Ist der Doomer die virtuelle Reinkarnation des Gothics?

Den Doomer schiebe ich hier schon eine Weile thematisch von links nach rechts, allerdings muss ich mich langsam mit den (virtuellen) Subkulturen der Generationen am Ende des Alphabets eingehend beschäftigen. Vielen Intensivnutzern des Internets wird der Doomer schon längst ein Begriff sein, wie ich vermute, schließlich geistert dieser Begriff schon seit einigen Jahren durch die Informationsblase. Jedenfalls durch meine.

Im Zusammenhang mit der russischen Band IC3PEAK, über die ich jüngst berichtet habe, tauchte der Begriff wieder vermehrt auf, sodass ich endlich das Ei auch einmal ausbrüten sollte, auf das ich mich mit dem „selbstauferlegten Blick über den Tellerrand der eigenen Subkultur“ gesetzt habe.

Der Doomer

Verhängnis, Verderben oder Verdammnis. Die Ãœbersetzungen des englischen Wortes „Doom“ sind vielfältig. Im Langzeitgedächtnis der Generation X (das sind die, die zwischen 1965 und 1979 geboren sind) dürfte wohl das gleichnamige Videospiel aufploppen, das mir im zarten Alter von 19 blutrünstige Nächte bescherte. Darin öffnet ein fehlgeschlagenes Experiment das Tor zu Hölle und verwandelt Menschen in Zombies, die es möglichst zahlreich und kreativ zu vernichten gilt. Damit hat der Doomer allerdings wenig gemein, bis auf die gleichnamigen Nenner Verhängnis, Verderben oder Verdammnis.

Entstehung (Vermutlich)

Ursprünglich wurden 2008 so einige Anhänger der Prepper-Bewegung genannt, die sich erst im Stillen und dann immer öffentlichkeitswirksamer auf ein mögliche Ende der Welt vorbereiteten. 2011 entwickelt sich mit der Reality-Serie „Doomsday Preppers“ ein regelrechter Hype um den Trend, sich auf alle denkbaren Katastrophen einzustellen, Vorräte zu lagern, Bunker zu bauen oder persönliche Verteidigungsstrategien gegen alle denkbaren Ereignisse zu erarbeiten. Vor allem in den USA wächst das zu einer Weltanschauung, aber auch in Deutschland bilden sich zahlreiche Formen der Prepper-Bewegung.

Der Doomer war also jemand, der daran glaubte, dass die Welt sich früher oder später selbst zu Grunde richtet. Soweit so gruftig. Der Gothic sieht das ganz ähnlich, er will allerdings nicht praktisch auf ein Ende der Welt vorbereitet sein, sondern lediglich äußerlich. Er kleidet und schminkt sich so, als stünde das Ende der Welt unmittelbar bevor.

Entwicklung (Möglicherweise)

2009 sickert der Begriff „Doomer“ langsam in die Netzkultur und wird auf Reddit zum sogenannten Subreddit r/doomer, in dem sich Internetjunkies gemeinsam über globale oder individuelle Endzeitszenarien austauschen. Geprägt werden die Themen von einer ausufernden Hoffnungslosigkeit und Resignation, die nicht mehr den Sinn im Leben suchen, sondern die Sinnlosigkeit desselben bereits akzeptiert haben. Hier wird jeder negative Entwicklung auf unserem Planeten überspitzt zum Höhepunkt getrieben

Am alternden Gothic, für den die Welt bereits Mitte der 80er zum Scheitern verurteilt war, geht diese Entwicklung in der Regel vorbei, denn das letzte mal, als sie sich im Internet einwählten, haben sie ihren AOL-Account auf neue Nachrichten überprüft. Dafür sozialisieren sich hier viele junge Leute mit populären Inhalten unserer Subkultur und suchen auch musikalisch wieder nach geradezu apokalyptischen Titeln im entsprechenden Subreddit.

Der Doomer glaubt nicht daran, dass sich die Welt zu einem besseren wendet, in seinen Aussichten malt er die Welt schwärzer als sie ist und lässt sich musikalisch von Titeln treiben, die seiner Stimmung gerecht wird. Kommt das dem Grufti nicht irgendwie bekannt vor? Früher waren es deutschsprachige Titel wie „EA80 – Häuser“ dann „Mono für Alle – Hier gefällt mir nichts„, um schließlich mit „Konstantin Unwohl – Ich wollte mal nach Trier„. Wer nach sich nach dem Konsum dieser Titel nicht mies fühlt, ist weder Gothic noch Doomer.

