Musikalischer Briefkasten #11: Gunther mit einer Buddel Bier am Synthie?

Consummatum est, endlich! Spontis Musikbriefkasten-Räumaktion Nummer 11 ist nach einer gefühlten Ewigkeit abgeschlossen und liegt nun zur Begutachtung durch euch vor.

In diesem Zuge entschuldige ich mich bei all jenen, welche auf die Veröffentlichung des Beitrags gewartet haben und hoffe zugleich, dass für euch, werte Lesende, das ein- oder andere Interesse an den vorgestellten Künstlern zu wecken. Auch trotz Corona passiert nach wie vor Einiges im weiten Feld der Musik, also auf ins Getümmel mit…

Kapitel I – Frisches vom Künstler (oder: Der Label-Kram kommt erst danach)

In dem langen Zeitraum seit dem letzten Beitrag bekam Spontis Musikbriefkasten mehrere Einsendungen, welche in diesem Abschnitt vorgestellt werden.

Zuoberst lag das derzeit im Entstehen begriffene Drei-Mann-Projekt Ethnic Dance, zu dem es bisher noch keine weiteren, fixen Informationen gibt. Was allerdings vorliegt, ist deren erste Demo-Aufnahme gleichen Titels, ein reduziert elektronisch gehaltenes Stück. Übriges ist dies unsere erste Exklusiv-Veröffentlichung, wenn die Band irgendwann ganze Stadien füllt, dann dürft gerne einen Spontis-Wimpel schwenken.

Als Nächstes hätten wir durch einen Tip das Leipziger Trio Lizard Pool, welches sich selbst in der „Dark Indie(-Rock)“-Ecke verortet und damit eigentlich sein Spielfeld recht gut wiedergibt.

Im Jahr 2012 reformiert und seitdem nicht untätig (u.a. mit Phillip Boa, Wisborg, The Exploding Boy, Pink Turns Blue, She Past Away und den Fliehenden Stürmen auf der Bühne), kam die Gruppe auf Spontis zu, um einfach mal auf ihr aktuelles Werk hinzuweisen. Sparks besticht mit abwechslungsreichen Gitarren- und Bassklängen, dezentem Elektronik-Einsatz und reflektierenden Texten über das Leben und die Liebe:

Stell dir einen Tag im Spätsommer vor. Die ersten Spuren des Verfalls sind in die Natur geschrieben. Du liegst unter einem Baum, beobachtest Wolken, denkst und träumst.

Bin ich? Und wenn ja, wer? Woher komme ich und wohin führt mich mein Weg? Wo gehöre ich hin? Was macht mich glücklich oder hindert mich daran, es zu sein? Das sind Fragen, die uns nachts wach halten können. Lizard Pool nimmt sie auf – eine nach der anderen – und nimmt uns mit auf eine Reise, die an Traurigkeit und Freude, Stärken und Zerbrechlichkeit, Abgründen und Höhen vorbeiführt.

Während ich mich durch das Album höre und ein wenig im Netz stöbere, fällt mir folgende Aussage vor die Füße: „Dunkler angewavter Indierock im Jahr 2020. Ist das jetzt naiv oder schon wieder trendsetzend?“ fragt die Band mit einem Augenzwinkern auf ihrer Facebook-Seite. Eine gute Frage, deren Antwort Spontis gerne euch, werte Lesende, überlassen möchte.

Anspieltipps: Drifting Far Away, Even Better Living, The Death Of A Soul-Plumber, oder:

Dark – Forever Suffer

Ein drittes Projekt mit dem schlichten Namen Dark hat Spontis vor kurzem angeschrieben und auf seine aktuelle Single Forever Suffer hingewiesen. Dieses elektronische-dunkelwavig inspirierte Stück, sowie In The Dark You Die und Avoid Everyone sollen wohl Vorboten des kommenden Albums sein. Nähere Informationen sind allerdings eher spärlich gesät (auch auf Nachfrage kam nicht viel zum Vorschein), daher sei der Dinge geharrt, die da folgen mögen…

Kapitel II – Was gibt’s Neues von den Labels?

