Helau. Alaaf. Und leck mich am Arsch. Ja du, der in Gedanken freudig mitgerufen hat. Was zum Geier läuft bei dir denn falsch. Schlimm genug, dass mein Textverarbeitungsprogramm diese beiden Begriff in der Autokorrektur besitzt. Wobei mir das zum Glück das googeln und damit verbundene ertragen der Vorschaubilder erspart. Doch du willst mir jetzt allen Ernstes erzählen, dass dich diese Begriffe emotional erhellen. Ernsthaft… Setzen, sechs; du Spinner. Verpiss dich von diesem Artikel. Ja, ich bin abgefucked. Und nicht im positiven Sinne. Somit Danke für dieses Gutachten. Warum? Weil ich soeben fünf Stunden Karneval-Sitzungen auf Youtube ertragen habe. Freiwillig. Und nur, um die Inspiration für dieses nächste Artikelbild zu bekommen. Fünf Stunden verschissener Anstandshumor. Im Zeitraffer zwar, aber schlimm genug. Die Stiefel bleiben ja auch nicht unversiffter je schneller man kotzt. Und da steigt einem der Gallensaft schon sehr hoch. Pseudopolitisches Weichspülgelaber, dessen Pointierung einem Rippentritt für den kabarettistischen Grundgedanken gleichkommt. Zudem gespickt mit verbalen Knick-Knack-Kalauern, deren anstößig ferkeliges Treiben nicht über den Stock im Arsch hinauskommen.
Die zum Speien spaßige fünfte Jahreszeit. Meine Fresse, das ist wie scheiß Weihnachtsmarkt und scheiß Jahrmarkt zusammen; nur eben in richtig scheiße. Und dann auch noch beim Training. Der Heimsuchung größte Widerwärtigkeit. Ein Aufruf zum Kostümzwang für diverse Kursen. Zum Glück nur Kurse für alternde Faltenfregatten. Doch damit wurde ich den ganzen Tag nicht das grässliche Bild im Kopfkino los. Ich sah Rentner im Takte ihre Wohlstandswampen schaukeln und dabei heiter bis dement unter Clownsperücken und roten Pappnasen triefen. Im spaßig sportlichen Treiben den bunt gefärbten schweißverklebten Achselflokati aus dem närrischen Sportdress tropfen… und ich hoffte, bei der Überzugsübung würden sich die Scheiben der 50kg Kurzhantel über meinem Gesicht lösen und mich damit im freien Fall erlösen. Aber dann wäre das verdammte Leben ja mal gut zu einem.
Weit gefehlt. Ich lebe noch. Auch wenn man sich beim Training alle Mühe gibt, sich zu zerstören. Zumal, seit wann hat Sport was mit verschissenem Spaß zu tun. Am Ende noch mit so einem scheiß Satz wie: »Ich habe jetzt aber keine Lust darauf.«. Wenn du das denkst dann verpiss auch du dich; und fange endlich an ordentlich zu trainieren, Penner. Ja t´schuldigung. Lust ist etwas für´s Vieh und Ficken. Sport mit Lust ist etwas für Hammelmänner und Bauch-Beine-Po-Brummer. Und ich habe halt noch immer das Bild ranziger Rosenmontagsrentner im Kopf. Auch wenn ich eigentlich längt hätte gewarnt sein müssen. Faktisch durch die eMail meiner Fachbereichsleitung. »Nicht erschrecken, wir werden am Dienstag kostümiert sein. Kannst ja in Zivil kommen.«. In Zivil, in der Tat, das würde bei den Uneingeweihten glatt als Kostüm durchgehen. Ich bräuchte mir bloß mit einem weißen Filzschreiber »SEK« über den Rücken zu ziehen und gut ist´s. Und dürfte nur noch den Fragen Antwort stehen, wie ich so schnell an all die Kommando-Klamotte gekommen wäre.
»Ich kann ja in weißen Sneakers, Bluejeans und farbgetunten H&M-Hemd auftauchen.«, scherzte ich einst zu dem Thema. Damals, als mir noch zu derartigen Humorausbrüchen zumute gewesen war. Heute allerdings nicht mehr. Wobei den Witz wohl ohnehin niemand verstanden hätte. »Äh, Sie sind ja gar nicht kostümiert.«; Schnauze, du konformer Klassenclown.
Karneval der Idioten
Karneval… habe ich schon erwähnt dass ich Karneval verachte. Den Karnevalsgedanken verabscheue. Und obendrein verstehe ich diese Proleten-Possen nicht. Entbehrt sich mir dieses unverkennbar paramilitärisch geführte Frohsinnsdiktat doch sämtlicher Logik. Ja, es ist die tolle Jahreszeit. Ja, so lass´et denen doch ihren Spaß. Ja, die wollen doch nur spielen. Ja, verreckt doch! Wobei… das muss man diesen ganzen infantilen Brüllaffen mit ihrer Hajo- und Helau- und Alaaf-Diarrhö ja lassen, der Grünzburger Ausruf: »Ja, verreck!«, ist mir schon irgendwie wieder sympathisch. Zu dumm nur, dass man diesen innerhalb dieses logopädischen Härtefalles, der sich Schwäbisch schimpft, und damit genau so dämlich klingt wie der dazu gehörige Verbalisierungsversuch, wohl nicht verstehen wird. Zumindest nicht als Nutzer der Hochsprache. Und ja, Neuhochdeutsch existiert auch im Osten. Besteht dieser ja nicht nur aus Sachsen, lieben ehemalige Amibesetzten. Auch wenn man sich das Hardcore-Saxon für so manche Fehlgeistrülpser bei diesen Kreuzzügen der Patrioten-im-Arschlochland gerne wünschen würde. Dennoch; Fresse halten und weiterlesen.
Denn es ist ja nicht so, dass dieser ganze Büttschiss nicht schon schwachmatisch genug daherkommen. Nein, man muss es ja noch in Mundart vorführen. Kölsch zum Beispiel. Im Studium lernte ich, dass die Sprache immer den kürzesten Weg nimmt. Doch wo bitte sind ein scheiß S,C,H kürzer als ein schnödes N. Aber anscheinend sind einem nach drei Liter dieser dort heimischen kölsch´n Schweinepisse auch die linguistischen Naturgesetze egal; oder es lässt sich danach die eigene Herkunft besser lallen.