Endlich Viral (und völlig Egal)

Was eigentlich noch fehlt, ist der Meme gewordene Stereotyp des Doomers. Ein ikonisches Bild, das ausdrückt, was ein Doomer vermutlich ist. In Abwandlung des Wojak-Memes  tauchen 2018 bei 4Chan erste Bilder auf, die den Doomer – neben einigen anderen *oomern – karikieren.

Demnach lässt sich der typische Doomer wie folgt beschreiben. Ein junger Mann, Anfang 20, der nach gerne spazieren geht, depressiven Neigungen hat und sich keiner Aussichten auf eine berufliche Karriere ausmalt. Er trägt meist einen schwarzen Hoody, ein schwarze Wollmütze, raucht wie ein Schlot und ist auch sonstigen stofflichen Abhängigkeiten nicht abgeneigt. Er ist von ungepflegter Erscheinung, hat tiefe Augenringe und guckt genauso, wie man es sich für einen Doomer vorstellt. „Was soll das noch alles?

Im Fahrwasser dieses Memes werden dem Doomer auch Weiterentwicklungen an die Seite gestellt, die aber dann nur noch eine Karikatur der Karikatur sind. Das obligatorische Doomer-Girl, das auch Doomerette genannt wird, kommt irgendwann 2020 dazu. Der Go-Getter, der als Mutation des Doomers gilt und genug hat vom pessimistischen Lifestyle und lieber nach vorne blickt.

Allerdings verliert sich hier auch jeglicher ernstzunehmende Ansatz einer neuen Jugend-Bewegung, denn die Grenzen zwischen den realen, pessimistischen Gedanken einer neuen Generation und der humorvolle Karikatur eines traurigen Außenseiters verschwimmen.

Ein Schelm wer böses dabei denkt, aber möglicherweise entspricht diese Wahrnehmung auch dem aktuellen Bild unserer Szene, wenn wir in Zeitungen und Zeitschriften als Hundehalsband tragende Gummipferde über das viktorianische Picknick galoppieren?

Ist der Doomer eine Reinkarnation von „Gothic“ oder nicht?

Keine Phönix aus der Asche, kein „Next Big Thing“ einer unklaren Zukunft und auch völlig neuer Ableger eines knochigen Baums. Nein, der Doomer ist keine Reinkarnation des guten alten Gothics. Für mich nur eine neue Bezeichnung für die Gefühle, die schon in den 80ern unerwünscht waren, uns zu Außenseitern machten und nichts an ihrer Aktualität verloren habe. Traurigkeit, Resignation und Hoffnungslosigkeit. Diese Dinge lassen sich nicht aus dem kollektiven Empfinden der Jugend löschen, weil sie allgegenwärtig sind. Früher nannte man das Gothic und wenn es heute einen neuen Namen haben muss, mein Goth, warum nicht.

Faszinierend bleibt allerdings, wie Dinge im Netz ein völlig eigene Dynamik entwickeln, ohne durch Kommerzialisierung im Keim erstickt zu werden. Es gibt also immer noch Subkulturen, die einer alternden Generation (Okay, Boomer) versperrt bleiben, weil sie nicht mehr genug emotionale Energie aufwenden können, sich in neue und fremde Lebenswelten einzufinden.

Gespannt bin ich allerdings, wie wir das Alphabet der Generationen fortsetzen wollen, wir gerade in der Generation Z, dem „Zoomer“ stecken. Vielleicht nehmen wir ein ausländisches Alphabet, griechisch liegt gerade im, wie ich gehört habe.

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Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Vor 2 Jahre

In meinem Umfeld gibt es durchaus den ein oder anderen zu dem Doom passt, wobei diese sich weder so nennen, noch bin ich mir sicher ob sie diese Bezeichnung überhaupt kennen. Auch ich kann mich mit einigen Charakteristika der Doomer sehr identifizieren, verstärkt in den letzten Jahren. 
Doch würde ich es ebenfalls, weder eine Reinkarnation noch eine Evolution von Gothic nennen, auch keine virtuelle. Es ist aber vermutlich von allem Strömungen der letzten Jahrzehnte etwas was dem Grundbegriff/ Grundgefühl von Gothic am nächsten kommt. Wenn auch mit wichtigen Unterschieden. Der gemeine Grufti kennzeichnet sich durch ästhetisches Ãœberhöhen und Zelebrieren des Düsteren auch in Klamotte und Frisur/ Make-up. Und ist häufig überaus gepflegt. Optisch scheint mir beim Doomer eher eine Verwandtschaft zum Grunge vorhanden zu sein. 
Folgenden Absatz finde ich eine gute Quintessenz :