In der etwas länger gewordenen Zwischenzeit ist wieder ein Haufen Hinweise auf Veröffentlichungen eingetrudelt, bei denen der Robert evtl. mal shoppen war. Unfairerweise seien hier nur subjektiv relevante Einsendungen nach und nach aufgeführt und angeschnitten…

OXZ – Along Ago: 1981-1989

Wo wir im vergangenen Beitrag in der Wiederveröffentlichungs-Grabbelkiste gewühlt haben, warum nicht auch mal einen Blick nach Osten wenden? Dort hat die ehemalige Post Punk/Goth-All-Girl-Band OXZ (sprich „Ox-zed“) aus Japan eine Werkschau ihrer 8-jährigen Schaffenszeit auf Bandcamp veröffentlicht.

Auf Along Ago tummeln sich einerseits wilde und lärmige, jedoch auch ruhigere, fast poppige Stücke – ein manchmal etwas chaotisch anmutendes Repertoire und sicherlich nicht für jedes Ohr eingängig. Aber war das der Ansatz der drei Damen? Vermutlich eher nicht. Inspiriert von der britischen New Wave wollten die drei es einfach mal anders machen sich von den Fesseln der Traditionen samt Rollenbilder lösen. Was sicherlich alles andere als einfach im teils stockkonservativen Japan war (und wahrscheinlich immer noch ist).

Wer ein wenig neugierig geworden ist, mag auch hier gerne mal reinhören. Das Titelbild dieses Beitrags zeigt Euch die japanischen Damen von der Insel. Euer Schaden wird es nicht sein. Wer mehr über die Band erfahren möchte, wird hier und hier fündig.

Anspieltips: Touching My Heart, Bleed Love oder …

Gunther Wüsthoff – Total Digital

Als Nächstes auf der Liste hätten wir eine Solo-Veröffentlichung eines Herrn Günther Wüsthoff, seines Zeichens Mitbegründer und Elektronik-Mensch der Krautrock-Gruppe „Faust“.

Tatsächlich klingelt da bei mir was im Oberstübchen. Waren „Krautrocker“ (entgegen der aus meiner Sicht bescheuerten Bezeichnung) nicht so Soundschrauber in den 70s, welche keinen Bock mehr auf klassische Rockmusik hatten und Synthies für sich entdeckten und damit so gesehen Vorläufer der New Wave waren?

Genau so klingt jedenfalls das einzige zugängliche Stück der Veröffentlichung Total Digital: Als hätte jemand mit ner Buddel Bier am Synthie gestanden und ein bisschen an den Knöpfen gedreht. Experimentelle, minimale Elektronik – Für meine Ohren hier extrem unspektakulär, aber hey, vielleicht reißt euch TransNeptun Anflug ja vom Hocker.

VA – Sowas Von Egal 2

Sowas von Egal.2
Sowas von Egal.2 – German Synth Wave Underground 1981-1984 | (c) Bureau B

Bleiben wir bei minimalen Arrangements: Das Label „Bureau B“ hat sich nach dem Erfolg der ersten „Sowas Von Egal“-Kompilation nun an den zweiten Streich gewagt. Diesmal haben sich die Spezialisten der Hamburger „Damaged Goods“-Partyreihe an „rare, obscure synth & wave discs from the early 1980s“ herangewagt, vor allem solche, welche ausschließlich in den frühen 80s aktiv waren.

Aus der bekannteren Riege mit dabei sind Mittageisen aus der Schweiz, Kleenex Aktiv aus Österreich oder Silberstreif, letztere auch auf der „Sowas Von Egal 1“ vertreten, und Conrad Schnitzler, evtl. bekannter durch Tangerine Dream. Möglicherweise seid ihr aber auch schon zum Klassiker unter den Stücken über die Tanzfläche gelaufen: Der böse Osten von Die Synthetische Republik.

Kurz gesagt erwartet euch hier letztlich so einige Underground-NDW-Perlen, mal mehr, mal weniger eingängig. Auf YouTube gibt’s mittlerweile einen Großteil der Stücke, hört euch auch hier gerne mal hinein.

