Goth-Stories: „Goodbye Horses“ Sängerin Q Lazzarus gestorben – Die (ganze) Geschichte einer singenden Taxifahrerin

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Die Geschichte um den Verbleib von Q Lazzarus war lange Zeit ein Mysterium. Mit ihrem 1988 veröffentlichte Song „Goodbye Horses“, der durch eine berühmte Szene im Film „Das Schweigen der Lämmer“ zu einem Kulthit der frühen 90er-Jahre mutierte, sang sie sich ins kollektive popkulturelle Gedächtnis. Für mich war das Lied immer ein Inbegriff der Gothic-Szene, denn ihre melancholische Stimme verlieh dem Song mit dem kryptischen Text so eine tieftraurige und gruftige Stimmung, der ich mich bis heute nicht entziehen kann. Die Sängerin Q Lazzarus verschwand allerdings mit ihrem Erfolg von der Bildfläche und galt viele Jahre als verschollen. Eine Todesanzeige offenbarte nun, dass Q Lazzarus, die eigentlich Diane Luckey heißt, am 19. Juli 2022 gestorben ist.

Q Lazzarus fuhr Taxi in New York

Mitte der 80er-Jahre war Diane Luckey Sängerin der Band „Q Lazzarus And The Resurrection“ und verdiente sich als Taxifahrerin in New York ihren Lebensunterhalt. Erfolg war der rebellischen Sängerin nicht beschert, Plattenfirmen lehnte ab sie zu vermarkten, weil sie Mitte der 80er-Jahre mit ihren Dreadlocks und der souligen Musik nicht ins Bild der kitschigen und popverseuchten musikalische Ära zu passen schien. Wie es der Zufall wollte, stieg der bekannte Regisseur Jonathan Demme während eines Schneesturms in Luckeys Taxi. Sie hört ihre eigenen Kassetten, weil sie sich darauf vorbereitete, am nächsten Tag aufzunehmen. Demme sagt während der Fahrt, er möge den Song und fragte Luckey, wessen Musik das sei. „Nun, vielen Dank“, antwortete Luckey, „ich bins.“

Demme war begeistert von der Sängerin. Er verwendete zunächst den Song „Candle Goes Away“ von Q Lazzarus in seinem 1986 erschienen Film „Gefährliche Freundin„. Kurioserweise fehlt der Song allerdings auf dem offiziellen Soundtrack und ist letztendlich nur als Soundschnipsel in einer Aufnahme des Films zu hören.

Das Lied „Goodbye Horses“, verwendet er dann unter anderem in einer Szene des Films „Das Schweigen der Lämmer“ von 1991, was ihn zur Legende machte. Darsteller Ted Levine, der den kaltblütigen Serienmörder Buffalo Bill spielt, tanzt nur mit einem Bademantel bekleidet zum Lied vor dem Spiegel, während er Make-up aufträgt und mit sich selbst spricht: „Würdest du mich ficken? Ich würde mich ficken. Ich würde mich so hart ficken„.

Der verdiente Erfolg des Films, der insgesamt 5 Oscars gewinnt, beflügelt den Song, mit dem sich der Antagonist des Films in Szene setzt. William (Bill) Garvey, der auch in der Band „Q Lazzarus And The Ressurrection“ spielte, schrieb den Song. Bei Wikipedia munkelt man, dass der Text des Liedes auf der „Transzendenz über diejenigen basiert, die die Welt nur als irdisch und endlich sehen“, wobei die Pferde in dem Lied „die fünf Sinne der Hindu-Philosophie darstellt„. Prüfen lässt sich das nicht, Songschreiber Garvey starb bereits 2009.

Weil Regisseur Demme offenbar nicht genug von Q Lazzarus bekommen konnte, trat sie kurz in seinem nächsten Film, „Philadelphia“ von 1993 auf, in dem sie den Song „Heaven“ von den Talking Heads covert, während Hauptdarsteller Tom Hanks mit seinem Filmpartner Antonio Banderas auf einer Kostümparty tanzt. Obwohl der Film nicht weniger erfolgreich als „Das Schweigen der Lämmer“ wird, bleibt der Auftritt von Diane Luckey weitestgehend unbemerkt, nicht zuletzt, weil das Cover auch nur in dem Film zu sehen ist und wiederum nicht auf dem offiziellen Soundtrack des Films erscheint.

30 Jahre lang verschwindet Q Lazzarus spurlos

Trotz ihres Auftritts in dem Film „Philadelphia“ und der ikonische Platzierung ihres Songs „Goodbye Horses“ im Film „Das Schweigen der Lämmer“, muss Luckey um einen Plattenvertrag kämpfen. Letztendlich erscheint nur „Goodbye Horses“ als Single bei einem unbedeutenden Label. „Q Lazzarus And The Resurrection“ lösen sich 1996 auf, Diane Luckey verschwindet völlig aus der öffentliche Wahrnehmung, selbst Bandkollegen und Freunde wissen nicht, was aus ihr geworden ist.

Spätere Tribute an die ikonische Szene aus dem Film „Das Schweigen der Lämmer“, wie beispielsweise in Clerks II oder Family Guy, halten den Song im popkulturellen Gedächtnis, während Cover von zahlreichen Bands den Song auch in die Ohren jüngerer Menschen bringen. Zuletzt schmückte sich das Modelabel Gucci mit dem Song für einen Kampagnenfilm.