Als wenn zwei Widerwärtigkeit miteinander multipliziert eine Tugend ergeben würden. Weswegen bei meinen Nachbarn nun wohl recht oft der Brüller: »Spreche Deutsch, du Vogel; wenn du schon so scheiße aussiehst!«; dumpf in den Wänden vibrierte. Da kann man ja so manches Grunz-quieck-Gegröle des Grindcore besser verstehen; zumal die sich auf den Bühnen auch nur halb so affig aufführen. Scheiß Regionalnationalismus. Vor allem, wenn biedere Betonköpfe dieses als Brauchtum propagieren. Aber ich will mich ja nicht aufregen. Besitzt dieses ja auch den Segen amerikanischer Pop-Songs. Nämlich dass man nicht alles von diesen schweinelustigen Arschgeburten auf Anhieb versteht. Und diesen fast schon utilitaristischen Akt des Humanismus muss man denen fairer Weise schon zugestehen.
Ja, Karneval. Die verfickte fünfte Jahreszeit. Wer braucht die? Ich nicht. Vermisse ich das doch ebenso wenig, wie das Wissen über die Anatomie der haarigen Knittersäcke in der Umkleide. Und als ob die vier naturgegebenen Jahreszeiten nicht schon lästig genug wären. Da braucht man nicht noch so einen gerontengepuschten Rotnasenrotz. Vor allem wenn dieses von einer verkrampft kleinkarierten Bevölkerungsschicht in die gesellschaftliche Sitte gerotzt wird, die im großen Stile auf jeden Punk an der Bahnhofsmauer, oder jeden Schwarzkittel im Park, einen Scheiß an Sympathie geben würde. Allerhöchstens Ablehnung. Gar Verachtung vor jenem ungebührlichen Widerstand gegen die Staatsdienernorm. Wie hängen diese denn nur rum. Wie die wieder aussehen. Darüber muss der brave Bürger doch die Achtung verlieren… Aber dann in einer grenzdebileren Aufmachung, als jedes farbenblinde Kind mit Down-Symptom, das sich für die Karl-May-Festspiele selbst die Klamotte aus der Mülltonne gezogen hat, vor gestellten Stimmungsliedern schunkeln.
Meine Fresse. Haben die keinen Respekt vor dem Eigentum. Also vor meinem. Ich besitze Mouse sowie Tastatur auf Funkbasis und den Schreibtisch als Freisteher. Mit anderen Worten, die Flugbahn bis zur nächsten Wand garantiert nicht gerade deren technisches überleben. Aber solche Reaktion ist Selbstschutz. Denn ob nun mein schwerer Schädel in gleichmäßig beschleunigte Bewegung auf die Tastatur krach oder diese in geradlinig, gleichförmiger Bewegung Richtung Wand fliegt, läuft vom Grad der Destruktivität irgendwie auf das Gleiche hinaus. Einst führten Games das Zertrümmern der Peripheriegeräte herbei. Heute der Blick auf den DIN-Bürger. Wie sich die Hobbys ändern, wenn man spießig wird.
Aber selber schuld. Man ist ja nicht in der schwarzen Meute pubertiert, um sich nun Prunkmützen-Pumuckl, speckhälsige Rotnasenrochen oder Memopausen-Spaß-Muränen anzutun. Welche die Luft mit Befehlsfrohsinn verpesten. Und sich so unverkrampft ausgelassen gebaren wie die Buchhaltung der Bezirksdirektion, vom Vertrieb für Hornhauthobel, auf dem Oktoberfest. Immer im nötigen Maß an gutbürgerlicher Konformität. Man will ja beim Aus-der-Rolle-fallen, nicht noch jemandem unsanft auf dem Schlips landen. Schließlich solle dieser noch ordnungsgemäß willigen Weibern geopfert werden. Kastrationsfantasien nennt man das auch. Und Selbstbeherrschung nenne ich es, dass ich nicht an besagtem Morgen das Radio durch die geschlossene Badezimmertür getrümmert hatte, als dieser Weiberfastnacht-Mist lautstark durch den Äther gewiehert wurde. Immer weiter so im Frühstücksradio und es wird den ersten Lehrer geben, der an einer inländischen Schule Amok läuft. Nein, keine Sorge, vorher vernetze ich alles mit WLan und lasse nur noch mp3s laufen. Hoffentlich…
Karneval der Goten
Aber Karneval ist ja Kinderkacke. Die Wichsvorlage des Konservatismus. Vor allem wohl die blutjungen Funkenmariechen. Ach echt jetzt. Darf ich dabei so ganz nebenher an das erinnern, was nun mit seinen 120 Gegenargumenten bei der neuzeitlichen Kostenlos-ist-noch-zu-teuer-Generation für Stimmung sorgt. Genau, die tollen Wonne-Gruftie-Tage. Wenn unsere dunkelbunten Pfingstrosengewächse wieder aus dem Nachtschatten gekrochen kommen und eine gesamte Stadt für überwuchert erklären. Ja, dieses botanische Gleichnis hinkt gewaltig. Mach´ doch einfach die Klappe dich. Was interessiert mich Botanik. Die Natur verreckt eh. Hier geht es um diese Enklave elitärer Eitelkeit. Diesem Catwalk für Gothmiezen oder zumindest jene, die sich dafür halten. Von den herausgeputzten Hadesvögeln will ich gar nicht erst reden. Zweifle ich ohnehin schon beim Anblick mancher Gestalten am Fortbestand der Menschheit.
»Ja, in der Tat.«, werden jetzt so manche der alteingesessenen Auserlesenen analytisch murmeln. Ich höre es doch bis hier. Und wievielen steigt nicht jedes Jahr auf´s neue die Schamesröte um das bleiche Schnäuzchen. Oder pulsierte die Schläfe unter dem vogelnestigen Wollkonstrukt. Und wisst ihr was, ihr habt Recht. Ja, wirklich. Und damit fein gemacht. Bekommt anschließend ein Flatterrättchen in eurer Muttiheft gestempelt. Somit Fresse jetzt und hingesetzt. Konnte ich doch Streber noch nie leiden. Und wem wollt ihr das eigentlich erzählen?! Schreibt das mit Silber auf einen schwarzen Zettel, verpackt diesen in ein Gothic-Starter-Kit und verkauft das bei Amazon. Dann könnt ihr mit solchen Latrineparolen wenigstens noch die Finsterforstfrischlinge beeindrucken.
