Wann immer die Wissenschaft versucht gesellschaftliche Phänomene zu erklären wird es theoretisch wenn es um Subkulturen und Jugendszenen geht, wird es abstrakt. Es gibt unzählige todbringende Krankheiten, versteckte Winkel unserer Erde und die unendlichen Weiten des Weltraumes, so dass ich mich frage, ob es keine spannenderen Dinge gibt. Das menschliche Gehirn beispielsweise ist immer noch nicht richtig erforscht, aber man versucht trotzdem seine Verhaltensweisen zu erklären, die vielleicht so gar nicht erklärt werden können. Aber gut, hätten sich beispielsweise Otto Lilienthal an Konventionen gehalten würden wir heute vielleicht nicht fliegen können.
Axel Schmidt, Klaus Neumann-Braun und Judith Platz starteten 2004 den 336 Seiten starken Versuch, Die Welt der Gothics zu analysieren und zu erforschen. Dank Googles Buchsuche gibt es nun einige Einblicke in das Werk, die ihr unbedingt sichten solltet, denn von lesen kann in meinem Fall nicht die Rede sein, jedenfalls nicht ohne Fremdwörterlexikon, da bin ich ganz ehrlich. Manchmal vermute ich, die schreibenden verstecken sich hinter Worten deren Bedeutung keine klare Stellungnahme zulässt sondern eher den Versuch eine Situation möglichst sachlich zu umschreiben ohne Stellung zu beziehen. Streng wissenschaftlich also, obwohl es sich ja bei der beschriebenen Subkultur um ein Stellungnahme an sich handelt.
Entwickeln sich Jugendkulturen nicht gerade zu dem Zweck aus dem erklärbaren und gesellschaftlich Anerkannten auszubrechen? Während der Erwachsene Goth versucht eher individuell, nachdenklich und besonders zu sein, geht es dem Jugendlichen doch primär darum auszubrechen um sich so einer Erklärung durch die Erwachsenen zu entziehen. Dabei ist es grundsätzlich egal um welche Art von Subkultur es sich handelt, das bestimmt in erster Linie das freundschaftliche Umfeld.
Obwohl auch ich einen starken Drang habe alles zu erfahren und mich selbst als Informationsjunkie bezeichne, weiß ich doch, dass Dinge nicht erklärt werden können die nicht erklärt werden wollen. Deshalb sollte sich der Interessierte lieber Lektüre besorgen, die kontrovers und polarisierend mit der Thematik umgeht um einen selbst anzuregen nachzudenken und sich seine eigene Meinung zu bilden. Teipels Verschwende deine Jugend ist ein solch dokumentarisch gehaltenes Buch der eher beschreibend als erklärend ist und obwohl nicht direkt die Gothics behandelnd von der Thematik in die selbe Richtung geht. Aber das ist nur eine, meine Meinung.
Was ich haben will das krieg ich nicht, und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht. (Fehlfarben – Paul ist tot)
Also ich muss dir auf jeden Fall zustimmen. Eine Szene, die ständig einem Wandel unterliegt, kann man nicht in Worte fassen. Man kann „Momentaufnahmen“ anfertigen, aber die kann man dann vor allem nicht begründen. Die Soziologie befasst sich meines Wissens schon sehr lang mit dem Phänomen der Gothic-Szene. So stehen auch in der Bochumer Universitätsbibliothek einige Bücher zu dem Thema herum. Letztens waren sie alle ausgeliehen. Sonst hätte ich mir doch gleich mal eines davon angeschaut. Schreibt wohl jemand gerade eine Arbeit drüber.
Wahrscheinlich haben die Autoren wirklich einen zu ernsten, wissenschaftlichen Versuch unternommen, welcher dem Phänomen Gothic nicht gerecht wird.
Aber sind wir ehrlich: So viele gute Bücher aus der Szene ging es nicht. Eben, weil man eine Szene nicht gänzlich beschreiben kann. Man kann nie alle Facetten und Gedankenmuster aufnehmen, sondern verallgemeinert viel zu stark. Soviel von mir für jetzt.
