.
Es erscheint doppelt absurd. Während auf manchen Friedhöfen die Toten der Pandemie begraben werden, feiert man auf anderen Friedhöfen während der Pandemie das Leben. Menschen entdecken während der vielen Lockdowns in der Vergangenheit den Gottesacker als Veranstaltungsort für ihre Freizeitaktivitäten. „Yoga auf Gräbern, aggressive Radfahrer, FKK-Sonnenbaden auf Friedhofswiesen: Immer häufiger würden während der Corona-Pandemie die Regeln auf Friedhöfen missachtet…“ Ist das ein Auswuchs gesellschaftlicher Verrohung oder Rückeroberung von Tabuzonen als Lebensraum?
In Berlin ist es schon 2020 zu einer Belebung der Friedhöfe gekommen, da öffentliche Einrichtungen im Lockdown geschlossen bleiben mussten. Tillmann Wagner, Geschäftsführer des Friedhofverbands, berichtet von Mutter-Kind-Partys, 150 Jahre alte Kapellentüren als Torersatz für Fußball spielende Kinder, Gymnastik auf Gräbern und Mountainbike-Fahrer, die den Friedhof als Parkour entdeckt haben. Mitarbeiter, die solche Menschen auf ihr Verhalten ansprachen, berichten von Pöbeleien und Aggressionen, auch gewalttätige Übergriffe soll es schon gegeben haben.
Neben diese Extremen sprechen allerdings auch viele von einer sehr angenehmen Öffnung der Friedhöfe als Kulturraum, so Stadtplaner Martin Venne gegenüber dem Deutschlandfunk: „Die Friedhöfe selber sind auf dem Weg, sich zu öffnen. Weil natürlich auch immer mehr Flächen frei werden. Und so öffnen sich auch Räume, in denen Freizeit und Erholungsnutzung wirklich stattfinden kann.“ Gruftis sehen sich schon seit Jahren in Konkurrenz mit „bunten“ Leuten, die den Friedhof als Rückszugsort nutzen. Lesen, spazieren, joggen oder auch picknicken, nicht erst seit 2020 nutzen immer Menschen die Einsamkeit uns Stille der weitläufigen Parkanlagen.
Im europäischen Ausland, wie beispielsweise in London, ist man da meiner Erfahrung nach schon einige Schritte weiter. Dort sind Friedhöfe längst im Leben der Stadt integriert und werden für allerlei Freizeitaktivitäten und kulturelle Veranstaltungen genutzt. Inklusive unerwünschter Randerscheinungen, wie Drogensucht, Vandalismus und Graffiti.
Ein normales Wochenende auf dem Friedhof Abney Park in London. Der privat organisierte Verein „Freund von Abney Park“ veranstaltet zahlreiche Events auf dem Friedhof. Neben Führungen, Ausstellungen und Konzerten auch Entdeckungstouren und Schnitzeljagden für Kinder.
Friedhofssatzung bestimmt, was man auf einem Friedhof darf
Was auf einem Friedhof geht und nicht geht, regelt in Deutschland die jeweilige Friedhofssatzung, die höchst unterschiedlich ausfallen kann. Während an manchen Orten sportliche Aktivitäten, Picknicks oder Hundespaziergänge erlaubt sind, können sie gleich ein paar Straßen weiter streng verboten sein. Häufig spricht man in Satzungen und Regelwerken von der „Würde des Ortes“. Dabei sind viele Friedhöfe öffentliche Einrichtungen, die von jedem Bürger genutzt werden dürfen. Allein das dürfte wohl einige Regelungen zumindest fragwürdig erscheinen lassen.
Es bleibt also schwammig, was auf Friedhöfe erlaubt und was verboten werden sollte, wo die „Würde der Toten“ verletzt und wo der Friedhof als Freizeitort in das kulturelle Leben einer Stadt integriert ist. Tillmann Wagner sieht Versäumnisse in der Erziehung: „Das Problem ist: Eltern bringen ihren Kindern Friedhof nicht mehr bei. Mütter gehen mit Kindern über Friedhöfe und reißen Tulpenzwiebeln aus dem Boden und sagen, die pflanzen wir zuhause ein. Viele lernen nicht mehr, für was ein Friedhof eigentlich steht.“
Die sogenannte Totenruhe ist ein weißer Schimmel, redundante Kackscheiße, reine Schikane. Aber gut, der Tod war auf seine drollige Art ja schon seit jeher so etwas wie der natürliche Gegenspieler des Lebens. Unter dem Gesichtspunkt war das verkniffene Theater immerhin fast konsequent.
Eine Sache der Erziehung?
Wir haben alle unterschiedliche Erziehungen genossen und haben ein sehr individuelles Bild, wofür ein Friedhof steht. Eine allgemeingültige Wahrheit kann es nicht geben. Für uns Gruftis war der Friedhof immer schon ein Ort der Inspiration und Ruhe, den wir liebend gerne dazu genutzt haben in der Vergangenheit zu baden, morbide Ästhetik zu genießen oder auch um möglichst ungestört zu picknicken. Das sorgte in der Vergangenheit noch für wilde Spekulationen von Grabschändungen und dunklen Ritualen, heute nur noch für ein müdes Lächeln. Wir mussten uns immer schon mit dem Rest der Friedhofsbesucher auf eine friedliche Koexistenz einigen.
Ein Rezept, was vielleicht auch heute noch anwendbar ist. Gegenseitiger Respekt. Nicht unbedingt gegenüber der Toten, sondern vielmehr gegenüber der Menschen, die einen Friedhof nutzen und den Gräbern, die sie als letzten Erinnerungsort eingerichtet haben. Es ist einfach höflich, nicht neben einer Gruppe trauernder Menschen, die gerade einen Angehörigen beerdigen, ausgelassen zu feiern. Es ist respektlos, an der Frau, die Blumen auf das Grab ihres verstorbenen Mannes legt, klingelnd vorbeizuradeln. Genauso wäre es schade, den Friedhof nicht als Lebensraum in die Freizeitaktivitäten einzubinden. Denn irgendwie fördert das doch auch einen natürlicheren Umgang mit dem Tod selbst, wenn Friedhöfe nicht mehr die gruseligen Orte der Toten sind, sondern Begegnungsstätten mit der Vergänglichkeit.
Wie seht ihr das? Verlieren wir unsere Rückzugsorte an die „Normalos“? Wann werden Friedhöfe entweiht? Welche Aktivitäten gehen für euch auf einem Friedhof gar nicht und welche findet ihr völlig okay?
Als ich das neue Jahr und das neue Jahrzehnt im Januar 2020 mit meinem ersten YouTube-Kanal begrüßte, wusste ich noch nichts von Videos, Likes und Dislikes, von Abonnenten und von Pandemien. Ich hatte mir herzlich wenig Gedanken darüber gemacht, ob ich mit den Reaktionen auf meine Video-Ideen klarkomme. Schließlich war ich ziemlich lange beim Radio und wusste, was es bedeutet, wenn man sich in die Öffentlichkeit begibt. Das dachte ich zumindest. Allerdings hatte ich die Rechnung ohne den Zeitgeist gemacht, ohne die Urheberrechte und vielleicht auch ein wenig ohne meinen Charakter. Das muss ich erklären, oder?
Meine Idee war, Gothic nicht „von oben“ zu betrachten, als schwebe man mit einer Drohne über der Subkultur. Erklär-Bären gibt es ja mehr als genug, die dozieren, detaillierte Musikgeschichte auf den Tisch knallen, oder eifrig beweisen wollen, dass wir alle genauso sind wie der Rest der Gesellschaft und gefälligst akzeptiert werden wollen – was by the way nicht meinem Empfinden entspricht, aber egal! Wieder andere werden nicht müde, zu suggerieren, dass Gothic sowas wie ein stundenlanger Schminkkurs für Fortgeschrittene ist – und damit meine ich nicht AlexxBotox, der ganz wunderbar authentische Videos macht. Empfehlung!
Beim Blick auf Instagram glaube ich ja manchmal selber, dass Gothics jeden Tag megagestylt mit perfektem Make-up und noch perfekterer Figur in individuell-düsteren, Theater-reifen Klamotten rumlaufen und dabei wahlweise lasziv, böse oder versteinert, aber immer wie in Weichzeichner getaucht und maximal melancholisch aus der Wäsche gucken. Ich kenne eher Gruftis im ausgeleierten Bauhaus-Shirt mit schwarzer Jeans und rausgewachsenem Sidecut. Klar, brezeln die sich auch auf, wenn es auf ein Festival geht, aber…. Ich schweife ab!
Ich wollte in meinem YouTube-Kanal andere Inhalte – weniger glattgebügelt, weniger schön und weniger künstlich – ohne perfekten Hintergrund aus Klischee-Düsternis und ohne tolle Gewänder, die ich sowieso nicht im Kleiderschrank habe. Ich bin ja nun Mal seit geraumer Zeit Teil der Subkultur und wollte einfach ICH sein. Das fand ich authentischer als jede vom Bildschirm abgelesene Erklärung. Die Zutaten sollten Freizeitaktivitäten, Festivals, Märkte, Urlaube, Wohnen, Hobbys, Tiere, Klamotten – alte Bravos, viele Erinnerungen und Alltag sein. Das hat bei uns ja alles von Natur aus einen gruftigen Touch. Kaum hatte ich aber verstanden, was Softboxen sind, und warum mein Mikro so scheiße klingt, kam Corona. Und hätte es Corona nicht gegeben, hätte sich fast das gleiche Bild ergeben.
Alles verboten!
Ich sortiere mal aus heutiger Perspektive aus, damit der Text sich nicht in die Länge zieht. So ziemlich alle Ideen, die irgendwie mit Musik oder Eintrittsgeld zu tun haben, kommen direkt in den großen Geht-Nicht-Mülleimer. Wir haben durch Spontis schon genug Abmahnungen bekommen und ich will nichts riskieren. Filmen ist fast überall verboten, wo es spannend werden könnte. Ich musste sogar offiziell anfragen, als ich unsere Fahrradtour durch einen niederländischen Park filmen wollte. Musik ohne Lizenz zu spielen, ist verboten. Das gilt schon, wenn man nur beim Spaziergang an einem Fenster vorbeigeht, aus dem Musik schallt. So kann ich nicht einmal an einem frei zugänglichen Platz filmen, wenn irgendwo ein Radio läuft oder in der Ferne eine Band spielt. Dies verboten, das verboten, alles verboten. Und durch die neuen Uploadfilter ist das jetzt auf die Spitze getrieben worden. Wer möchte, kann danach ja mal googeln.
Am Anfang habe ich noch versucht, für Locations Filmgenehmigungen zu bekommen. Aber wer antwortet bitte einer YouTuberin mit weit unter 1000 Abonnenten und lohnt sich der Aufwand überhaupt? Reaction-Videos auf Gothic-Filme oder auf TV-Serien und Dokus konnte ich aus diesem Grund übrigens auch nicht machen. Darf man offiziell nicht. Ich weiß, machen trotzdem alle – ich nicht! Im Gegensatz zu Spontis habe ich schließlich keine Community, die bei Abmahnungen finanziell aushilft. Und die Fernsehsender haben gute Anwälte.
Ich will nicht zu sehen sein!
Ein weiteres Problem: Andere Gruftis, mit denen man unterwegs ist, haben nicht unbedingt Bock, auf YouTube zu landen. Verständlich! Also gab es ein wildes Jonglieren und Schneiden, um Leute aus den Filmen zu bekommen, die nicht gezeigt werden wollten. Und selbst wenn sie zugestimmt hatten, wollten sie diese oder jene Szene doch lieber nicht. Und es waren bislang nicht viele Leute mit uns unterwegs, weil Corona reinkickte und eh nichts stattfinden konnte. Also: Veranstaltungen, Museen, Festivals, Konzerte, Urlaub, Sehenswürdigkeiten – alles raus.
Ein paar Ideen hatte ich noch. Ich entwarf eine Gothic-WG bei den SIMS und dachte an einen Let’s-Play-Kanal „Let`s play darker“. Als ich gerade mit der WG durchstarten wollte, wurde mit klar, dass ich auch mit Games die Urheberrechte verletze – so ganz ohne Vertrag mit den Lizenzinhabern. Eine erste Warnung bekam ich prompt, weil in einer Spielszene eine Musikbox lief. Die Szene musste ich stumm schalten, meine Kommentare damit auch. Allerdings interessierten sich eh nur wenige Leute für meine Gaming-Versuche.