VA – Another Cold World 3

Cover
Another Cold World 3 | (c) Cold Beats Records

Die Spanier von Cold Beat Records haben Spontis zum ersten Mal angeschrieben und auf die dritte Ausgabe ihrer „Another World“-Reihe hingewiesen. Auf der VA – Another Cold World 3 finden sich überwiegend elektronische und synth-wavige Stücke neuer Machart mit Schwerpunkt auf den frankophonen Raum. Ein paar Interpreten könnte man bereits kennen, andere sind für zumindest meine Ohren Neuland, also Kopfhörer auf und los gehts…

[deutsch synchronisiertes Französisch #Spongebob#:] Swei Schdundänn schbätärr…

Nach aufmerksamem Durchhören wären Tipps meinerseits für euch daher Factice Factory – Dey Fading, Cinématique InverseNe Plus Jamais Respirer, oder auch Closed Mouth – Looking Real.

Alles in Allem liegt auch hier eine durchaus interessante Kompilation vor, auch wenn ich den Eindruck habe, dass die Künstler dort irgendwie genauso klingen, wie hier… Oder habe ich zuviele Radler assimiliert? Egal, der Blick in den Süden auf die dort trotz der Pandemie aktiven Künstler hat sich zumindest für mich gelohnt. Es ist doch immer nett zu wissen, was die geistige Verwandtschaft im Ausland so treibt…

Gwendoline – Après C’est Gobelet!

Als nette Ergänzung zu den Spaniern schleicht sich dann Dead Wax Records ins Bild und will uns die französische Cold Wave-Duo Gwendoline um Micka und Pierre mit ihrem bereits 2017 erschienen und nun auf Vinyl gepressten Debüt-Album Après C’est Gobelet! an Herz legen.

Tatsächlich ist dies keine schlechte Idee, denn das Album fließt förmlich wie die Loire durch meine Gehörgänge und hinterlässt bei diesem schönen Zusammenspiel von weicher Elektronik, Wave-Gitarre(n) und Gesang ein heimeliges Gefühl von Zuhause sein.

Abgesehen vom Track Voldebiere s.u. ist mir noch Audi RRT hängen geblieben. Ich habe keine Ahnung, worum es geht, aber irgendwie ist das im Kontrast zum Video etwas flottere Stück irgendwie catchy.

Kapitel III – Zu guter Letzt…

Tja, eigentlich hätte ich hier jetzt aufgeführt, was sonst noch so via Eulen-Mail reinflatterte. Aber nur für die paar Fehlsendungen einen Heuler schicken? Nee, da schiebe ich doch lieber noch drei Hinweise hinterher und überlasse euch dann eurem Schicksal..

The Danse Society – Heaven Is Waiting (Remastered & Digital)

Beginnen wir mit The Danse Society. Diese einzigartige Band aus Barnsley (zwischen Lees und Sheffield) formierte sich Anfang der 80er und erspielte sich mit ihren vor Desillusion, Melancholie und Sehnsucht triefenden und klagenden Texte rasch einen gewissen Bekanntheitsgrad im britischen Post Punk-Universum. Nicht zuletzt der charismatische und als Frauenschwarm geltende Frontmann und Sänger, Steve Rawlings, wurde zum Aushängeschild der Gruppe, welche als populäre Blaupause für die Kombination von Wave-Gitarren und Elektronik gelten kann.

Nach einigem Erfolg im Independent-Bereich inklusive UK-Chartplatzierungen gingen The Danse Society – wie auch andere Bands ihres Schlages – Mitte der Achtziger mit einem folgenschweren Label-Wechsel den Weg in die Popmusik, nur, um kurze Zeit später in der Versenkung zu verschwinden.

Die Reinkarnation der Danse Society (ohne Steve Rawlings) konnte ab Beginn der 2010er nicht wieder an frühere Erfolge anknüpfen und versank zudem ab 2014 in einen Rechstreit zweier ursprünglicher Bandgründer um den Bandnamen, welcher erst Ende 2016 geklärt wurde.

