Gothic Friday November: Misanthropische Tendenzen (Tanzfledermaus)

Für Tanzfledermaus steht dieser Gothic Friday im Zeichen der Misanthropie, über die Schopenhauer schon so treffend schrieb: „So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab.“ Lest, welche Fehler Sie verabscheut und ihr Misstrauen stetig wachsen lassen.

Mein Menschenbild war eigentlich noch nie das allerbeste, aber aktuell befinde ich mich wohl in einer sehr misanthropischen Phase, ausgelöst durch ein paar sehr unschöne Erfahrungen im – vermeintlichen Freundeskreis. Begannen meine schlechten Erfahrungen in der Kindheit (von den Mitschülern in der Grundschule gedisst, in der Mittelstufe ignoriert, in der Oberstufe zwar akzeptiert, aber doch nur mit wenig engeren Kontakten), so kamen in den späteren Jahren immer wieder zum Teil schwere Enttäuschungen und Verletzungen hinzu. Inzwischen zähle ich nur noch sehr wenig Menschen aus meinem Umfeld als Freunde oder generell vertrauenswürdig. Ich habe auch nur noch wenig Lust, neue Menschen kennen zu lernen. Und auch langjährige Freunde und Bekannte entpuppten sich oft als falsch und respektlos.

Allgemein empfinde ich Menschen – bis auf wenige Ausnahmen – als egoistisch, rücksichtslos, gedankenlos, oberflächlich. Ich will mich nicht von Fehlern oder Macken freisprechen, auch schaffe ich es nicht immer, mich so zu verhalten, wie ich es gerne würde. Dennoch versuche ich mein Umfeld im Großen und Ganzen so zu behandeln, wie ich selbst gerne behandelt werden würde. Andererseits habe ich die Nase voll von der Ellenbogengesellschaft und alltägliche erlebten Rücksichtslosigkeit und mache da auch durchaus mal den Mund auf.

Soll heißen, ich spreche rücksichtslose Menschen auf Ihr Verhalten an. Egal, wie freundlich man dabei ist, meist ist die Reaktion darauf Beleidigung. Doch wenn niemand etwas sagt, ändert sich auch nichts, und wenn letztlich ein Gedankenanstoß erfolgt, ist es das wert. Darüber hinaus engagiere ich mich nicht weiter, zumindest besuche ich keine Demos, weil ich nicht das Gefühl habe, das das überhaupt etwas nützt bzw. von der Politik wahrgenommen wird.

tanzfledermaus-gesellschaftskritik-zerbrochenes-glasUnd die Schwarze Szene?

Die Schwarze Szene empfinde ich mittlerweile als genauso durchwachsen wie die übrige Menschheit. Zwar halten sich hier viele für etwas Besseres, aber auch hier finden sich viele Egomanen, Heuchler, Rücksichtslose. Die Schnittmenge, die ich mal empfand, ist sehr klein geworden. Ich fühle mich immer noch wie damals, als ich in die Szene kam und liebe nach wie vor die Musik und den Look, aber ich finde keine emotionale und kulturelle “Heimat” mehr in den Menschen. Meine schwarze Kleidung war auch nie bewusster Ausdruck von Rebellion oder Provokation, sondern entsprach einfach meinem Sinn für Ästhetik. Vielleicht ist es ja ein unbewusster Protest-Look, da man ja irgendwie doch sein Inneres zum Ausdruck bringt, wie man sich kleidet und gibt… Auffallen wollte ich jedenfalls nie.

Typisch für die Szene?

tanzfledermaus-gesellschaftskritik-schriftzugIch denke nicht, dass meine Ansichten szenespezifisch sind, dazu kenne ich zu viele “normale” Leute, die ähnlich empfinden. Die die zunehmende Kälte, Rücksichtslosigkeit, Verrohung und Oberflächlichkeit der Menschen beklagen. Wir werden immer mehr zu Einzelkämpfern. Das zeigt sich ja auch schon in den vielen Single-Haushalten, Kurzzeit-Beziehung oder den vielen zerbrochenen Familien. Probleme werden nicht mehr angegangen und Lösungen gesucht, sondern der andere Mensch einfach fallen gelassen, ausgetauscht oder der soziale Rückzug angetreten. Alles wechselt schnell, Trends, Moden, Ansichten… Neben der finanziellen Unsicherheit durch unsichere Jobs und miese Bezahlung sorgen instabile Freund- und Partnerschaften dafür, dass man nicht mehr “ankommt”, Sicherheit empfindet. Freundschaften werden zum Teil immer oberflächlicher – sei es durch den Ersatz-Kontakt über Facebook etc. oder durch immer selteneren realen Kontakt. Wer verabredet sich denn heute noch richtig?