Okay, ich machte ein paar Unboxing-Videos und stellte Gothic-Markthändler vor, die ihre Ware in Corona-Zeiten online verkauften. Support your local Gothic-Dealer oder so. Das war auch schnell durch, denn mein Geld ist endlich. Außerdem entspricht meine Figur der einer gut genährten Frau mit vielen Kurven, sodass ich Klamotten gar nicht erst bestellt habe. Passt ja eh alles nicht. Und schwarze T-Shirts in XXL im Versandhandel zu bestellen, ist nicht besonders spannend.
Die Idee mit den BRAVOS
Was war mit den Erinnerungen an die frühe Szene? Ja, coole Idee! Aber so wahnsinnig spannend ist es auch nicht, andauernd von einer Disco in einer Kleinstadt zu erzählen, wo sich in den 80ern ein paar Gruftis, Punks, Mods und wasauchimmer getroffen haben. Meine Jugend war toll, ist aber 30 Jahre später kein YouTube-füllendes Programm. Alte BRAVOS sind da schon spannender.
ZACK – wieder das Problem mit dem Urheberrecht. Ich rang einem Mitarbeiter der BRAVO und einem des Musikexpress die Zusagen ab, dass ich aus den alten Heften vorlesen und die Bilder zeigen darf. Allerdings war mir schon klar, dass eine lapidare E-Mail keinen Lizenzvertrag ersetzt und dass Fotografen und Autoren sicher nicht alle jubeln, wenn ich ihre Werke ungefragt vortrage. Leider kann man das Vorlesen eines kompletten Artikels auch nicht mit dem Zitatrecht entschuldigen. Da sich aber nur sehr wenige Leute für meine wundervollen 80er-Jahre-Videos zu Glanzbildern, Monchichis, Bazooka-Kaugummis und Fix und Foxi interessiert hatten, blieb mir keine andere Wahl als alte BRAVO-Artikel vorzulesen und meine Erinnerungen reinzumischen.
Also RISIKOOOO! Erwähnte ich schon, dass ich zum Gedankenkarussell neige und eventuell drohende Abmahnungen nicht einfach verdrängen kann?
Lasst die Motz-Spiele beginnen
Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, der muss mit Gegenwind rechnen. Ist klar. Kenn ich! Dachte ich… Allerdings ist meine aktive Radiozeit schon etwas her und Radio 1995 ist nicht mit Internet 2021 vergleichbar. Ich hatte natürlich sofort einen Hater, der jedes Video ungesehen, Sekunden nach dem Upload mit „Gefällt mir nicht“ versehen hat. Also nach dem Hochladen immer direkt eins in die Fresse. Richtige Influencer und Promis lachen über diesen einen Hater. Ich halte ihn für erwähnenswert, denn auch im Einzelfall ist hassvolles Rumgerotze im Internet widerlich und verachtenswert.
Was mich tierisch gefreut hat: Viele Abonnenten haben ihre Erinnerungen in den Kommentaren geteilt und inhaltlich auf meine Videos reagiert. Leider musste ich aber auch viele Leute sperren – muss ich nicht näher ausführen, oder? Die hatte ich dann teilweise danach als weitere Hater an der Backe.
Ich werde mich niemals an diesen Ton und dieses zwanghafte Kritisieren in den sozialen Medien gewöhnen. Zumal das Gekotze bei YouTube unter kostenlos (!) zur Verfügung gestellter, kreativer Arbeit von Nicht-Profis steht, die sich viel Mühe geben. Ich will und werde nicht verstehen, warum sich 2021 jeder gezwungen sieht, seine Meinung zu absolut allem in die Welt zu posaunen – oft undifferenziert und unhöflich formuliert. Und wenn man keine Meinung hat, dann sucht man eben Fehler und posaunt die raus. Ich habe mich nie älter gefühlt … unsereins findet das nicht „normaaaaal“, sondern extrem unhöflich, aber ich hör schon auf mit „Früher war alles besser!“
Nix wie weg!
Auf der anderen Seite habe ich sehr viele E-Mails von lieben Menschen bekommen, die mir geschrieben haben, dass sie meinen Kanal mögen. Komischerweise ging es aber irgendwann nicht mehr nur um meine Videos, sondern Leute rückten mir persönlich auf die Pelle. Hier kickt nun meine Persönlichkeit rein. Mir war das teilweise zu eng. Ich weiß, ich bin ein sauschlechter „Influencer“. Aber man muss ja auch mal zugeben, wenn man etwas nicht kann. Ich hatte diesen Aspekt vollkommen unterschätzt.
Ich habe nur sehr geringe soziale Skills und selbst die versagen regelmäßig. Das sind nicht die besten Voraussetzungen für den Kontakt zur Community. Ich habe mich bemüht, alle E-Mails und Kommentare zu beantworten, war aber schließlich damit überfordert. Ein Hobby soll Spaß machen und nicht das Gedankenkarussell zur Höchstgeschwindigkeit treiben und den Stresspegel aufdrehen.
Hinzu kam, dass immer weniger Leute kommentierten, und dass ich immer weniger Ideen für spannendere Videos hatte. Themen jenseits der Szene wurden kaum geklickt und Szene-Themen gibt es auch nicht so viele in den alten Zeitschriften. Außerdem hielt ich es für blöd, ein Video über beispielsweise Boy George zu machen, wenn ich nicht einmal seine Musik einspielen oder Musikvideos bzw. Interviews einbauen kann. Ein paar eventuell sogar abmahnungsfähige Fotos aus der Bravo sind sehr trockene Kost.
Und mal ehrlich! Wenn ein Kanal nach 18 Monaten und 150 Videos nicht einmal 1000 Abonnenten erreicht, macht man vielleicht auch was falsch. Selbstzweifel ist übrigens mein zweiter Vorname. Und dann kam die Orphi-Speziallösung: Ich lösche das alles wieder! Cooler ausgedrückt könnte man natürlich sagen: Macht kaputt, was euch kaputt macht! Das klingt aber irgendwie doch wieder zu heroisch für meine Flucht aus den sozialen Medien.
Meine YouTube-Kanäle sind gelöscht. Die Facebook-Seite wartet auf die Löschung und bei meinem Instagram-Account bin ich noch nicht ganz sicher, ob ich ihn behalte. Es tut mir leid. Ich habe nicht durchgehalten. Wenigstens ist wieder Ruhe im Kopf. Tschüss, liebe Eulenförster, und vielen Dank für die anderthalb gemeinsamen Jahre. Ich hoffe auf euer Verständnis und vielleicht lesen wir uns ja hier wieder.
Auch der Pflock nutzt das Home-Office intensiv für seine Arbeit. Im Team stören ihn andere Pflöcke immer wieder bei seinen Vorbereitungen, wenn sie ihn mit ihren Geschichten vom letzten Vampir-Herz, in das sie eingefahren sind, nerven oder von ihrem jüngsten Date mit einem spindeldürren Zahnstocher erzählen. Seitdem ist er auch viel ruhiger und präziser geworden bei der Ausführung seiner Arbeit, wohlmöglich, weil er mit seinen Kollegen und vor allem seiner Chefin, Alana Abendroth, deutlich weniger Kaffee konsumieren muss. Das Teufelszeug machte ihn letztendlich zu einem Pflock mit der zittrigen Präzision eines Weidenzauns.
Nachdem Seven dankenswerterweise den Briefkasten zwischenzeitlich etwas ausräumte – habe ich mir die Freiheit genommen, in die seitdem eingetroffenen Nachrichten hereinzuschauen und vorbei zu lauschen. Ich war freudig etwas überrascht, dass trotz der derzeitig kunstfeindlichen Umstände hier eine erstaunliche Vielfalt zusammengekommen ist.
Daher möchte ich vor allem Jenen, die uns zum ersten Mal direkt angeschrieben hatten, vorrangig einen Platz auf der digitalen Bühne von Spontis geben werden und die Label-Geschichten hinten anstellen. Viele von den Hinweisen und Nachrichten sind – der längeren Unterbrechung geschuldet – mittlerweile nicht mehr ganz aktuell, man sehe es uns bitte nach. Aber ist Musik nicht ohnehin zeitlos, erst recht, wenn das Gestern, Heute und Morgen gefühlt zu einer diffusen Masse verschmelzen?…
DTORN – Debütalbum
Der Auftakt sei zu Beginn dem Projekt DTORN überlassen. Geboren aus den schöpferischen Händen Torsten Schneyers tritt dieses in die Fußstapfen seines vorangegangenen „Avantgarde-Metal“-Projekt Adversus. Jenes erschien Anfang der 2000er aus dem Schatten der damaligen Schwarzen Szene. Mit seiner dunkelromantischen Stimmung, getragen einer Mixtur aus (Neo-)Klassik, Elektronik, härterer Gitarre und teils exaltiert vorgetragenem Wortspiel, verschaffte sich das Projekt einige Aufmerksamkeit, bis es ab 2010 in einen Dornröschenschlaf verfiel…
Der Drang, die im Kopf herumspukenden Gedanken in die Tat umzusetzen, wurde allerdings dann doch eines Tages so groß, dass ein neues Projekt geboren wurde:
Du fängst an, Stücke zu schreiben, während die Welt um dich herum durchdreht weil eine irre Orange die Weltbühne mit einem Kindergarten verwechselt, manche Menschen immer noch glauben, Weiß sei eine besonders coole Farbe und andere unbedingt Fledermäuse essen müssen. Du schließt dich ein und beginnst zu arbeiten. Wie ein Irrer. Schreiben. Zeichnen. Komponieren. Verwerfen, Zerreißen, Löschen und alles noch mal von vorne. Nächte unter’m Kopfhörer, voller Kaffee, Rotwein, Schlaflosigkeit … und ziemlich genau ein Jahr später kommst du wieder zu dir und da sind zehn Stücke. Zehn ist eine wundervolle Zahl. Zehn ist ein Album.
Das Album – Projektname und zugleich Wesensbeschreibung – ist mittlerweile komplett in Eigenregie auf der projekteigenen Website veröffentlicht. Zum Reinhören gibt es entsprechende Liedschnipsel bzw. einige Videos. Die bereits zuvor beschriebene Mischung mag sofort wieder an Adversus-Zeiten denken lassen, klingt für mich jedoch beim aufmerksamen Zuhören durch den Verzicht auf härtere Gitarren merklich ruhiger, manchmal ein wenig chanson-artig.
Und hat in seiner Melange ganz klar Charme, wenn man dieser nicht alltäglichen Mischung zugeneigt ist. Doch wer ist dies unter unseren Lesern schon und ganz ehrlich: Wo findet man dieser Tage noch solche Texte…
Thomas Hahn – Rückzug
Das Projekt Janus ist sicherlich einigen Mitlesenden bekannt. Thomas Hahn ist einer der beiden kreativen Köpfe hinter diesem einzigartigen Projekt und hat im Dezember letzten Jahres, inspiriert durch die Pandemie und ihre Begleiterscheinungen, ein Solo-Album veröffentlicht.
Mittels Klavier, feinfühlig hinterlegt mit elektronischen Elementen, wird der Hörer in „Rückzug“ durch neun Titel geleitet, in welchen Herr Hahn die nicht nur ihn beschäftigenden Themen Corona-Lockdown, Alltagssorgen und Midlife-Crisis mit einer ihm eigenen Sanft- und Schwermut verarbeitet.