Denn ganz ehrlich, so unter uns, ich glaube euch das nicht. Nein falsch. Ich glaube es schon. Verweise dann aber auf diesen Scheinheiligenschein über all den WGT-Jecken, die jenes Pathos von »Trueness and Sin« absonderte. Denn wisst ihr was, dieses Blackblütergehabe ist ebenso Hämatom am Arsch der schwarzen Szene wie der Karnevalsgedanken an der Kehrseite des politischen Kabaretts. Und Warum? Weil ich mit einem Wort aufwarten kann, welches jener stilmoralischen Erhabenheit den Ton unter den Füßen wegschlägt: Authentizität.
Und genau das glaube ich euch nicht. Glaube es weder dem aufgetakelten Gotenfräulein, noch der doppelcorsagierten Wallkleidwalküre und vor allem nicht dem Geschlechtsgenossen, dessen Visagenstyling schon alleine so viel Zeit mit sich gezogen hat, wie von manch anderem der komplette Arbeitstag andauert. Und das soll authentisch sein? Die allgegenwärtige optische Identifikation mit dem Selbst? Klar, und die Erde ist eine Scheibe auf dem Rücken einer Schildkröte, die durch galaktische Götterspeise schwimmt, welche Odin persönlich aus dem Hintern suppte, nachdem er und Jahwe ein Wettfressen mit verdorbenem Christenfisch durchstanden. Da kann sich auch ein Tekker-Schlauchkopf-Hoppel-Häschen hinstellen und behaupten es wäre lupenreiner Cyberpunk. Und wird damit nicht weniger den Karnevalsgedanken verbinden als jene, die sich zudem noch so ganz nebenbei zu den wahren Stilstiftern erhoben fühlen.
Ergo, Wahrhaftigkeit am Arsch. Wen wollt ihr mit diesem hohlen Gefasel somit beeindrucken? Mich? Nicht einmal ein verficktes Fragment einer Chance. Würdet ihr mir jene aufgeplusterten Aussehens-Angebereien auch ebenso zu Hause nach drei Tagen Magen-Darm-Grippe präsentieren, dann wäre ich wahrlich tief beeindruckt und würde ohne Protest meine Meinung revidieren. Tut ihr aber nicht. Und alleine schon deswegen belustigt mich diese Scheinheiligkeit. Man trifft diese so ja nicht einmal auf dem Weg zur Arbeit auf. Oder auf dem Stuhl beim Zahnarzt oder Sonntagmorgen beim Brötchenholen. Zugegeben, letzteres ohnehin nicht. Da ich diese Marotte zur Anbetung billiger Kohlenhydrate gerne dem Luxuswillen der Mittelschicht überlasse.
Doch Fakt ist, man sieht sie nirgends so aufgerüscht wie aufgeplüscht und overgothed wie in den eigens dafür hermetisch abgeriegelten Gotengehegen. Weil es sie in freier Wildbahn nirgends gibt. Weil es reines Balzgehabe ist. Weil dieses brüsten mit Prunk, dieses behängen mit Schick und bemalen mit Schnickschnack eben nicht Authentizität wiederspiegelt. Schon alleine weil es dafür zu viel Arbeit kostet. Und aus diesem nüchternen Grunde einzig für Da-schau-ich-bin-heute-mal-wieder-so-gruftig- schön-wie-nie-Momente ausgetragen wird. Und damit wunderbar den Tatbestand der Maskerade erfüllt. Ausgangsuniform für die Alltagsflucht. Mit der man mal zeigen kann wie crazy gothic man ist. Und ich sagen nur zu gerne: Genau das unternimmt die geneigte Spaßgesellschaft zum Karneval. Da gibt es auch nichts zu diskutieren. Und man komme mir jetzt nicht mit: »Aber das spiegelt dennoch meine Seele wieder«-Gesülze. Wenn das der Fall ist, warum hängen dann die Klamotten solange im Schrank, bis das hineinwühlen in selbige wieder salonfähig ist.
Warum ist man da nicht ehrlich. Und sagt: Ja, es ist mein Kostüm für den Karneval der Düsternis. Die Angst davor, selbst Kritikpunk der eigenen Anklage zu werden? Und wenn schon, drauf geschissen. Beweist mal Rückgrat. Es nimmt doch auch keiner für übel. Dann ist man eben weniger elitär. Na und. Unter den Bandshirts ist das Korsett ja noch immer Dunkelprinzessin genug. Oder Düsterprinz oder was auch immer.
Aber das wäre dann immerhin authentischer, als sich stundenlang das Gesicht zuzukritzeln, sich ins Ausgehgewandt vom Wert meines Monatshonorars montieren zu lassen, damit für maximal dreimal im Jahr vom Auto zur Veranstaltung und wieder zurück zu stolzieren und dann zu behaupten, genau das wäre die wahre Persönlichkeit. Ist das wirklich euer Ernst. Also so richtig ernsthaft. Ehrlich. Von mir aus, glaubt doch was ihr wollt. Ist mir eigentlich auch scheißegal. Da es ohnehin nicht mein Stil ist. Da ich in Rüsch scheiße aussehe. Und ihr könnt mir auch erzählen was ihr wollt, der maskuline Elektro- und Metalhead-Proll in mir wird das ohnehin als Karneval abtun.
Und ich werde auch immer einen Tusch durch meine Gedanken jagen lassen, wenn ich auf Gestalten treffen, die ebenso hätten von einer psychodelischen Faust-Neuinszenierung entflohen sein können. Deren Schale nicht einmal fünfzehn Minuten sommerliche Tramfahrt überstehen würden, aber die mir vorsäuseln, es wäre ihr Wesen so rumzurennen. Ja super. Jetzt und hier und mehr nicht. Oder was. Aber wehe irgendein komplett geschmacksverirrtes Individuum besitzt den gleichen Kitschkram nur mit Plastikhörnchen in der Ozonlochförderfriese. Dann wird sich aber das Maul über deren Albernheit und untruen Unansehnlichkeit zerrissen. So dass ich nebenstehend fast meine Faust verschlucke. Somit Klappe dicht; Arschloch. Und mal den Standpunkt wechseln, vielleicht siehst du dann klarer. Zumindest muss ich dann nicht weiter diese Schweißwolke ertragen, welche durch das ganze Gestoffe und Gestopfe dünstet. …Ja, ich verstehe es nicht. Für mich ist Kleidung Pragmatik. Und darunter, bei 30° im Schatten, sowie gefühlten dreimal so viel in der Tram, zu schwitzen wie eine Sau im Brühkessel, nur um vor dem Ableben noch die letzte Egoshow zu zelebrieren, das gehört für mich nicht dazu.
