Musikalischer Briefkasten #14 – Handfeste CDs im sonst digitalen Posteingang

Üblicherweise gelangen Hinweise und Musiktipps bei Spontis in den digitalen Musikbriefkasten. So war ich etwas überrascht, vor einigen Monaten ein kleines Päckchen vom Robert in meinem analogen Pendant zu finden. In diesem befanden sich vier CDs und ein Zettelchen, mit der Bitte um eine Rezension zu diesen Einsendungen. Da mir Roberts Wunsch Befehl ist, setzte ich mich (mit ein wenig Verzögerung im Betriebsablauf) die Folgemonate abends in mein stilles Kämmerlein und lauschte Silberling um Silberling, um euren Horizont ein wenig erweitern zu dürfen.

Wreckage Dance – Wreckage Dance

Die Ersten in der Reihe sind Wreckage Dance mit ihrem ebenso betitelten Debütalbum. Das passend dazu gewählte Cover lässt den Wunsch aufkeimen genau dort in wolkenverhangener Nacht, bei Feuertonne und netten Menschen Musik zu genießen… Jedoch zerfetzt die Realität diesen Gedanken sofort wieder, daraus wird vorerst nichts. Um nicht in Trübsal hinabzusinken, mache mich in diesem informativen Interview hier daher etwas schlauer, während die CD meinen mittlerweile etwas in die Jahre gekommenen Laptop abheben lässt…

Das 3-Mann-Projekt um Initiator Julian, sowie dessen Freunde Friedi, Henrik hat offenbar bereits bandtechnische Vorerfahrung u.a. bei „Ghosts Of Dawn“ (Tip!), „Wolfsuit“ (siehe Briefkasten #5) und der Crust Punk-Ban“Shudder And Spit“ gesammelt.

Während ich durch das atmosphärisch gehaltene Intro lausche und sich das erste Stück, talk too much, aufbaut, meine ich vor allem den Sound erstgenannter Band herauszuhören. Was allerdings nicht verwundert, siedeln sich Wreckage Dance beim weiteren Durchhören stilistisch doch klar im klassischen, gitarren- und bassgetriebenen Gothic Rock/Deathrock an. Hängen bleibe ich bei dem Titel Stonewall Was A Riot, sowie All The Best, meinem persönlichen Highlight. Der zurückhaltende Einsatz von Elektronik-Elementen und einem Saxophon durch den Gastmusiker Tajo rundet das Album sehr gut ab, daher: Daumen hoch!

Isla Ola – Nebelmond

Einen Monat später, die weiße Milch des Abends legt sich wie ein Schleier über die Wiesen…

Das Ende eines langen und anstrengenden Tages. Den verbliebenen Rest davon irgendwie sinnvoll nutzen wollend werfe ich Isla Olas Debütalbum „Nebelmond“ ein, welches schon seit Wochen auf dem Arbeitstisch liegt und mangels Gelegenheit bisher nicht in meine Gehörgänge kriechen durfte. So drücke ich auf Shuffle/Play und lasse meinen Alltag los…

Elektronisch-synthetische Klänge werfen sich mir entgegen, unterkühlt und kompositorisch auf das Wesentliche reduziert, brummeln mir Bass und Drumcomputer beim titelgebenden Nebelmond entgegen. Die recht dunkle Stimme Jesmaris sprüht ihren eigenen, ausgebrannten Charme aus, kontrastiert durch die sparsam-pulsierende, jedoch wirkungsvolle, instrumentale Unterstützung Stefans.

Spätestens bei Grave Of The Future, bei der Jesmaris leidende Stimme fast zu zerbrechen scheint, drängt sich mir das Gefühl, dass das Leben manchmal einfach nur sinnlos ist. Versinken greift diese Atmosphäre, diese Leere in meinem Kopf auf und hinterlässt diese mit einem Hauch von…

Nichts.