All jene, die einen Entspannung suchen, ihre Augen schließen und mit ihren Gedanken entfliehen möchten, mag dieses Album vielleicht ein gegebener Anlass sein…
Machiavelli – Hey Little Darling
Bleiben wir noch kurz in ruhigerem Fahrwasser. Machiavelli, ein Solo-Künstler aus Frankfurt am Main, bat Spontis mit seinem Erstlingswerk „Hey Little Darling“ um Erwähnung im nächsten Briefkasten-Beitrag. Im Gegensatz zu seinen beiden, metallischeren Folgewerken geht es hier merklich ruhiger zur Sache…
Der Anfang ist ein Duo aus Chemnitz, welches mit ihrem chanson-artigen Stück „Geisterhaus“ auf Spontis zugegangen ist, Zitat Oase Sommer (Sängerin):
Warum ich denke, dass euch der Song gefallen könnte? Aus meiner Sicht hat es auf jeden Fall was von dunkler Romantik, mit sehr viel Sehnsucht, Poesie und einem Touch verrauchter Hafenkneipe. Abgesehen davon finde ich, dass allein der Titel des Songs ‚Geisterhaus‘ schon ganz schön Grufti-mäßig ist. ;)
Das lasse ich jetzt einfach mal so stehen. Tatsächlich hätte ich nicht erwartet, Derartiges unter den Einsendungen vorzufinden, aber warum eigentlich nicht? Im ersten Moment mag manch einer irritiert die Nase rümpfen. Aber sich dann vielleicht besinnen, dass ernsteres, düsteres Volksliedgut, Moritäten, Cabaret usw. mehr oder minder subtil Einfluss auf die Künstler der Schwarzen Szene nahm und nimmt. Denn hat der größte Horror nicht seinen Ursprung im Menschen? Seien es die Sex Gang Children, Shadow Project, Katzenjammer Cabaret oder Cinema Strange. Dies wären nur einige Beispiele, die mir da spontan im Gothic Wave-Bereich einfallen. Daher mit dem Video zu „Geisterhaus“ einfach mal was anderes für euch:
Crowns On Wires – C
Aus Dresden schrieb uns das „Dreamy Dark Wave“-Projekt Crowns On Wires, welche uns ihre erste Veröffentlichung, „C“, darbieten möchte. Euch erwartet die Gefühlswelt der Sängerin Antje, begleitet von vordergründiger Perkussion, hallender Gitarre und hintergründiger Elektronik. Wem dies nichts ist, dem könnte eventuell dann eher das vor Kurzem veröffentlichte, flottere Stück „this is not“ zusagen.
Art Noir – Poems of An Extinct Species
Art Noir ist das Kind Jan Webers (Ex-Impressions Of Winter), gestreichelt von der Stimme Nadine Stelzers (In Strict Confidence). Bereits „Gloomy Sunday“, im 20. Jahrundert als Selbstmordhymne bekannt geworden, weist den Weg in die Klangwelt des vierten Art Noir-Albums: Warme, sphärische Synthie-Klänge und melancholische Melodien bilden hier – in Abwechslung mit tanzbarer Elektronik („All they left behind“) und Frau Stelzers Stimme – ein solch immersives Werk, welches einen eintauchen und nach dem Erwachen wortlos zurücklässt. Nehmt euch die Zeit und hört hinein.
Insbesondere Herrn Weber sei mit Blick auf seine letztlich lethale Erkrankung ALS, unter deren Einfluss dieses Werk entstand, gedankt und nur das Beste auf seinem weiteren Weg gewünscht.
Nomenclatura – Lie
Anfang der 90s im Synthpop & EBM und später „Elektro-Rock“ beheimatet, möchte uns Die Formation Nomenclatura mit Frontmann Michael Maaß nach 8 Jahren ihre neue 4 Lieder umfassende EP mit dem Namen Lie vorstellen. Einer Mischung aus überwiegend repetetiven, elektronischen Elementen (inkl. synthetischer Hammond-Orgel), Gitarre und etwas Perkussion steht der größtenteils mehr gebrüllte als melodische Gesang von Herrn Maaß gegenüber. Nunja…
Im Stück „Question (unplugged)“ kommt allerdings auch diese Seite im Duett mit einer unbekannten Co-Sängerin zum Vorschein, was dann mich dann mit Blick auf das leere Weinglas doch etwas versöhnlicher stimmt:
Vainerz – Tendency
Mit den Vainerz findet sich hier auch ein Synthie-/ElektroPop-Projekt in bester Depeche Mode-Tradition ein. Mario Förster (u.a. Gesang, Texte) und Rico Ferenc Piller (u.a. Klangdesign & -Arrangement) sind bereits seit den 90s musikalisch aktiv, ersterer mit n.ever.endless, letzterer mit P24 und zuvor D.-Pressiv (hier hört man DeMos „Photographic“ klar heraus).
Ende 2010 auf einer Party zusammengekommen, haben die beiden seitdem ihrer Kreativität freien Lauf gelassen und 2012 den Grundstein für ihre gemeinsame Schaffensphase mit „I Try To Be“ gesetzt. Im Herbst 2020 wurde zuletzt „Tendency“ veröffentlich, auf dem in Hochform die synthetische Elektronik ihrer Vorbilder in allen Ehren gehalten wird. Mir hat dabei „Enemy“ am besten gefallen, die Dave-Gahan-Stimme von Mario kommt allerdings in ihrer Single „Inspiration“ noch besser zum Vorschein:
Placebo Effect – Shattered Souls
Schon lange aufgelöst, bevor ich mit ihren Klassiker „Slashed Open“ eines Abends meinen Einstieg in die Welt der dunklen Elektronik fand, veröffentlichte eine der Ikonen dieser Spielart im vergangenen November ein lange erhofftes, neues Album.
Shattered Souls von Placebo Effect zelebriert effektverzierte, verspielte Melodien und -Brüche, pulsierenden Rythmus, anklagende, wütende Texte in Skinny-Puppy-Manier (wie beispielsweise in „dead and buried“), doch sind es auch die Abwechslung mit wahlweise lärmigeren – oder hier – ruhigeren Momenten, welche in dieser Melange stilprägend sowohl für Placebo Effect, als auch den klassischen Dark Elektro an sich waren und sind. Das Stück „Shattered Souls“ bildet hier in meiner Wahrnehmung wohl die Symbiose aus all dem… … und wohl auch „nothing to cry“.
Aufmerksam wurde ich bereits vor 3 Jahren mit ihrem Stück „Chrystal White Snow“, welches ebenfalls auf dem Album enthalten ist. Als Einstieg daher womöglich keine schlechte Wahl:
Sex Gang Children – Oligarch
Man könnte fast meinen, dass Gitarren in diesem Beitrag etwas zu kurz gekommen sind. Daher habe ich euch noch die noch die Sex Gang Children (UK-Goth der ersten Stunde) hineingeschmuggelt, als ich kürzlich beim Schreiben darin versumpfte. Denn nach 8 Jahren hat der Lyriker in der Formation, Andi Sexgang, recht eindeutig seine Sicht auf die Welt in 11 Titel des im April veröffentlichten Albums gebannt:
Take a break from the nanny state. Be on the outside looking in. Lopsided global monopolies and top-heavy capitalist philosophies do not make sense. Voice a challenge to those that would keep you down. Battle the spectre of our times – OLIGARCH.
Musikalisch erwartet euch Andis prägnante Stimme, begleitet durch ein abwechslungsreiches und generell recht ruhiges Getrommel und Gitarrenspiel, stellenweise garniert mit einem Quäntchen Elektronik wie in „Seraphim Fall“ oder „Puritan Now“. Balladesk wird es dann bei meinem Favoriten „Berlin Kisses“, direkt gefolgt von der Single-Auskopplung „Death Mask Mussolini“.
So bleibt es in aller Kürze zu sagen: Die Sex Gang Children mögen vielleicht nicht gerade für Tanzflächen füllende Kracher sorgen, überzeugen zumindest mich jedoch nach wie vor mit Anspruch und künstlerischer Umsetzung. Vielleicht ist’s ja auch was für euch….
Teil 2 – Werbung, Werbung und noch mehr Werbung
Manchmal ist es echt mühsam, sich durch Tonnen an Pressetexten durchzuarbeiten, die zu alledem noch in 3- bis 4-facher Ausführung in den Briefkasten flattern. Mögen die einen Hinweise der Labels recht kurz und neutral geschrieben sein, strotzen andere nur so vor Marketing-Sprech und Übertreibungen, bis hin zu Falschaussagen. Natürlich muss Aufmerksamkeit generiert werden, um die eigenen Schützlinge in der Musikwelt unterzubekommen. Aber ist der richtige Weg? Ich weiß ja nicht. Nunja. Lest, schaut, hört und fühlt euch einfach selbst durch unsere Kurzvorstellungen:
A+W (Aufnahme + Wiedergabe Berlin)
Mala Herba – Omnia Vanitas: Irgendwo zwischen Elektro Wave & EBM neuer Bauart ala Boy Harsher & Co. Anspieltips: Track 2 und 3. Ach ja, die Dame hat auch abseits von A+W Veröffentlichungen auf Bandcamp, klingen nicht schlecht, wenn auch nicht außergewöhnlich.
Current 909 – Enthusiasm: Hier habe ich zuerst an Current 93 gedacht, eine Ähnlichkeit ist jedoch auf den vier Stücken des seit den 90ern existierenden Projektes nicht wirklich zu hören. Uns wird eine instrumental gehaltene, elektronisch-perkussive Mixtur mit geringem Effekt-Gespiele präsentiert, welche zumindest bei mir nichts regt… Das 2003er Album ist da noch das Interessanteste Werk des Künstlers.
Camera – Prosthuman: Hinter dem seltsamen Titel verbirgt sich eine verspielte, instrumental gehaltene Mischung aus Gitarren- und Synthiesounds. Wäre mit Gesang meiner Meinung nach interessanter.
Danse Macabre Records (Bruno Kramm, Potsdam)
A-X-Amun – Origin: „orientalischer Industrial“ laut Danse Macabre. Ah ja. Also Nein. Tatsächlich Midtempo-Elektronik plus Gitarre und ein paar „orientalisch klingende“ Samples. Blinding Soil ist recht vorzeigbar, der Rest meiner Meinung nach eher so lala.
System Noire – New Dark Nation: Herrgoth, echt jetzt, Bruno? Will so was echt noch jemand hören? Und kaufen? Ich hoffe inständig, dass die DJs & -Janes auf den künftigen Veranstaltungen auf so was verzichten…. Da da hat die elektronische Musik deutlich mehr zu bieten.
Tommi Stumpf – Alles Idioten: Der Stumpff hatte schon bessere Tage beim lobotomieren und massakrieren. Zündet bei mir irgendwie nicht.
Wisborg – Into the void: Der Pressetext faselte was mit „…zwischen den Sisters of Mercy und Lady Gaga…„. Ich für meinen Teil denke da eher an einen gewissen finnischen Frauenschwarm, nur weniger metallisch, dafür mit etwas mehr Elektronik. Nett, aber haben die Jungs es echt nötig auf den Klischee-Zug der Vermarktungsmaschinerie aufzuspringen?
Young & Cold (Augsburg)
Dark – Nightmare: Das Hamburger Projekt hatten wir im vorletzten Briefkasten, nun ist die erste größere Veröffentlichung bei den Augsburgern raus, inklusive den Tips „In The Dark You Die“ und – aktueller – „Nyctophilia“.
Zwarte Poëzie – Zelfportret: Mit Zwarte Poëzie beschritt der Niederländer Edwin van der Velde erste Schritte, um mit seinem zweiten Projekt „Bragolin“ vor der Pandemie größeren Erfolg („Into The Woods“) in manchem dunkelalternativen Tanztempel zu haben. Hier nun finden sich nun erneut Gitarre, Synthie, Drumcomputer und niederländische Vocals zusammen. Nichts Aufsehen Erregendes (gibt’s so was heute überhaupt noch?), aber durchaus hörbar. Reinhören: „Zelfportet“, „De laatste Dagen“.
STF Records (Kamen, Mülverstedt)
Tiefrot – Rabenherz: Von STF hatten wir bisher noch nichts auf dem Tisch. Ein Blick auf die Homepage und ein wenig durchgewurschtel in Discogs liefert dann auch sogleich die Erklärung: Es ist ein Metal-Label. In der Tat spielen Tiefrot auf ihrem dritten Album „female-fronted NDH Metal“, ergänzt mit Keyboard-Effekten. So weit, so uninteressant. Bezeichnenderweise finde ich allerdings beim Querlesen diverser Rezensionen zu diesem Album im Netz fast ausschließlich ein Gejubelpersere und die leider ebenso häufig anzutreffende Fehletikettierung hinsichtlich Musikstil- und Elemente. Wenn ich künftig so was im Briefkasten sehe, freut sich der Müllkorb…
Seit nahezu 2000 Folgen ermitteln die „K11 – Kommissare im Einsatz“ im Programm von Sat.1 für den Vorabend in geeigneten Kriminalfällen. Im vorliegenden Fall, über den wir dringend sprechen müssen, finden Touristen, die sich auf einer geführten Grusel-Tour über den Friedhof befinden, die Leiche einer jungen Frau. Ein mysteriöser schwarzer Geistermann soll die Tote auf einem Grab abgelegt haben.