Die Wahrung darkwaviger Weiblichkeit…
Und dass diese Ästhetik fern meines Verständnisses für Weiblichkeit liegt, darf ich ebenso Jahr für Jahr beim Post-WGT-Fotomarathon bewundern. Wenn ich, angestachelt von Kommentaren der Lobpreisung und Verzückung, erwartungsvoll auf die Fotografie aufsehe und mir dort nur ein bleiches Rüschenpüppchen zufinstert. Deren Kriegsbemalung… nein das würde ich ja immerhin noch niedlich finden… deren Corpsepaint für Zwangsmelancholikerinnen alleine schon mehr Zeit gebraucht haben wird, als die Schminkdauer meiner letzten drei Exen zusammen. Warum macht Frau so etwas? Soll das wiederum authentisch sein, wenn man erstmal seinen Macker für Stunden aus dem Bad sperrt, weil man Platz für Zirkel, Winkelmesser, Schablonen und Vorskizze braucht. Und bloß nicht vermalen. Da kann man von Glück reden, dass die meisten Gotenkerlchen so bubihaft daherkommen, dass Mann diese immerhin nicht aus dem Grund bemitleiden muss, dass diese, wenn sie sich endlich fertig verputzt hat, erneut rasieren müssen.
Ganz ehrlich. Ich mag es ja auch wenn Mädels sich schminken. Das zeugt für mich von einem gesunden Ego. Da damit die Ästhetik des eigenen Antlitz für sich selbst noch einmal betont wird. Und nichts ist so abturnend wie die Gleichgültigkeit hinsichtlich der eigenen Optik. Und somit bin ich Fan von unterschwelliger Grundierungen, von betonendem Kajalstrich um die Augen oder eben Smoky Eyes und fertig. Am besten gibt man doch noch immer mit der natürlichen Schönheit seines Weibchens an. Besonders wenn man weiß, was gestanden Visagisten alles kaschieren können.
Aber der ganze andere Blödsinn, der wie eine untherapierte Jugendstilneurose wirkt… Und wenn sich dann noch die kompletten Brauen weggerodet werden, nur um diese dann mit fettem Edding scharfkantig wieder drauf zu schmieren. Mädels, was soll diese Albernheit. Ihr habt gegenüber uns Schraten von Natur aus so einen höllisch geilen Blick. Warum verwandelt ihr diesen damit ins schreckensgleiche Grotesk. Ja, Augenbrauen zupfen macht Arbeit. Und? Heul´ doch. Da ich als Kerl nicht die Angewohnheit habe, wie ein Ganzkörper-Gorilla aufzutreten, weiß ich wieviel Spaß so manche Haarextraktion macht. Also habt euch nicht so mädchenhaft. Und wie muss ich mir das dann wiederum in Sachen Authentizität vorstellen, wenn der Kerl zum spontanen Weggehen ermutigen will. Wird der dann erst einmal vollgenörgelt, weil er es wegen der dafür nötigen Rausputzmaßnahmen doch bitte schön schon zwei Tage im Voraus hätte anmelden müssen?
Und dann die Klamotte. Entschuldigung, aber ich bin nicht Lagerfeld, dem zu früheren Tagen vielleicht das Glück hold gewesen war, dass ihm schon alleine beim Anblick von Stoffschnitten einer abging. Ich bin eben plump. Bin primitiv. Und wenn irgendwelche Formulierungen des Wow-Effektes geschrieben stehen, ich aber nur auf wallendes Gotengewand blicke? Bei dem ich erst nach langer Bestimmung und lichteinfallgestützter Simulierung im 3D-Modell maßgebliche Körperkonturen finden kann, um dieses abgelichtete Neutrum endlich auch für mich als Femininum bewiesen haben zu können, dann tut es mir leid. Aber dann könnte ich auch eine Modepuppe in der Boutique anschmachten. Das würde den gleichen Hormoncocktail durch das Rückenmark jagen. Nämlich den, der sich fragt: »Verarschen?!«. Ich besitze keinen Fummelfetisch für ach so tolle Stoffe, der sich proportional zu Kilo und Gehänge zur Ekstase steigert. Mitnichten. Und es wird jetzt womöglich verblüffen, daher halte man seiner Brut nun lieber Augen und Ohren zu, doch meiner ist dahingehend antiproportional. Je weniger desto höher. Ein charakteristisches Dekolleté. Und das meine ich generell und nicht in irgendwelchem Sinne quantitativ wertend, wie von vielen »Geile große Hupen«-Zwergen gerne geifernd gelallt wird. Ein freier sinnlicher Bauch. Garniert mit einem keck verschwörerischen Blick sowie körperbewusste Klamotte und fertig.
Das macht glücklich.
Weil ich, wie schon gesagt habe, mit meinem Weibchen gerne angeben möchte. Man hat ja sonst nicht viel im Leben. Und wenn es nur die Freude daran ist, andere Sacktreter frustrieren zu können. Wenn auch, rückblickend, zumeist nur immer für ein paar Monate. Schätze ich diente nicht wirklich zu selbigem Vergnügen. Und mit Klamotten angeben? Funktioniert das nicht auch? Ach komm, hör auf. Wem die Antwort darauf ebenso hochkommt, der bekommt einen Lolli. Und jeder Kerl, der etwas anderes säuselt, dem glaube ich einen Scheiß. Oder unterstelle dem eine besonders dämliche Form der Objektophilie oder dass der nicht mal offenkundig auf den Ausschnitt blickt sondern nur heimlich auf den Arsch glotzt oder erachte den einfach für schwul. Und Punkt. Mir kann auch kein Mädel erzählen, dass sie bei Kerlen nur in die unehrlichen Augen blickt.