30 Jahre später wird ein Artikel bei Dazed veröffentlicht, der sich mit der Suche nach Q Lazzarus beschäftigte. Autor Thomas Gorton befragte Freunde, Plattenfirmen und Bandmitglieder über den Verbleib der Sängerin, doch niemand hatte eine abschließende Antwort, viele hielten die Sängerin für tot. Eine Weile nach Veröffentlichung des Artikels erscheint auf Twitter ein Konto mit dem Namen „@AKAQLazzarus“, die den Autor kontaktiert und vorgibt, die verschollene Sängerin zu sein. Sie schreibt ihm:

Hallo, tut mir leid, Sie zu stören. Ich wollte nur, dass die Leute wissen, dass ich noch lebe, ich habe kein Interesse mehr am Singen. Ich bin Busfahrerin in Staten Island (da bin ich seit JAHREN), ich sehe jeden Tag Hunderte von Passagieren, also verstecke ich mich wohl kaum (oder bin tot!). Ich habe Thomas Gorton (Dazed) meine Telefonnummer und Adresse gegeben, nur um zu bestätigen, dass ich ‚echt‘ bin. Tut mir leid, wenn dies ein langweiliges Ende der Geschichte ist. Ich werde Twitter bald verlassen, da ich es seltsam finde. Bitte denken Sie an diese Nachricht, falls jemand anderes interessiert ist. DANKE„.

Gorton gibt sich größte Mühe, die Echtheit dieser Nachricht zu beweisen. Wie er in diesem Artikel erzählt, fährt er mehrmals zu der angegebenen Adresse, trifft jedoch nur einen Mann mit Pferdeschwanz, der nichts von einer Sängerin weiß und versucht die Telefonnummer einige Male anzurufen. Erst eine ganze Weile später kann er durch eine Geschichte, indem eine Frau ein Busunternehmen verklagte, auch weibliche Fahrer einzustellen, das Facebook-Profil eines Familienmitglieds von Luckey ausfindig machen. Nachdem seine Freundschaftsanfrage angenommen wurde, durchstöberte er die Bilder und traut seinen Augen kaum, denn er glaubt, die verschollene Sängerin entdeckt zu haben:

Dazed nahm Kontakt mit Gesichtserkennungsexperten an der Greenwich University auf, die als Super Recognisers bekannt sind, Menschen, die „eine überdurchschnittliche Fähigkeit haben, Gesichter zu erkennen […] Wir schickten ihnen eine Auswahl an Fotos [und] das Ergebnis fiel positiv aus und besagte, dass es ‚eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass die auf allen Bildern abgebildete Person dieselbe Person ist‘

Leider blieb es bei der Bestätigung, dass Q Lazzarus nicht tot ist, aber mit ihrer Vergangenheit nichts zu tun haben will. „Sie sei schüchtern“ blieb die letzte Nachricht des Twitter-Accounts „@AKAQLazzarus“, bevor er gelöscht wurde. Es blieben mehr Fragen als Antworten. Warum hatte die Sängerin so lange geschwiegen? Warum hat sie nie die Tantiemen für den Song eingefordert? Warum will sie heute keine Aufmerksamkeit mehr?

Dokumentation mit Q Lazzarus erscheint 2023 2024

2019 sorgt das Schicksal wieder für eine Wendung in Q Lazzarus Geschichte. Diesmal steigt die mexikanische Regisseurin Eva Aridjis in das Auto eines Taxi-Service, das Diane Luckey fährt. Nach ein paar Minuten weiß Aridjis, zum wem sie da ins Auto gestiegen ist. Die beiden freunden sich an und beschließen, einen Dokumentarfilm zu drehen. In einem Interview mit dem Rolling Stone sagt die Filmemacherin: „Wir bereiteten uns gerade darauf vor, die letzten Szene zu drehen, als sie letzten Monat im Alter von 61 Jahren auf tragische und unerwartete Weise verstarb.

Der Film „Goodbye Horses: The Many Lives Of Q Lazzarus“ soll 2023 erscheinen. Neben vielen Geschichten hat Aridjis auch einen „riesigen Sack Kassetten“ von Luckey bekommen, die sie während ihrer Zeit in New York und später in London aufgenommen hatte. „Q hatte die letzten 20 Jahre damit verbracht, Autos und Busse zu fahren und konnte es kaum erwarten, wieder Musik zu machen.

Die Dokumentation sollte der Startschuss für eine Art „Auferstehung“ werden, selbst ein Comeback-Konzert schwebte den beiden Freundinnen vor. Leider schlug das Schicksal ein letztes Mal zu, diesmal nicht zugunsten der Sängerin, die mit ihrer Familie in Neptune Township, New Jersey lebte. Sie starb im Alter von nur 61 Jahren.

Quellen + weiterführende Links:

Manchester: Ikonisches Wandgemälde von Ian Curtis mit Werbung übermalt

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In Manchester wurde das ikonische Wandgemälde von Ian Curtis, dem 1980 verstorbenen Sänger der Band „Joy Division“, mit der Werbung für das neue Album des Rappers „Aitch“ übermalt. Das sogenannte „Mural“ sollte nicht nur an den verstorbenen Joy Division Sänger erinnern, sondern für Aufmerksamkeit für psychische Krankheiten schaffen und wies dazu auf zahlreiche Hilfsangebote hin.

Das Gemälde von Ian Curtis ist auf der Port Street im Northern Quarter der Stadt zu sehen und wurde im Oktober 2020 vom Künstler Akse P19 erschaffen, der für seine fotorealistischen Graffiti-Arbeiten bekannt ist. Es zeigt ein Foto des belgischen Fotografen Philippe Carly, der 1979 einen Auftritt der Band im „Plan K“ in Brüssel besuchte und in Szene setzt. Der schreibt bei Instagram: „[Das Bild] ist zu einem kulturellen Wahrzeichen geworden, das den Menschen aus Manchester und darüber hinaus viel bedeutet.

Die Stadt Manchester, die umgehend informiert wurde, zeigt sich machtlos, denn die Wand ist nicht Eigentum der Stadt. Der Bürgermeister von Manchester wandte sich an Aitch, den Fehler zu korrigieren: „Das hätte nicht passieren dürfen […] es sollte vollständig wiederhergestellt werden und als Erinnerung an diesem Ort verbleiben.

Als Rapper „Aitch“ von der Sache Wind bekam, entschuldigte er sich und beteuerte, von der Sache nichts gewusst zu haben, da er die Orte für die Werbung nicht aussucht. Er kündigte an, sich umgehend darum zu kümmern, dass das Gemälde wieder hergestellt würde. „Niemals würde ich einen Lokalhelden wie Ian Curtis so respektlos behandeln.Peter Hook bedankte sich knapp, aber freundlich für die Geste.

