Spontis Wochenschau #14/2012

Gothic ohne Ziel und ohne Richtung. Seit Tagen schwirren mir Gedanken durch den Kopf, was denn dran sein könnte an dieser Behauptung (ich scheue mich das Wort „Tatsache“ zu schreiben). Ich beschäftige mich nun schon eine ganze Weile mit Subkulturen und habe vor mehr als 4 Jahren damit begonnen, darüber zu schreiben. Auch über mein eigenes Zugehörigkeitsgefühl. Das Internet sorgte für ständigen Input und einen unnachgiebigen Strom von Informationen, manchmal fühlte ich mich wie Johnny Mnemonic, dessen Gehirn über ein Kabel mit Informationen gespeist wird. Womöglich ist es eben diese Flut, die ein Ziel und einer Richtung unmöglich machen. Ein Flut aus Meinungen und Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die sich manchmal krampfhaft von anderen unterscheiden wollen. Besinne ich mich auf die Menschen, die ich Kennenlernen durfte, mit denen ich mich anfreundete und austauschte, habe ich längst eine Richtung erkannt. Gedankenaustausch auf einer gemeinsamen „schwarzen“ Wellenlänge. Ist das Netz vielleicht schuld an der Ziellosigkeit? Die Lösung liegt womöglich in der Differenzierung. Das Netz bietet Möglichkeiten der Vernetzung und Information, wer in ihm eine schwarze Szene sucht, droht sich wie Johnny zu überladen. Wir müssen heraussuchen, was uns beschäftigt, lesen was uns interessiert und wahrnehmen was uns weiterbringt. Lernt die Menschen kennen, die schreiben. Vielleicht kommt das Ziel von ganz alleine. Ausgesuchte Informationen und interessante Neuigkeiten aus meiner kleinen Spontis-Welt liefert diese Wochenschau:

  • Dumme haben mehr Angst | n-TV
    Vielleicht gibt es endlich eine Antwort auf die Frage, warum manche Menschen Angst vor Grufties haben. Ein Artikel, der zum jüngsten Halloween erschien, klärt auf: „Kurz vor dem Gruselfest Halloween macht Psychologe Eduard Käseberg gebildeten Menschen Mut. „Irrationale Ängste haben immer etwas zu tun mit Mangel an Bildung […] Eine der Hauptursachen der zunehmenden Angststörungen in der Gesellschaft seien „ein Mangel an Mut und eine Zunahme an Dummheit“.“ Darüber hinaus erklärt auch den Trend für blutverschmierte Zombies als Teil des Stadtbildes und für auch unser Dasein ad absurdum: „Menschen setzten sich dem Grusel in der Regel freiwillig aus, weil es Spaß mache, sagte Käseberg. Und diese Lust am Gruseln sei zeitlos: „Denken Sie nur an die Hexenverbrennungen. Die Leute damals hatten Langeweile ohne Ende, da ist nichts passiert. Es war kalt, gab nichts zu fressen und das Einzige, was Spaß gemacht hat, war, ab und zu eine Hexe zu verbrennen.
  • Irrlichter des Internets | Werturteilsfrei
    Tobi entlarvt schamlos: Gothic ist überall. Gesellschaftsfähig und anerkannt. Die Facetten der Szene reichen von Hygieneartikeln bis zu Politikern. Die schwarzen Netze sind in alle Nachrichtenredaktionen vorgedrungen und infiltrieren uns nachhaltig und unterbewusst mit einer gruftigen Attitüde. Oder nicht? „Auf der Suche nach gruftiger Präsenz in der Medien- und Kulturlandschaft gibt es mehr Sackgassen, als es auf den ersten Blick vermuten lässt. Und manchmal sind es auch Nachrichtensendungen und Werbeprospekte, die einem das Blut gefrieren lassen. Sollte das, was dort der Weltöffentlichkeit gezeigt wird, wirklich etwas mit unserer Schwarzen Szene zu tun haben?
  • Gothic-Event auf der Insel: Beatrices untote Welt | Mallorca-Zeitung
    Die Szene ist überall. Selbst das inoffizielle 17. Bundesland ist bereits infiziert, denn Gothic ist auf Mallorca kein neues Phänomen. Mittlerweile köchelt eine eigene kleine Szene auf der Insel. Beatrice de Son Bages, seit 18 Jahren Insulanerin, hat vor 2 Jahren die Szene für sich entdeckt und trägt jetzt die Idee und Gedanken auf die Insel, wie die Mallorca-Zeitung schreibt: „Vor erst zwei Jahren kam sie bei einem Gothic-Festival in Leipzig mit etwa 60.000 Leuten auf den Geschmack. Im vergangenen Jahr hatte sie dann erstmals auf Mallorca ein Treffen organisiert, dessen Teilnehmerzahl allerdings überschaubar blieb. Das soll diesmal anders werden.“ Was ist Gothic für Sie? „Man steht in der Szene auf Musiker wie die legendäre 80er-Gruppe The Cure. Und auf die deutsche 90er-Band mit dem eigentümlichen Namen Goethes Erben. Auch die legendären Doors werden akzeptiert, Songs etwa wie „Riders on the Storm“ machen jeden Gothic ganz kirre. Ebenfalls wichtig: Accessoires wie Engel, Raben, Kreuze und Kerzen. Und mystische und besinnliche Orte wie Fried­höfe oder die auf Mallorca so zahlreichen Talayot-Ruinen, und die am liebsten, wenn´s richtig schön windig und trüb ist.
  • Nekromantik in Schweden: Frau benutzt Skelett als Sex-Spielzeug | Nerdcore
    Während wir unsere Wohnung mit künstlichen Totenköpfen schmücken, versuchte es die 37-jährigen Schwedin lieber mit einer echten Ausführung, die sie auch gleich als Teil ihrer sexuellen Stimulation benutzte. Jörg Buttgereit hätte seine helle dunkle Freude. Die schwedische Zeitung „The Local“ berichtet: „“I have never heard of a case like this and neither have my colleagues, so I dare to say that this kind of case is quite uncommon,” prosecutor Kristina Ehrenborg-Staffas told The Local.  A 37-year-old woman, who was arrested in September, was formally charged on Tuesday at the Gothenburg District Court for the crime of “violating the peace of the dead” (brott mot griftesfriden). The prosecutor could not explain how the woman had managed to collect almost an entire skeleton, but explained that the human remains had been used in an “unethical” way. „In the confidential section of the investigation we have material which indicates she used them in sexual situations,“ the prosecutor told the TT news agency.
  • Schwarz | Der schwarze Planet
    In einem ziemlich großartig geschriebenen und bebilderten Gastartikel beschreibt Scyllarus seine Gedanken, die er nach ein paar Jahren selbstgewählter Szene-Zugehörigkeit formte. Aus anfänglicher Euphorie wurde Nachdenklichkeit: „Seither habe ich einige Illusionen verloren, Veränderungen erlebt, und manche Diskussionen über richtiges und falsches Gruftig-sein geführt … Ich weiß längst, daß Düsterromantiker wie ich nur ein kleiner Teil der uferlos undefinierbaren “Schwarzen” sind, und daß meine Gedanken dazu weit davon entfernt sind, für die Szene allgemeingültig zu sein. Aber auch wenn ich heute manches anders betont oder gewichtet hätte – im Grunde sehe ich es noch immer so wie damals. Dies ist also die Essenz MEINER Szene, so wie ich sie vor fünfeinhalb Jahren in rotweinbegünstiger Selbstbetrachtung beschrieben habe.“  Unbedingt lesen und kommentieren!
  • Dragon Con 2012 | Nerdcore
    Jetzt nochmal zum mitschreiben: Cosplay ist nicht Gothic! Das sage ich nur für den Fall, das hier falsche Assoziationen entstehen. Cosplay ist aber eine Subkultur geschickter Selbstverwirklicher, die keine Mühen scheut, ihrem Idol aus Film, Serie, Computerspiel oder Comic näher zu kommen. Und ja, es gibt auch „echte“ Gothics die ebenfalls „echte“ Cosplay-Fans sind, das eine schließt das andere nicht aus. Nur zusammen geht eben nicht. In einem sehr gelungenen Video gibt es einen Überblick über das, was angesagt und möglich ist.
  • Peter Jackson und die Herr der Ringe Flugsicherheit | Schlecky Silberstein
    Ganz ganz großes Kino: Peter Jacksons Special-FX-Firma WETA Workshop produzierte ein Flugsicherheitsvideo für Air New Zealand gespickt mit Elfen, Hobbits, Zwergen und gefühlten 10.000 charmanten Ideen. Der Meister selbst gönnt sich darin einen Cameo-Auftritt so wie viele weitere alte Bekannte – unter anderem Tolkien-Großenkel Royd. Der Gag ist: Das Video ist keine reine Promo-Spielerei sondern ein vollwertiges Sicherheitsvideo.
  • Rabenschwarzer Kurzfilm: The End | Mister Honk
    Wie schwierig es ist, sich in Zeiten der Apokalypse (am 21.12 geht ja die Welt unter) das Leben zu nehmen, zeigt dieser Kurzfilm. „Sehr schöne Arbeit von Cameron McHarg, der sich für diesen Film von diesem Interview mit George Carlin inspirieren lies. Genauer gesagt von diesem Part: I’ve given up on the whole human species. I think a big, good-sized comet is exactly what this species needs.