Nein, da ist mir wirklich jedes unscheinbare Gothic-Girlie lieber. Jedes, das mit Cargohose, Standardboots und legerem Top durch die Reihen schlürft. Weil diese damit für mich die anziehende Natürlichkeit darstellt. Und ganz bewusst mit dem umzugehen weiß, was die Natur uns gab: dem Körper, bzw. dessen Kontur. Und weil ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass ich diese auch in übernächster Woche so auf der Straße antreffen würde. Und dieses wirklich als den privaten persönlichen Stil gezeigt bekomme, in den man sich auch schnell mal verschießen kann. Ohne dann Frust darüber schieben zu müssen, dass der nur zur Schaustellung für das Gesamtgotenvolk rausgekramt wird. Außer manche vögeln auch in voller Montur, aber das kann sowie will ich nicht beurteilen.
Und weil ich nicht Angst haben muss, dass mir bei eventuell spontan tiefer gehender oder gar eindringlicher Sympathie morgens ein Gesicht in Großaufnahme gegenüberliegt, bei dem ich vor lauter Schreck gar nicht wüsste, dass ich diesem gefolgt sein soll.
Und wenn dieses Mädel damit eben nicht gothlike aussieht. Was interessiert es mich, wenn ich sie geil finde. Wenn ich es geil finde, wie sie sich im Bass bewegt. Wenn ich es geil finde, wie ihre Brüste mitspielen, ihre Haare im Takt mitschwingen. Und wie sich ihr Blick in der Musik verliert. Kleidungsordnung, Uniformität. »Ey, mit Blue-Jeans kommst du hier nicht rein«-Getue. Fickt euch! Wer sich von Kleidung gestört fühlt, sollte erstmal mit seinem eigenen Therapeuten darüber sprechen, bevor er oder eben sie sich als argumentativer Heilsbringer aufspielt. Wenn sich das Mädel verzückend zu guter Musik bewegen kann, dann interessiert es mich auch nicht ob sie dazu Turnschuhe trägt oder nicht. Klar wären traditionsbewusste Ledertreter dann noch das Optimum. Aber man kann eben nicht alles haben. Und lieber für ein verführerisches Antlitz auf die Knie gehen als in jener Pose nur mahnend auf das Schuhwerk zeigen zu wollen.
Bin ich doch ebenso unkonform mit der Unkonformität. Wenn ich Bock drauf habe im kompletten Metro-Tarn durch den Club zu stapfen, dann tue ich das eben. Und selbst wenn ich dabei so derart in der Uniformität der Masse untergehe wie das Michelinmännchen in einem Gelege von finsteren Vogelscheuchen. Für alle übrigens, die damit nichts anfangen können, das ist jenes Camouflage mit hohem Weißanteil. Sehr hohem Weißanteil. Igitt, Weiß. In einem Gotenschuppen. Sakrileg! Da lobe ich mir doch die Kleiderordnung, damit jeder brave Wochenendgothic wenigstens einmal im Monat seine schwarzen Stangeklamotten tragen kann. Und ja, Camouflage. Pfui, Pseudomilitarismus. Aber das Leben ist nun einmal Kampf. Und da habe ich lieber die schneidige Amazone in Straßenkampfklamotte, Punkkutte, Skinkluft oder Metalermontur an meiner Seite, als das wandelnde Monument. An dem ich zwar eindrucksvolle Referate über vergangene Stilepochen, anatomische Kajalstrichführungen oder Hochsteckfrisuren halten könnte, aber ebenso betört werde, wie von der Schneiderpuppe auf dem Flohmarkt. Und ich wüsste, dass es einzig nur für Frust und Aufwand sorgen würde, wenn man sich, aufgeputscht wie angestachelt von der Nacht im Club, noch gegenseitig schnell auf das Bett werfen möchte.
In diesem Sinne.
Heute im Hause (Finster?)Forst:
Frau rennt laut lachend durch die Wohnung, was ausgesprochen selten vorkommt und deswegen umgehend die Aufmerksamkeit des verweichlichten, nahezu androgynen Männchens auf sich zieht.
Männchen(lein): Fragender, fast entsetzter Blick.
Weibchen (<–alternde Faltenfregatte): "Ich habe mich gerade fünf Stunden durch den Beitrag von Guldhan gelesen und wäre vor Lachen beinahe unter den Schreibtisch gekippt. Diese Wortschöpfungen sind einfach großartig. Ich würde ja gerne was dazu schreiben, aber es ist alles gesagt."
Männchen(lein): "Dann schreib das doch so".
DONE!
P.S.: Ich mag trotzdem auch die weniger pragmatischen Outfits, die in ihrer Gesamtheit eine schöne, ästhetische Atmosphäre schaffen. Und damit meine ich nicht Krankenschwestern im Lackmantel. Auch die testosterongeschwängerten Passagen dieses Artikels bieten mir kein Identifikationspotential, dafür aber viel Raum zum Schmunzeln.
Fünf Stunden… vermutlich sollte ich doch langsam einmal anfangen, meinen Hang für Schachtelsätze aufzugeben. Der Lesegeschwindigkeit zu liebe.
Krankenschwestern im Lackmantel definiere ich auch nicht gerade als ästhetisches Novum. Denn ob feminin oder maskulin, ich kann den Hang zum Lackaffentum nicht nachvollziehen.
Zumal, wenn ich meine Zivizeit in Erinnerung rufe und diese Assoziation in Sachen Krankenhaus sowie Stationsarbeit mit irgendwelchen Fetischen in Verbindung bringe, dann ist der Begriff der »Ästhetik« noch fehlbesetzter als so schon.
Im Grunde habe ich mich schon darauf eingestellt, dass ich bezüglich der »Testosteronschwängerung« weniger als Identifikationsfigur dienlich sein werde. Und mich hinter dem Schreibpult eher fühle wie der rammlige Rüde innerhalb von kastrierten Katern. Jedoch ist diese Wahrnehmung rein subjektiv und hätte nichts gegen ein Kontra einzuwenden.