Richtig, denn gute Bücher versuchen nicht Szenen zu erklären sondern einen Einblick in die Beweggründe und Motive zu geben um den interessierten in seiner Meinungsfindung zu unterstützen und mit Vorurteilen aufzuräumen, oder Eltern die Angst vor den Veränderung ihrer Kinder zu nehmen. Ich bin immer auf der Suche nach guten Büchern über die ich hier berichten kann, so habe ich mir neulich erst für 1€ beim großen Versandhaus das Gothic-Lexikon besorgt, leider bestätigen erste Sichtungen des Inhalts fast den Preis. Aber auch nur fast, denn es ist noch nicht einmal einen Euro wert. Dazu aber an dieser Stelle später mehr ;)
Ich bin auf jeden Fall darauf gespannt.
Das Beschreiben der Szene gelingt ja zumindest in den meisten Büchern ganz gut, wenn sie von dieser oberflächlichen Sichtweise ein wenig Abstand nehmen und in das, was wir als Szene bezeichnen, einzutauchen versuchen. Manchmal gelingt es, manchmal nicht ;).
Kling sehr interessant, aber ich hab ja leider kaum Zeit malwas anderes ausser Studienlektüre zu lesen…
Ich denke ein wissenschaftlicher Ansatz diese Subkultur zu ergründen/erklären bietet eigentlich gleichzeitig auch Einblicke in ihre Motive, aber für Laien eben meist nicht verständlich. Ob Vorurteile überhaupt ausgemerzt werden können ist fraglich. Zuerst sollten viele Menschen überhaupt die Bereitschaft entwicklen ihren Horizont zu erweitern. Nur wie soll das gehen?
LG
Ich stimme zu, manchmal ist das schlicht und ergreifend unmöglich. Menschen die ihren Horizont nicht erweitern wollen wird es immer geben. Je individueller der Mensch als solche ist, umso individueller auch die Methoden mit Vorurteilen aufzuräumen. An erster Stelle steht doch die Berührungsangst, in der Stadt an einem Outside Goth vorbeizulaufen trägt nicht unbedingt dazu bei. Viele Menschen brauchen das kalte Wasser, beispielsweise das eigene Kind, das sich für diese Subkultur interessiert, oder ein neuer Arbeitskollege oder der Freund des besten Freundes.
Erst wenn der Mensch so „gezwungen“ wird nachzudenken ist überhaupt eine Horizonterweiterung möglich, der Schritt dann auf „so jemanden“ zuzugehen und nach seinen Motiven oder Idealen zu fragen ist dann noch schwerer.
So wurde ich neulich erst auf einer Geburtstagsparty auf meine schwarzen Rangers angesprochen, jedoch nicht konfrontativ – „Warum trägst du die“, sonder eher subtil – „Ich habe noch nie so glänzende Rangers gesehen“, mit dem Unterton ich weiß was das ist, aber warum hast du das?
Selbstverständlich kam dann auch gleich das Thema in Richtung Rechtsradikalismus, wohin auch sonst.
Aber aufregen darf ich mich nicht, schließlich tue ich das ja auch um zu provozieren und meine gesellschaftliche Unabhängigkeit und meinen Individualismus zu präsentieren. Der ein oder andere der sich dieser Szene zugehörig fühlt sollte sich dann auch an die eigene Nase packen und bereit sein zu erklären warum und wieso er das tut, denn da tun sich viele noch schwer.
Nur sind Motive und Ideale immer etwas sehr persönlich, deswegen wohl Bücher die das Ganze zusammenfasse resp.Gemeinsamkeiten aufzeigen. Was ist schon individuell, engstirnig sein und dazu zu stehen ists doch auch? Ich finde übrigens auch, dass man unabhängig und individuell sein kann, ohne äusserlich aufzufallen. Schlichtweg weil man halt einfach diese Kleidung mag. Die zwei Sachen sollten vor allem im Kopf stattfinden. Ich find kaum was schlimmer, als wenn jemand Sachen anzieht nur um zu provozieren und sie der Person nicht mal gefallen. Gibts ja überall, also nicht nur bei Gothics. Individuell sein heisst für mich zumindest auch, nicht mehr darüber nachzudenken individuell zu sein.
Abgesehen führt das Streben nach Individualität schlussendlich wieder zu einer Gemeinsamkeit.
LG
Dein letzter Satz bringt die Sache ganz herrlich auf den Punkt.
Ich teile deine Meinung das Individualität im Kopf stattfindet, aber der Individualismus ist meiner Meinung nach ein Entwicklung und wird einem irgendwie in die Windel gelegt. Genau das zu tun was einem gefällt und nur das zu tun ist Selbstverwirklichung und Individualismus. Ich habe erst spät angefangen wirklich das zu leben was ich bin, es hatte einige Zeit gedauert zu erkennen wo ich hin will.