Auf Bandcamp hat die aktuelle Formation unter dem alten Bandnamen neben den frühen Veröffentlichungen ihr erstes „großes“ Album Heaven Is Waiting remastetered und hochgeladen. Dort finden sich kleine Perlen wie der Opener Come Inside, aber auch Wake Up, The Hurt, Valiant To Vile oder Angel, sowie natürlich auch der Titel-Track und das intensive End-Stück The Seduction.

Wer auf Gitarrenwave steht und diese Gruppe bisher noch nicht kannte, sollte zumindest mal hineingehört haben bzw. dieses Album gleich am Stück durchhören. Nicht nur für mich ist diese mit ihrem Klang und der Atmosphäre eine Quelle der Kraft und Inspiration gewesen, auch einige „frische“ Gruppen der letzten Jahre scheinen mehr als nur nebenbei was von der Danse Society aufgeschnappt zu haben…

Marta Raya – Reflections

…womit ich direkt überleite zu Marta Raya. Manchem vielleicht als Sängerin der ehemaligen deutsch-polnischen Deathrock-Gruppe Tanzkommando Untergang (was für ein klasse Name) oder dem Projekt Monowelt bekannt, betrat Marta vor wenigen Jahren synthetisch-elektronische Solopfade.

Eigentlich wollte ich Marta schon Anfang des Jahres reinschmuggeln, aber nun ja, Verplantheit siegt.

Nun ja, wie auch auf dem Vorgänger-Album „Hidden Emotions“ aus dem Jahr 2018 bekommen wir auf dem Ende 2019 Jahres erschienen Longplayer „Reflections „astreinen elektronischen Wave auf die Ohren: Eine Mischung aus einerseits melodischen und verspielten, doch auch synthetisch-kantig, ja zuweilen rau anmutenden Klängen. Dazu die kalte, fast ausgebrannt klingende Stimme Martas mit entsprechenden Texten – all dies lässt den Hörer beim Einstieg in Martas Gedanken- und Gefühlswelt etwas niedergeschlagen zurück.

Hat mich auf dem ersten Album der Track Vicious Circle auf die Künstlerin aufmerksam gemacht, konnten mich auf „Reflections“ die Titel Nichts, Der Feind In Dir* oder Laurentiustränen mitnehmen.

* Die ersten 6 Sekunden erinnern schwer an den Beginn von Heaven Is Waiting der Dance Society. Schlicht Zufall bzw. Konvergente Evolution? Oder lief die Platte bei Fr. Raya häufiger?

Aythis – Doppelgänger

Ebenso wie Marta Raya ist mir vor ein paar Monaten ebenfalls die französisch/belgische Künstlerin Carline Van Roos mit ihrem Neoklassik-Projekt Aythis aufgefallen.

Da solcherlei leider heutzutage nicht mehr ganz en vogue zu sein scheint und potentieller Nachwuchs sich meiner Meinung nach noch etwas berappeln darf, hörte ich gespannt rein und war sofort verzaubert von der klaren und sauberen Stimme, umwoben von klassischer Instrumentalistik (gerne etwas bombastischer) und Komposition aus überwiegend elektronischer Klangerzeugung.

Hiermit sei euch die aktuelle (und doch „nur“) Wiederveröffentlichung des Debüts präsentiert, vielleicht gefällt es euch. Wenn ja, dann kann ich euch auch ihre anderen Veröffentlichungen nahelegen. Anspieltips:

Nun ja, eigentlich das ganze Album, aber gut, bleibe ich mal bei Aythis, Silver Rope und zum Abschluss…

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Bastian Rauch
Bastian Rauch (@guest_59415)
Vor 3 Jahre

Gwendoline klingt gut. Als weitere neue VÖ kommt mir auch die Single „Away“ von Chiasm in den Sinn, die von John Fryer produziert wurde und in diesem Kontext empfehlenswert ist.

Robert
Robert(@robert-forst)
Admin
Vor 3 Jahre

Ich bin dann mal so frei und poste Deinen Vorschlag als Video-Einbettung. Das kannst du in Zukunft auch ganz bequem selbst machen, indem du einfach den Link zum Video hier einfügst. Vielen Dank für Deinen Kommentar!

https://www.youtube.com/watch?v=iEOG9k5Hlc4

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