Orphi : Ja, genau so ist es gewesen. <3
Guldhan : Eine gewisse Kommentarlosigkeit musst du den Lesern verzeihen. Wenn man nach 6 Stunden (ich brauche ein Stunde länger) das Ende des Beitrags erreicht, bleibt so ein: „*seufz*“ und ein zustimmendes Nicken zurück. Was soll man dazu noch sagen? Vielleicht eines: Unter all den getarnten Flat-Heads, EBMlern oder Was-auch-immern bist und bleibst du der gruftigste. Ob du willst oder nicht. Ich glaube es liegt in der Ablehnung, der Intoleranz, der Arroganz und Deinem elitären Gehabe. Dein Panzer der Unangreifbarkeit. Ich finde das jedenfalls gruftiger als weltoffenes Getue nach dem Motto: „Achterbahn auf dem WGT? Warum denn nicht?“ „Tanzkurse? Wenn es Spaß macht!“ Ich möchte mit einem Zitat abschließen, dass aus der Bild-Zeitung stammt. Da gab der Blutengel höchst persönlich seinen Senf zum Thema und ist bestes Beispiel die Wahrheit, die in Guldhans Ausführungen steckt. Als hätte der irgendetwas von Innen heraus geprägt. ;)
Fünf Stunden, sechs Stunden… ihr braucht doch nur zu lesen und das Ganze nicht auswendig zu lernen. Denn rechne ich das auf die Worte hoch, so komme ich auf ein Tempo von 10 Stück pro Minute. Mal schauen, ich werde für die Zukunft am Lesetempo schrauben.
BILD und Blutengel, und ich dachte schon, ich hätte einen schrägen Humor.
Auch wenn ich ihm in einer Sache durchaus Recht gebe: Als Künstler ist man einzig seinem Urteil verpflichtet. Und nicht dem derer, die einen für sich vereinnahmen wollen.
Du magst Karneval nicht und noch weniger magst du Karneval auf dem WGT. Verstehe, geht mir ähnlich. Ich stimme dir auch zu, dass es scheinheilig ist einmal im Jahr in die schwarze Obergruftieklamotten zu schlüpfen und sich gleichzeitig darüber aufzuregen jene, die andersfarbig gekleidet das WGT besuchen würden sich verkleiden.
Trotzdem stoße ich mich bei dem Artikel an der Einseitigkeit mit der Authentizität betrachtet wird einerseits und andererseits am Frauenbild. Bin ich nicht authentisch nur weil ich mein Rüschenkleid nicht Tag ein Tag aus trage? Die Persönlichkeit des Menschen kann vielfältig, dynamisch und durchaus auch widersprüchlich sein. Ich kann heute Jeans und Bandshirt tragen, morgen Rüschenkleid und am nächsten Tag Lack und mich trotzdem stets authentisch fühlen. Weil ich unter der Woche nicht so geschminkt bin wie am Wochenende und meine Ausgeh/Festivaklklamotten nicht in der Arbeit trage bin ich also nicht authentisch und ein Teil der Karnevalsgesellschaft.
Der Teil zur „darkwavigen Weiblichkeit“ erinnert mich stark an andere deiner Artikel (ich glaub vor allem jenen zu den Singlebörsen). Vielleicht verstehe ich auch etwas falsch, aber nachdem du dich absätzelang über das „wallende Gotengewand“ auslässt empfiehlst du: „Wer sich von Kleidung gestört fühlt, sollte erstmal mit seinem eigenen Therapeuten darüber sprechen.“ Was ich da rauslese ist viel „warum ziehen sich die Weibchen denn nicht so an wie ich das geil finden würde?“ Ja, wie können sie nur und warum geben die nichts auf die Meinung von jemandem, der Frauen höchstens als nettes Accessoire zum ficken und angeben betrachtet?
Ja, in der Tat. Ab wann erfüllt man mit seiner Aussage selbst den Tatbestand seiner eigenen Kritik. Und dieses Argument ist ein solches. Paradox irgendwie. Wobei es auch hierbei auf die Intension ankommt. Will ich nur über einen, für mich unverständlichen, Stil lästern und zeigen wie es ist, wenn man nicht besser ist als die anderen. Oder will ich eben solche verbale Spitzen auf diejenigen richten, die in Sachen Intoleranz ebenfalls nichts anderes tun. Will ich einfach nur für mich mit dem Goth-Klischee abrechnen. Oder will ich einfach nur spielen. Oder bin so unsympathisch. Dahingehend überlasse ich das der Interpretation. Beziehungsweise späterer Erörterung.
Jedoch kurz noch etwas und zwar ernsthaftes. Zum Thema Frauenbild.
Es ist ein Unterschied zwischen dem ungehobelten Formulieren des persönlichen Gefallens und des dahingehend gelebten Auferlegens des eigenen Willens. Dass ich unsere Existenz gerne von sämtlicher philosophischer Romantik auf den bloßen nüchternen Sinn der Biologie herunterbreche, bedeutet nicht, dass ich dieses mit dem Wesen eines Paschas gleichstelle.
Sämtliches Alpha-Gehabe, das sich auch nur ein Stückweit von Gleichstellung und gegenseitigem Respekt entfernt sieht, ist mir zu wider. Und ein Befehlston à la »Das ziehst du mir nicht an.« oder »Mache dir die Haare gefälligst so.« kam mir nie über die Lippen und wird es auch nicht. Ich lebe meine freie Entscheidung und somit ist es der selbstverständlichste Teil rationaler Vernunft, das auch der Partnerin zuzugestehen. Ob mir etwas gefällt oder nicht, ist einzig mein Problem. Fühlt sie sich darin wohl und als sich selbst, so ist das völlig legitim. Mein Recht auf Meinungsäußerung ergibt sich einzig im ratgebenden Sinne. Aber dennoch darf sich innerhalb der Polemik pauschal darüber ausgelassen werden, um Reaktionen zu provozieren.
Natürlich ist die Leidenschaft eine der Grundfesten. Zumindest kann ich mir keine Beziehung ohne diese vorstellen. Manche finden im weniger ihren Frieden, ich sähe darin eher die Strafe. Und ich dementiere auch nicht, dass die Partnerin oder der Partner Zierde ist. Man liebt ja schließlich nicht nur auf Basis von Charakter, sondern in erster Linie aufgrund der äußerlichen Attraktivität. Und für mich ist es nichts negatives, wenn die Partnerin stolz ist, so jemanden an ihrer Seite zu wissen. Oder eben andersrum. Die Zeiten der pragmatischen Beziehungen sind längst vorüber. Trennung und Suche sind kein Tabu mehr. Und viele nutzen das; völlig zu Recht.