Übrigens dauert es nur Minuten, bis man die Werbung mit einem entsprechenden Graffiti verzierte: „Money will tear us apart again.“ Allerdings wurde auch Kritik laut, warum solch ein – von der Stadt mitfinanziertes – ikonisches Wandgemälde keinen öffentlichen Platz bekommen hat, sondern man es offensichtlich versäumt hatte, den ausgelaufenen Mietvertrag mit dem Eigentümer der Wand entsprechend zu verlängern. Bleibt zu hoffen, dass man diesmal besser macht.

Italo Disco: Die trashige Popkultur in einer ARTE-Doku

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In den 80er-Jahren war Italo Disco der Soundtrack der Sommerferien. Italien war ein beliebtes Reiseziel und deutsche Touristen bevölkerten so ziemlich jede Küstenregion, die der Stiefel im Mittelmeer zu bieten hatte. ARTE hat der „Sensationell uncoolsten“ Musikrichtung nun die Dokumentation „Italo Disco – Der Glitzersound der 80er“ gewidmet. Längst überfällig, wie ich finde, denn das oft belächelte und noch lauter verschriene Genre hat eine treue Fangemeinde, auch in der Wave-Szene. Mich zum Beispiel. Schön, dass Caro die Doku in einem Kommentar erwähnte.

Wie ich in den Italo Disco Topf gefallen bin

1984 war ein tolles Jahr. Ich war gerade 10 Jahre alt geworden, da bot mir meine Mutter eine Alternative zum rituellen Schwarzwald-Urlaub an. Womöglich spürte sie, dass der Sohnemann gegen den tristen Brei aus wiegenden Tannen, felsigen Bergen und plätschernden Flüssen aufbegehrte. Wir flogen nach Italien! An der östlichen Küste zu Mittelmeer buchten wir uns in ein klassisches Halbpension-Hotel ein und erkundeten die Umgebung. Strand, bunte Plastiksandalen und Eiscreme. Highlight war allerdings eine Art Miniaturrummel, direkt gegenüber des Hotels. Dort dröhnte Italo-Disco den ganzen Tag über die Lautsprecher, während Videospiel-Automaten und Flipper um das Kleingeld der Touristen buhlten. Auch ein Autoscooter gehörte zur Ausstattung. Mit einer Münze aktiviert, bot er zeitlich begrenzten Fahrspaß mit Gummiringen. Ich war begeistert. Mutti auch, denn so nervte Sohnemann nach dem Abendessen nicht herum und fiel dann todmüde ins Bett.

Ein italienischer Polizist (links im Bild) musste als Statist herhalten, den Sohn (rechts unten, blond) in dieser fremden Umgebung zu verifizieren.

So verdrückte ich die allabendliche Portion Pasta in Rekordtempo, ohne mich dabei zu bekleckern und drängte meine Mutter dann mit braunen Rehaugen dazu, ihren Sohn endlich gegenüber Autoscooter fahren zu lassen.

Es war ein lauer Sommerabend im August 1984 als ich die Münze des Schicksals in den Schlitz steckte, die nicht durchfiel, sondern den Mechanismus blockierte und so unbegrenzten Fahrten freischaltete. Und ich fuhr. Erst aufgeregt, dann lässig, ja fast schon anmutig. Neidische Gleichaltrige mussten Münze um Münze ausgeben, um mit mir auf Augenhöhe zu bleiben. Dem Platzwart in seinem Häuschen war das freilich egal, denn der beeindruckte die weibliche Jugend mit Krachern von den Tanzflächen der örtlichen Diskotheken. „Tarzan Boy“ „Comanchero“ oder „Mad Desire„. Ich war in dem Alter, in dem Mann Mädchen noch doof fand und Autoscooter viel interessanter. Ich glaube, ich habe mich damals in Trance gefahren, ins Autoscooter-Italo-Disco-Delirium. So wie Obelix, der als Kind in den Topf mit Zaubertrank gefallen ist.

Der Rest ist Geschichte. Urlauber, die den Sound aus Italien mitnehmen wollten, machten die Musik in Deutschland bekannt, die dann letztendlich sogar in den Charts landete, Sampler hervorbrachte und Dan Harrow in die Bravo. Die Dokumention bringt die Geschichte auf den Punkt, weckt jugendliche Erinnerung und treibt mich in die Arme, merkwürdiger Etsy-Shops.

Ich nehme an, Italo-Disco hat viele Gruftis beeinflusst, wenn auch nicht offensichtlich, sondern eher ungewollt. Als Kind oder Jugendlicher der 80er-Jahre konntest du dieser Art von Musik kaum entgehen. Nur so ist zu erklären, dass dieses Genre als „Trash-Wave“ auch heutzutage regelmäßig die Tanzflächen kleiner Nischenveranstaltungen füllt. Die Shockwave-Party im Rahmen der Gothic-Pogo-Party ist prominentes Beispiel, die die Tanzfläche auch mit Italo-Disco-Krachern wie zum Beben bringt.

Der „Waver“, wenn man diese Subkultur so bezeichnen kann, ist ein „Synthie-Addict“. Süchtig nach eingängigen Melodien, breiten Synthie-Teppichen und fordernden, tanzbaren Beats. Das findet sich auch der Musikrichtung Italo-Disco oder auch der Neuen Deutschen Welle wieder, die im Grunde für alles das stehen, was die schwarze Szene vermeintlich ablehnt. Grelle Farben, bunte Lichter und unbeschwerte Leichtigkeit. Vielleicht liegt genau darin die Traurigkeit, die ich bisweilen genießen möchte.

Alternative Erklärungsversuche bitte in den Kommentaren hinterlasse, ich bin gespannt.