Es dauert nur Sekunden, bis den Zuschauer die aufdrängende Nähe zur Gothic-Szene erdrückt. Langsam schnürt sich die Kehle zu, während ich mit einer Mischung aus Schockstarre und Sensationslust gebannt auf den Monitor starre. Ich kann vor Spannung kaum noch atmen! Es könnte natürlich auch am viel zu engen Halsband liegen, das ich umgeschnallt habe, um diese Folge des K11 aus der authentischen Sicht eines Gruftis zu gucken.
Fein säuberlich drapiert liegt ein toter Grufti auf dem Grab von einem gewissen Ralf Schwarz. Eine aus dem Leben gegriffenen Gruppe Touristen, die sich auf einer Grusel-Tour befinden, haben sie entdeckt. Kommissarin Alex vermutet, die Frau stammt aus der Grufti- oder Gothic-Szene. Ihre Kollegin Dani kennt sich aber leider auch nicht aus. Praktischerweise haben die Touristen das dunkle Ritual der Leichenablegung gefilmt, auf der auch zu sehen ist wie der Geistermann verschwindet und anschließend Schreie zu hören sind. Sofort nehmen die beiden Kommissarinnen die Spur auf, den das Video ist ja erst 20 Minuten alt. Und natürlich ist in keiner Weise fraglich, dass seit der Tat und bis zur Befragung der Touristen erst 20 Minuten vergangen sind.
An einer anderen Stelle des Friedhofs – so stellt sich heraus – wurde eine junge Frau vergewaltigt. Doch der Geistermann hatte damit nichts zu tun, der hat nur die Leiche der jungen Frau – die eines natürlichen Todes gestorben ist – auf das Grab gelegt, so die Ermittler. Der Pfarrer, der sich in der Totenhalle des Friedhofs herumtreibt, bringt wenig Licht ins Dunkel, obwohl er fleißig Kerzen anzündet. Der Friedhof – so erzählt er – sei ein beliebter Treffpunkt für schräge Gestalten der Esoterik- und Gothic-Szene. Von der Leiche oder den Hintergründen hat er allerdings keine Ahnung, während die Kommissarinnen ein „okkultes Ritual“ vermuten. Wer kennt sie nicht? Die mysteriösen Leichenablegungsritualen bei Tageslicht! Ein uralters okkultes Ritual.
Masha, eine Gelehrte aus Esoterikkreisen mit eigenem Laden ist die nächste dunkle Spur in diesem nervenzerfetzenden Thriller.
Masha kennt leider auch keinen Zugang zur schwarzen Szene. Hätten sie mal mich gefragt. Für solche Fälle haben wir doch immer Test-Zugänge. „dunkleSeele666“ lautet das Passwort, wenn jemand fragt. Im zweiten Teil des Thrillers tauchen Alex und Dani also tiefer in die Gothic Szene. Erst die betroffene Mutter, die ihre brave Tochter an die Szene verloren hat und dann noch mal ein Nachschlag von Masha in Sachen Mythologie, denn schließlich heißt der vermeintliche Bösewicht, der Leichen auf Gräber legt, Orpheus. Eine Runde Tarot-Karten später fällt es dann Kommissarin Dani wie Schuppen von den Augen. „Das ist es!“ Heureka! Okay, das sagt sie jetzt nicht. Ich hatte nur ein Bedürfnis, Heureka zu schreiben.
Jetzt lauern die beiden Nachts auf dem Friedhof und hoffen das Orpheus auftaucht, um nach der Leiche Ausschau zu halten. Und klar, der üble Grufti taucht auf und will gerade Grabkerzen drapieren, als die beiden aus ihrer Tarnung heraus zuschnappen. Zwei Schnitte später finden wir uns im Verhörraum. Oh Goth, mir stockt schon wieder der Atem. Wer zur Hölle guckt sich sowas ernsthaft an? Also ehrlich. Hier ist alles so absurd, dass sich Spitzen der Pikes nach oben kringeln. Unfassbar talentlose Schauspieler gepaart mit einer lustlosen Geschichte und einer Inszenierung aus den Untiefen von Dantes Inferno.
Innerhalb der letzten 3 Videominuten (jetzt aber flott) löst sich alles auf und der Vergewaltiger wird Dingfest gemacht. Was das alles jetzt mit Gothic zu tun gehabt haben soll ist mir schleierhaft. Ich stell mir gerade die Drehbuchautorin vor, wie sie freudestrahlend von ihrer Idee berichtet. Ein Grufti, der eine Leiche auf dem Friedhof ablegt ist der wichtigste Zeuge in einem Vergewaltigungsfall und kennt den Täter zufällig aus seiner Schulzeit. Das ist der Stoff, aus dem die Träume sind.
Ist das Ablegen eines Leichnams auf dem Friedhof eigentlich verboten? Immerhin bleibt die Friedhofspflicht gewahrt, allerdings verstößt Orpheus gegen die Sargpflicht, die in Bayern noch gilt.
Im Jahre 2013 begann die Polizei von Manchester damit, Angriffe gegen Goths als „Hate Crime“ einzuordnen. Das sind Straftaten, bei denen Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe zu Opfern werden. Wie die Zeitung „The Telegraph“ berichtet, sollen in Zukunft in ganz Großbritannien Verbrechen gegen Goths und Mitglieder anderen Subkulturen als sogenannte Hassverbrechen eingeordnet werden. Trotz zahlreicher Gesetzentwürfe wird „Hate Crime“ in Deutschland bislang nicht explizit erfasst.
Was ist eigentlich „Hate Crime“?
„Hate Crimes“ sind sogenannte Botschaftsverbrechen mit Vorurteilsmotiv. Die Angreifer wollen nicht nur eine konkrete Person treffen, sondern eine ganze Gruppe von Menschen einschüchtern und damit eine Art Botschaft verbreiten.
Der Begriff stammt aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und fand erstmals im dortigen Rechtssystem Anwendung. Man bezeichnet so Straftaten gegen Menschen, die aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe verübt werden. Neben antisemitischen, rassistischen, sexistischen oder ausländerfeindlich motivierten Straftaten, zählt man dazu auch Straftaten gegen Schwule, Lesben oder Transgender, ebenso wie gegen Mitglieder von Subkulturen, wie beispielsweise Gothics oder auch Punks.
Auch in Großbritannien wird „Hasskriminalität“ gesondert erfasst. Seit dem Mord an Sophie Lancaster im August 2007 sind auch Subkulturen stärker in den Fokus des britischen Rechtssystems gerückt. 2013 begann die Polizei von Manchester damit, Angriffe auf Goths als „Hate Crime“ zu definieren, nun steht das – wie Eingangs erwähnt – vor einer Landesweiten Umsetzung.
Warum ist eine Unterscheidung so wichtig?
Wie ich finde, bleiben Straftaten gegen Mitglieder von Subkulturen aufgrund ihrer offensichtlichen oder angenommenen Zugehörigkeit weitestgehend unbemerkt. Um Angriffe, die aus einem vermutlich empfundenen Hass gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen begangen werden, sichtbar zu machen, ist es wichtig, sie einzuordnen.
So sind rechtsextreme Verbrechen, die aufgrund von Hass oder Vorurteilen gegen Ausländer begangen werden, erst in letzten Jahren in die Wahrnehmung der Gesellschaft gedrungen. Der Mordfall Walter Lübcke, der am 1. Juni 2019 von einem Rechtsextremisten erschossen wurde, zeigt die Wichtigkeit, Hass als Ursache für Straftaten noch viel relevanter und sichtbarer zu machen. Schnell führten Ermittlungen, die von einem Rechtsextremen Hintergrund ausgingen zum Ziel. Obwohl bereits seit Jahrzehnten Hasskriminalität von Rechtsextremen ausgeübt wird, wurden viele Verbrechen lange damit nicht in Zusammenhang gebracht, wie beispielsweise am Fall des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) deutlich geworden ist.
Eine frühzeitige Verknüpfung ist bereits bei der Ermittlung von Verbrechen wichtig. So sehen sich Opfer von Hassverbrechen oft einem starken Misstrauen seitens der Ermittler konfrontiert. Auch die Staatsanwaltschaften, die bei der Wahl der Anklagepunkte die Taten bagatellisieren und aus einem Angriff auf Gothics beispielsweise einen Streit unter Jugendlichen machen, tragen nicht gerade dazu bei, Hass und Vorurteile gegenüber gesellschaftlichen Gruppen oder Subkulturen beim Namen zu nennen und hindern so die Gerichte daran, ihre Befugnisse auszuschöpfen.
Urteile, die klar benennen, dass der Täter sein Opfer nur wegen des empfundenen Hasses oder aufgrund von Vorurteilen angegriffen hat, hätten darüber hinaus auch einen symbolischen Charakter: Die Gesellschaft duldet keine Verbrechen aus Vorurteilen und Hassgefühlen. Egal, ob es nun ein „falsches“ Outfit oder eine „falsche“ Hautfarbe ist.
Hate Crime in Deutschland?
In Deutschland lebende Gothics als potenzielle Opfer von Hassverbrechen wahrzunehmen, bleibt offensichtlich auf absehbare Zeit nur ein gut gemeinter Wunsch, obwohl die bereits seit den späten 80er zum Ziel von Attacken wurden.
Ich bin in Osterberlin geboren und habe schon zu DDR-Zeiten in Hohenschönhausen Hetzjagden erlebt. „Zecken klatschen“ hieß das damals. Die „Glatzen“ wußten genau, wann „wir“ uns im Rotkamp trafen und warteten vor der Tür bis wir rauskamen.
In Deutschland hält man den §46 des Strafgesetzbuches für ausreichend, denn der erfasst bereits „die Beweggründe und Ziele“ des Täters, wozu man auch die als „Hate Crime“ zu bezeichnenden Taten mit einschließt. Tatmerkmale wie „Voreingenommenheit, Vorurteil, Hass auf Rasse, nationale oder ethnische Herkunft, Sprache, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Alter, geistige oder physische Behinderung, sexuelle Orientierung oder ähnliche Faktoren“ sind also grundsätzlich abgedeckt, allerdings mangelt es noch sehr an der Wahrnehmung solcher Kriterien.
Weder Ermittler noch Behörden verfügen über ausreichend Fachkenntnisse und Kapazitäten, Vorurteilsmotive zu erkennen und einzusortieren. Daher werden immer wieder Straftaten in bekannten Schubladen gelegt, um die Bearbeitung zu vereinfachen. Hier ist die Zusammenarbeit mit Vereine, Verbänden und Institutionen erforderlich, die oftmals die Situationen der Betroffenen viel besser einordnen können, um so die Motive der Taten besser ergründen zu können.
Es ist traurig, aber wahr: Erst wenn in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird, dass Vorurteile gegen Subkulturen oder Randgruppen der Grund für Straftaten sein können, macht sich auch ein Bewusstsein breit, etwas Falsches zu machen. Wenn man beispielsweise vorbeilaufende Gothics belästigt, bedrängt oder bedroht, braucht es häufig nur einen Funken, der ein Feuer entfacht. Kein Wunder also, dass die Thematisierung von Sophie Lancasters Ermordung in der Trash-Soap „Coronation Street“ sehr positiv aufgenommen wird.
„The Blogging Goth“ schreibt dazu etwa: „It was thankfully an isolated, albeit horrific incident – and it has understandably left an indelible mark on the goth subculture as a community. I expect it will resonate significantly with audiences who are familiar with the tragedy when such similar circumstances appear on their screens. Whilst Sophie and her boyfriend were attacked by strangers, Nina’s character knows her assailants – but both Nina and Sophie are from the same part of England which will add an additional level of painful similarity to this storyline.“
Aus Vorurteilen wächst Hass und der mündet häufig in Gewalt. Gerade in Pandemiezeiten ist auffällig geworden, wie sehr den Menschen ihre Feindbilder fehlen. Jeder ist schuld an der eigenen Misere. Da ist es eben einfach, seinen Frust in Vorurteilen abzulegen, sich mit anderen zu solidarisieren und Hass zu schüren. Ich finde, eine Gesellschaft, in der Vorurteile schon als Gefahr identifiziert werden, hat es wesentlich einfacher, diese abzubauen und einem schwelenden Hass vorzubeugen.