Und auch darin gibt es Unterschiede. Man kann diese Mentalität auf Gegenseitigkeit und achtungsvoll pflegen. Sich als Mann und Frau gleicher Maßen dessen bewusst sein. Oder, was ich auch schon des Öfteren beobachten musste, sich die Partnerin wirklich nur als Matratze und Vorzeigeobjekt an der kurzen Leine halten. Verbunden mit der Tragik, dass es solchen Chauvinisten gelingt, die Frauen auch jahrelang in ihren Fängen zu halten und letzten Endes zu brechen.
Ich gebe zu, ich pflege einen natürlichen Voyeurismus, jetzt mal nicht explizit gemünzt auf Sexuelle, sondern ganz allgemein, ich beobachte gerne Menschen, ihre Verhaltensweisen, ihr Aufreten usw. Ob im Café, in der U-Bahn oder weiß der Geier wo. Ich muss sagen und da schließe ich mich durchaus selbstkritisch ein, der Mensch ist schon ein bemerkenswert seltsames, oftmals inkonsequentes und bisweilen abstoßendes und dann doch manchmal wiederum auch echt anziehendes Wesen (Ja, und da schließe ich mich dann ausnahmsweise doch aus, denn nen Hang zum Narzissmus hab ich nicht oder wenn dann nur rudimentär. Im Gegenteil, mich plagt so mancher Selbstzweifel, aber wollen wir mal nicht zu weit ausholen.)
Ich bin halt auch nur ein Mann. Klingt doof, is aber so.
In meiner Ausbildung weilte ich eine zeitlang in Köln und bei Frankfurt. Ihr ahnt, was kommt. Grad um Köln kommste um das Heiapopeia gar nicht drum rum. Ich dachte mir, was soll’s, guckste dir das Schauspiel an der Quelle mal an – Studien des menschlichen Verhaltens inbegriffen – und während um mich herum der Alkohol in Strömen floss, sich alles hemmungslos dem Gegröhle von „Viva Colonia“ (Ich bekomme heute noch Auschlag, wenn ich’s irgendwo höre) hingab, manch Sprachfluss ins Lallen geriet und für’s Gehen der ein oder andere zunehmend die doppelte bie 3-fache der sonstigen Breite benötigte, stand ich etwas sprachlos dabei und fragte mich, wie all diese fröhlich aufgesetzten Fratzen wohl außerhalb des Höhepunktes der 05.Jahreszeit durch Leben trotteten. Dazu dieses Gekloppe, teils mit Stock oder was die provisorische Bewaffnung eben herghab, wenn Kamelle von den Wagen flog. Scheiße man, es ist nur Schokolade…aber da kommt das Archaische zum Vorschein, das Tier, die Gier, der gespitzte Ellenbogen: Rentner gegen Kinder, Mütter gegen Rentner, Kinder gegen Mütter, im Grunde Alle gegen Alle, so dass man auch ja die prall gefüllteste Tüte mit nach Hause schleppen kann, die unvermeidlichen Blessuren vom „Kampf“ als zusätzliche Trophäen inbegriffen. Bizarr.
Das wäre ja alles noch nicht so schlimm gewesen (der Mensch ist eben an sich ein komisches Vieh – geschenkt), wenn der Pöbelfaktor nicht proportional zum Alkoholgenuss gestiegen wäre und sich zunehmend auch außerhalb der Toiletten, gar unweit der Menschenmenge ungehemmt entleert wurde, bis Bäche von Urin neben Konfetti, Luftschlangen und unbedacht zertretener Kamelle flossen, in denen es manch gar zu Betrunkenen dennoch bequem genug war darin ein Nickerchen zu machen. Staunen bis zum absoluten Oberekel.
Den Höhepunkt erreichte der Vorgang im vollkommen überfüllten Zug aus der Stadt heraus mit einer Geruchsmelange aus schwitzenden und alkoholausdünstenden Menschen…als, einem grande Finale gleichend, einer mittendrin das Kotzen anfing. Geil, noch ne Duftnote mehr. Ich war bedient. NIE wieder Straßenkarneval, achwas…Karneval überhaupt. Klar, ich hatte mir Einiges vorher ausgemalt und vorgestellt, aber in DER Ausprägung – heftig. Naja, ich war halt jung und dumm.
Das ging mir bei deinen Zeilen wieder durch den Kopf. Schade, es war so hübsch verdrängt.
Anonsten, jo…klar, ich laufe zur Arbeit schlicht schwarz, einfach weil ich’s pragmatisch sehe und früh halt lieber bis Anschlag penne, mir hastig nen Kaffee einhelfe um dann fix zur U-Bahn zu springen als noch den Kajal zu schwingen und ne komplizierte Gardarobe aus dem Schrank zu zerren.
Aber in der Freizeit, beim Weggehen und gerade zu Pfingsten beim WGT wird halt durchaus auch mal aufgerüscht, wann sonst? Das magst du unauthentisch finden und vielleicht isses das auch ein Stück weit, weil’s mir im alltäglichen Arbeitstrott einfach zu aufwändig wäre*. Sei es drum, ich nehme mich nicht so wichtig und mir ist die Meinung anderer dazu auch mittlerweile relativ wurscht. Soll doch jeder halten, wie er mag und wer’s fertig bringt, voll gestylt (so denn möglich) zur Arbeiststelle zu hüpfen, bitteschön. Gern. Hindert mich nicht daran zu Pfinsten auch den ein oder anderen zu bewundern, der sich mehr Mühe gegeben hat beim „Anmalen“, „Aufrüschen“, „Turmbauen“ whatever und man muss ja nicht mit allen gleich ins Bett springen wollen, die man ob dieser Beobachtung der Äußerlichkeit mit gewisser Bewunderung oder zumindest Anerkennung betrachtet.(Kann trotzdem ein Arschloch drunter oder dahinter stecken, keine Frage)
*Auch ich fühle mich der Gattung Homo sapiens sapiens (die Bedeutung beim oben Geschriebenden mag ein Grinsen hervorrufen) zugehörig, mit all ihren Fehlern und Widersprüchlichkeiten.
Und das alles lohnt zur persönlichen Hinterfragung.
