Bücher im Szene-Check: „Gestrandete Der Nacht“ von Claudia Kabel

Heute widmen wir und dem Buch „Gestrandete der Nacht“ von Autorin Claudia Kabel, das Spontis vor ein paar Monaten erreichte. Genau wie bei der jüngsten Ausgabe von „Bücher im Szene-Check“ hat es auch hier eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis wir einen Plan schmieden konnten und das richtige Buch beim richtigen Leser landete. Diesmal hat sich Svartur Nott durch das rund 300 Seiten starke Werk in eine andere Welt entführen lassen. Auch hier hat er sich der Frage gestellt, was das Buch mit der Szene zu tun hat, denn auch Claudia Kabel hat Spontis direkt mit dem Wunsch angeschrieben, das Buch zu lesen.

Das neue Jahr ist blutjung. Ein Blick durch das Fenster der gemütlichen Behausung offenbart fast überall Schmuddelwetter. Ideale Bedingungen, um sich auf die Couch, ins Bett oder in die Badewanne mit einem hoffentlich guten Buch zurückzuziehen. Wenn es draußen regnet, schneit oder stürmt ist das doch eine ganz hervorragende Möglichkeit, um endlich mal wieder ein wenig zu schmökern, findet ihr nicht?

Nach einer kleinen Odyssee des Buches quer durch die Republik, landete Claudia Kabels Veröffentlichung „Gestrandete Der Nacht“ endlich in meinem Briefkasten.

Der verheißungsvolle Titel erweckte in meinem Kopf sofort Assoziationen an 08/15 Groschen-Liebesroman(z)e(n), gleich gefolgt von dem mutmaßlichen Klassiker pubertierender Teenager, der „Biss zum …-Reihe“ von Stephenie Meyer. Allerdings ließ ich mich von meinen Vorurteilen nicht abschrecken und nahm mir zuerst die Rückseite des Buches vor, um einen ersten Eindruck zu gewinnen:

„In geheimen Zirkeln und anonymen Internetforen treffen sich reale Vampyre. Sie zerfallen zwar nicht im Sonnenlicht zu Staub, aber sie trinken wirklich das Blut anderer Menschen. Und manche von ihnen tun alles, um es zu bekommen. Als die 17-jährige Leonie aus der Frankfurter Gothic-Szene mit ihren Eltern aufs Land – in den kleinen Ort Dilshofen bei Darmstadt – zieht, muss sie das am eigenen Leib erfahren. Für sie beginnt eine Reise in die Nacht, die schwärzer und blutdürstiger ist, als sie sich je hätte träumen lassen. Gestrandete der Nacht ist kein Buch über Fantasie-Vampire. Es handelt von Liebe und Sehnsucht, Missbrauch und Einsamkeit, Leidenschaft und Selbstmord. Und von der traurigen Sucht, sich selbst zu verletzen.“

Aha. Nicht meine übliche Lesewiese, aber gut. Wenn ich mich an die ersten beiden Teile der Biss-Reihe erinnere, kann es sowieso nicht mehr kitschiger werden. Und die üblichen Klischee-Thriller aus der Grabbelbox gehen ja auch ab und an mal. Also Augen auf und eingetaucht in die Welt unserer drei Protagonisten Leonie, Paul und Edison.

Bereits nach den ersten Kapiteln (das Buch hat 35 davon, auf 303 Seiten verteilt) hatte ich den Eindruck, hier ein wirklich gut lesbares und verständliches Buch in der Hand zu haben. Während manch andere Autoren offenbar Schwierigkeiten hatten, strukturiert und in einheitlichem Stil zu schreiben oder zumindestens sich von einem Lektor helfen zu lassen, hat die Autorin Claudia Kabel, ihrerseits Schreiberin für die Frankfurter Rundschau, in dieser Hinsicht schon mal alles richtig gemacht. Selbst rasch einschlafende Begleitumstände taten dem Lesefluss keinen Abbruch, da man auch am Folgeabend schnell wieder in die Handlung kam.

Da das Stichwort „Handlung“ nun fiel, sei hierzu nur verraten, dass diese wider Erwarten durchweg spannend und stellenweise wirklich berührend war. Ich für meinen Teil kam schnell in die Geschichte um Leonie, Paul und Edison hinein, konnte mich mit einigen Aspekten von ihnen identifizieren und war erfreut, dass es nach einem vermeintlichen, hitzigen Finale noch weiterging und das Beziehungs- und Interaktionsgeflecht der Drei bis zum Ende des Buches weitergesponnen wurde. Sowohl die Haupt-, als auch die Nebenfiguren des Romans wurden mit Leben gefüllt und größtenteils stimmig eingebunden, die Schicksale der drei nachvollziehbar dargestellt.