Lyschko: Eine dystopische Wiedergeburt der Neuen Deutschen Welle

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In einer musikalischen Welt, in der das, was böse, tiefgründig und anderes erscheinen soll als Gothic etikettiert wird, kommen die wirklich gruftigen Überraschungen aus völlig anderen klanglichen Schubladen. Zusammen mit Drangsal hat sich die Band Lyschko für den Song „Fremd“ ins Bett gelegt und eine klangliche und visuelle Wiedergeburt des Songs „Lullaby“ geschafft, die sich trotz aller Parallelen zum ikonischen Original richtig neu und spannend anfühlt.

Lyschko war nicht nur ein Mühlknappe im Koselbruch, sondern ist auch New-Wave Band aus Solingen. Die Band besteht aus den Geschwistern Lina und Jonah Holzrichter, die zusammen mit Lukas Korn auf einer sehr aktuellen Strömung surfen: die neue Neue Deutschen Welle. Das OX-Fanzine schreibt zum Song: „„Fremd“ ist der Soundtrack für alle verlorenen Seelen, diejenigen, die zu früh von einer Party nach Hause gegangen sind und jetzt allein durch verlassene Straßen tanzen.

2011 gründete sich die Band noch unter dem Namen „Cuckoo“, veröffentlichen bereits erstes Material und haben jetzt unter dem neuen Namen die ersten Songs herausgebracht. Eine EP mit dem Namen „Stunde Null“ gab 2019 den Startschuss, nach ausgedehnter Tour widmet man sich jetzt mit „Fremd“ wieder der musikalischen Zukunft.

Für mich hört sich die „Neue Neue Deutsche Welle“ fantastisch an, klingt schön nach dem Sound von „The Cure“ ohne altbacken und Retro zu wirken, während mich Sängerin Lina ein bisschen an „Ideal“ erinnert. Allerdings sind sie von der Stümpferhaftigkeit der NDW-Ära weit entfernt, denn Lyschko wirken unfassbar talentiert und professionell. Abgerundet durch einen Text, der einfach nur Melancholie und Einsamkeit verströmt, wird daraus ein Grufti-Leibgericht zum Dahinschmelzen. Auch das Gefühl von Lina unterstreicht diesen Eindruck, wie sie dem „Album der Woche“ erzählt:

Wir sind eben die Generation Y: keiner weiß irgendwas, keiner macht irgendwas. Alle sind unzufrieden, vor allem mit sich selbst, aber man kriegt auch nichts geschissen […] Du kannst machen was du willst – es interessiert eh keinen. Dann machen es halt alle anderen nicht. Dann stellt Deutschland die AKWs ab und alle feiern, aber ich denk mir: Ja, aber die die anderen schaffen sich sogar noch Atomwaffen an. Es ist völlig egal.

Sind „Lyschko“ die Prototypen einer neuen Goth-Bewegung? Die Band sieht sich in einer gesellschaftlichen Apokalypse und blickt dem drohenden Untergang in der Zukunft mit klarem Auge entgegen. So ist der Song „Fremd“ ein Augenblick in diesem Lebensgefühl, in dem sich „kein Weg richtig anfühlt„.

Während die Szene mit düsterem Schlager ein fröhlich-buntes Kostümfest zu feiern scheint, lebt uns der Nachwuchs vor, was wirklich zu einer schwarzen Szene gehören sollte. Erinnert ihr Euch an die junge Frau in diesem Video aus den 90ern?

 Du kannst nichts richtig machen. Du kannst nur versuchen, es möglichst wenig scheiße zu machen

Den Song „Fremd“ und das dazugehörige Video haben Lyschko für mich schon mal ziemlich richtig gemacht. Der Scheiße-Faktor tendiert gegen null. Auch wenn dieser Song nichts ändert, so weckt er dennoch Hoffnung auf eine düstere Jugend, die im kleinen etwas besser machen möchte, ohne sich einzubilden, das große Ganze auf den Kopf zu stellen.

Lyschko findet ihr bei Facebook, Instagram, Spotify und Youtube.

Ab September 2022 bei Netflix? The Munsters VS Wednesday Addams

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Im September 1964 erschienen im Abstand weniger Tage zwei Serien in den USA, die in direkter Konkurrenz zueinander die heile Welt der klischeehaften US-amerikanischen Vorstadt-Familie aufs Korn nahmen. Bei CBS wurden „The Munsters“ ausgestrahlt, während bei ABC „Die Addams Family“ das Licht der Welt erblickte. Trotz ihrer Absetzung nur 2 Jahre später, erreichten beide Serien im Laufe der Jahre Kultstatus und wurde immer wieder neu interpretiert. Eine ganz ähnlichen Kampf um die Gunst des Publikums liefern sich jetzt anscheinend die von Tim Burton produzierte Serie „Wednesday“ und Rob Zombies Neuverfilmung von „The Munsters“, die beide bei Netflix erscheinen sollen.

Rob Zombie selbst zog diesen Vergleich und nannte es den „Kampf der Titanen“. Wann die Serie und der Film aber erscheinen, ist noch nicht bekannt. Wenn man die Ankündigung von Rob Zombie allerdings wörtlich nimmt, erscheinen beide noch vor Halloween, denn beide Produktionen seien, „die perfekte Unterhaltung für die Kürbis-Schnitzerei-Party„.

In „The Munsters“ übernehmen Jeff Daniel Phillips (54) und Rob Zombies Ehefrau Sheri Moon Zombie (51) die Rollen von Herman und Lily, die mit ihrer Familie von Transsylvanien in einen amerikanischen Vorort ziehen. Im Mittelpunkt der Serie „Wednesdy“ steht Jenna Ortega (19), die die Tochter der Addams Familie spielt. Die Serie „ist ein detektivisches und übernatürlich durchdrungenes Mysterium, das die Studentenjahre von Wednesday Addams an der Nevermore Academy nachzeichnet„. Neben der jungen Schauspielerin werden auch Catherine Zeta-Jones und Christina Ricci dabei, die 1991 und 1993 die Rolle von Wednesday übernahm.

