Das Album „Scoundrel Days“ ist das zweite Studioalbum der norwegischen Band A-ha, das völlig zu Unrecht im Schatten des gefeierten Debüts „Hunting High And Low“ steht. Findet jedenfalls unsere Autorin Maren. Sie hält es für das unterbewertete Düsteralbum der Band und versucht uns, die Melancholie, die dieses Album für sie begleitet, zu beschreiben.
Das unterbewertete Düsteralbum von a-ha
Über A-ha schreiben in diesem Blog? Das hätte ich für eine verwegene Idee gehalten, wäre ich nicht beim neugierigen Rückwärtsscrollen auf Roberts Artikel über den Film A-ha: The Movie gestoßen. Seitdem juckt es mich die ganze Zeit in den Fingern, dazu eine Fortführung beziehungsweise Ergänzung zu schreiben. Auch einen Teil meiner Jugend hat diese Band mit ihrer Musik begleitet. Dabei war ich im Gegensatz zu Robert nicht zur Heimlichkeit gezwungen, da wir in meiner sich der mainstreamigen Dorfidylle widersetzenden Clique nur zu viert waren.
Das heißt wir begegneten auch auftretenden Abweichungen im Musikgeschmack der jeweils anderen offen, da wir uns Zwist deswegen gar nicht leisten konnten – Wir mussten unsere Kräfte bündeln, um beim Schwimmen gegen den Strom nicht in einen Strudel zu geraten. Aber irgendwie waren A-ha auch gar nicht so unpassend für unser Lebensgefühl, denn in einigen ihrer Songs lauern Schatten – ganz leise und kaum wahrnehmbar bereits in einigen Songtexten auf ihrem gefeierten Debütalbum „Hunting High and Low“.
Unbeschwerten Teenie Pop mutiert zur dunklen Melancholie von Scoundrel Days
Auf dem Nachfolgealbum „Scoundrel Days“ vollzieht sich dann sowohl musikalisch als auch inhaltlich ein deutlicher Bruch zum bislang vertrauten Sound der Band. Schon mit dem gleichnamigen Titelsong wird eine unheilvolle Stimmung geschaffen: Aufschrecken aus einem unruhigen Schlaf, der Sänger irrt in einer Welt umher, deren Bedrohungen rätselhaft bleiben.
Er versucht, aus dieser tödlichen Dunkelheit zu entfliehen, „Sweat, burning houses, blood death“ bestimmen die aufwühlende Atmosphäre dieses Songs, die auch durch Morten Harkets atemlos, abgehetzt, beinahe panisch klingende Stimme transportiert wird. Diese Unruhe wird durch die musikalische Untermalung des Songs verstärkt. Dann der silberne Hoffnungsschimmer, geweckt durch die kristallklare Stimme im Refrain „We believe… that love goes free through scroundel days.“ Nirgendwo sonst zeigt Morten Harket meiner Meinung nach deutlicher die Variationsbreite seiner Stimme.
Das alptraumhafte Gefühl aus „Scoundrel Days“ wird in „I‘ve been losing you“ fortgeführt. Zusammen mit der Bitte um Antwort an ein vermeintlich totes Gegenüber. Der Sänger versucht zunächst die Verantwortung für den Tod der Geliebten zu leugnen, räumt dann aber ein, dass er wohl die Schusswaffe in der Hand hatte.
Reue und Verzweiflung bestimmen von nun an sein Leben: „Is there nothing I can do? I have lost my way. I‘ve been losing you.“
Dunkelheit und Melancholie ziehen sich auch durch alle anderen Songs. „Tears, dark, night, rain, sleeplessness, loneliness, cry“ lösen die romantische Grundstimmung auf dem Vorgängeralbum ab.
Auch „Maybe, maybe“ bildet da nur scheinbar eine Ausnahme, da der Song böse ironisch daherkommt. Es besteht ein scharfer Kontrast zwischen der heiteren Melodie und dem Text über ein gewaltsames Beziehungsende. Daneben versetzen einen immer wieder Bilder aus der Natur in ein einsames, von dunklen Wäldern überzogenes und von schroffen Küsten umgebenes Skandinavien und beschwören so einen düster-schönen Sehnsuchtsort herauf. „Scoundrel Days“ lieferte mir den perfekten Soundtrack zu meinem Innenleben. Wie ich den Regen und den Wind in den Songs liebte! Bei so einem Wetter blieben Sonntagsausflüge, die einem als Teenie zunehmend auf den Keks gingen, erspart. Man konnte allein die in sanftes Grau gehüllte Landschaft auf sich wirken lassen.
Einsamkeit und Melancholie klingen auch in „Soft Rains Of April“ an, das von Trennungsschmerz und Gefangenschaft handelt. Die Unruhe und Panik aus dem Titelsong weichen einer müden Traurigkeit. Diese wird untermalt von an Regen erinnernden Klängen eines elektronischen Klaviers. Am Ende wird „over“ noch einmal mit rauer Stimme ins Mikro geseufzt und verleiht der unerfüllten Sehnsucht Endgültigkeit.