Es gab andererseits aber auch Szenen im Buch, wo ich mich gefragt habe, ob das jetzt wirklich sein musste. Ich denke, ich brauche sicherlich niemandem hier erläutern, was für diverse Klischees über sogenannte „Gothics“ in der Bevölkerung herumgeistern. Manchmal schien es mir so, als ob hier quasi eine Auflistung selbiger vorgenommen wurde, was auf mich etwas „gewollt“ wirkte. Die Hauptdarstellerin Leonie wurde bspw. auffallend stereotypisch dargestellt (Schwarzes Haar, starke Blässe, Unmengen schwarzer Klamotten, geht nie ungeschminkt aus der Wohnung, nachtaktiv, usw.), was mich anfangs zwar belustigt hat, andererseits aber dann in folgender Hinsicht einen unangenehmen Beigeschmack hatte:

Ich kann zwar nachvollziehen, dass das Selbstverletzende Verhalten (SVV) der Protagonistin in dieser Story im Kontext von Vampirismus eine nicht unwichtige Rolle spielt, jedoch hätte ich persönlich aber sehr gerne auf den Einsatz und damit die Bestärkung dieses Klischees in diesem Roman verzichtet, da ich dieses Aneinanderdrücken der beiden Welten grundsätzlich für fehl am Platze halte. Ja, es mag Menschen innerhalb der Schwarzen Szene geben, die sich aufgrund eigener Probleme mit Vorsatz selbst verletzen. Die gibt es aber auch anderswo. Das eine geht für mich nicht zwangsläufig mit dem anderen einher, wie hier scheinbar Außenstehenden nahegelegt wurde. Zumindest habe ich das so aufgefasst.

Kann ich dieses Buch alles in allem nun empfehlen? Ich meine: Ja. Der Text ist absolut verständlich und in einheitlichem Stil geschrieben, die Geschichte spannend, inklusive einiger unerwarteter Wendungen. Die Charaktere werden überzeugend dargestellt und agieren innerhalb einer geschlossenen, stringent verlaufenden Handlung. Wer gerne Thriller liest und einen Bezug zur Schwarzen Szene oder dem Vampirismus hat, wird sich wahrscheinlich angesprochen fühlen und sicherlich über die ein- oder andere Sache schmunzeln oder mit dem Kopf schütteln. Für mich jedenfalls war das erste Werk von Claudia Kabel alles andere als verschwendete Lebenszeit und hoffe daher abschließend, dass es künftigen Lesern ebenfalls so ergeht. Meine Wertung: 4 von 5 Sternen.

Informationen zur Autorin und zum Buch:

Claudia Kabel, Jahrgang 1971, studierte in Darmstadt und Mainz Sprachwissenschaft, Pädagogik, Psychologie und Journalistik und arbeitet seit 2001 für Zeitungen, Agenturen und Magazine. Seit ihrer Jugend interessiert sie sich für Grenzwissenschaften und mystische Themen. Sie ist Redakteurin der Frankfurter Rundschau und berichtet über lokale Themen aus Darmstadt und dem Rhein-Main-Gebiet. Sie lebt und arbeitet in Ober-Ramstadt.

„Gestrandete der Nacht“ ist im März 2018 beim Mainbook Verlag erschienen, umfasst 310 Seiten und ist bei den einschlägigen Anbietern für rund 12€ zu haben. Der Verlag selbst verschickt das Buch übrigens Versandkostenfrei!

Trivia von Autorin Claudia Kabel: „Warum Dilshofen? Leonie muss mit ihren Eltern von Frankfurt auf ein Dörfchen am Rande des Odenwalds ziehen. Für einen Goth wie sie ist das natürlich eine Katastrophe. […] Mich als Autorin hat der kleine Ort mitten in den Feldern zwischen Reinheim und Ober-Ramstadt schon immer fasziniert. Im Sommer ist es heiß und staubig, die Häuser sind alt und die Zeit scheint stehen geblieben zu sein, wäre da nicht die Bahnlinie…“
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Sylvia_Plath
Sylvia_Plath (@guest_57469)
Vor 5 Jahre

Ich fand deine Rezension sehr ansprechend, SvarturNott. So ansprechend, dass ich mir u.a. „Gestrandete der Nacht“ zusammen mit einem anderem Buch gleich auf der Verlagshomepage bestellt habe. :-)
Ich finde, der Zusammenhang zwischen dem Cover und echtem Vampirismus + SVV kann man schon leicht erahnen.
Hätte ich nur Klischees über die Gothic Szene im Kopf, von wegen Vampirismus, depressiv , SVV, wohlmöglich noch „Blut trinken“ etc etc , dann würde ich als unbedarfter Bürger zumindest meine Klischeevorstellungen von der Schwarzen Szene bestätigt sehen. Da ist das Cover nicht besonders einfallsreich, leider.
Aber ich lasse mich gerne vom Inhalt überraschen. :-)

Svartur Nott
Svartur Nott (@guest_57472)
Vor 5 Jahre

Hallo Sylvia, gern geschehen. Das Cover hat auch mich ersteinmal kurz innehalten lassen (was ich mir dachte, steht ja oben im Text), aber wenn man das Buch liest, passt es imnerhin einigermaßen. Soll halt, denke ich, in erster Linie Blickfang sein..

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