Die Reaktionen auf den ersten vollwertigen Munsters-Trailer sind allerdings gemischt und schwanken zwischen Begriffen wie „Leichenfledderei“ und „Horror-Slapstick“ in den sozialen Medien. Ebenso schneit noch unklar zu sein, ob und wann „The Munsters“ und „Wednesday“ in Deutschland zu sehen sein wird, ob es noch bis Halloween reicht ist unklar.

Abzocke mit Fotos – Warum Bloggen 2022 ein teures Hobby ist

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Es ist wieder Zeit für so einen Artikel. Wenn die Politik sich schon nicht um dieses Thema kümmert, müssen Blogger selbst darüber berichten, dass das Internet mittlerweile ein Minenfeld ist, in dem man nur noch versucht, Abmahnungen zu verhindern. Vorbei sind die Zeiten, in denen man einfach seine Gedanken, Erlebnisse und Tipps in einem „Online-Tagebuch“ teilen konnte. In einem professionalisierten und kommerzialisierten digitalen Umfeld wird jeder kleine Fehler zum finanziellen Desaster. Trotz aller Vorsicht hat es mich wieder getroffen. Diesmal soll ich fast 300 Euro zahlen.

Was diesmal geschah

In einer Wochenschau vor über acht (!) Jahren, im April 2014, habe ich über den Fotografen Chris Parker berichtet, der auf der Plattform „Behance“ Bilder seines Schaffens hochgeladen hatte, darunter auch das Bild von ein paar Punks, die vor den „Houses of Parliament“ in London posierten. Ich fand die Aufnahmen klasse und berichtete kurz über den Fotografen. Ich stellte natürlich ein Beispielbild dazu, damit man sich einen Eindruck machen konnte und das Besucher animieren sollte, das ganze Album zu bewundern.

Behance ist eine Plattform, bei der man als Kreativer eine Art Portfolio in Form von „Projekten“ erstellen kann. Sie dient dem Künstler dazu, seine Arbeiten vorzustellen und entdeckt zu werden. Sinn und Zweck ist es also, dass jemand auf das Profil aufmerksam wird und darüber berichtet. So wie ich es damals getan habe. Diese kostenlose Werbung für Chris Parker kommt mich nun teuer zu stehen.

Der Künstler hat offensichtlich im Verlauf der letzten Jahre sein Album mit den Punks bei Behance gelöscht. Die Bilder werden nun über den Stockfotografie-Giganten „Alamy“ verkauft. Das besagte Bild, das ich damals als kostenlose Werbung für den Fotografen verwendet hatte, kostet dort nun 40 Euro. Von dieser Entwicklung habe ich nichts gewusst, denn ich kann nicht die über 10.000 Fotos, die ich im Blog im Laufe der Jahre verwendet habe, ständig auf mögliche „Lizenz-Besitzerwechsel“ überprüfen.

Zahlung bequem per Portal

Spontis ist kein Business-Blog, wo man sowas vielleicht verlangen könnte. Es handelt sich um einen nicht-kommerziellen, privaten Blog, mit dem niemand Geld verdient – außer die Abmahnanwälte. Zur Erinnerung: Die letzten Abmahnungen beliefen sich auf rund 715 Euro und 1.400 Euro, eine weitere Nachlizenzierung kostete mich 400€. Diesmal habe ich sogar die bequeme Möglichkeit, auf einem eigens eingerichteten Portal, zu bezahlen. Immerhin kann ich mehrsprachig, superbequem und auf sechs verschiedenen Wegen 274,95 Euro überweisen. Offensichtlich schreibt die Plattform viele Abmahnungen – natürlich immer im Sinne der Künstler, oder wofür war das Urheberrecht nochmal?

Düstere Blog-Zukunft

Spinnen wir den Vorgang einmal weiter und malen schwarz, so wie es mir in die subkulturelle Wiege gelegt ist. Es kommen beängstigende Szenarien zustande. Was ist beispielsweise mit dem netten Fotografen den ich bei einem Festival kennenlerne und den ich frage, ob ich ein paar Bilder von ihm für einen Bericht benutzen darf? Was ist mit Spontis-Lesern, die mir ihre Bilder zur Verfügung stellen. Irgendwann könnten diese Fotos theoretisch auch bei einer Agentur landen, die extra ein Portal für Strafzahlungen eingerichtet hat – natürlich ohne Ausnahme – auch nicht bei nicht-kommerzieller Nutzung, die nur dazu dient, den Fotografen zu unterstützen.

Vermutlich wäre es dann mal wieder an der Zeit für so einen Artikel. Daran bin ich natürlich nicht interessiert, deshalb werde ich in Zukunft nicht mehr über Fotografen berichten und muss versuchen, für bereits verwendetes, angeblich „freies“ Material schriftliche Lizenzen zu bekommen, die ich dann im Falle eines Falle vorweisen kann.

Nur zur Erklärung: Ich achte bereits seit der ersten Abmahnung bei der Verwendung von Fotos akribisch auf die Nutzungsrechte. Doch selbst bei der Verwendung von Fotos, die über entsprechende Portale, wie beispielsweise unsplash.com zur freien Verwendung angeboten werden, können sich die Nutzungsrechte jederzeit ändern. Ob ich Bilder von Bands, Plattencovern oder Screenshots neuer Musikvideos auch besser lassen soll?

Ich empfinde es als hanebüchene Ungerechtigkeit, als Blogger, der nicht einen einzigen Cent mit seinem Content verdient und der viel Kohle vom 3-Schicht-Lohn als Schlosser investiert, um dieses kleine Universum am Laufen zu halten, so gelackmeiert am Ende der Nahrungskette zu stehen. Datenschutz, DSGVO, Cookie-Hinweise, Impressumspflicht, kostenpflichtige Erweiterungen und eine verfremdete Adressen gegen Trolle reichen nicht aus. Ja, ich weiß, jetzt heule ich rum. Ich profitiere ja auch von diesem Blog. Mir fällt es nur immer schwerer, daran zu glauben.

