Die düstere Adventsgeschichte – Kein Sommermärchen für Mirjam (4/4)

Vierte Kerze, vierter Teil der Adventsgeschichte. Es ist Heiligabend. Heute ist alles zu spät, denn wenn irgendetwas fehlt, schaut man in die Röhre und verbringt ein möglicherweise minimalistisches Fest ohne Thymian auf dem Festgericht, ohne Senf zu den Würstchen, fehlender Spitze auf dem Baum oder auch ohne ein Geschenk für Oma Luise. Auch Mirjam ist ein Minimalist. Außerhalb der üblichen Empfangsbereiche gibt sie sich nur gelegentlich der Informationsflut preis, telefoniert spärlich, schaut nicht fern und schätzt am Internet, dass man mit wenigen Menschen wirklich reden muss. Sie beobachtet lieber den Sonnenaufgang auf ihrer Terrasse oder durch das Fenster ihres Wohnmobils. Wenn Mirjam dann doch mal auf andere Menschen trifft, wie sie häufig mit Siouxsie Sioux verwechselt, denn auch während ihrer Szene-Abstinenz hat sie sich diese „Fledermausflügelabdruck-über-den-Augen-Deko im Gesicht“ erhalten.

Ich bin froh, dass Mirjam wieder „zurückgekehrt“ ist und diese absonderliche, erstaunlich bizarre und vielschichtige Geschichte gespendet hat, die uns weniger zum diskutieren, als zum lesen und nachdenken anregen könnte. Wer weiß, vielleicht ist das eine schaurig schöne Abwechslung für die, die keine Lust auf die x-te Wiederholung des weihnachtlichen Fernsehprogramms verspüren.

Kein Sommermärchen für Mirjam (Teil 4)

Der Hof wirkte eng zwischen den hohen Mauern, die aus Quadern des Felses gefügt waren, auf dem die Burg stand. Streng, schmucklos und massiv strebten sie ringsum auf und färbten das einfallende Licht mit ihrem Grau.

Wer hier hereinkam, musste ebenso sein, oder er wurde erdrückt.

Lautlos schwangen die Torflügel hinter mir zu und verschlossen mein Reich vor der Außenwelt. Tief atmete ich ein, zog Härte und Dauerhaftigkeit des Steins zu mir und spürte Befriedigung, wieder daheim zu sein. Einem Reich nach meinem Maß, das allein mir gehorchte und diente, denn dazu war es erschaffen. Ich überquerte den Hof und trat durch das Portal in die Halle, die dunkel vor mir lag. Das einzige Licht hier ging von einer Öllampe aus, die in der Feuerschale auf der Säule vor der Tür zum Versammlungsraum stand. Diese Tür, zweiflüglig, mit einer Schlupftür in ihrer Mitte, nahm den Großteil der hinteren Hallenwand unterhalb des Treppenbalkons ein.

In der Halle

 

Ich nahm die Treppe zur rechten und legte, oben angekommen, eine Hand auf die Klinke der ersten Tür, derjenigen, die in mein Gemach führte. Hier hatte alles seine Richtigkeit.

Ich ging weiter und öffnete die mittlere der drei Türen, die es hier oben gab und trat hinaus auf den Dachhof, wohin sie den Durchgang freigab. So beklemmend eng und düster der untere Hof war, so himmelweit frei lag diese Fläche unter den Sternen. Teils in den Gipfel geschlagen, teils auf dem Mauerwerk des Gebäudes befindlich, war sie rückwärtig durch den Abgrund geschützt, zu dem der Fels dort abfiel und ihre Vorderseite grenzte an die Burg.

Mein Adlerhorst.

Ich legte den Kopf in den Nacken und sog die Nachtweite des Himmels ein. Ja, hier war gut sein.

Gemächlich begab ich mich zurück auf die Empore, wo ich mich nach rechts, der dritten Tür zuwandte. Auch hier legte ich meine Hand prüfend auf die Klinke. Was ich spürte erregte mich, und ich schob den Riegel zurück, der den Raum hinter dieser Tür zum Gefängnis derer machte, die nicht freiwillig geblieben wären.

Im Türrahmen blieb ich stehen und genoss ihr Entsetzen.

Ja, nun war ich zurückgekehrt. Schließlich hatte ich es versprochen und Versprechen soll man halten.

Die Dauer meiner Abwesenheit und damit ihrer Haft, hatte sie mürbe gemacht. So lange hatte sie Gelegenheit gehabt zu bangen dass ich wiederkäme, dass bereits die Hoffnung, dass dies nie mehr der Fall sein würde, Zeit gehabt hatte in ihr zu keimen.

Genau richtig. Ich beglückwünschte mich und trat vollends ein. Sie wich zurück, als erwartete sie einen Angriff. Süß krampfte sich mein Unterleib zusammen. Ja, sie war reif.