Bin ich wirklich ich, wenn ich mich hinter dutzenden verschiedenen Fassaden verberge. Wenn ich mich kostümiere; und etwas anderes ist das aufwendige Gestalten der eigenen Gestalt nicht, egal wie neutral oder negativ man diesem Begriff gegenübersteht. Wo ist das Extrem zur Selbstverzerrung. Zur Maskerade. Wo noch der Weg der Persönlichkeit. Wie fließend sind die Grenzen… Selbstreflektion.
Für mich sind die Grenzen da klar gezogen, vor allem, da der Aspekt von Gefallen und Nichtgefallen stark gewichtet.
Danke für die Antwort und die erklärenden Worte.
Dass dein Text teilweise so formuliert ist wie er formuliert ist um Reaktionen zu provozieren war mir bewusst. Finde ich auch gut, immerhin geht auf Spontis auch darum in einen Austausch zu treten.
Schöner Artikel, so viel Hass(ssss)…
Hin und wieder oder auch öfter frage ich mich, ob es nicht genug Spiegel gibt. Nicht das ich mich lange an fragwürdigen Outfits stören würde, da ist das Bier in meiner Hand doch interessanter, aber ein leises wzf geht mir doch häufig durch den Kopf. Besonders wenn Korsagen getragen werden, deren korrekter (und auch ansehnlicher) Gebrauch von Träger bzw. Trägerin nicht verstanden wird, grausig mitanzusehen wie ein Kleidungsstück so dermaßen vergewaltigt werden kann, wird es doch häufig einmal geschnürt und dann nur noch vorn zugeknöpft.
Gerade die angesprochene Authentizität geht da irgendwie abhanden. Das sowas nicht unbedingt Alltagskleidung ist, wie viele der (teilweise auch sehr guten) Kostüme, ist ja auch ok. Dennoch schaffen es viele sich zu Verkleiden oder auch Herauszuputzen ohne irgendwie lächerlich auszusehen. Das Geheimnis dabei scheint zu sein, nicht irgendwas darstellen zu wollen was man nicht ist. So habe ich für eine Zeit meine Nägel lackiert und mit Netz herumgespielt, versucht als großer, wenn auch schmaler Mann ein gewisses androgynes Aussehen zu erreichen. Bis ich merkte, das wird so nichts gescheites und mich dann doch wieder auf schlichte enge Jeans mit Bandshirt oder auch schlichtem Hemd besann. Seitdem kaufe ich immer die gleiche Jeans und auch die gleichen Hemden, andere Schnitte sehen an mir nicht aus. Auffallen kann man auch anders, z.B. durch einen richtigen Bart.
Was ich tatsächlich nie Verstanden habe, wie kann man unironisch so 90-100% der ‚Szenekleidung‘ aus ‚Szeneshops‘ tragen? Die Bilder sehen ja ab und zu ganz gut aus, wenn ich es dann aber aus der Nähe sehe, kommen unweigerlich Gedanken an KiK oder Takko oder Rudi’s Resterampe auf. Sinnlose Ringe, billigste Stoffe, H&M Gefühl. Jedes WGT schaue ich in der Agra nach schmalen (max. 4,5 cm) Krawatten, gibts nicht, schon gar nicht in lang und aus Seide? Hahaha.. Dafür aber Steampunk, oder Visual Kei, warum nicht gleich ‚Cosplayzubehör‘ an den Eingang schreiben. So sehen manche dann auch aus. Einkleiden und nach dem Firlefanz in der letzten Ecke des Schranks bis zum nächsten Mal verstauen. Damit die Hosen noch schön steif bleiben, so gehört sich das ja auch für Uniformen.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Soll jeder tragen was er möchte, meinetwegen auch nichts, dann aber mit Handtuch zum draufsetzen.
Da ist das Agra beim WGT natürlich auch der richtige Ort für. Genauso gut könnte man dort auch nach Sportsocken oder Pyjamas Ausschau halten.
Aber zu den Bindern, ich habe zwei. Glattschwarz. 3cm breit. Geradlinig und irgendwas mit 1,50m Länge. Findet man bei jedem Ausstatter, dessen Klamotten nun nicht nur von der Kinderarbeit aus Bangladesch stammen. Sind zwar keine Seide, da mir das zu versnobt ist, sondern Mikro-Faser oder so´n Zeug, doch Fakt ist, das sucht man besser im zivilen Leben.
Klar soll jeder tragen was er will. Was würde ich mir anderes anmaßen. Zumal ich einer Zeit entstamme, in der es in einem Schulverweis mündete, wenn man zu provokant Westklamotten trug oder zu faul gewesen war, sein scheiß Pionier- / FDJ-Halstuch richtig zu binden.
Aber dennoch muss man ja nicht jede Albernheit automatisch toll finden, gar verstehen. Oder jede Reaktion darauf nachvollziehen können.
So wie ich beispielsweise Korsetts recht interessant finde. Jedenfalls an Mädels. Sei es Unterbrust oder Halbbrustmodelle. Aber dann bitte wenn dieses den Körper formen und nicht anders herum. Oder wenn zwei dieser Dinger zusammengebunden werden müssen, weil eines nicht einmal um die ausladende Hüfte reicht. Da hört mein Verständnis für Ästhetik auf. Und mag sein, dass ich damit einen Sturm der Entrüstung losbreche. Aber heutzutage muss niemand morbid adipös durch das Leben stampfen und für seinen Kleidungssinn zwei Corsagen an den Rand des Berstens bringen. Ein Quartal den Hintern diszipliniert aus der eigenen Komfortzone gehoben und schon könnte man in eine passen. Und ja, das sehe dann auch wieder gut aus.
Habe jetzt endlich Zeit für diesen Feldbericht gefunden und bin ehrlich froh, in einer Gegend zu existieren, die sich dahingehend keiner Tradition bewusst ist. Volksfeste erachte ich ja generell schon als Knotenpunkte menschlicher Widerwärtigkeit. Aber derartige Hochburgen scheinen dem ganzen noch die Krone aufzusetzen. Ich glaube, wo inmitten bornierter Spaßgesellschaft das Gesicht verloren wird, da wird dahingehende Verachtung schon Tugend.
Heute erlebt, was du schreibst, beim Szenemarkt auf Burg Satzvey. Es passte gut, dass gleichzeitig der Karnevalszug in Düsseldorf nachgeholt wurde, so können meine Kollegin und ich uns morgen über die gesehenen Kostüme austauschen.