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Irmin
Irmin (@guest_29231)
Vor 11 Jahre

Eine schöne Wochenschau, Robert!

Die Bildergalerie zu dem Artikel aus Schweden ist absolut zu empfehlen. Wer sich überraschen lassen möchte, der möge hier nicht weiterlesen – insbesondere der Schädel neben dem Plüschtier hat was, muss ich schon sagen :D

Die Filme sind leider wunderbar. Das ist tatsächlich das erste Flugsicherheitsvideo, das ich mir interessiert angesehen habe und wo ich gespannt darauf war, was als nächstes folgt. Leider hast du aber mit deinem Zitat das etwas überraschende Ende vorweggenommen. So etwas hätte ich jedenfalls nicht erwartet… War aber auch so ein sehr guter Vertreter des schwarzen Humors.

Den Artikel beim Schwarzen Planeten werde ich mir jetzt mal durchlesen…

shan_dark
shan_dark (@guest_29232)
Vor 11 Jahre

Wie besagt doch der eine Kommentar zur schwedischen Nekromantikerin so treffend: „Nekrophilie – ein Verbrechen ohne Opfer“. Dafür fände ich eine Strafe von 2 Jahren (das maximale Ausmaß) echt nicht gerechtfertigt.
@Irmin: Die Bildergalerie muss man ja etwas suchen, danke dass Du noch mal draufhingewiesen hast. Interessant finde ich, dass der Schädel im Kühlschrank gelagert wurde. Warum? Wäre mal eine neue diätunterstützende Maßnahme zum Abnehmen…
Bin jedenfalls mal gespannt, was das bei dem Fall noch gibt. Falls die Medien nach dem ersten Hype noch weiter darüber berichten.

Zu den Gothics auf Mallorca fällt mir wiederum gar nichts mehr ein. Soll man das jetzt ernst nehmen?

Danke Dir sehr für den Hinweis zu Scyllarus‘ tollen Gastbeitrag.

Schatten
Schatten (@guest_29815)
Vor 11 Jahre

Zu N-Tv
Ich glaube nicht, das Hexenverbrennung aus Spaß am Gruseln vollzogen wurden, hab mich mit dem Thema näher befasst und das dürfte wohl der geringste Grund sein…

Zu Schweden
Verrückte Sache das, auf so nen Einfall muss man erstma kommen O_o

Zu Mallorca (und @Shan)
Ich habe die Frau ja dieses Jahr beim WGT kennengelernt und ich vermute mal sie versucht da einfach mal was auf die Beine zu stellen für die, unerwarteter Weise scheinbar doch vorhandene, Szene dort. Finde ich eigentlich nicht schlecht die Idee, selbst was auf die Beine zu stellen, ist halt richtig klassisch DIY ;D
Und weil du fragst ob man das ernst nehmen soll, man sollte da nicht Mallorca mit Malle verwechseln, Mallorca ist schließlich auch nur eine Insel, die halt leider einen nicht so tollen Ruf hat ;)

Axel
Axel (@guest_29979)
Vor 11 Jahre

Warum sollte man Gothics auf Mallorca ncht ernstnehmen? Mallorca ist weitaus mehr als das Mallegebiet. Nur weil dumme Deutsche (ich muss es mal so sagen) jedes Jahr dort hin pilgern um sich die Rübe wegzusaufen, heißt das ja nicht, dass die einwohner ort so sind.