Robert Smith kündigte in einem Interview an, das kommende Cure-Album könnte das letzte der Band sein. Gegenüber der britischen Sunday Times sagte er: „Die neue Cure-Platte ist sehr emotional. 10 Jahre Leben destilliert in ein paar Stunden intensiver Musik. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwann etwas Neues zu machen. Ich schaffe das definitiv nicht nocheinmal.“
Seit dem letzten Studioalbum „4:13 Dream“ sind 13 Jahre vergangen. Verglichen mit anderen Veröffentlichungen kein besonders erfolgreiches Album, das zunächst als Doppel-Album geplant war. Kritiker sprachen von „halb garen Melodien und farblosen Klangwelten“ und vielen Fans ist lediglich „The Perfect Boy“ in Erinnerung geblieben. Die lange Wartezeit auf neues Material sei aber nicht den schlechten Kritiken, sondern eher einer Schreibblockade geschuldet, so Smith: „Ich habe mehr mit mir gekämpft, die Lieder des neuen Albums fertig zu schreiben, als jemals zuvor. Wir haben 20 Songs aufgenommen und ich hatte nichts getextet. Ich meine, ich habe viel geschrieben, habe es mir aber am Ende angeschaut und gedacht ‚Das ist Müll!‘“
Außerdem hatte der Großmeister der Melancholie Angst davor, sich nach 13 Studioalben zu wiederholen. Smith hält sich für den größten Kritiker seiner eigenen Musik und dachte während der Arbeit an den neuen Alben „Wen interessiert das überhaupt?“ Geplant ist wohl ein Doppelalbum, das aus einem „gloom“ und einem „doom“ Album bestehen soll, ganz so wie es Smith bereits für „4:13 Dream“ angedacht hatte, wo aus der „hellen“ und „dunklen“ Seite der geplanten Veröffentlichung dann letztendlich doch nur ein Album geworden ist.
Dem Journalisten Jonathan Dean, der den Artikel für die Sunday Times schrieb, verriert Robert Smith: „Über wieviele Dinge kann man schreiben? Sieben Themen oder sowas? Du versuchst unterschiedliche Worte für eine Sache zu finden und irgendwann bist du so weit außerhalb deiner eigenen Sprache, das es sich schrecklich anhört. Ich will so singen, wie ich rede, und mein Vokabular ist ganz brauchbar, also dachte ich, ich packe das Wort ‚wogend‘ in einen Song. Und dann dachte ich, dass ich garantiert nicht „wogend“ in einem verdammten Song singen werde.“ (Quelle: rollingstone.de)
Anfang 2021 hat Smith offensichtlich die Kurve doch noch bekommen und verspricht irgendwie eine Veröffentlichung für dieses Jahr. Wir bleiben gespannt.
Für Robert Smith ist die heutige Welt nichts mehr angenehmes. Man gewinnt den Eindruck, der schüchterne Star, der zu jedem Anlass vor die Kamera oder die Journalisten geschleppt wird, ist wie ein verstörtes Reh, das mit weit aufgerissenen Augen in die Scheinwerfer der vorbeirasenden Autos blickt. Er tut sich schwer damit, ein Super-Star zu sein, dem ein ganzes Musik-Genre zu Füßen gelegt wird. Er kann und vor allem will er dieser Rolle nicht gerecht werden. Möglicherweise ist es „das letzte Album“, weil sich Smith endlich Ruhe verschaffen will, um zu sein, wer er wirklich ist.
Bis zur Veröffentlichung trösten wir uns noch mit seiner jüngsten Kollaboration mit den Chvrches, „How Not To Drown“ – Ein Song-Titel, dem Smith näher sein dürfte, als angenommen.
Vorwort: Das Pest-Treffen in Leipzig war eine schwarz-bunte und weitestgehend selbst organisierte lose Zusammenkunft, die das ausgefallene Wave-Gotik-Treffen kompensieren sollte. In den letzten Wochen haben wir viel über das ausgefallene WGT in Leipzig geschrieben und diskutiert. Wir haben Bilder gesehen, die uns wahlweise sehnsüchtig und melancholisch zurückließen, oder auch empörten, weil wir notwendige Pandemie-Regeln verletzt oder gedehnt sahen. Während ich durch meine Berichterstattung „aus der Ferne“ eher Veranstaltungs-Gegner zum Diskutieren versammelte, fehlte die Sichtweise derer, die wirklich dort gewesen sind und sich durchaus Gedanken über ihren Besuch gemacht hatten, fast vollständig. Karsten Diekmann schickte mir einige Tage nach dem Pest-Treffen einen Bericht, um mir – wie er sagte – andere Aspekte aufzuzeigen. Nach regem Austausch via E-Mail bat ich ihn, seinen Rückblick veröffentlichen zu dürfen, um den Daheim-Gebliebenen auch diese Sichtweise zu ermöglichen.
Das Murmeltier grüßt zum zweiten Mal
Die Vorgeschichte zum Corona-Virus zu erzählen ist müßig. Jeder weiß, was damit gemeint ist, jeder hat mit dem Virus sein Päckchen zu tragen. Die Bundesnotbremse sorgte dieses Mal im Vorfeld des geplanten – und wiederum abgesagten – WGT für eine gewisse Einheitlichkeit der Regelungen über das gesamte Land hinweg, so dass nur der bange Blick auf die Inzidenz-Zahlen in der Stadt der schwarzen Sehnsüchte, in Leipzig, blieb.
Etwa zwei Wochen vor Pfingsten sackte der Wert in Leipzig erstmals unter die 100, was die Hoffnung nährte, sich eine Ferienwohnung in Nordsachsens Metropole nehmen zu dürfen. Um uns alle Optionen offenzuhalten, aber auch Stornierungsgebühren zu umgehen, hatten wir kurz zuvor unsere Buchung im Studio44 storniert, uns jedoch an die erste Stelle einer Reservierungsliste setzen lassen, die uns eine kurzfristige Zusage ermöglichen sollte.
Am Montag vor Pfingsten war es dann klar, sogar die Inzidenz 50 lag in Reichweite, und wir machten die Buchung fix. Was uns erwarten würde, war wie im Vorjahr ungewiss. Facebook und Co. vermeldeten beabsichtigte Veranstaltungen in der Tankbar, im Hellraiser, im Pestdorf und das Viktorianische Picknick schien auch gesetzt. Aber alles wirkte irgendwie diffus, und das Pestdorf informierte am Dienstag darüber, dass das ursprünglich geplante Konzept nicht genehmigt wurde, so dass eine abgespeckte Variante verfolgt werden würde. Der Kobrakeller hatte schon vorher seine Veranstaltung abgesagt.
Wie stellt man sich nun moralisch auf? Einerseits ist klar, dass es bei Zusammenkünften solcher Art nie ohne Regelverletzungen abgehen wird. Ist es darum verantwortungslos, sich an einer solchen „wilden“ Veranstaltung zu beteiligen? Immerhin lag die Infektionslage höher als vor einem Jahr. Aber andererseits gab es auch schon 3,5 Millionen Genesene, knapp 30 Millionen Erstgeimpfte und ein breit ausgerolltes Testangebot. Und es gab Regeln. Wenn die befolgt würden, wäre das Risiko überschaubar. Dabei muss klar gesagt werden: es geht primär um das Risiko des Weitertragens der Krankheit. Heike war gerade vier Tage vorher zweitgeimpft worden, ich eine gute Woche vorher erstgeimpft. Sollten wir selbst die Krankheit bekommen, wäre zumindest ein schwerer Verlauf höchst unwahrscheinlich. Und eine von uns ausgehende Ansteckungsgefahr hofften wir durch regelmäßiges Testen ausschließen zu können. So war klar, dass wir unserer Sehnsucht nachgeben würden. Wir wollten normale Leute treffen, die auch Schwarz tragen, die unsere Musik hören und die ein Gefühl von seelischer Heimat in uns wecken sollten.
Ein Teil unserer Vorbereitung war also der Teststrategie gewidmet. Heike hatte sich als examinierte Pflegefachkraft eine Bescheinigung ausstellen lassen, dass sie als fachkundige Person Antigen-Tests durchführen kann und darf. Wir hatten Formulare entwickelt, in denen wir die Ergebnisse und die Uhrzeit der Selbsttests festhielten, die wir jeden Morgen durchführten. Außerdem hatten wir jederzeit vier Selbsttests dabei, die wir gegebenenfalls in Gegenwart von kritischem Einlasspersonal hätten zur Anwendung bringen können. Auch wenn die Test-Sicherheit der Antigen-Tests nur bei 85% liegt, gibt aber ein täglich wiederkehrendes negatives Testergebnis ein nicht ganz unbegründetes Gefühl der Sicherheit, nicht zum Überträgerkreis zu gehören.
Am Donnerstag vor Pfingsten starteten wir also in das Abenteuer unseres zweiten Pest-Treffens.
Auf zum Pest-Treffen nach Leipzig
Es war fast genauso wie im Jahr zuvor. Nachdem ich am Morgen noch meine übliche Marschierrunde absolviert hatte, wurde der Wagen vollgepackt. Wir hatten uns erneut auf einen Casual Gothic Kleidungsstil verständigt, aber wegen der schlechten Wettervorhersage waren die Koffer mit schwereren Klamotten gefüllt, so dass der Wagen kaum noch freien Platz bot. Schließlich hatten wir mit Bollerwagen und Picknick-Zubehör auch andere raumgreifende Ausrüstung an Bord, weil das Viktorianische Picknick einen Schwerpunkt bilden sollte.
Bild 01 – Auspacken im Studio44
Gegen neun Uhr fuhren wir los. Insgesamt waren wir zuversichtlicher als im Jahr zuvor, in der Tat bildete die Hauptsorge eher die Wettervorhersage. Ein ständiges Regenrisiko verhieß nichts Gutes. Wir ließen uns Zeit, machten Pausen und kamen um kurz vor zwei Uhr am Studio44 an. Unser Vermieter zeigte uns unsere 1-Zimmer-Küche-Bad-Wohnung in einem schönen Altbau. Die hohe, mit Deckenstuck ausgestattete Wohnung war renoviert und top ausgestattet. Ein kleiner Plausch mit dem Vermieter brachte die Erkenntnis, dass wir mit einigem Schwarzvolk rechnen durften. Hatte er mir am Montag noch gesagt, wir wären seine einzigen Mieter, so war er jetzt drei Tage später ausgebucht.
Die Lage unserer Wohnung war optimal. Wilhelm-Leuschner-Platz und Moritzbastei sind von der Riemannstraße in knapp zehn Minuten fußläufig zu erreichen, ebenso wie das Glashaus im Clara-Zetkin-Park und die Wiese, auf der das Viktorianische Picknick stattfinden sollte. Nachdem wir das Gröbste ausgepackt hatten, sollte unser erster Weg uns dann auch zum Glashaus führen, weil wir in Vorbereitung auf den morgigen Tag ein wenig die Toilettensituation auskundschaften wollten. Uns war nicht klar, wie das Glashaus, dass nur Außengastronomie durchführen durfte, mit einem eventuellen Sturm von blasenschwachen Schwarzromantikern auf die hauseigenen sanitären Anlagen reagieren würde.
In der Tat arbeitete das Café im Park mit einem Gatekeeper, der Sitzplätze zuwies. Trotzdem schien es möglich zu sein, sich Zugang zur Toilette zu verschaffen. Aber ich möchte mich nicht in logistischen Detailbetrachtungen verlieren. Das Glashaus stellte unser erstes kulinarisches Erlebnis in einem Café oder Restaurant nach über einem halben Jahr der erzwungenen Abstinenz dar. Niemand kann sich vorstellen, wie gut Heike der Latte Macchiato und mir das Schwarzbier geschmeckt hat und wie sehr wir beide unseren Zupfkuchen genossen haben.
Bild 02: Kaffee und Kuchen im Glashaus
Ich habe zu meinem Reisebericht vom letztjährigen Pest-Treffen schon die Rückmeldung bekommen, dass die kulinarischen Aspekte ein gewisses Übergewicht (man beachte das Wortspiel) in der Darstellung einnahmen. Ich kann es nicht ändern, das wird dieses Mal nicht ganz anders sein. Genüsse stehen beim WGT ganz oben auf der Agenda und wenn das kulturelle Angebot naturgemäß eingeschränkt wird, dann treten die lukullischen Genüsse als logische Folge in den Vordergrund. Nach dem Besuch im Glashaus wanderten wir durch den Park in die Innenstadt, um unter anderem zu erkunden, ob die Mephisto-Bar geöffnet hatte. Da sie in der überdachten Mädler-Passage angesiedelt ist, rechneten wir eigentlich nicht damit. Umso größer war die Freude, eines Besseren belehrt zu werden. Der „Freisitz“ des Mephisto ist offensichtlich von den Behörden als Außengastronomie eingestuft worden. Natürlich ließen wir uns nieder und genehmigten uns die nächsten Getränke. Wie letztes Jahr ließ sich der Kellner von uns berichten, welche Art von Veranstaltungen dieses Mal als WGT-Ersatz angeboten wurden.