Pål Waaktaar-Savoy, stiller Poet und kreativer Kopf im Hintergrund
Während der hübsche Morten Harket beim Präsentieren der Songs die Teenie-Herzen höher schlagen ließ, wurden die Songs von Magne Furuholmen und Pål Waaktaar-Savoy (heute Paul) geschrieben, die meisten gingen auf Pals Konto. Augenscheinlich der ruhigste und schüchternste dieses Trios, der weniger Objekt der Bewunderung durch jugendliche Fans war, besaß er für mich die interessanteste Persönlichkeit in dieser Band: Ein unangepasster Einzelgänger, der Zeit und Ruhe zum Denken braucht. Mit seiner Vorliebe für Bücher und Kunst, seiner zurückhaltenden Art und seiner Reaktion auf sein Umfeld:
„I always wanted to be different.“ (A-ha, The story so far, Tor Marcussen) stand er mir näher als Morton. Pål war ein großer Fan von „The Doors“. Beeindruckt von Jim Morrisons apokalyptischen Visionen und der Dichte der Bildsprache in dessen Song, wollte er seinen Songs einen ähnlich ausdrucksstarken Klang verleihen, was ihm auf Scoundrel Days meiner Meinung nach auch gelungen ist. Gleichzeitig hat er mich auf Jimmy aufmerksam gemacht und mir somit eine neue Dimension der Düsternis eröffnet.
Unsere Wege trennen sich
Der gefühlsmäßigen Intensität von „Scoundrel days“ haben a-ha sich danach höchstens angenähert, sie aber nie wieder erreicht. – Vermutlich war dies auch gar nicht ihre Absicht, da dieses Album nicht an den Erfolg von „Hunting High and Low“ anknüpfen konnte und sie es jedoch vorzogen, sich daran zu orientieren. So schlug die Band, die mir einen wunderbaren Soundtrack für meine Regensonntage geliefert hatte, einen anderen Weg ein und ich fand neue Klänge als Verstärker für meine Seele.
Aus dem sanften Frühjahrsregen von a-ha wurde in „The same deep waters as you“ von „The Cure“ ein Wolkenbruch, der den Boden unter mir in einen Morast verwandelte.
Ich muss gestehen, dass das eine Band ist, die während der ganzen Zeit ihres Bestehens komplett an mir vorbei ging.
Ausser die Songs, denen man nicht „entkommen“ konnte.
Aber der Text weckt die Neugier, einmal da einzuhören… 😊
Es freut mich, wenn zumindest deine Neugier ein bisschen geweckt wurde. Es ist zwar keine „Szeneband“, aber gerade bei den Songs, die man nicht fast unvermeidlich kennengelernt hat, gibt es einiges was – wie ich finde stimmungsmäßig – durchaus passt.
Das stimmt! So ging es mir, als mir „Flip…The Other Side Of OMD“ in die Hände fiel.Ich war total überrascht, was die für tolle Sachen gemacht haben… :-)
Im damaligen Synth Pop ging einiges ab. Teilweise gab es fließende Übergänge zum Post-Punk, wie z.B. bei New Order oder New Model Army. Die haben durchaus interessantes gemacht. Es lohnt sich rein zu hören.
Wie kommst Du auf New Model Army? Sie haben niemals auch nur einen Hauch von Synthpop gemacht…
Ich würde das durchaus als Synth-Pop bezeichnen.
Ähm… nein!
Deren Sound wird größtenteils unter Indie Rock eingeordnet. Für eine bessere Einordnung nutzt man am Besten Discogs. Die haben da durchaus Ahnung, was dieses ganzen Genres angeht. Und ich kann mich auch nicht daran erinnern, jemals Synthies bei denen vernommen zu haben, auch wenn ich nur wenig von denen kenne.
Synthpop ist rein synthetische, eher „weiche“ Musik.
New Model Army hingegen spielen rauhen (Indie-)Rock, mit Punk- und Folk-Einflüssen.
Ich mag die älteren A-HA-Sachen sehr (Bin eh ein Kind der 80er), allerdings gehöre ich zu denjenigen, die „Hunting high and low“ favoritisieren. Nicht wegen der Hits darauf, sondern weil mir schlichtweg die meisten Sogs darauf von Melodie und Stimmung her am ehesten zusagen. Da ist oft auch ne Menge Melancholie drin. Bei „Scoundrel Days“ sind viele Songs für mich sperriger, aber ich hör gerne nochmal genauer rein unter den Aspekten, die Du genannt hast – vielleicht ändert sich meine Sichtweise ja noch etwas ;-)
Absolut, ich stimme dir zu, dass auch „Hunting high and low“ nicht frei von Melancholie ist. Ich wollte zu Beginn meines Textes darauf auch näher eingehen, habe dann aber beschlossen, mich ganz auf „Scroundel days“ zu konzentrieren. Sperriger? Ich ahne, was du meinst. Vielleicht gerade das Unruhige, was es für mich zum „Düsteralbum“ macht? Aber es ist schön, wenn dieses Album auch von dir ein bisschen Aufmerksamkeit bekommt, ganz gleich, welches am Ende der Favorit ist.
Meine Lieblingsband seit über 30 Jahren. Und ich finde, die Melancholie zieht sich bis heute durch, auf jedem Album.