Fazit: Mit „Nebelmond“ haben Isla Ola ein in seiner Art äußerst eindringliches Werk geschaffen, welches die Herzen aller Melancholiker höher schlagen lassen dürfte.

Kurs Valüt – Kurs Valüt

Im Kontrast zu La Isla Ola kommt in der zweiten Hälfte etwas mehr Schwung in den Beitrag. Das 2017 gegründete Projekt Kurs Valüt (dt. vermutlich „Wechselkurs“) begibt sich mit ihrem ebenso betitelten, zweiten Album auf die Pfade rythmisch-elektronischer Musik.

„Dnjepropop“, wie die beiden Macher, Eugene Gordeev und Eugene Kasian, ihre Spielart aus dem industriellen Zentrum der Ukraine nennen, pulsiert bereits beim einleitenden Stück (s. Video) im Takt minimaler, repetitiver Klänge. Fast, wie einst die Stahlwerke und Hütten des Donbass vor ihrer Lähmung durch den dortigen, bewaffneten Konflikt.

Ziehen sich Rhythmus und synthetischer Bass im Hintergrund nach dem energischen Einstieg wie ein roter Faden durch das weitere Album, zeigt dieses sich mit jedem Stück akustisch von einer leicht anderen Seite. Themen wie Ranok (Morgen), Karantin (Quarantäne), Lezo (Klinge), Chas (Zeit) oder Rivnovaga (Gleichgewicht) lassen eine Beschäftigung mit Themen erahnen, welche direkt aus dem Leben der beiden Eugenes in Textform gepresst zu sein scheinen. Reimt sich zumindest mangels Sprachkenntnis mein Gehirn zusammen.

Wer weiß, vielleicht höre und tanze ich eines Abends mal dazu… Bis dahin bereichert die CD jedenfalls meine kleine Kollektion.

Superikone – Traenen

Zum Abschluss liegen – von Robert bereits witzelnd mit „für deine Cringe-Sammlung“ angekündigt – mir hier nun die Traenen des Im deutschsprachigen ElektroPops angesiedelten kölner Ein-Mann-Projektes Superikone um Mastermind Malte El Niño vor.

Die mir vorliegende Variante der 2018 veröffentlichten Single enthält zehn Versionen des namengebenden Liedes, was zumindest in meiner Ansicht etwas gewöhnungsbedürftig ist. Inhaltlich wird das Ende einer Beziehung behandelt, während das musikalische Drumherum eine recht breite, poppige Palette abdeckt. Soweit, so gewöhnlich.

Mal etwas „härter“ mit dem „Bodypop-Mix“, mal ruhiger und fraktaler, wie beim „Bleve-Effect-Mix“. Mit Remixen von den Vainerz (hier eher mäßig), The Dark Unspoken und einigen weiteren, mir bisher unbekannten Protagonisten, ist die Zeit dann irgendwann auch rum. Bis die letzte Version anläuft und ich auf das Booklet schaue: „1998 Lunastoy-Originalmix“. Das war das Vorgängerprojekt vom Malte, zu dessen Zeiten dieses Stück laut Discogs auch schon bestand. Irgendwie witzig das, wennauch vollkommen belanglos…

Meines ist die Veröffentlichung jetzt nun nicht gerade, aber – um auf Roberts kommentar zu blicken – peinlich andererseits auch nicht *Zwinkersmiley an Robert*. Wenn ich irgendwann mal in den Umstand komme, meine Sammlung auszumisten, blinkt halt (zum Leidwesen aller Stare der Nachbarschaft) eine CD mehr am Kirschbaum…

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Gagates
Gagates (@guest_60561)
Vor 2 Jahre

Kurs valüt ah das lässt mein Herz schneller tanzen

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 2 Jahre

Wreckage Dance (ich dachte beim Video erst, da spielt Hélène de Thoury von Hante. mit – sieht ihr verdammt ähnlich) und Isla Ola gefallen mir sehr gut! :-)

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Antwort an  Tanzfledermaus
Vor 2 Jahre

Bin gleich aktiv geworden:

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