Nach einem kleinen Rundgang durch die Innenstadt war es Zeit für das Abendessen, welches wir im Außenbereich des Alfa, eines griechischen Restaurants, einnahmen. Garnelen mit Basmati-Reis für Heike und ein Spieß mit dreierlei Sorten Fleisch, alles mit viel Knoblauch, stellten den essenstechnischen Tagesabschluss dar. Aber das Beste waren die Pommes. Echte Gastronomie-Pommes nach über einem halben Jahr. Ich war im siebten Himmel.
Bild 03: Abendessen im griechischen Restaurant „Alfa“
Danach stand noch ein wenig Kundschaften auf dem Programm. An der Moritzbastei war eine Bühne aufgebaut. Aber die dazugehörigen Leute konnten keine gesicherte Auskunft geben, was denn nun wirklich zum Thema „Schwarzes Leipzig trifft“ geplant war. Sie konnten uns weder mitteilen, zu welchen genauen Uhrzeiten etwas stattfinden würde, noch, ob DJs, Lesungen oder Konzerte anstehen würden. Wir sollten in der Folge noch mehrmals an der Moritzbastei vorbeikommen, aber jedes Mal war nichts los bzw. wirkte die Szenerie extrem unsexy. Zwei bis drei schwarze Gestalten, die auf dem Freisitz vor der leeren Bühne hockten, das alles wirkte nicht sehr einladend. Immerhin bestätigten uns die MB-Leute, dass sie unseren Selbsttest anerkennen würden.
Der nächste Gang war der zur Sixtina, weil die Facebook-Ankündigung etwas kryptisch anmutete. Wir waren etwas überrascht, als wir feststellen mussten, dass ein anderer Laden den Platz der Sixtina eingenommen hatte. Wie wir später erfahren sollten, war der Besitzer ausgezogen und hat bis dato noch keine neuen Räumlichkeiten gefunden. Für das Pest-Treffen hatte er die alte Kutsche auf einen Anhänger geladen und klapperte diverse Schauplätze im Stile eines Food-Truck ab, nur dass die angebotene Nahrung aus Met und Met-Mix-Getränken bestand. Wir sollten der Kutsche im Rahmen des Pest-Treffens zweimal begegnen.
Inzwischen hatte sich ein guter Freund aus der Schweiz gemeldet und sich nach unseren Plänen erkundigt. Da er nicht in Leipzig sein konnte, vereinbarten wir für den Abend eine Video-Schalte, um digital auf das WGT anzustoßen. Um halb neun waren wir in unserer Wohnung und genehmigten uns im Rahmen des Google-Meetings mit ihm und einer weiteren Bekannten einen Met-Absacker. (vgl. Bild 4)
Schwarze Versammlungen
Bild 06: Impressionen vom Viktorianischen Picknick 2021 Impressionen
Der Freitag stand im Zeichen des Viktorianischen Picknicks und des ersten Pestdorf-Besuchs. Am Morgen läuteten wir den Tag mit einem Rundgang durch die Innenstadt ein, wo wir uns mit einem Besuch im Café Zuckerhut auf das Picknick einstimmten. Weil es nicht mehr ganz so früh war, genehmigte ich mir einen Lumumba und Heike schaffte sich mit einem Latte Macchiato eine geeignete Grundlage für das Picknick, welches ganz im Zeichen von Brot, Käse, Met und Rotwein stand. Wir hatten uns schon um etwa ein Uhr mittags ein schattiges Plätzchen gesichert. Zwar gab es Wind und Wolken, aber die Sonne ließ sich auch für längere Phasen blicken und sorgte für hervorragende Rahmenbedingungen, wenn man nicht unbedingt mit Tischdecken und anderen windanfälligen Konstruktionen zu kämpfen hatte. Mit der Musikbox unseres Sohnes schafften wir eine gemütliche Untermalung und genossen den Nachmittag. Irgendjemand muss uns dort auch heimlich beim Speisen gefilmt haben. Wir haben uns später auf YouTube wiedergefunden. (vgl. Bild 5) (vgl. Bild 6)
Und siehe da, ein Pärchen aus Niedersachsen, das wir letztes Jahr auf dem VicPic kennengelernt hatten, kam auch diesmal vorbei und leistete uns Gesellschaft. Natürlich war Corona ein beherrschendes Gesprächsthema und es wurde deutlich, dass nicht jeder zu allen Einzelaspekten die gleiche Meinung vertritt. Das soll an dieser Stelle aber nicht vertieft werden. Es war ein anregendes Gespräch und als später ein weiteres Pärchen, ebenfalls eine Pest-Treffen-Bekanntschaft vom letzten, nur aus Schwaben, hinzukam, war der Nachmittag perfekt.
Natürlich wurden auch die Veranstaltungsoptionen diskutiert. Unser schwäbischer Freund wusste zu berichten, dass Karten für die Tankbar-Veranstaltungen nicht mehr zu bekommen waren, aber dass bei den beiden Hellraiser-Events für Samstag und Sonntag wohl noch etwas zu bewerkstelligen sei. Als wir Interesse an der Sonntagsveranstaltung anmeldeten, bot er an, für uns Karten mitzubesorgen, was wir dankend annahmen.
Vom Gesamteindruck her gestaltete sich das Picknick fast genauso wie im Jahr zuvor. Nach meiner Schätzung waren etwa 800 Gothics anwesend, die sich im Großen und Ganzen an die Abstandsregeln hielten.
Um etwa fünf Uhr bereiteten wir den Stellungswechsel vor, verabschiedeten uns von den Anderen und zockelten mit unserem Bollerwagen wieder in Richtung Wohnung. Von dort brachen wir in Richtung Torhaus Dölitz auf,
Das von Wonnemond / Yggdrasil ursprünglich vorgesehene Konzept mit Einlasskontrollen, Tests und auch Eintritt für geplante Konzerte am Samstag und Sonntag war drei Tage zuvor von den Behörden abgelehnt worden. Übriggeblieben war nun ein abgespecktes Konzept mit einem Getränkestand, zwei Fressbuden (Grillfleisch und Flammkuchen) und abendlicher Musik aus der Konserve. Ein Testnachweis war nicht notwendig, Einlasskontrollen gab es nicht und die selbst auferlegten Regeln mit Maskentragen in den Schlangen vor den Ständen funktionierten nur mäßig. Alles war aber noch im erträglichen Rahmen, weil nicht viele Leute anwesend waren. Meine Schätzung ging in Richtung 700 Schwarze, die sich auf dem weitläufigen Gelände verteilten. Überraschenderweise – oder auch nicht – spielten auch dieses Jahr Nachtwindheim auf. Im Gegensatz zum Vorjahr gab es diesmal aber keine Bühne.
Bild 07: Nachtwindheim im Pestdorf am Freitag
Die Atmosphäre war angenehm, wir genehmigten uns eine Flasche Met und rundeten den kulinarischen Teil mit Currywust und Pommes ab. Nachdem wir uns gute zwei Stunden im Pestdorf aufgehalten hatten, gingen wir zufrieden in unsere Wohnung zurück. (vgl. Bild 8) (vgl. Bild 9)
Begräbnisrituale mit der Dolmengöttin
Für den Samstagmorgen hatten wir uns vorgenommen, eine Reminiszenz an unsere Hochzeitsreise vor zwölf Jahren zu zelebrieren. Wir fuhren mit dem Auto etwa eine Stunde nach Langeneichstädt, um die Dolmengöttin zu besuchen. Die Dolmengöttin ist eine Stele mit Steinritzungen, die im Zusammenhang mit einem Dolmen (jungsteinzeitliches Großsteingrab) gefunden wurde. Das Ensemble wurde erst 1987 entdeckt, nachdem Bauern beim Pflügen einen Deckstein des Grabes angehoben hatten. Der Dolmen und die Stele stehen auf einem von einer Hecke umzäunten Gelände, welches von der Eichstädter Warte, einem mittelalterlichen Meldeturm, überragt wird. Der Besuch des Steinzeitgrabes war insofern anders als normale Besichtigungen, als dass wir die Bekanntschaft einer Gruppe von Menschen machten, die zum örtlichen Förderverein der Stätte gehörten.
Bild 10: Karsten im Grab mit Dolmengöttin im Hintergrund
Wir trafen acht bis zehn Personen an, die einen Pfingstbrauch ausübten, der angeblich schon im Mittelalter praktiziert wurde, dann vergessen wurde, aber in den 1950er Jahren wiederbelebt wurde. Sie pflanzten zwei Birkenbäume oben auf die Warte. (vgl. Bild 11) Diese beiden Bäume – einer für das Oberdorf, einer für das Unterdorf – verbleiben bis September auf dem Turm, also grob gesprochen für die Dauer der fruchtbaren Ackerperiode.
Zwei ältere Vereinsmitglieder erzählten uns, dass sie sich noch gut erinnern konnten, wie der Dolmen entdeckt wurde, und wie der Grabungsleiter, ein gewisser Herr Dr. Müller aus Halle, die Dolmengöttin auch als Fruchtbarkeitssymbol deutete und diese in Zusammenhang mit dem alten Pfingstbrauch brachte. Es war höchst interessant und spannend zu hören, wie rührend sich die Bewohner um die Warte und das Grab kümmern und wie sie sich mit der Vereinsgründung das Recht sicherten, dies auch tun zu können, obwohl eigentlich Landesbehörden den Daumen auf diesen historisch bedeutenden Denkmälern haben. Einer der beiden Männer berichtete davon, dass er eine Fremdenführer-Weiterbildung gemacht hatte, und dass die Behörden danach trachteten, dass die Eichstädter auch die anderen Sehenswürdigkeiten der Himmelswege erklären können. Die Dolmengöttin steht nämlich in einer Reihe mit der Himmelsscheibe von Nebra und dem Observatorium von Goseck, die nicht weit entfernt entdeckt wurden. Aber mit einer gewissen Chuzpe haben sich die Langeneichstädter ihre Selbstständigkeit bewahrt. Die Inklusion der Dolmengöttin in die Himmelswege hat für ein deutlich erhöhtes Besucheraufkommen gesorgt, trotzdem wird auf Eintritt an der Grabstätte verzichtet.
Wir haben auch erfahren, dass jedes Jahr zu Pfingsten ein kleines Volksfest auf der Wiese stattfindet, um das Baumaufbringen zu feiern und weitergehende Informationen für Besucher bereitzustellen. Leider ist Corona zweimal für den Ausfall der Festivität verantwortlich gewesen. Trotzdem reifte in uns der Gedanke, diesem Fest irgendwann einmal an einem normalen Pfingstwochenende beizuwohnen.
Wieder zurück in Leipzig nahmen wir im Café Zuckerhut ein verspätetes Frühstück ein. Heike gönnte sich neben dem üblichen Latte Macchiato eine Tomatensuppe, während ich mich mit einem Schwarzbier und einem äußerst energiereichen Mampfkuchen stärkte.
