Ich seufze. Mehrfach. „Die Nina ist nämlich heute als Punkerin verkleidet […] und wie ihr seht, ich sehe schrecklich aus…“ Die beiden Augsburgerinnen Nina und Bianca sind engagierte Videomacherinnen, die sich in ihrem Kanal Signal redlich Mühe geben, „innovativ-schräge Videos zu gesellschaftsrelevanten Themen“ zu produzieren. Eine ehrenhafte Absicht und grundsätzliche eine tolle Idee, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, wenn einem die übrige Berichterstattung unzureichend erscheint. Unbeschwert und mutig trauen sich die beiden Mädels daran, ihre Stadt Augsburg und alle möglichen darin befindlichen Unternehmen, Organisationen und kulturellen Einrichtungen vorzustellen. Soweit so gut.
Ehegrufti Orphi Eulenforst hat mir das Video in die Nachrichtenbox gelegt, ohne zu ahnen, in welche Lage sie mich bringt. Ich muss schon wieder seufzen. Ich versuche es, diplomatisch zu lösen.
Es gibt natürlich in so einem Kanal auch Ausrutscher, wie beispielsweise ein Ausflug in die schwarze Szene. Da werfen sich die beiden in schwarze Schale und halten ein paar bereitwilligen Szenegängern in der Rockfabrik Augsburg ihr Mikrofon unter die Nase. Wohlweislich haben sich offenbar einige Interviewpartner verpixeln lassen. Nicht aus der Angst vor Vorurteilen, wie Nina und Bianca vermuten, sondern wahrscheinlich vielmehr wegen der Sorge, wie man nachher dargestellt wird. Nein, über meine schwarzen Lippen kommt jetzt keine vernichtende Kritik. Schließlich möchte man diese jungen Triebe der kreativen Energie nicht im Keim ersticken.
https://youtu.be/1PQFOwj1qxQ
Es ist ja auch toll, wenn man Augsburg auf der Suche nach interessantem und „gesellschaftsrelevantem“ durchstöbert und Dinge wie Nachsorgezentren, Textilmuseen oder Hilfevereine vorstellt. Allerdings sollte man dann die Finger von Szenen lassen, denn die haben in diesem Zusammenhang keinerlei gesellschaftliche Relevanz, sondern sind Schutzräume für Menschen und sind stark von persönlichen Vorlieben und dem Ausleben individueller Lebensgefühle geprägt. Da kann so eine „Verkleidungsaktion“ und ein peinlich-berührter Ausflug in das Augsburger Nachtleben nur in die Hose gehen. Er klärt nicht auf, belehrt nicht über Offenheit und Toleranz und räumt auch nicht mit Vorurteilen auf. Bitte nicht mehr machen.
Stellt bitte weiter Schülertreffs vor, berichtet über #FridaysforFuture und die Pläne über das Augsburg 2040. Da macht ihr Eure Sache wirklich gut. Ein paar bessere Thumbnails für Eure Videos wären schön, aber das nur am Rande.
Ich muss schon wieder seufzen. Liebe Gruftis. Euer Grundgedanke, nichts vor der Kamera zu sagen, ist gut. Ich glaube, wir müssen uns nicht für das x-te Format, das über die schwarze Szene berichten will, definieren. Das kann nur schiefgehen, schließlich ist die Szene ein lebendiger Organismus, der sich stets neu erfindet. Da weiß doch keiner von uns so genau, was eigentlich die schwarze Szene ist. Es ist nicht unhöflich, nein zu einen Interview zu sagen.
In Köln wird heute am 08.01.2021, trotz Pandemie das Dreigestirn der Karneval-Session 2021 inthronisiert. Da müsste sich mal einer erlauben zu sagen: „Sie tragen aber schöne Kostüme“ Man würde sofort rausgeschmissen.
Da kann man mal sehen wie tolerant die schwarze Szene ist. Da lässt man alle gewähren und wundert sich hinterher immer was für`n Scheiß dabei raus kommt. Und wenn ich dann Befragte höre die antworten: „das ist unser Hobby, man kann ja nicht den ganzen Tag so rumlaufen“….ohne Worte! Aber komm, man will ja nicht so sein. Das ist halt auf dem Niveau von Schülerfernsehen und gut ist.
So ist es, deswegen kann man hier auch nicht böse sein. Aber ich weiß hald nicht, was die „Reporter“ immer so erwarten, wenn sie sich in die Szene bewegen. Sie sollen es einfach lassen und sich wichtigeren Dinge widmen als uns Clowns. Vielleicht finden wir auch durch weniger erklären und definieren wieder zurück zu eine gesunden Intoleranz und einer erkennbaren Grenze.