Ich lachte auf. „Wo denkst du hin, meine Schöne? Hältst du mich für einen Flegel, der gleich über dich herfällt?“ Natürlich würde ich über sie herfallen, aber ein Flegel war ich nicht. Ich war Genießer.

Sie war offensichtlich und gemäß meinen Anordnungen gut versorgt worden, sodass sie nicht vom Fleische gefallen war. Weiber, deren Knochen ich beim Akt klappern hören konnte, hatten mich noch nie gereizt.

Dennoch war ihr die Gefangenschaft anzusehen. Die sonnige Unbekümmertheit, die sie mir so appetitlich gemacht hatte, war gebrochen und damit auch die lebensfrohe Selbstverständlichkeit, mit der sie vordem ihren Körper gepflegt hatte.

Nun, für mich würde sie es tun und sich dabei der alten Zeiten erinnern. Und ihres Verlustes. Ich verließ den Raum, um meine Vorbereitungen zu treffen. Bevor ich die Tür schloss, lächelte ich ihr zu: „Du weißt doch, dass du mir gehörst – warum solltest du Angst vor mir haben?“

Nichts ist so gewiss, wie der Tod – warum sollten wir ihn fürchten?

Wer ihn verstand, konnte ihn nutzen, ihn sich zum Helfer machen und dies gedachte ich zu tun.

Ich stieg die Treppe hinab und strebte im Erdgeschoss des rechten Flügels der Küche zu, wo ich den Küchenjungen, einen blassen, dürren Novizen von vielleicht sechzehn Jahren anwies, heißes Wasser und einen Waschzuber zu richten und vor der Tür mit dem Riegel abzustellen.

Diesen Jungen hatte ich aufgelesen, wie einen herrenlosen Hund und ebenso hatte er gelebt. Auf einer meiner Reisen war er mir aufgefallen, wie er in der Herberge, in der ich des längeren Unterkunft genommen hatte, allerlei Dienste versah. Er arbeitete für den Wirt, doch gehörte er nicht zu dessen Gesinde. Trotzdem ließen sie ihn im Stall schlafen. Auch von den Gästen nahm er Aufträge an, die er, wie es schien, stets gewissenhaft versah, denn nie wurde ich Zeuge von Unzufriedenheit oder lauten Szenen, wenn er mit seinen Auftraggebern sprach. Mir gefielen an ihm das unstete Wesen, das er so gut verbarg und der wache, kalte Heißhunger seiner Augen. Es würde schwer für ihn werden, sich unterzuordnen, an seinem Talent jedoch zweifelte ich nicht.

Ich bot ihm an, in meinen alleinigen Dienst zu treten und so kam es, dass er mit mir ging, als ich weiterreiste.

Ich hatte vor ihn zu unterrichten, doch ihn mit den anderen Schülern laufen zu lassen, hätte nicht zu ihm gepasst. Die Anfänge wären ihm so leicht gefallen, dass er einige Ältere schnell überflügelt hätte und danach wären ihm Erfolg und Fähigkeit zu Kopf gestiegen, die Wanderlust hätte ihn gepackt und mich vor die Wahl gestellt, ihn zu zwingen, oder zu töten. Beides hätte weder ihn, noch mich weitergebracht. So hatte ich schon während der Reise entschieden, ihn in der Küche und den dortigen Aufgaben unterzubringen und ihn mir im Übrigen zu Handdiensten heranzuziehen.

Wenn er erst herausgefunden hatte, was es auf der Burg zu holen gab, würde er die Wege finden, es zu stehlen. Ich hatte vor, dafür zu sorgen, dass es diese gab und wie beiläufig er die Menschen seiner Umgebung um all das erleichterte, was ihm nützlich oder genehm dünkte, hatte ich unterwegs oft genug Gelegenheit gehabt zu beobachten.

Dies lag jetzt ein gutes Jahr zurück und während dieser Zeit hatte er nichts anderes von der Welt zu sehen bekommen, als Küche Hof und Wirtschaftstrakt. Ich musterte ihn.

Aufrecht stand er da und ließ es über sich ergehen. Die Flut von Hass und Ungeduld, die diese Zeit unter dem Joch der Eintönigkeit in ihm aufgestaut hatte, hielt er hinter glattem Gleichmut im Zaum. „Nachher werde ich mich von deinen Fortschritten überzeugen. Ich gebe dir Bescheid“, nickte ich ihm zu und verließ die Küche.

Dem Verwalter hatte ich aufgetragen, ihn im Lesen, Schreiben und Rechnen zu unterweisen und ich war mir sicher, dass der Junge die Zeit meiner Abwesenheit gut genutzt und viel gelernt hatte. Schon um seinen hungrigen Verstand davon abzuhalten, ihn aufzufressen.