Kurztipp: M’era Luna 2022 Streams bei ARTE und NDR

Obwohl das M’era Luna Festival dieses Jahr stattfindet, wollen NDR und ARTE Concert wieder einige Konzerte auf den Bildschirm und später in die Mediatheken bringen. Das hilft zum einen dabei, keine verwackelten und krachenden Handy-Videos als Andenken an einen Bühnenauftritt anzufertigen, zum anderen hilft es den Daheimgebliebenen, ein bisschen Festival nach Hause zu holen. Deshalb: Handys wegstecken, Konzert genießen und später einfach in die Mediatheken gucken. Leider sind nicht alle Künstler im Livestream zu sehen, die Sisters of Mercy sind beispielsweise nicht zu sehen.

Rund 25.000 Gäste erwartet das Flughafen-Festival in Hildesheim, die stark überarbeitete Seite des Festivals wird sehr aktive geführt und erlaubt zahlreiche Einblicke in die Entstehung des Festivals. Auch auf Kanälen wie Instagram geht es lebhaft zu mit einem eigenen „M’era Luna TV“. Tagespässe gibt es für 65€ (Samstag) und 75€ (Sonntag), für ein Wochenendticket werden 113,75€ fällig.

Die Videos bei ARTE werde auch nach Ende des Festivals für etwa 90 Tage online bleiben. Genug Zeit also, sich im Nachgang noch einmal auf sich wirken zu lassen oder für den Heimgebrauch abzuspeichern.

Samstag 6. August 2022

  • 16:35 QNTAL
  • 17:15 Schattenmann
  • 17:55 Ost+Front
  • 18:35 Lacrimas Profundere
  • 19:15 The Lord of the Lost Ensemble
  • 20:00 The Mission
  • 21:00 Nitzer Ebb
  • 22:15 Blutengel

Sonntag 7. August 2022

  • 16:50 The Beauty of Gemina
  • 17:30 Feuerschwanz
  • 18:10 Combichrist
  • 18:55 VNV Nation Classical
  • 19:45 Schandmaul
  • 22:00 Eisbrecher
  • 23:15 ASP ft. TLBM

Gruft-Orakel August 2022: Der Wiedergänger wird in die Ecke gedrängt

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Die Sonne brennt erbarmungslos durch die Ritzen in der Hütte des Wiedergängers, das schwarze Dach und die schlechte Isolierung treibt die Temperaturen im Innern auf kritische 45 Grad. Eigentlich ein Wetter zum Sterben, aber dieses Glück bleibt dem Wiedergänger ja rein mythologisch verwehrt. Im Grunde könnte man sich jetzt immerhin irgendwo verkriechen, um der Hitze zu entkommen, aber dank Alana Abendroths Gruft-Orakel muss er sich wieder in sein viel zu enges Korsett quetschen, das seit Corona auch nicht wirklich besser passt als vorher. Von wegen „ihm gefällt das„! Er flucht leise auf die Erzählerin, die diese Geschichte schreibt. Könnte der Wiedergänger nicht eiswürfelgefüllte Badewannen mögen? Oder vielleicht klimatisierte Särge? Ach, ich soll in den Schrank? Na klasse. Der Wiedergänger fühlt sich in die Ecke, oder auch den Schrank gedrängt.

Nachruf: Star Treks „Lt. Uhura“ Schauspielerin Nichelle Nichols gestorben

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Ich muss fünf Jahre alt gewesen sein, als ich Nichelle Nichols in der ersten Folge von „Star Trek“, die Ende der 70er-Jahre irgendwo als Wiederholung gezeigt wurde, kennenlernte und letztendlich zum Trekkie wurde. „TOS“, wie Eingeweihte die „Originale“ nennen, sind für mich mit dem Geschmack von Dany + Sahne verbunden. Weil ich in den Sommermonaten nicht so viel Lust hatte im Schrebergarten meinen Eltern bei der Gartenarbeit zuzusehen, habe ich damals viele Nachmittage bei meiner Oma verbracht, die mich für eine knappe Stunde auf Opas Sessel vor dem Fernseher verfrachtete und mir stets einen dieser Puddings reichte, die ich genüsslich auslöffelte. Natürlich erst die Sahne und dann den Pudding. Bloß nicht umrühren! So kam ich verteilt auf einige Wochen und Monate in den Genuss, die Enterprise und ihre Besatzung kennenzulernen. Ich glaube, ich fand Lt. Uhura, vor allem wegen ihres stylischen Kopfhörers im linken Ohr und der typischen Handbewegung, die sie machte, wenn ein Funkspruch hereinkam, so unglaublich spannend.

Die Frau, die ich damals so spannend, in den ersten Star-Trek Filmen so großartig und auf einer Star-Trek-Convention so sympathisch fand, ist am 30. Juli 2022 im Alter von 89 Jahren gestorben. Ihr Sohn schrieb in ihrem offiziellen Instagram-Account: „Ihr Licht jedoch wird, wie die alten Galaxien, die jetzt zum ersten Mal zu sehen sind , uns und zukünftigen Generationen erhalten bleiben, um sich daran zu erfreuen, davon zu lernen und sich inspirieren zu lassen.“ Erst im Laufe der Jahre wurde mir bewusst, wie groß und wie einflussreich ihr Rolle gewesen ist.

Mit der Schauspielerin Nichelle Nichols in der Rolle von Lieutenant Uhura brach die Serie „Star Trek“ zwischen 1966 und 1969 mit dem Rollenbild von schwarzen Frauen im Fernsehen. Gleichberechtigt und als Mitglied der Brückenbesatzung erschien es wie selbstverständlich, dass Uhuhra Funksprüche auffing, Kanäle öffnete oder im Mittelpunkt einzelner Episoden stand. Für viele Menschen ein Hoffnungsschimmer, dass die damals frisch aufgehobene Rassentrennung nun endlich gelebt wurde. 1968 küsste sie in ihrer Rollen William Shatner alias Captain Kirk – der erste Kuss zwischen einer Schwarzen und einem Weißen in der US-Fernsehgeschichte.