„Der Doomer war also jemand, der daran glaubte, dass die Welt sich früher oder später selbst zu Grunde richtet. Soweit so gruftig. Der Gothic sieht das ganz ähnlich, er will allerdings nicht praktisch auf ein Ende der Welt vorbereitet sein, sondern lediglich äußerlich. Er kleidet und schminkt sich so, als stünde das Ende der Welt unmittelbar bevor.“  :D

Was mir unangenehm aufstößt ist allerdings das der Prototyp/Archetyp eines Doomer männlich porträtiert wird und der weibliche Doomer eher ein Ableger davon zu sein scheint. Das kommt mir für eine „Jugendbewegung“ 2022 bisschen arg überholt vor. Und Doomerette, ähm. Die/der Goth und der/die Grufti find ich schon besser. Ich meine was hat ein Weltbild mit dem Geschlecht zu tun?? Nunja.

Letzte Bearbeitung Vor 2 Jahre von Norma Normal
Wiener Blut
Wiener Blut (@guest_60779)
Vor 2 Jahre

Solche Berichte zeigen einem das man sich entspannt als Go… äh Mensch (ja, ich hab sogar mittlerweile ein Problemchen damit einfach die Gothic Mütze mir oder anderen überzustülpen) zurück lehnen kann. Vielleicht ist man auch zu gefestigt, in der Gesellschaft angekommen, zu spießig. Man ist ja auch bald doppelt so alt, oder älter als der Doomer heute. Allerdings optisch fand ich das, was als Doomer beschrieben wird, schon damals im selben Alter nicht erstrebenswert… und von der vermeintlichen Antriebslosigkeit würde ich am Rad drehen. Wenn schon ständiger doom, dann aber mit etwas Schillern im Dunkel und bitte etwas kraftvoller. Gerade dieses Schillern und diese Energie, als bemerkenswerter Gegensatz zum „dunklen Abgrund“, fand ich von Anfang an faszinierend in Teilen der schwarzen Szene. Das fehlt mir total am Doom, wenn ich das richtig verstanden habe.

Letzte Bearbeitung Vor 2 Jahre von Wiener Blut
Manu
Manu(@manu)
Antwort an  Robert
Vor 2 Jahre

Die persönliche Entwicklung eines jeden Einzelnen ist so unterschiedlich, dass dem einem die Mütze noch steht und dem anderen nicht mehr so recht. Die Altersfrage finde ich dabei nicht unwesentlich, denn Entwicklungen sind unterschiedlich und individuell. Da haben Gothics bereits einen längeren Weg zurückgelegt und einige Veränderungen erfahren (und zwar jeder für sich). Das hat nicht nur etwas mit verschiedenen subkulturellen Stühlen zu tun, sondern auch mit gesellschaftlichen Stühlen, wie Beruf und Familie. Da gibt es dann nicht nur schwarz und bunt, sondern auch grauen Alltag. Szene, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen gelingt den Menschen unterschiedlich.

Kategorisierungen, wie Gothic, sind nur hilfreich, um Orientierungen für den gesellschaftlichen Austausch zu finden. Die gesellschaftliche Indoktrination von Subkulturen ist dabei jedenfalls nicht hilfreich, weil sie zu sehr einengt, um mit dem Finger darauf zeigen zu können. Das geschieht jedoch von außen. Das war uns immer egal und sollte uns weiterhin egal sein. Denn diejenigen, die das tun, sind intolerant, weil sie ein gesellschaftliches Idealbild vermitteln wollen, welches es nur in totalitären und verkrusteten Vorstellungen gibt. Das passt nicht zur Gothic-Szene bzw. deswegen ist die Subkultur entstanden.

Wenn der Doomer die Verkörperung einer inhaltlichen Facette der schwarzen Szene ist, dann kann er nur ein weiterer Teil der Szene sein, die zum großen Glück sehr vielfältig ist. „Herzlich Willkommen, Doomer. Du bist ab sofort nicht nur Doomer, sondern auch Gothic.“ zwinkersmiley

