Musikperlen – Warum in der Tiefe forschen, wenn junge Riffe so eindrucksvoll sind? (Tauchgang #39)

Mit zarten 31 Jahren, so ergab eine Umfrage, hören wir auf neue Musik zu entdecken und hören im Grunde immer nur dieselben Lieder. Nun bin ich schon eine ganze Weile in diesem Alter und kann diese kühne Behauptung weder vehement verneinen, noch sie kleinlaut untermauern. Der Musikperlentaucher ist im Grunde die sich erfüllende Prophezeiung dieser Umfrage, ist er doch darauf ausgelegt in meinen alten Schätzen zu baden, um sie denen zu präsentieren, die so etwa 27 Jahre alt sind. Denn mit 27, das ergab die Umfrage auch, entdecken die Deutschen die meiste Musik. Aber natürlich, so rede ich mir ein, bin ich stets offen für Neues und Aufregendes. So habe ich doch beispielsweise vor eine Weile Witchhouse für mich entdeckt.

Nicht desto trotz widme ich diese Ausgabe des Perlentauchers den jungen Riffen, an denen sich die Wellen brechen und die unter Wasser so eine faszinierende Schönheit ausstrahlen.

Sixth June – Drowning

Berlin is the Place to be. Sixth June kommen aus Belgrad und leben seit einer Weile in Berlin. Der Name der Band hat laut Laslo Antal, dem männlichen Teil der Band, nichts mit dem D-Day, Tetris oder sonstigen Ereignissen an diesem Tag zu tun, sondern ist lediglich einer Obsession mit Zahlen zu verdanken. Das Stück „Drowning“ ist eine Einladung der Band, mit ihrer Musik zu versinken. Warum eigentlich Berlin? Offenbar hat die Stadt ihren debilen Charme der 80er wieder ein Stück weit zurück erlangt und ist zum Schmelztiegel europäischer Musikkultur avanciert. Wer sich in London umhört, kann die Faszination für die deutsche Hauptstadt förmlich spüren. Verrückt.

ohGr – Comedown

Ganz so jung ist der Sänger Kevin Ogilvie (Nivek Ogre) dann doch nicht geraten, ist er doch mit Skinny Puppy schon eine ganze Weile unterwegs. Bereits 2000 reichte ihm das jedoch nicht mehr und er fühlte sich kreativ genötigt, ohGr ins Leben zu rufen. Wenngleich es deutliche Parallelen zu Skinny Puppy gibt, so fällt ohGr doch deutlich melodiöser und tanzbarer aus und erreicht auch mein Motivationszentrum schneller. 2011 erscheint unDeveloped. Das Stück „Comedown“ gefällt mir besonders gut. Dabei fällt mir gerade auf, dass das auch schon wieder 7 Jahre her ist. WTF! Wie die Zeit vergeht. Damals hat er sich beim schreiben eines Songs von Michael Jackson Tod beeinflussen lassen.

Boy Harsher – Pain

Ganz großartiges Stück Musik. Das schicke ich gleich mal vorweg. Boy Harsher ist genau mein Geschmack. Kühle, tanzbare Wave-Sounds, die sich an den Möglichkeiten heutiger Sound-Erzeugung laben. Dazu der im Gedicht-Stil vorgetragene Text voller Energie und Melancholie. Lecker! Wie passend, das Sängerin Jae gleich die Bezüge zum Musikperlentaucher in einem Interview mitliefert: „Stellt euch vor, ihr könntet in den Tiefen des Meeres leben. Wie würde eure Unterwasser-Welt aussehen? Jae: Ich glaube, es hätte was von Shelley Winters The Night of the Hunter. Aber ich würde sagen, dass es in dem Song mehr um das Gefühl der Ausgeschlossenheit geht. Es ist diese düstere Abstraktion, die stattfindet, wenn du lieber jemandem nahe sein möchtest. Du lenkst quasi deine emotionalen Interaktionen durch schlammiges Wasser.“ Als Beispiel darf es dann auch nur das Stück „Pain“ sein. Schöner kann man Schmerz nicht präsentieren.

https://www.youtube.com/watch?v=NVimjCyiMrE

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Victor von Void
Victor von Void (@guest_57129)
Vor 5 Jahre

Boy Harsher dürften mit Pain einen Klassiker gschaffen haben, den man noch in vielen Jahren in Szenediskos hört. Zumindest werden sie derzeit schon dort hoch und runter gespielt. Sixth June sind mir auch schon länger ein Begriff.
Ich hätte aber auch noch eine Empfehlung: undertheskin, eine polnische Band, die auch in diese Richtung gehen, aber mit etwas mehr Gitarreneinsatz.

gagates
gagates (@guest_57130)
Vor 5 Jahre

kann nur sagen, dass boy harsher ein highlight des diesjährigen WGT für mich waren

Gruftfrosch
Gruftfrosch(@gruftfrosch)
Vor 5 Jahre

So toll Boy Harsher auch sein mögen, ich werde ihren Auftritt beim WGT mit einer schier unfassbaren Menschenmenge verbinden und wenn ich etwas nicht mag, dann aufgezwungene Menschennähe, stehende Hitze und keinen Platz sich zu guter Musik gescheit zu bewegen. ;)

Sixth June ist super…auch wenn Lidija Andonov nicht wirklich gut singen kann*, der Sound ist einfach geil…

*aber das kann Larissa Georgiou von Lebanon Hanover ja auch nicht und da isses mir auch wurscht ;))

Ninni
Ninni (@guest_57134)
Vor 5 Jahre

Sixth June sind eine meiner all-time-favourites! Freut mich, dass sie jetzt schon zum zweiten Mal bei den Musikperlen erwähnt werden!

 Gruftfrosch: Das, was Du wegen den Stimmen von Lidija und Larissa ansprichst ist gerade das, was ich so spannend finde! Die Stimmen klingen wahrlich „ungeübt“ und ein bisschen improvisiert (so leise vor sich hingesungen), aber irgendwie unperfekt, emotional und sympathisch!

Nun lass ich auch noch eine weitere Empfehlung da: Ehemals Linea Aspera, oder ihr aktuelles Projekt „Zanias“, was auf dem letzten WGT auch einen Auftritt bekommen hatte. Zanias klingt nun ein bisschen tribaler (gibt es das Wort?), aber ich als Sixth June-Fan höre das auch unheimlich gerne!

Sebastian
Sebastian (@guest_57148)
Vor 5 Jahre

Mit 31 Jahren hörte ich also auf neue Musik zu entdecken. Schade. Habe ich gar nicht so gemerkt. Gilt wahrscheinlich für den Mainstream.

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 5 Jahre

Auch die Songs von sixth june und Boy harsher liefen zu Zeiten von dj orlög regelmäßig in Berlin im „duncker“. Sehr hypnotische tanzklänge. Schade dass zum einen ein dj Wechsel stattfand und ich zum anderen es nicht mehr schaffe, dort hinzugehen. Jahrelang war ich fast jede Woche dort, mein lieblingsclub in Berlin…

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