Selbst wer in derselben Stadt wohnt, ist oft viel zu beschäftigt für soziale Kontakte. Smartphones und soziale Netzwerke gaukeln einem vieles vor. Aber reale Gespräche, ob Telefonate oder Treffen, können sie nicht ersetzen und man entfremdet sich… Beziehungen und Freundschaften werden manchmal per SMS beendet oder einer der beiden taucht einfach ab, ohne ein klärendes Gespräch oder dem anderen die Möglichkeit zu geben, an der Situation etwas zu ändern. Und wer dann versucht, sich um den Erhalt soziale Kontakte oder die Klärung von Problemen zu kümmern, wird als lästig empfunden… Alles nicht schön, aber vermutlich wird es sich auch nicht ändern. Da hilft nur, sich ein dickes Fell oder einen inneren Panzer zuzulegen. Da ich ein sensibler, emotionaler Mensch bin, trifft mich das alles vermutlich stärker als andere. Welchen Weg ich zukünftig gehe, weiß ich noch nicht.

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Heiko
Heiko (@guest_52973)
Vor 7 Jahre

Hm. Ein sehr interessanter Artikel, das meiste, was du ansprichst, kann ich einfach nur so unterschreiben. Wobei ich es in der Schule ähnlich hatte wie du, nur dass ich jetzt nicht wüsste, in einer Klassenstufe je wirklich gedisst worden zu sein. Ab und an mal gehänselt ja, aber wirklich übles gabs da nie. Das hat ein Trio halbstarker Gymnasiasten im Schulbus übernommen, über Jahre hinweg(Mobbing). Und dann noch das ständige Gedisse durch den Stiefvater noch dazu. Sowas hat einem schon in jungen Jahren ein eher schlechtes Menschenbild verpasst und dafür gesorgt, dass ich mich andren gegenüber oftmals nur langsam, nur ein Stück weit oder eben gar nicht öffne. Dass das Probleme bringt ist klar, merke ich jetzt zur Zeit wieder stärker.
Und wenn man eben eher emotional veranlagt ist, sich vieles zu Herzen nimmt, was entweder nicht so schlimm ist(eigentlich), oder einen nicht mal betrifft… Tja, dann muss man sich wirklich ein dickes Fell zulegen. Könnte ich echt gut gebrauchen.

Zu Demos: zu deinen Gedanken dazu möchte ich noch etwas anderes einwerfen. Ich habe oftmals den Eindruck, dass viele Demos nur GEGEN etwas sind und eher weniger alternative Lösungen anbieten.

Knochen
Knochen (@guest_52974)
Vor 7 Jahre

Ich muss hier leider auch sagen dass, mir sehr vieles aus denn Beitrag nur zu gut bekannt ist. Einen Gesellschaftlichen Ausschluss, oder auch einfach nur Mobbing habe ich schon früh in der Grundschule erfahren müssen. Bin zwar nie direkt Opfer von Mobbing geworden, aber bedingt dadurch dass ich immer mit denn “Außenseitern“ befreundet wahr, habe ich dann doch viel mit ab bekommen. Gerade als emotionaler Mensch hat man es erst recht schwer mit der Ellenbogen Gesellschaft zurecht zu kommen. Und wie Tanzfledermaus geschrieben hat, Probleme werden immer weniger gelöst, lieber geht man diesen einfach aus denn Weg weils oftmals leichter erscheint. Daher gehts mir eigentlich auch so, dass man die Lust verliert neue Bekannschaften zu machen, lieber bei denn bleibt was man hat. Man bleibt einfach lieber mehr unter sich.
Die wenigen Freundschaften die Ich habe, pflege Ich auch lieber mit persöhnlichen Kontakten, von Facebook und Co. halte ich gar nicht’s, weil wie schon gesagt der nahe Bezug irgendwan flöten geht. Wenn schon Fernfreundschaften dann lieber Telefonate, oder gemeinsame Treffen und die müssen nicht immer was super tolles sein es recht auch einfach mal gemeinsam auf denn Sofa zu gammeln, und Pizza zu essen.