1978 warb sie für die NASA um neue Rekruten für das Raumfahrtprogramm und sprach damit vor allem junge schwarze Frauen an, sich für die Raumfahrt zu interessieren. Viele NASA-Mitarbeiter nennen Nichelle Nichols als Inspiration für ihre Tätigkeit bei der NASA.

Beabsichtigt hatte Nichelle Nichols ihre Rolle als Ikone der schwarzen Community nie, Martin Luther King Jr. ist es zu verdanken, dass sie 1967 auch für die zweite Staffel der Serie zu Verfügung zu stehen. 2008 erzählte sie in einem Interview von der Begegnung mit dem amerikanischen Bürgerrechtler. „Als ich ihm sagte, dass ich meine Kollegen vermissen würde und die Serie verlassen wollte, sagte er: ‚Das können sie nicht tun! Sie haben das Gesicht des Fernsehens für immer verändert. Zum ersten Mal sieht uns die Welt so, wie wir in der Welt gesehen werden sollten.‚“ Sie blieb und stand auch für spätere Star-Trek Filme vor der Kamera. Zusammen mit Gene Roddenberry und einigen der folgenden Serien aus dem Star-Trek Universum hat man mir gezeigt, wie eine „bessere“ Menschheit in der Zukunft aussehen könnte.

Ich denke an die Destination Star Trek zurück, wie die freundliche alte Lady an ihrem Tisch begeisterten Fans fleißig Autogramme schrieb, an das Foto, auf dem sie unterschrieben hatte und das ich kurz für jemanden halten durfte und an den Geschmack von Dany + Sahne auf meiner Zunge, der mich an unsere erste Begegnung erinnert. Als Lieutenant Uhura mit grünen Ohrringen und einer Hand am Ohr. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt auf dem Weg in neue Galaxien, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat…

Wochenschau: Ein klaffendes Sommerloch voller Dunkelheit

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Das Sommerloch erreicht seine größte Ausdehnung. Während die einen ihren Urlaub beenden, beginnt man anderenorts erst damit, die Koffer zu packen. Auch die Gruftis befinden sich im Konzertfieber oder Festival-Dauerstress, bereisen ferne Länder oder lassen auf andere Weise die schwarze Seele von der Liane baumeln (Gruß an die Nerds in der Wildnis!). Kalkweiß geschminkte Gesichter stehen im Wettkampf mit sonnengebräunter Haut, eine Unachtsamkeit bei der Gesichtsverschönerung um die natürliche Bräune abzudecken und schon sieht man aus wie ein Gothic-Pandabär auf der Suche nach der nächsten Bambusstaude. Sowieso endet die edle und todesähnliche Ästhetik an Hals, Armen und Händen, wenn man nicht im Ganzkörperoutfit schwitzen möchte. Der Sommer ist nicht die richtige Saison für unsere Subkultur, ehrlich nicht. Ein inhaltliches Loch können wir derzeit allerdings nicht vermelden, Planet Gothic ist dank gefülltem Veranstaltungskalender in einer aufgeregten Taumelbewegung und auch viele Beobachter fühlen sich berufen, wieder über die Szene zu berichten.

40 Jahre Gothic-Bewegung: Als die Dunkelheit zum Trend wurde | TAZ

Besondere Beachtung verdient sich einer der Eingangs erwähnten Beobachter, Oliver Tepel von der TAZ, der die Eröffnung des Batcave-Clubs in London am 21. Juli 1982 zum Anlass nimmt, sich über die Gothic-Bewegung zu ergießen. Komprimiert, aber völlig zutreffend, fasst er zusammen, was seit 1982 passiert ist und wo die Szene heute steht. Allerdings wird er der Szene durch ihre simple Degradierung zu einer „aus einem Clubtrend entstandenen Gothic-Bewegung“ aus meiner Sicht nicht gerecht. Völlig falsch ist das zwar nicht, doch Gothic war neben einem immer wiederkehrenden Trend der Popkultur auf den Tanzflächen der Nation auch eine Form von gelebtem Gefühl, abseits von Clubs, Konzerten und aktuellen Selfie-Eskapaden. Die Bewegung hat sich nicht nur musikalisch weiterentwickelt, sondern auch inhaltlich.

Zwangsläufig, will ich meinen, denn nach einer Dekade „Trend“ diesem immer noch hinterherzulaufen ist möglicherweise ein Armutszeugnis der eigenen Auffassungsgabe und der fehlenden Motivation, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Am langen Ende bleibe ich mit Oliver Tepel bei einer Ansicht: „Man könnte denken, seine Identifikationskraft habe Gothic als Clubkultur zugunsten einer Lebenseinstellung zerstört, doch vielleicht stimmt genau das Gegenteil: 40 Jahre Lebenswelt voller Stilwandel und immer noch verlästert von den Hütern des feinen Geschmacks, dieser Triumph war keiner anderen Bewegung des Popzeitalters beschert.

Die daraus resultierende Abgrenzung ist ein essentieller Bestandteil der Szene. Früher als Grabschänder gefürchtet, heute als Sexy Gothic-Engel im Gummioutfit „verlästert“.

Die Szene trotzt seit 40 Jahren dem gebetsmühlenartig angedichteten „Tod“. Sie schlägt sich wacker gegen die Vereinnahmungen durch Modedesigner und Gesellschaft, die in schwarzen, mittelalterlichen oder blutverschmierten Klamotten eine Form der Fremd- und Selbstinszenierung feiern. Die Szene trotz einer Berichterstattung, die stets versucht, zu simplifizieren oder skandalisieren, worum es sich im Gothic-Universum drehen kann. Ja, da hat er recht, wir „trotzen“ mit stoischer Gelassenheit, augenscheinlicher Arroganz und feiner Selbstironie dem popkulturellen Streben nach Stil.

Seine Identifikationskraft hat Gothic noch lange nicht verloren, als „dunkle Clubkultur“ bietet es seit 40 Jahren jedem einen äußerlichen Zugang zum einem ausgefallenen Outfit mit dem „verruchten Gefühl der Subkultur“ auf nebelgeschwängerten Tanzflächen bei cooler Musik. Gothic bietet aber auch die Möglichkeit den Wochenendgrufti spannende Flausen in den Kopf zu setzen, um daraus eine Lebenseinstellung wachsen zu lassen. Gründe die Welt traurig, melancholisch oder resigniert zu betrachten, bieten diese Zeiten haufenweise.