Mit der angesprochenen Antriebslosigkeit, die sich dann auch im Äußeren widerspiegelt, kann ich jedoch auch nichts anfangen. Da finde ich das „Schillern“ als Gegensatz zum „dunklen Abgrund“ als signifikante Merkmale einer seit langem beachteten Subkultur sehr gut ausgedrückt. Denn Unterschiedliche Merkmale sind gut, weil sie sich gegenseitig befruchten. Das „Schillern“ ist mehr ästhetische Notwendigkeit zur Untergangsstimmung, damit auch ein kraftvoller Ausdruck entsteht, der den gewollten Eindruck vermittelt. Widerspruch erzeugt Reflexion. Etwas Neues wird daraus nicht entstehen, denn es gibt nichts Neues, außer das, was wir vergessen haben. Es gibt jedoch der Entwicklung ihren Halt. Mag sein, dass einige Gothics das Äußere und ihr Äußeres überbewerten, aber wie heißt es doch so schön in der SM-Szene: Pervers ist es erst dann, wenn du keinen mehr findest der mitmacht. Eine Ãœberbewertung des Äußeren von außerhalb der Gothic-Szene interessiert mich nicht, weil sie mir meist zu oberflächlich erscheint.

Ein Doomer wird die Sache vielleicht anders sehen, was nicht heißt, dass es falsch ist.

Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Antwort an  Manu
Vor 2 Jahre

Ob man sich diese (Gothic-)Mütze anziehen kann oder will hat tatsächlich viel mit der eigenen Biografie zu tun. Meistens setzt man sich nicht freiwillig zwischen die Stühle, sondern wird einfach von „Gatekeepern“ von hier nach da geschoben bis man aufgibt irgendwo dazugehören zu wollen. Und wird zwangsläufig zum Grenzgänger. Dann kann man versuchen das beste draus zu machen und schafft sich seine eigene Identität. Das kann auf alle unsere gesellschaftlichen Rollen zutreffen, innerhalb der Familie, der Arbeit usw.
Letztendendes ist Identität sowie ständig im Fluss und im Wandel, und bei weitem nichts fixes. Diese Einsicht kann auch hilfreich sein, sich selbst den Druck zu nehmen irgendwo hineinpassen zu müssen. Das ist durchaus nicht nur ein Thema das für Jugendliche relevant ist und ab einem gewissen Alter an Bedeutung verliert. Vielmehr begleitet es einen durch die verschiedensten Lebensphasen. 

Lox
Lox (@guest_60782)
Vor 2 Jahre

Wie bitte ? Kann mir dies mal eine Person in, UKW übersetzen ?

Ich verstehe, eine Generation nach der Next Generation, brennt immer schneller aus, oder ? Ist dies Fortschritt oder schon Streberei, ist es schon in der DNA, der Weltschmerz ?

Nun warum erinnert mich das Bild mit dem Smoker nur an James Dean, denn sie wissen nicht was sie tun, +sollen ?

Wer hat jetzt die Mundwinkel nach dem lesen eben angehoben ? Es mag einem komisch erscheinen doch scheint in der Totalen-Depression eine gewisse Ausbau bzw. noch eine Entwicklungsstufe, möglich zu sein ? So frage ich mich ob ich die Deathends, nicht zu weit erweitert habe oder hätte ich weiter gehen können ?

Vielleicht mit einem Tattoo im Gesicht an meinem Mund auf dem die Mundwinkel nach unten zeigen ? Nicht mal 1x im Leben lachen oder lieben ? Ist die Next Generation, dann der Mole-Doomer oder Mole-Goth kein Licht mehr, nur nackt im Erdreich am lümmeln wie ein Raketenwurm ?

Habe ich Matrix zu oft Rückwärts geguckt ? Wer sich fragt was es dann für ein Film ist, es ist dann ein Zombiefilm oder eine Folge General Hospital ? Dr. Neo in schwarz zieht das schwere Eisen aus den Feinen Anzügen und richtet die Bügelfalten.

Nun, wenn den Doomern der schwarze Humor fehlt, werden sie nicht lang dabei bleiben vermute ich, der Ausgang, den lasse ich mal offen … *hust*

Mit dunklen Gruß, Lox

Letzte Bearbeitung Vor 2 Jahre von Lox
Graphiel
Graphiel(@michael)
Vor 2 Jahre

Ich weiß nicht so recht….

Inhaltlich kann ich den Doomern ja durchaus etwas positives abgewinnen. Ich freue mich ja durchaus, dass es noch andere Jugendkulturen jenseits der „Jo-ey-Alter, deine mudda“-Fraktion gibt. Eine melancholische bis leicht misanthropische Grundstimmung (die mir in der modernen schwarzen Szene manchmal doch auch ein klein wenig fehlt) begrüße ich ebenfalls. Auch Teile der Musik (zumindest vom dem Bisschen, was ich aus der Ecke bisher hörte) finde ich durchaus hörbar. Aber…

Irgendwie fehlt mir in der ganzen Geschichte sehr der ästhetische Aspekt, der ja doch recht typisch für die gruftige Ecke geworden ist. Auf mich wirkt Doom daher zwar schon etwas wie Gothic, nur ist mir darin deutlich zu viel „no future“ oder sowas enthalten. Ich weiß gerade nicht recht, wie ich es besser beschreiben soll. Man verstehe mich da nun bitte nicht falsch: Ich kenne mich nicht besonders gut in der Doomerszene aus, hangle mich daher hier auch nur anhand der wenigen Berichte und Videos entlang die ich darüber gesehen/gelesen habe und sehe daher manche Dinge vielleicht einfach nur zu klischeebehaftet. Ich komme aber einfach nicht recht mit dem Gedanken klar meine „gruftige“ Grundstimmung zelebrieren zu sollen, indem ich einfach nur aussehe wie nach zu vielen Nächten mit zu wenig Schlaf. Da fehlt auch mir dann wirklich etwas die teils überzeichnete, ja eigentlich schon künstlerische Zelebrierung dieser gefühlten Grundstimmung, getragen über die Kleidung, Schmuck, die Frisur/Make-up, usw. Halt diese düster/melancholische Ästhetik, so wie es bei den Goth(ic)s ja nun einmal üblich ist.

Graphiel
Graphiel(@michael)
Antwort an  Robert
Vor 2 Jahre

Da bin ich durchaus deiner Meinung. Der praktizierte Perfektionismus im Bezug auf Körperform, Styles und Outfit ist auch in meinen Augen eher kontraproduktiv. Beweist er doch eigentlich nur, dass die Szene hier (zumindest anteilig) bereits von den Idealvorstellung unserer durchkommerzialisierten Gesellschaft vereinnahmt wurde.

Wobei ich an dieser Stelle noch einmal betonen möchte, dass ich das andere Extrem deshalb nicht besser finde. Ja, sowas habe ich durchaus auch schon live erlebt. Wer ernsthaft glaubt auf grundlegende Hygienekonzepte verzichten zu können ist in meinen Augen nicht gleich in einem subkulturellen Sinne besser, weil freakiger. ;)

Ähnlich empfinde ich dies übrigens auch bei der Shaminggeschichte. Wer keuchend und nach Luft japsend auf der Tanzfläche steht, weil die getragene Korsage ganz offensichtlich für eine Person mit deutlich geringerem Körperumfang gemacht wurde, sollte zumindest in meinen Augen vorsichtig mit der Bodyshamingkeule umgehen. Einem solchen Menschen freundlich! zu raten beim nächsten mal vielleicht doch ein bequemeres Outfit zu wählen, oder langfristig (sofern es denn unbedingt diese viel zu enge Korsage sein muss) etwas an der Körperform zu arbeiten ist schließlich nicht automatisch Bodyshaming. Auch wenn sowas von einigen extrem zart besaiteten Seelen manchmal so aufgefasst und als Universaljoker gegen den gefühlten Elitismus „missbraucht“ wird, um sich zu jeder Gelegenheit in die Opferrolle werfen zu können. Und: Ja, auch sowas habe ich schon beobachten dürfen. Leider…

Ich finde deshalb darf hier auch eine Szene, die ein Platz für „Freaks“ sein, bleiben bzw. werden soll noch bodenständig genug sein, um nicht in das nächste Extrem abzudriften. Wobei ich manchmal auch das Gefühl habe, dass es gar nicht so einfach ist die richtige Balance zu halten.

Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Antwort an  Graphiel
Vor 2 Jahre

Hm, also ich weiß nicht ob man das tragen eines schwarzen Kapuzenpullis, mit dem tragen einer zu engen Corsage gleichsetzen kann. Das mit der Corsage dürfte wohl eher ein Ergebnis dessen sein, was passiert wenn die Ideale der Kommerzgesellschaft auf die Subkultur trifft. Der schwarze Kapuzenpulli im Doom dagegen ist wohl eher als Synonym für Stylingverzicht zu verstehen, das muss ja nicht automatisch hygienisch fragwürdig sein.
Generell finde ich es absolut übergriffung wenn man fremden Leuten auf der Tanzfläche Ratschläge bezüglich ihrer Kleiderwahl gibt. Sorry, aber was du als gut gemeint bezeichnest ist leider ganz und gar nicht gut! Also wenn sich jemand in enge Klamotten quetschen will oder sich eher in oversized Klamotten wohl fühlt, das geht keinen was.