Nachdem wir die Eindrücke am Steinzeitgrab verarbeitet hatten, widmeten wir uns moderneren Aspekten der Begräbniskultur. Zum ersten Mal in unserer WGT-Historie beehrten wir die Leichenwagenschau am Südfriedhof mit unserer Anwesenheit. So ist auch dies ein Zeichen von Corona, dass man ein reduziertes Angebot mit Dankbarkeit annimmt. Und wenn man zwanzig Jahre lang stets „Besseres“ vorhatte, als schwarz getunte Bestattungskutschen zu bewundern, so darf man sich auch mal belehren lassen. Denn auch wenn sich mir persönlich die ästhetischen Seiten und Aspekte des Automobils im Allgemeinen nicht wirklich erschließen, so gab es doch ein paar interessante An- und Umbauten an den Kombis zu bestaunen, die im Schatten des Völkerschlachtdenkmals Aufstellung genommen hatten. Ob es die roten Vorhänge oder dem Sensenmann nachempfundene Accessoires und Zierfiguren waren oder einfach der ansonsten erkennbare Aufwand, der mit viel Liebe zum Detail in die geräumigen Fahrzeuge gesteckt wurde, anerkennenswert sind die Mühen der Besitzer allemal. (vgl. Bild 12)
Bild 13: Leichenwagenschau Südfriedhof in Leipzig
Außerdem begegnete uns hier die Sixtina-Kutsche das erste Mal im Rahmen des Pest-Treffens. Das zweite Mal sollte später am Tag im Pestdorf sein. (vgl. Bild 14)
Danach ging es wieder ins Pestdorf. Anhand der Eindrücke vom Vortag mit dem limitierten Speisen- und Getränkeangebot setzten wir diesmal auf Selbstversorgung. Ausgerüstet mit Campingdecke, Met, Baguette und Käse gingen wir den Nachmittag in heidnischer Atmosphäre an. Ein kurzes Gespräch mit der anwesenden Waldträne enthüllte, dass wir leider einen Auftritt des Duos verpasst hatten. Die Sängerin war ohnehin nicht ganz glücklich mit dem Auftritt gewesen, weil es nur mit Stimme und Akustik-Gitarre schwierig ist, gegen den Lärmpegel einer großen Besucherschar anzusingen. Da hatten es Nachtwindheim deutlich einfacher, die auch am Samstag ihre Auftritte zelebrieren durften. Mit Schalmei und Trommel lässt sich eben signifikant besser Lärm machen, auch wenn es unplugged ist.
Bei einem Verdauungsrundgang über das Torhaus-Gelände lernten wir ein Pärchen aus Erfurt kennen, mit denen sich ein anregendes Gespräch ergab. Sie konnten von zahlreichen Festival-Erfahrungen berichten und legten uns ein polnisches Dorf-Festival sowie eine schwarzromantische Silvesterveranstaltung im Harz ans Herz. Das hörte sich extrem spannend und verlockend an und es ist fest bei mir eingeplant, mich über die Kreuzmühle im Harz kundig zu machen.
Mittlerweile war es auf dem Gelände recht voll geworden. Es gab zwei neuralgische Punkte, an denen sich die Leute ballten. Vor den beiden Fressbuden und vor dem Pavillon, in dem die Musik aus der Konserve aufgelegt wurde. Aus den Lautsprechern tönte 1980er Jahre Postpunk und New Wave. Masken schienen mittlerweile ein Fremdwort zu sein und die Abstände waren trotz des Merchandising T-Shirts, auf dem „Dead“ vom Zillo zur Einhaltung ebendieser aufrief, immer kleiner geworden.
Bild 15: Tanz vor dem Musikpavillon im Pestdorf am Samstag
Wenn man das alles beobachtet, ist man hin- und hergerissen. Es waren vielleicht doppelt so viele Leute anwesend wie am Abend zuvor. Da hat man Verständnis, weil man ja selbst auch diese Bedürfnisse hat, aber auch Sorge, was nach Pfingsten wohl mit den Inzidenzen passiert. Und ganz egoistisch denkt man bei sich, dass einfach zu viele Leute da sind, nur sich selbst zählt man nicht zu denen, die „zu viel“ sind.
Wir verließen jedenfalls um kurz nach acht Uhr die Veranstaltung und ließen den Abend in dem kleinen Burger-Restaurant Oskar ausklingen, von dem aus wir es nur noch ein paar Schritte weit bis zu unserer Wohnung hatten. Der Außenbereich des Oskar (heißt ähnlich wie unser Kater, nur wird der mit c in der Mitte geschrieben) war angenehm, weil ein paar Heizstrahler für entsprechende Wärme sorgten. (vgl. Bild 16)
An dieser Stelle noch ein paar Worte zum Wetter. Im Pestdorf mussten wir auf unserer Campingdecke zwei sehr kurze Regenschauer aussitzen, was sich mit Einklappen der Decke und Aufklappen eines Regenschirms ganz einfach bewerkstelligen ließ. Ansonsten drohten dunkle Wolken zwar über das gesamte Wochenende gelegentlich mit Regen, ließen uns aber größtenteils verschont.
Schwarzkittel und ein echtes Festival
Am Sonntagmorgen wollten wir Schwarzkittel besichtigen, und zwar die, die braungestreifte Kinder haben und unter der Erdoberfläche nach Nahrung wühlen. Gemeint sind also die Wildschweine im Connewitzer Wildpark. In der Erinnerung an alte Leonardo-Zeiten machten wir uns also auf den Weg und wanderten im Schatten der Bäume vorbei an Bärlauch-überwucherten Flächen, bis wir das Wildschweingehege erreicht hatten, wo sich uns zuerst der putzige Anblick einer Bache bot, die ihre Frischlinge säugte. Später konnten wir noch ausgiebig einen abseits nach Nahrung suchenden Keiler beobachten. Es hat eindeutig etwas Beruhigendes, diesen Tieren bei ihren Aktivitäten zuzuschauen. (vgl. Bild 17) (vgl. Bild 18)
Dann ging es ins Mephisto, wo wir uns für den Rest des Tages stärkten. Ich bewies Nerven und gönnte mir trotz der lebenden Exemplare, die wir kurz zuvor bewundert hatten, einen Wildschweinbraten, während Heike sich eine Schokotorte aussuchte. (vgl. Bild 19)
Danach besuchten wir den Alten Johannisfriedhof, den wir im Vorjahr das erste Mal für uns entdeckt hatten. Da vor einem Jahr ein Teil abgesperrt gewesen war, der dieses Jahr aber wieder geöffnet war, konnten wir einen bisher unbekannten Abschnitt erkunden, der mit dem Grab Ludwig Schunckes, eines mit Robert Schumann befreundeten Komponisten, die letzte Ruhestätte eines halbwegs prominenten Künstlers aufwies. Andere prominente Gräber sind die der Brockhaus-Familie und jenes von Herrn Schreber, der die Kleingärten erfunden hat. (vgl. Bild 20)
Bild 21: Der alte Johannisfriedhof befindet sich neben dem Grassi-Museum
Dann wurde es langsam Zeit, in Richtung Hellraiser aufzubrechen. Ein Kulturzentrum weit draußen im Osten von Leipzig, bezeichnenderweise in einem Vorort mit Namen Engelsdorf. Engelsdorf scheint geprägt von Industriebrachen, von denen eine auch dem Hellraiser Heimstatt bietet. Die „Karten“, die unser schwäbischer Freund für uns hatte hinterlegen lassen, waren noch da. Eigentlich waren es nur Bändchen, die wir umgelegt bekamen, nachdem wir das erste und einzige Mal unseren Testnachweis zeigen mussten. Bändchen! Im hässlichsten Pink, das man sich nur vorstellen kann. Aber immerhin, nach anderthalb Jahren des Darbens, gab es echte Festivalbändchen. (vgl. Bild 22)
Das Corona-Hygiene-Konzept wurde im Hellraiser definitiv stringenter umgesetzt als im Pestdorf. Die Besucherzahl war limitiert, es gab Tische und Bierbänke mit festen Plätzen. Die Besucher waren angehalten, die Maske aufzusetzen, wenn sie vom Tisch aufstanden. Es wurde zwar später im vorderen Bereich getanzt, aber auch wenn sich nicht alle an die Regeln hielten, so war doch zu beobachten, dass etwa 90 Prozent der Tanzenden Maske trugen.
Bild 26: Maskentanz bei Painbastard
Ist ja eigentlich kein Wunder, weil die EBM-Fraktion noch nie große Probleme damit hatte, Gasmasken und ähnliche Utensilien zu tragen. Und das gilt nicht nur für CyberGoths, die jedoch langsam auszusterben scheinen. Nachdem zu Beginn eine Stunde lang die gesammelten Werke von Project Pitchfork aus der Konserve tönten, ging es endlich mit der ersten Live-Band namens Gimme Shelter los. Objektiv betrachtet nichts wirklich Tolles, handwerklich akzeptabler Synthie-Pop a la Frozen Plasma. Aber endlich wieder mal elektronische Livemusik. (vgl. Bild 23) Danach kam Unterschicht, deutsche Todeskunst mit verzerrter männlicher Stimme und weiblichem Begleitgesang getreu dem Motto: BlutEngel meets Waldgeist. Es war einfach schön, lustig und plakativ, böse gemeint und gut gemacht. (vgl. Bild 24) Der Headliner Painbastard war dann sicherlich die professionellste Band, die Performance war solider AggroTech und lud zum Tanzen ein. (vgl. Bild 25) Aber ehrlich gesagt haben wir von Painbastard am wenigsten mitbekommen, weil wir einerseits mit unseren jungen Tischnachbarn immer besser ins Gespräch kamen und weil unsere schwäbischen Bekannten zur letzten Band auch auftauchten.
Irgendwann in der Pause zwischen Unterschicht und Painbastard trudelten die ersten Posts aus den sozialen Medien ein, dass das Ordnungsamt das Pestdorf heimgesucht hatte und die Hälfte der Leute weggeschickt hatte. Ich greife an dieser Stelle etwas vor, weil ich mir am nächsten Tag die vielen widersprüchlichen Kommentare etwas genauer zu Gemüte geführt habe. Die Einlassungen waren sehr unterschiedlich. Einige Anwesende hatten gar nichts bemerkt, andere meinten, die Leute wären freiwillig gegangen. Alle bestätigten eine offensichtliche Nachlässigkeit beim Tragen der Schutzmasken, was aber wohl nicht dazu führte, dass die Veranstaltung komplett aufgelöst wurde. Die Reaktionen in den sozialen Medien reichten von „Richtig so“ bis „Behördenwillkür“ und ließen auch eine gewisse Schärfe in der Tonalität nicht vermissen.
Aber zurück zu unseren jungen Tischnachbarn, einem Paar aus Leipzig, sie vor neun Jahren aus Brandenburg zugezogen, er vor vier Jahren aus Badem-Württemberg, beide etwa dreißig Jahre alt. Die beiden äußerten sich sehr reflektiert zu allen möglichen Themen, sei es zu Corona, zur Leipziger Gothic-Szene mit elitehaftem Dünkel oder Hintergrund-Infos zu den Live-Bands, die auch allesamt aus Leipzig waren. Am ergiebigsten war allerdings der Austausch über das Bierkonsumverhalten der Menschen. Als gelernter Brauer war mein Gesprächspartner immerhin vom Fach und hielt mir den Spiegel dahingehend vor, dass der normale deutsche Bierkonsument nicht sehr experimentierfreudig ist. Er hatte sehr scharf beobachtet, dass ich mir während des Konzert-Abends ein Schwarzbier nach dem anderen geholt hatte.
Nach Painbastard ließen wir den Abend noch etwa eine dreiviertel Stunde im Hellraiser ausklingen, bevor uns die beiden Schwaben, die mit dem Auto nach Engelsdorf herausgekommen waren, zu unserer Wohnung zurückchauffierten.
Hochleistungs-Chillen
Für den Montag war kaum etwas an Aktivitäten angekündigt. Lediglich die Moritzbastei und das Pestdorf wollten am Nachmittag etwas anbieten. Wir beschlossen daher, den Morgen im Clara-Zetkin-Park mit einem zweiten Picknick zu begehen. Bei Rotwein und Keksen mit Frischkäse beobachteten wir allerdings keine Gruftis, sondern bunte Menschen. Zwei kleine Jungen beschäftigten sich mit einem Spielzeug-Segelflugzeug, vier junge Leute spielten Frisbee und eine Sonnenanbeterin machte im Beisein ihrer Freundin ein paar Yoga-Übungen. Die Sonne brannte vom Himmel und auch wenn wir im Schatten saßen, machte sich der Wein doch schnell bemerkbar.
Nach etwa zweieinhalb Stunden gingen wir den Stellungswechsel an und nahmen uns das Pestdorf als nächsten Ort zum Faulenzen vor. An der Straßenbahnhaltestelle lernten wir einen weiteren jungen Leipziger Gothic kennen, der uns auf der Fahrt erzählte, dass er mit elf Jahren durch seinen Opa zur schwarzen Szene gekommen war. Bisher hatten wir ja nur mit schwarzen Eltern zu tun, aber die Tatsache, dass es jetzt eine Enkelgeneration gibt, macht die eigene Vergänglichkeit nochmals bewusster.
Jedenfalls erreichten wir das Pestdorf etwa um halb zwei und siehe da, es war ähnlich überschaubar gefüllt wie am Freitagabend. Der Musikpavillon war abgebaut (es war nicht klar, ob ohnehin geplant oder als Folge der Ordnungsamts-Aktion vom Vorabend), die Fressbuden und der Getränkestand machten Restverkäufe.