Ich sehe sowas inzwischen auch immer mit gemischten Gefühlen. Mein wohlwollender Teil findet es erst einmal sympathisch, dass die beiden Mädels da augenscheinlich aufrichtiges Interesse zeigen und nicht einfach nur die Szene lächerlich machen wollen. Und vielleicht sprechen sie mit ihrem Programm ja sogar ein paar junge Menschen an, die bisher noch nicht ihren Platz gefunden haben und mit ihren Eigenschaften eigentlich gut in der Szene aufgehoben wären. Ich bin ja auch dagegen die Türen gänzlich zu schließen und sich in der Hoffnung einzuigeln, dass die Szene damit trotzdem irgendwie überleben wird. Meine weniger wohlwollende Seite hört dann aber auch wieder diese Kommentare heraus, wie die von Hagen zitierten und denkt sich: „Ja, ganz toll. Vermittelt ruhig noch mehr Leuten den Eindruck wir würden hier einfach nur nonstop Halloween feiern wollen, damit noch mehr Verkleidungskünstler und Störenfriede in unsere Nischen strömen.“ Von daher muss man diesen Versuch vielleicht wirklich wohlwollend als unnötiges Projekt zweier junger Menschen abheften und ihnen nahe legen sich künftig wieder mit wichtigeren gesellschaftlichen Themen zu befassen.
Ich finde angesichts der Vorfälle in Washington diese Woche gibt es derzeit wirklich wichtigeres zum drüber aufregen als anfängerhafte Beleuchtungen der „Szene“.
Das mag sein, Yorick. Darüber – und über meine politische Haltung – diskutiere ich auch auf vielen anderen Kanälen. Ich habe mich auch über die anfängerhafte Beleuchtung, die ich nie so genannt habe, gar nicht aufgeregt, sondern den beiden mutigen Mädels versucht, auf ihrem „richtigen“ Weg beizustehen.
Spontis ist kein politischer Blog, der solche schlimmen Vorfälle wie in Washington aufgreift, ich begreife Spontis als Refugium vor genau dieser kaputten und kranken Welt. Wenn es Dir ein Bedürfnis ist, mit mir über den Sturm auf das Capitol zu sprechen, lade ich Dich auf Facebook ein, da habe ich einen Beitrag verfasst. Gerne auch per Mail, um es intimer zu halten.
Nur am Rande: Aufregen halte ich auch nur bedingt für nützlich, handeln, dass hier in Deutschland so etwas nicht mehr passiert finde ich sinnvoller. An der Wahlurne und in den Köpfen derer, die noch reden wollen.
Irgendwie dachte ich mir zuerst „zupfla blede“.
Dann fiehl mir auf, dass sie Schwarzen im mittleren Alter noch die schöne Augsburger Klangfarbe der Sprache hatten….natürlich kann ich auch Hochdeutsch aber Dialekt ist Heimat.
Und überhaupt als „Punker“ verkleidet…verkleidet..🙄.
Wenn ich groß bin, werde ich auch ein echter schwarzer Szeneanhänger. ;) Ich zieh mir einfach an was mir gefällt. Mir gefällt auch nicht jeder der auf der Straße rumläuft. Spießige Eltern/Menschen, die meinen Menschen im öffentlichen Dienst bzw ihr Privatleben kritisch beäugen zu müssen bzw Bedenken davor das sies tun…. schöne Aussagen, an denen es nichts zu kritisieren gibt. Eigentlich müsste man den Spieß mal umdrehen… warum laufen in bestimmten Tanzlokalen fast nur Kinder herum, während die Generation 30+ fast überhaupt nicht mehr ausgeht ins Tanzlokal? Warum wird nicht mehr Wert auf Äußeres und Tanzstyle gelegt? Warum geht man nicht respektvoller mit einem Besuch in einer Szenedisco um? Als Punker verkleidet… schrecklich die Kleidung?! Hier laufen Gestalten rum??! Wie spießig und doof ist das denn? Und die Moral von der Geschicht… schön daß man in Augsburg auch ausgehen könnte, ohne einen großen Unterschied an der Augsburger Gruftdisco zu bemerken. Das fasziniert mich immer am Meisten. Ich dachte in Augsburg hätten die alle so Angelschnur Fäden von oben. ;)
Ich frage mich dabei ja wieder einmal, ob die sich dann auch wahllos beispielsweise irgendwelche Accessoires verschiedener Völker der Welt anziehen, zum nächsten Flüchtlingsheim gehen und dort dann Fragen stellen, die zeigen, dass man sich überhaupt nicht mit der jeweiligen Kultur befasst hat („Bewerft ihr euch immer noch mit Speeren?“). Sicher, Fragen stellen ist erst einmal nichts Falsches, aber warum muss man sich dann auch noch „verkleiden“, wenn man ganz offensichtlich keine Ahnung hat, nicht dazu gehört und es auch nicht will?
Da kannst du sehen, wie man uns mittlerweile sieht: Als schwarzer Karneval. So wird es ja schon seit Jahren auch nach außen getragen. Und in diesem Alter bekommst du die Szene eben durch Instagram mit und da ist es nun mal ein Verkleidungswettbewerb, der keinerlei Inhalte transportiert. Wem will man da böse sein?
Mal abgesehen von dem, was hier schon erwähnt wurde, finde ich den Beitrag einfach sehr stumpf. Wenn ich versuche, mich beim Ansehen dieses Videos in einen Stino hinein zu versetzen, würde ich dabei nicht viel erfahren. Höchstens, dass Grufties mit Vorurteilen zu kämpfen haben. Ich finde, dass man viel mehr aus dem Beitrag hätte rausholen können. Aber das sind wir ja schon von anderen Formaten gewohnt, leider.