Letzte Bearbeitung Vor 2 Jahre von Norma Normal
Graphiel
Graphiel(@michael)
Antwort an  Norma Normal
Vor 2 Jahre

Der schwarze Kapuzenpulli im Doom dagegen ist wohl eher als Synonym für Stylingverzicht zu verstehen, das muss ja nicht automatisch hygienisch fragwürdig sein. 

Was ich auch an keiner Stelle geschrieben hatte ;)

Hier bezog ich mich auf die allgemeine Aussage von Robert zu „Freaks“ in der Szene. Freak ist ja schließlich nicht gleich Freak, nech? Da gibt es schon solche und solche. Solche denen die Szene einen Raum zur Auslebung bieten kann, darf und sollte. Aber eben auch solche bei denen dies zumindest hinterfragt werden darf.

Generell finde ich es absolut übergriffung wenn man fremden Leuten auf der Tanzfläche Ratschläge bezüglich ihrer Kleiderwahl gibt, sorry, aber gut gemeint ist nicht unbedingt gut! Also wenn sich jemand in enge Klamotten quetschen will oder sich in oversized Klamotten wohl fühlt, das geht keinen was an. 

Das sehe ich grundsätzlich zwar auch so, doch trifft dies in meinen Augen auch nur dann zu, wenn Ratschläge ungebeten abgegeben werden. Wenn sich aber jemand über Luftknappheit beschwert und die naheliegende Vermutung geäußert wird, dass es an unpassender Kleidung liegen könnte, ist dies schon etwas anderes. Das ist dann in meinen Augen in etwa so, als wenn du aufgrund von andauernden Hustenbeschwerden zum Arzt gehst, die Frage „Rauchen Sie?“ mit „Ja“ beantwortest und du anschließend den Arzt anpampst, weil er dir dazu rät mit dem Rauchen aufzuhören.

Versteh mich da nicht falsch: Meinetwegen darf sich jede(r) so kleiden wie es beliebt und sich darin wohlfühlen. Nur finde ich, dass dieser kleine und feine Unterschied schon gemacht werden darf und auch gemacht werden sollte, ehe man möglicherweise sogar zurecht zu einer wie auch immer gearteten Shamingkeule greift.

Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Antwort an  Graphiel
Vor 2 Jahre

Ich kenne die näheren Umstände deines Ratschlags natürlich nicht. Mir ist das gerade nur aufgefallen, ja hat mich sogar etwas bestürzt weil ich deinen Kommentaren meist zustimmen kann.
Wir alle, auch in unseren Subkulturen, haben Glaubenssätze der Mehrheitsgesellschaft, die zu Bodyshaming, Mobbing etc pp führen, so internalisiert das es uns manchmal nicht auffällt. Deshalb liegt es mir am Herzen da nachzuhaken.

Norma Normalm
Norma Normalm(@normanormal)
Antwort an  Norma Normal
Vor 2 Jahre

Ach, und das hab ich noch vergessen: Gerade weil ich kein Arzt bin, würde ich nie, selbst wenn ich darum gebeten werde, einen Ratschlag zum Körperumfang einer Person geben. Es sei denn es ist mein Partner oder meine nächsten Familienangehörigen und betrifft akute gesundheitliche Belange. Ansonsten never ever. Da bin ich mal ganz frech und gebe das als ungefragten Ratschlag an die Runde ; )

Graphiel
Graphiel(@michael)
Antwort an  Robert
Vor 2 Jahre

Gut zusammengefasst, dem möchte ich mich einfach mal komplett anschließen

Umso trauriger, wenn dann Leute aufgrund eines mangelnden Angebotes und falsch vorgelebter Idealbilder glauben Sachen tragen zu MÜSSEN, die definitiv für einen anderen, vordefinierten Körperbau gemacht wurden. Hier wäre es doch eigentlich erst recht erstrebenswert sich dagegen zu stemmen und entweder Kleidung in passender Größenordnung zu fordern und/oder vielleicht auch dem vordefinierten Idealbild den geistigen Mittelfinger zu zeigen und sich einen eigenen Stil zu schaffen.

Man korrigiere mich gerne, wenn ich da falsch liegen sollte :)

John Doe
John Doe(@arno-siess)
Antwort an  Graphiel
Vor 2 Jahre

Ich möchte mich jetzt ungern in die Nesseln setzen. Aber unter Bezugnahme auf die angesprochenen „Idealbilder“, ich persönlich definiere „schwarz“ zu sein grundsätzlich unter anderem damit, keinen Trends hinterher zu hecheln und sich keinen Zwängen zu unterwerfen.
Wenn sich jemand dann trotzdem in Bekleidung zwängt, die nicht für den eigenen Körperbau vorgesehen ist, weil er oder sie glaubt, das tun zu müssen, dann ist es vielleicht auch einmal an der Zeit, sich selbst zu hinterfragen.

Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Antwort an  John Doe
Vor 2 Jahre

Du setzt dich nicht in die Nesseln, was du ansprichst hat ja seine Richtigkeit. Aber wir dürfen eben nicht leugnen, das auch innerhalb der Szenen sehr fragwürdige Ideale kursieren, die vermutlich von der Normgesellschaft beeinflusst bzw. herübergeschwappt sind. So ist dünn zu sein auch unter Schwarzen ein Ideal, oder findest du nicht!? Und wenn sich jemand bestimmte Klamotten anzieht, so hat das denke ich auch viel damit zu tun, das manche vermutlich denken um ein echter Gothic zu sein müsste man bestimmte Dinge tragen. 
Ich hab zwar schon ewig kein Szene-Magazin in der Hand gehalten aber da waren früher auf dem Cover meistens Frauen, die figurtechnsich auch auf einem normalen Modemagazin bestehen hätten können und dann auch noch sehr sexualisiert dargestellt. Da fehlte mir schon damals die Abgrenzung zum „Mainstream“. Und heute gehts in den sozialen Medien und bei den populären Szenenbekleidungsmarken weiter damit. 
Ich selbst bin ja großer Fan von einem androgynen Look, so wie zum Beispiel bei Desireless im Voyage Voyage Video, hach wunderbar : ) Aber das ist ja auch Geschmacksache. Irgendwann gehörten z.B. Corsagen, zum ultimativen Gothic-Outfit. Ich find das auch schön aber es ist, glaub ich, in den Köpfen vieler als ein Must-Have verankert, und das ist natürlich Blödsinn. Im Gothic sollte es sowas wie ein Must Have nicht geben.

John Doe
John Doe(@arno-siess)
Antwort an  Norma Normal
Vor 2 Jahre

Der Mensch ist nun einmal soziales Wesen, davon kann sich noch nicht einmal unsere Szene ausnehmen. 😉
Vielleicht ist tatsächlich jeder zumindest ein Stück weit beinflussbar.
Aufgrund meines schon etwas fortgeschrittenen Alters habe ich aber zum Glück den Luxus, das alles etwas gelassener sehen zu können. 😄

Graphiel
Graphiel(@michael)
Antwort an  John Doe
Vor 2 Jahre

Da gebe ich dir grundsätzlich recht. Doch stimmt es halt auch, dass es nicht an uns liegt dies den betreffenden Menschen unter die Nase zu reiben. Außer: Wie in dem Fallbeispiel von mir angedeutet, jemand kippt nachweislich aufgrund von unpassender Kleidung tatsächlich aus den Latschen oder sowas. Dann könnte oder sollte man als Ersthelfer vielleicht sogar so viel Arsch in der Hose besitzen und die betreffende Person fragen wie sie nur so „blöd“ sein kann und für ein wie auch immer geartetes Idealbild sogar bereit ist die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Und das (ganz wichtig!) in einer Subkultur, die sich damit schmückt, sich vom bösen „Mainstream“ abgrenzen zu wollen.

Bis dahin (so sehe ich das inzwischen leider auch) jedoch riskiert man es eben sich mit solchen vielleicht wirklich nur gut gemeinten Versuchen in die moralischen Nesseln setzen und Stempel wie dem Bodyshaming aufgedrückt zu bekommen. Selbst wenn dieser gar nicht angebracht wäre. So ja auch im Beispiel des von mir beobachteten Falles, wo der Helfer postwendend den Bodyshamingstempel verpasst bekam.

Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Antwort an  Robert
Vor 2 Jahre

„Grundsätzlich finde ich die Grundidee des Doomers also gut, denn er stellt Style und Körper als völlig irrelevant da. Oder?“

Durchaus zu begrüssen, wenn das bei Doom tatsächlich so ist.
Ich muss mir aber auch an die eigene Nase fassen und zugeben das ich mich schwer damit tue, mich von idealen Körperbildern freizumachen. Das ist was ich mit den internalisierten Glaubenssätzen meine. Ich gucke immer sehr selbstkritisch in den Spiegel.
Aber abgesehen davon, liebe ich es mich zu stylen, auch wenn ich das gemäßigt tue. Es macht mir Freude, ja es macht mich sogar irgendwie glücklich. Daher würde ich nicht darauf verzichten wollen. Wenngleich ich zur Zeit eher im Doomer-Look herumlaufe :D
Und ich finde es auch wirklich schön wenn Leute auf ner Szeneveranstaltung toll zurechtgemacht sind. Aber es darf kein Muss sein! Besonders gefällt es mir wenn man merkt das da jemand seine Garderobe kreativ zusammenbastelt und sich eben nicht was von der „Szenenladenstange“ holt.