Wir breiteten unsere Campingdecke aus, packten unseren Met aus und gönnten uns einen (recht kleinen) Flammkuchen. Nach etwa anderthalb Stunden war zu beobachten, dass die beiden Essensstände quasi ausverkauft waren, und der Getränkestand bot nur noch Kirschbier an. Als auch dort nichts mehr aus der Zapfleitung kam und schließlich sogar die Dixie-Klos um etwa vier Uhr abgebaut wurden, war klar, dass nicht mehr viel passieren würde, so dass auch wir uns langsam auf den Heimweg machten.
Nach insgesamt über fünf Stunden Essen, Trinken und Faulenzen in der Sonne war aber immer noch ein abschließendes Abendessen beim Italiener mit Tagliatelle und Tortelloni sowie Panna Cotta drin. Kugelrund rollten wir zurück in unsere Wohnung. Einen so chilligen und faulen Tag hatte ich lang nicht mehr. Der Tag war so angenehm ereignislos, dass ich noch nicht einmal dazu kam, ein Foto zu machen. Da war einfach kein Motiv, welches sich aufdrängte.
Was sonst noch war und was bleibt
Der Dienstag nach der Ankunft und der Morgen danach wurden von mir dazu genutzt, diesen Text niederzuschreiben. Es bleibt festzuhalten, dass es wieder ein wunderbares Erlebnis war und dass sich die Reise gelohnt hat. Im letztjährigen Fazit hatte ich angedeutet, dass uns nur eine Apokalypse vom Trip ins schwarze Leipzig abhalten würde und diese Apokalypse ist letztendlich nicht eingetreten. Die Leipziger Presse berichtete wie gewohnt recht positiv auf den Einmarsch der Schwarzen, schreibt sogar von etwas Normalität zu Pfingsten. Auch die Stadt an sich reagiert positiv, was sich an den angelegentlichen Erkundigungen der Kellner und einiger Passanten im Clarapark ablesen lässt. Auch die Teile der Wirtschaft, die ihrer Geschäfte nachgehen durften, stellten sich auf uns ein, wie die Sargtörtchen beim Leipziger Großbäcker Lukas zeigen. (vgl. Bild 29)
Bild 28: Karsten mit der schwarzen FFP2 Maske
Natürlich ist Corona allgegenwärtig und die Balance zwischen schlechtem Gewissen, Verantwortungsbewusstsein und einem starken Drang nach Normalität und wiederzuerlangenden Freiheiten mit entsprechender Bedürfnisbefriedigung muss letztendlich jeder für sich ausmachen. Wir können für uns sagen, dass wir uns gut vorbereitet hatten, uns soweit wie möglich an die Regeln gehalten haben (was zugegebenermaßen einige wenige Male nicht der Fall war), aber Extremsituationen auch aus dem Weg gegangen sind.
Ich weiß nicht, ob wir damit Neid oder gar Hass schüren, wie es in den sozialen Medien häufig passiert. Aber die Anteilnahme unserer Freunde, die sich während des Leipzig-Aufenthalts bei uns auf den verschiedenen Kanälen meldeten, hat uns signalisiert, dass sie sich mit uns gefreut haben.
Dabei ist uns voll bewusst, dass unsere besten Freunde, die zu Hause geblieben waren, selbst einen sehr tiefsitzenden Blues schieben. Bei allen hängt neben dem Nicht-Besuch eines „profanen Festivals“ viel mehr vom WGT ab, mal wirklich viel, mal weniger. Und das möchten wir nicht verdrängen, sondern unserer Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es nächstes Jahr (und vielleicht auch schon eher) wieder etwas wird mit einer Zusammenkunft.
Wir haben uns bemüht, ebenso wie letztes Jahr mit keinen besonderen Erwartungen nach Leipzig zu kommen. Wegen der Inzidenzen war dieses Mal ja auch erst deutlich später klar, dass wir überhaupt fahren durften. Trotzdem hatten wir natürlich im Hinterkopf, dass irgendetwas schon gehen könnte, was sich dann ja auch bewahrheitete. Eigentlich hatte sich der Trip mit dem Besuch im Glashaus am Donnerstagnachmittag schon gelohnt, und alles, was danach kam, war Zugabe. Sogar das Wetter hat letztendlich mitgespielt und vielleicht schaut die Göttin doch ein wenig auf uns.
Ich sitze hier am Mittwoch und schaue mir nebenbei die neuen Inzidenz-Zahlen an, die überall rapide sinken und tröste mich, dass wir hoffentlich keinen Schaden angerichtet haben. Wir haben zumindest niemanden angesteckt, weil jetzt auch der siebte Test innerhalb von acht Tagen negativ war. Und ich möchte irgendwann auch einmal wieder einen Tag erleben, wo ich nicht über diese Pandemie reden muss. Am besten schon auf dem Festival Mediaval in Selb mit dem Zieltermin September.
Der Autor: Karsten Diekmann ist langjähriger WGT-Fahrer, arbeitet freiberuflich als Autor, Coach, Ghostwriter und Texter. www.der-textschoepfer.de
Galerie aller Bilder
Bild 01 – Auspacken im Studio44
Bild 02 Kaffee und Kuchen im Glashaus
Bild 03: Abendessen im griechischen Restaurant „Alfa“
Bild 05: Heimlich gefilmt beim Viktorianischen Picknick
Bild 06: Impressionen vom Viktorianischen Picknick 2021 Impressionen
Bild 07: Nachtwindheim im Pestdorf am Freitag
Bild 08: Impressionen im Pestdorf am Freitag
Bild 09: Impressionen im Pestdorf am Freitag
Bild 10: Karsten im Grab mit Dolmengöttin im Hintergrund
Bild 11: Eichstädter Warte mit zwei Birken
Bild 12 Leichenwagenschau Südfriedhof
Bild 13: Leichenwagenschau Südfriedhof in Leipzig
Bild 14: Leichenwagenschau Südfriedhof mit Sixtina Kutsche
Bild 15: Tanz vor dem Musikpavillon im Pestdorf am Samstag
Bild 19: Mephisto am Mittag
Bild 20: Alter Johannisfriedhof
Bild 21: Der alte Johannisfriedhof befindet sich neben dem Grassi-Museum
Augen auf, ich sehe! Ich fühle mich wie der fiktive Astronaut und Testpilot Steve Austin, der mit seinem bionische Auge Dinge sieht, die sonst keiner sieht. Der „Sechs-Millionen-Dollar-Mann“ wie er in der amerikanischen Serie der frühen 70er hieß, kam erst 1988 auch zu den deutschen Zuschauern und traf mich im zarten Alter von 14 Jahren, in der man sich sowieso danach sehnt, besser und toller zu sein, als man eigentlich ist. Ich fand die Cyborg Idee, Körperteile durch hoch entwickelte künstliche Versionen zu ersetzen, großartig. Wenn du schon im Alter von 7 deine erste Brille bekommst, beim Fußball im Sportunterricht immer als letzter gewählt wirst und mit dem BMX-Rad Bruchlandungen statt Kunststücke zeigst, leidet das Selbstbewusstsein. Jetzt habe ich künstliche Linsen in die Augen bekommen, weil die alten seit ein paar Jahren immer trüber geworden sind. Jetzt sehe ich (gefühlt) Dinge, die ich sonst nie gesehen habe! Bionische Augen! Ich sehe jetzt überall Staub und Schmutz, noch mehr Falten im Gesicht und erkenne, wie unterschiedlich schwarze Klamotten sein können. Dafür ist die Welt bunter geworden und sendet jetzt in HD. Ja, die Bürde eines Cyborgs wiegt schwer. Ich werde es mit Fassung tragen. Für euch.
Auch das Amphi Festival am Kölner Tanzbrunnen kann in diesem Jahr nicht stattfinden, allerdings hat der Veranstalter vor wilden Spekulationen selbst eine Absage ausgesprochen. Man kündigte allerdings an, dass große Teile der angesagten Bands auch 2022 auf der Bühne stehen sollen. Neuer Termin ist der 23. und 24. Juli 2022. Alle Tickets, die 2020 und 2021 gekauft wurden, behalten ihre Gültigkeit. Das E-Tropolis vom gleichen Veranstalter, das in der Oberhausener Turbinenhalle zu Gast ist, soll am 13. November 2021 stattfinden.
Ich fasse zusammen: Zwei Grufti-Doktoren an der Universität von Sunderland berichten von ihren Erfahrungen mit sogenanntem „Hate-Crime“, also Angriffen aufgrund ihrer Erscheinung als Gothics. Offenbar immer noch ein großes Ding auf der britischen Insel. So ist für sie die Verarbeitung der Geschehnisse rund um Sophie Lancaster, die jüngst in der britischen Soap „Coronation Street“ dargestellt wurden (Spontis berichtete) ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Denn so würde ein Publikum erreicht, das vielleicht noch nichts über den Mord an Sophie wusste, darüber aufgeklärt. Traurig, wie man manchen Menschen offensichtlich falsche Dinge verkaufen muss, damit ihnen ein Licht aufgeht.
„Ich bin nicht der typische Goth. Ich habe keine Piercings oder Tattoos (ich lehne es ab, für Schmerzen zu bezahlen), habe keine psychische Störung und am schockierendsten, ich bin Heterosexuell. Auf der anderen Seite ist mein Geburtstag am 22. Mai, dem World-Goth-Day, also ist es einer Art von Schicksal.“ Autor Edmund West ist dann doch noch ein Gothic geworden, wie der Artikel verrät. Zum Schluss gibt er noch ein paar Tipps, was man sich als Goth in London unbedingt ansehen sollte.
In den USA möglich: Bestattungen im Wikinger-Style. Wer kennt sie nicht, die epischen Szenen in zahlreichen Filmen, wenn ein mit Brennholz beladenes Wikinger-Schiff, auf dem der Leichnam des Verstorbenen thront, durch einen brennenden Pfeil in Flammen aufgeht und den Toten so dem Ozean übergibt. Das Verbrennen von Leichen hat immer schon zu den spektakulären Bestattungen geführt, bevor wir dazu übergingen, Tote in kleinen Öfen zu Asche zu verbrennen. Im US-Bundesstaat Maine denkt man jetzt darüber nach, diese Form der Bestattung wieder für jedermann zu legalisieren und damit dem US-Bundesstaat Coloroda, wo das schon möglich ist, zu folgen.
Jetzt kriegt es der Skandal-Sänger aber knüppeldick. Neben den unzähligen Vorwürfen seit einigen Monaten, der Sänger habe andere Menschen sexuell, körperlich oder psychisch missbraucht, kommt jetzt ein Haftbefehl, weil 2019 angeblich eine Kamerafrau bespuckt haben soll, die im Pressegraben eines Konzerts Aufnahmen machte. Bisher sind es aber nur Vorwürfe, bewiesen sei noch nichts. Das Radio-Netzwerk „Rock Antenne“ hat vorsorglich alle Manson-Songs aus dem Programm genommen.
„Es gab wenige Bands, die in den Neunzigerjahren die Menschen in Deutschland so zum Rasen brachten wie sie. Auf Konzerten und auf Tanzflächen. Dazu genügten die ersten Gitarrengriffe ihres Signature-Songs „Entre dos tierras“. Das Album bekam Platin, die Touren waren ausverkauft, der deutsche einer der größten Fanklubs europaweit, und es gab sehr große. Dabei war nichts an dem Erfolg der Héroes del Silencio vorhersehbar gewesen, schon gar nicht außerhalb Spaniens.“ Schon bei Netflix eingeloggt? Hier geht es direkt zur Doku.
Mit Evanescenes Album „Fallen“ wurde Goth-Metal zum großen Ding der frühen 2000er „Bring me to Life„, „Going Under“ und „My Immortal“ sind Archetypen einer Musikrichtung, die eine Brücke zwischen Gothic und Metal baute, die bis heute Bestand hat. Es ist einfach interessant, was die Frau zu sagen hat über die Band-Geschichte und Frauen im Hardrock. Es ist allerdings in Englisch.
Gleich die erste Frage ist eklig. Was macht man eigentlich mit Verstorbenen, die noch unfertigen Stuhlgang im Darm haben? Oder auch: Nimmt man die Kontaktlinsen eines Toten heraus? Die Erklärung ist dann tatsächlich spannend. Die machen dann nämlich so Dinger in die Augen, damit die Lider geschlossen bleiben.
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