Last but not Least: Danke für einen sehr spannenden und anregenden Artikel über die Szene, der – wie man offensichtlich an meinen Ausführungen erkennen kann – zum Nachdenken anregt. Es ist selten geworden, dass differenzierte Sichtweisen und Perspektiven über die Szene das Tageslicht erblicken. Gerne mehr davon.

„Fällt aus“ statt „Sold Out“: Was man über das Konzertjahr 2022 wissen sollte | Musikexpress

Sehr spannender Artikel über das aktuelle Jahr, das zwischen Konzert-Wahnsinn und tief empfundener Skepsis Veranstalter und Künstler vor ganz neue Herausforderungen stellt. „Nein, wenn man genau hinsieht, dann wird schnell klar: Wir erleben hier nicht den Status von vor der Pandemie. Dieses ganze „Volle Hütte überall“-Gefühl, was sicher nicht nur mich beim Aufenthalt in den Sozialen Medien befällt, ist lediglich eine Suggestion, ein Ausschnitt, der nicht wiedergibt, was gerade für ganz viele Künstler*innen eine bittere Pille darstellt. Fakt ist vielmehr: Wer keinen unmittelbaren Hype oder das ganz große Standing hat, geht bei dem (vermeintlichen) Event-Bock des Publikums leer aus. Viele Venues bleiben dieser Tage leer, den allermeisten Acts dürften bei den Ticketverkäufen mitunter die Hälfte, wenn nicht mehr, fehlen. Auch diverse gut besetzte Festivals, die nicht gerade „Rock Am Ring“ sind, werden abgesagt.“ Ein schwindender Markt, befeuert durch Corona, gestiegene Preise und ein Überangebot an Bands, Festivals und Veranstaltungen tun sich gegenseitig nicht gut.

12.500 Gothics feiern auf Amphi-Festival: So mischen Promis in der „Schwarzen Szene“ mit | RTL

Das Amphi-Festival ist zurück! Auch in Köln hat man sich wieder schwarze Farbe in den Tanzbrunnen geschüttet und ein aufregendes Line-Up zusammengestellt! Ich hoffe, jetzt haben einige schwarze Seelen gezuckt, denn bis auf die üblichen Verdächtigen, die gefühlt auf jedem schwarzen Festival auftreten, war nur vereinzelt gesät spannende Bands zu finden. Dafür hat sich RTL den „Promis in der schwarzen“ Szene gewidmet – Nino de Angelo, Joachim Witt und Alexander Wesselsky und kommt zu dem Ergebnis: „Schlagersänger, Auto-Checker, Mittelalter-Fans, Cybergothics. Die „Schwarze Szene“ ist eine große Gemeinschaft, bestehend aus unterschiedlichen Charakteren mit vielen Interessen. Das repräsentieren nicht nur die drei erwähnten Promis, sondern auch die Fans, die am Wochenende beim Amphi Festival feiern. Alle miteinander, ohne Vorurteile.“ Verdammt, ich will meine Vorurteile zurück!

Black Friday: A Return to the World’s Biggest Goth Festival | It’s Black Friday

Frau Freitag war nach Pandemie und der Geburt ihres ersten Kindes wieder einmal auf dem Wave-Gotik-Treffen zu Gast und bringt einen persönlichen Rückblick mit. Der ist logischerweise geprägt von Baby-Content, denn die kleine Freitag ist wirklich überall dabei und dürfte maßgeblich den Tagesablauf bestimmt haben. Bei so einer frühkindlichen Prägung gibt es nur zwei Möglichkeiten für ihre spätere Entwicklung. Entweder, sie tritt als „Born-Goth“ in Mutters spitze Fußstapfen oder rebelliert als Jugendliche und ärgert Black Friday dann mit dem genauen Gegenteil. Wobei wir noch definieren müssten, was das genaue Gegenteil ist.

Dr. Martens jetzt im Style von „Goonies“, „Lost Boys“ und „Beetlejuice“ | Dr. Martens

Wieder einmal eine Verwurstung von Film zu Schuh-Designs, so wie es Vans bereits vor einer Weile gemacht haben. Diesmal widmen sich die ehrwürdigen Dr. Martens dem Thema 80er und greifen die Filme „Goonies“, „Lost Boys“ und „Beetlejuice“ in Form von Schuhen auf. Offensichtlich hat man beim Rechteinhaber „Warner Bros.“ Gefallen daran gefunden, alte Kult-Filme auf Schuhe drucken zu lassen. Ich bin gespannt, wann H&M mit T-Shirts glänzen aus der Reihe glänzen wird. Die Schuhe, die es als Halbschuh und als Stiefel gibt, liegen zwischen 169 und 199 €. Und ja, ich steh auf so einen Kram :)

Sommerloch-Gothic-Hitzetipps!

Kommen wir zurück zum Sommer und verteilen ein paar „Tipps“ für ein pfiffigeres schwarzes Leben bei brütender Hitze und stechender Sonne. Anothermag schiebt es auf die richtige Klamottenwahl und rät, auf Ärmel zu verzichten und sich Löcher in die Kleidung zu schnippeln. „How to Survive the Heatwave as Goth“ dürft ihr auch gerne nicht anklicken. Viel spannender macht es Neutrogena, die bringen einfach eine Sonnecreme mit Lichtschutzfaktor 250 heraus: „We want our customer base to know that no matter what skin tone or subculture you are we view you as worthy of being safe from the sun’s harmful UV rays. After many failed attempts we were able to perfect our newest formula which is an SPF 250 and able to withstand the harsh demands of goths,” stated Neutrogena scientist Leif Forstfodd.“ Den ganzen – nicht ganz ernst gemeinten Artikel findet ihr bei The Hard Times. Aber eigentlich wollte ich nur zu diesem Video überleiten: