Könntet ihr euch vorstellen auf dem Friedhof zu wohnen? Könntet ihr euch vorstellen jahrelang neben eurer verstorbenen Mutter zu leben, die aufgebahrt im Raum nebenan liegt? Wäre es für euch vorstellbar den Lebensunterhalt durch das transportieren von Leichen zu verdienen, mit denen man tagelang durch die Gegend fährt? Wir haben den Tod weitestgehend aus unserem Alltag und aus unserem Leben verdrängt. Friedhöfe sind daher hierzulande nicht unbedingt bekannt für ihre Lebhaftigkeit, zu gruselig scheint der Gedanke den Ort der Toten zu besuchen. Das ist in anderen Ländern und Kulturen völlig anders. Bestattungsriten und der Umgang mit dem Tod sind trotz einer gemeinsamen Religion völlig unterschiedlich.
In der „Stadt der Toten“, wie der Friedhof in Kairo genannt wird, leben rund 300.000 Menschen. Es gibt dort Händler,Friseure oder Kioske und auch Hauptstraßen führen durch den Friedhof, der zu einem der größten der Welt zählt. Die Millionenmetropole hat den Friedhof, der einst am Stadtrand errichtet wurde, längst verschlungen – Platzmangel und Armut treibt die Menschen auf den Friedhof. Und so leben die Ärmsten der Ägypter zwischen Gräbern, die seit Hunderten Jahren nicht nur die islamische Geschichte Ägyptens repräsentieren, sondern auch Baustile aus unzähligen Epochen wiederspiegeln. Unvorstellbar?
Filmemacher Bernd Schaarmann, der als erster aus seiner Familie nicht den Beruf des Schreiners ergriff und dann Bestatter wurde, reiste für seinen Dokumentarfilm „Nice Places To Die“ um die Welt und ging der Frage auf den Grund, wo lebt und stirbt es sich wohl am besten? Er fand Menschen, die so grundlegend anders mit dem Tod umgehen als wir und das Sterben nicht unbedingt negativ sehen, sondern auch überraschend positiv. Ein warmherziger und sanfter Dokumentarfilm der tatsächlich zum nachdenken anregt und die Frage zurücklässt, ob der Weg unserer Gesellschaft, den Tod aus dem Leben zu verdrängen, der richtige ist.
https://www.youtube.com/watch?v=SNWaxmb8uhw
Bernd Schaarmann, der sich sein Leben lang mit dem Tod beschäftigte, verstarb 2014 im Alter von 46 Jahren, sein beeindruckender Dokumentarfilm ist auch sein Erbe, das posthum 2015 erstmals aufgeführt wurde. Seine größte Passion wurde sein Schicksal – viel zu früh. Gerne hätten wir noch mehr von dem Filmemacher und Regisseur gesehen, seine Herangehensweise an das Thema Tod ist einzigartig, „Nice Places To Die“ einer der für mich besten Dokumentarfilme seit langem.