Letzte Bearbeitung Vor 2 Jahre von Norma Normal
Manu
Manu(@manu)
Antwort an  Norma Normal
Vor 2 Jahre

Ich finde auch, man sollte versuchen, die DIY-Möglichkeiten wieder auszuschöpfen. Ich spreche von versuchen, weil ich da selbst in gar keiner Hinsicht irgendwelche Qualitäten in Sachen Kleidung nähen o.ä. habe. Auch mein Style ist eher nicht (mehr) wirklich Gothic. Alltagskleidung in Schwarz. Was ich aber mittlerweile mache, ist Hosen von einem Schneider anfertigen lassen. Ich finde nix mehr was mir gefällt, weder auf einer Szenenladenstange (super!!) noch im alltäglichen Handel.

Graphiel
Graphiel(@michael)
Antwort an  Norma Normalm
Vor 2 Jahre

Oh, ich selbst habe gar keine Ratschläge gegeben. Ich war bei einer solchen Aktion nur der außenstehende Beobachter und habe mir meinen Teil dazu gedacht, als es „eskalierte“.

Die Situation war wie folgt: Die besagte Dame japste sichtlich bemüht auf der Tanzfläche herum und blieb ständig stehen um nach Luft zu ringen. Ein anderer Gast fragte sie irgendwann, ob alles in Ordnung sei und sie Hilfe benötigen würde. Die Dame gab an schwer Luft zu bekommen, allerdings nicht unter Asthma oder so zu leiden. Als der Gast vorsichtig seinen Verdacht äußerte, dass die getragene Korsage vielleicht etwas zu klein sei (die war wirklich nicht für den Körperbau der Trägerin gedacht), wurde sie allerdings laut und maulte den Helfer an, er würde sie wohl nur auf ihre Körperform reduzieren wollen. Sehr nett, wie ich finde.

Daher wie gesagt: Nicht alles was sich für manche wie ein Angriff anfühlt ist tatsächlich auch ein Angriff. Ich persönlich habe (Coronapandemie sei Dank -.-) inzwischen durchaus die Pappe auf, wenn sich Menschen bei jeder erstbesten Gelegenheit reflexartig in die Opferrolle schmeißen. Ich finde nämlich auch dieses Verhalten hat inzwischen bedenkliche Ausmaße angenommen.

Ich hätte mir an Stelle des Helfers aber ehrlich gesagt auch nur noch einmal versichern lassen, dass die japsende Person KEINE Hilfe haben möchte und sie dann machen lassen. Selbst wenn dies im Zweifelsfall bedeutet hätte, dass sie wenige Minuten später tatsächlich zusammengeklappt wäre. Erste Hilfe leistet man in dem Fall dann ja so oder so, nur ist man selbst dann eben erst mal aus dem moralischen Schneider und braucht sich nicht mehr vorab in Ecken drängen zu lassen, in die man wohlmöglich gar nicht reingehört.

Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Antwort an  Graphiel
Vor 2 Jahre

Du musst dich nicht rechtfertigen, aber umso besser wenn du den Ratschlag nicht erteilt hast. Ich finde auch man bietet einmal seine Hilfe an und zieht sich dann dezent zurück : )

Graphiel
Graphiel(@michael)
Antwort an  Norma Normal
Vor 2 Jahre

Alles gut :D

Übrigens nur noch am Rande: Das Thema mobbing aufgrund der Körperform ist mir nicht unbekannt, wenn auch aus der entgegengesetzten Richtung. Ich war in meiner Kindheit und Jugend immer eher zu dünn und war damit den meisten meiner männlichen Altersgenossen kräftemäßig unterlegen. War/ist auch ziemlicher Mist in einer Gesellschaft, die von Jungs fast immer erwartet stets auch richtig schwere Lasten mal eben so tragen zu können. ;)

Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Antwort an  Graphiel
Vor 2 Jahre

Ja, genau und ein Indianer kennt keinen Schmerz…toxische Männlichkeit. Aber egal wie man es nennt. Es ist absolut bescheuert. Geschlechtsspezifische Erwartungen sind halt einfach schwierig, egal ob für Männer, Frauen oder non-binäre Menschen.
Deshalb wünsche ich mir wenigstens innerhalb der Szene (noch) mehr Bewusstsein dafür.

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