Verrückte Wölfin
Verrückte Wölfin (@guest_52975)
Vor 7 Jahre

Wow das könnte von mir geschrieben sein. Mir gehts genauso und darum ist mein handy nur ein Telefon und ab und zu sms falls Mensch sich wo nicht findet.Ich lese in der Bahn lieber ein Buch als irgendwo im Internet unterwegs zu sein. Mein PC ja ich hab noch den großen ollen Kasten,ist meistens nur Abends an. Die Welt da draußen ist mir ein Graus mit dem Großteil der Menschen. Die Welt ist laut,stinkig und hektisch. Doch ich lasse es mir nicht nehmen freundlich zu sein und bekomme Freundlichkeit oder Erstaunen zurück ;) Aber von Freunden enttäuscht werden habe ich auch gerade durch. Doch wo zwei gehen kommt ein neuer Mensch der länger bleibt. Aber wie heißt es doch: Seit ich den Menschen kenne liebe ich das Tier. Auf jeden Fall ein Super Beitrag :D

Svartur Nott
Svartur Nott (@guest_52983)
Vor 7 Jahre

…Größtenteils auch auf meiner Seite.

Soll heißen, ich spreche rücksichtslose Menschen auf Ihr Verhalten an. Egal, wie freundlich man dabei ist, meist ist die Reaktion darauf Beleidigung.

Aus diesem Grund habe ich wohl bei diesen Menschen größtenteils resigniert. Das meinte ich auch in meinem Beitrag, wo ich sinngemäß schrieb, dass ich nur da in Gespräche kommen würde, wo es sich lohnte.

Doch wenn niemand etwas sagt, ändert sich auch nichts, und wenn letztlich ein Gedankenanstoß erfolgt, ist es das wert.

Das ist dann natürlich die andere Seite, die in mir zerrt während ich schweigem und mir sagt, ich solle trotzdem mein Mundwerk aufmachen.
Meine Erfahrung mit der rabiaten Art uneinsichtiger Menschen ist, dass man ihnen selbst mir Argumenten nicht beikommen kann. Und das ist es unter anderem, was mich so massiv aufregt: Diese Ignoranz.

Die Schwarze Szene empfinde ich mittlerweile als genauso durchwachsen wie die übrige Menschheit. Zwar halten sich hier viele für etwas Besseres, aber auch hier finden sich viele Egomanen, Heuchler, Rücksichtslose. Die Schnittmenge, die ich mal empfand, ist sehr klein geworden. Ich fühle mich immer noch wie damals, als ich in die Szene kam und liebe nach wie vor die Musik und den Look, aber ich finde keine emotionale und kulturelle “Heimat” mehr in den Menschen.

Da frage ich doch einfach mal nach: Wie waren die Menschen zu deiner Anfangszeit denn drauf, was verband sie neben Musik und Optik? Auf welcher Grundlage beruhte das „Heimatgefühl“? Gab es vielleicht mehr Gemeinsamkeiten aufgrund der Tatsache, dass es damals alles nicht so verschwommen, uneindeutig und überlaufen war?

Svartur Nott
Svartur Nott (@guest_52990)
Vor 7 Jahre

Werte Tanfledermaus, vorweg: Ich kann deine Verbitterung gut nachvollziehen, habe selbst Ähnliches erlebt, gerade was die Einseitigkeit vermeintlicher Freundschaften angeht, und radikal meine Konsequenzen gezogen. Ich wünsche dir sehr, dass du wieder Hoffnung und Menschen findest, welche dein Vertrauen verdient haben und dich schätzen.

Ich habe beim Lesen deiner Worte zudem festgestellt, dass es eigentlich heute in meiner Ecke (Tübingen) nicht viel anders ist, als du es damals im Berliner Raum erlebt hast.

Es gibt zwar nur Wenige, mit denen ich aufgrund gemeinsamer Merkmale und Interessen verbunden bin, aber das grobe Miteinander der hiesigen Schwarzen auf entsprechenden Treffen ist hier (mit Ausnahme der üblichen Querelen) eigentlich ganz entspannt und nicht unfreundlich, was wiederum für allgemein für eine Art „Heimatgefühl“ sorgt. Vermutlich liegt das in der relativ geringen Anzahl an Individuen begründet, wo irgendwann jeder jeden irgendwo mal gesehen hat…

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