Ian Luther
Ian Luther (@guest_30037)
Vor 11 Jahre

Ich finde die Fotos der Leute am Meer schon sehr atmosphärisch… hat etwas von einem Caspar-David-Friedrich-Gemälde. Wir Festländer sind ja nicht die einzigen, die ein Anrecht auf düstere Schauerromantik haben. Nehmt mal „The Castle Of Otranto“, die erste Gothic-Novel die es gab, auch sehr maritim. Auch Piraten-Filme wie „Fluch der Karibik“ haben ein gewisses Gothic-Flair, finde ich in diesem Bezug. Allerdings finde ich die Forderung, dass entsprechende Gewandung Pflicht ist, nicht gut, das ist der ewige Teufelskreis. Wer sich für Schwarz, Wave oder Gothic im Speziellen interessiert, wird schon nicht im Hawaii-Hemd und Blümchen-Shorts auftauchen. So viel Ahnung hätte ja selbst meine Oma von Gothic gehabt :-)

Axel
Axel (@guest_30060)
Vor 11 Jahre

@Ian: Da sagst Du was. Ich hasse beispielsweise auch diese ganzen Veranstaltungen mit Dresscode-Pflicht. Davon ab, dass man eine gewisse Vorliebe teilen kann – ohne, dass man jetzt beispielsweise Brack-Klamotten tragen möchte (weil man vielleicht nicht der Typ dafür ist) – schließt man auch all diejeniegen aus die z.b. garnicht das Geld für solche Teure Kleidung haben und nicht nähen können. Das ist, gerade in unserer heutigen Zeit, einfach fatal, elitär und irgendwo auch unverschämt, dass man von anderen diesen Status erwartet.

Ian Luther
Ian Luther (@guest_30066)
Vor 11 Jahre

Axel: Genau! Ein wenig Eitelkeit und Egozentrik finde ich schon ok, aber Leute nur nach dem Kleidungsstil zu verurteilen find ich doof und ist auch gar nicht meine Art. Können auch Turnschuhe sein. Nur schwarz sollte es halt sein, aber das ist ja auch keine große Kunst :-)

Wieso trägt man in der Szene seit Urzeiten Stiefel? Weil das Arbeitsschuhe sind und die Urszene aus dem industriellen England kommt, wo man halt rund um die Uhr schaffen musste. Ist bei den Skins das selbe und bei den Punks sowieso, die ja gezwungenermaßen die Gründerväter der Grufties waren. Das hat sich halt zur Mode und zum Eticket entwickelt.

shan_dark
shan_dark (@guest_30456)
Vor 11 Jahre

Auch wenn es etwas negativ ungläubig von mir formuliert war: Ich wusste wirklich nicht, ob man die Mallorca-Gothic-Bemühungen ernst nehmen soll. Die Frage war also durchaus ernst gemeint – daher danke @Schatten für die Info. Gegen DIY und etwas für die Szene auf die Beine stellen habe ich garantiert nichts einzuwenden. Und wenn es dort eine gewisse Anzahl Anhänger gibt, warum nicht? Aber der Artikel ist ein bisschen panne, wofür sie wohl nix kann (60.000 Leute beim WGT? ein anderes Festival kann nicht gemeint sein).

Für mich persönlich ist die Welt jedoch groß genug, so dass ich nicht nach Mallorca fahren werde in absehbarer Zeit. Aber warten wirs mal ab. Falls sich das Festival zu einem 2. Whitby entwickelt, überlege ich mir das vllt. noch mal.

Irmin
Irmin (@guest_31226)
Vor 11 Jahre

Nachtrag zur nekrophilen(?) Schwedin: Sie wurde auf Bewährung verurteilt, behauptet aber, gar nicht nekrophil zu sein und eigentlich nichts Falsches getan zu haben: http://web.archive.org/web/20130218001722/http://www.thelocal.se:80/45120/20121217/

Ging ganz schön flott, die Gerichtsverhandlung – andererseits ist die Beweisführung natürlich schnell abgeschlossen…

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