In meinem Gemach trat ich vor den Bücherschrank und zog nach kurzem Abwägen einen schmalen Band in heller Leinenbindung heraus.

Das Lehrbuch

Diese Sammlung nützlicher Rezepturen war von einem meiner Schüler zusammengestellt, geschrieben und gebunden worden und würde ihm als Lehrbuch dienen können. Ich blätterte hindurch – ja, die Zubereitungen waren größtenteils in der Küche und mit dortigem Gerät durchzuführen, die Zutaten würde er im Laufe des kommenden Jahres in den Vorratsräumen finden und einige der Anwendungen – ich schlug das Büchlein weiter hinten auf – ja, das war gewiss, die würden ihn interessieren.

Auf seinen Ehrgeiz konnte ich so sicher bauen, wie auf den Wandertrieb, dessen Folgen er mir gegenüber eben so heldenhaft unterdrückt hatte. Wenn der Körper weiter eingesperrt blieb, würde er gar keine andere Wahl haben, als zu experimentieren. Ich klappte das Buch zu und legte es auf meinen Schreibtisch.

Leises Poltern auf dem Treppengang verriet mir, dass die georderten Dinge an ihren  Platz vor der besagten Tür gefunden hatten, und ich wandte mich diesem Thema zu.

Umhang und Gürtel hängte ich an ihre Haken neben der Tür und dann setzte ich mich, um die Stiefel aufzuschnüren. Die würde ich schließlich nicht brauchen. Barfüßig ging ich hinüber zu ihr und trat ein.

Sie hatte sich im Vergleich zu vorhin ein wenig gefasst und wartete, sichtlich um Haltung bemüht ab, was ich vorhätte. Zunächst stellte ich unter ihrem erstaunten Blick die Badeutensilien in die Mitte des Raumes, um dann die Tür zu schließen. Der aufmerksame Bengel hatte sogar einen Korb mit Lappen, Seife und einem Bund Lavendelzweige dazugestellt. Er schien sich seine Gedanken gemacht zu haben.

Ich würde mich revanchieren.

Ich begann Lavendel abzustreifen und zu zerreiben, ließ die Krümel in den Zuber fallen und beobachtete, wie sie mir ungläubig dabei zusah. „So bin ich zu dir, Mädchen“, ließ ich mich vernehmen und goss das heiße Wasser ein. „Und nun, da ich dir das Bad bereitet habe, wirst du dich waschen.“ Verschreckt blickte sie von der Wanne zu mir herüber, der ich mich nach Abschluss dieser Vorbereitungen in ihren Lehnstuhl gesetzt hatte und keinen Zweifel daran aufkommen ließ, dass ich gedachte, ihr dabei zuzusehen.

Der Lavendel duftete und der Kampf von Scham und Angst in ihr war köstlich. „Nur zu!“, forderte ich sie auf „lange bleibt das Wasser nicht warm.“ Stockenden Schrittes ging sie zum Bett hinüber und begann sich zu entkleiden.

Dann wurden ihre Bewegungen mechanisch. Ich spürte den Gehorsam der Angst in ihr einrasten und wie sie sich dahinter verbarg.

Zorn wallte in mir auf. Natürlich wollte ich ihren Gehorsam, aber noch viel wichtiger waren mir ihre Empfindungen. Da sie offenbar fähig war, sich von ihnen zu trennen, war sie für mich so gut wie wertlos.

Nichtsdestotrotz  würde sie heute für meine Befriedigung sorgen. So oder so. Während sie sich wusch, zunächst unbeholfen, doch als ich mich nicht regte und nichts kommentierte mit zunehmend sicherer werdenden Bewegungen, kämpfte ich meinen Zorn darüber nieder, dass mein Plan, mich den Winter über von ihr zu nähren, nicht aufgehen würde. Das Strohfeuer heute. Zu mehr war sie nicht gut.

Wer seine Befriedigung daraus zieht, eine Frau auf der körperlichen Ebene zu drangsalieren, ist mit einem solchen Exemplar bestens bedient – sie können unglaublich viel ab, bevor sie eingehen – aber ich?

Ich versuchte, mich auf den Anblick zu konzentrieren, den sie bot und ihm irgendetwas abzugewinnen. Vom Körperlichen her war sie eine gute Wahl. Ebenmäßig gebaut, jung und ein wenig zur Fülle neigend, wie ich es gern hatte und nichts in ihrer kurzen, wohlbehüteten Lebensgeschichte hatte darauf hingewiesen, dass sie es nötig gehabt haben könnte, diese unsägliche Fähigkeit zu entwickeln, der sie sich gerade bediente.

Eine weitere heiße Welle raubte mir die klare Sicht. Als sie verebbt war, hatte ich wieder Ruhe, ihr zuzusehen. Ich würde einfach das nehmen, was sie zu bieten hatte und mich im Übrigen nach Ersatz umschauen müssen.

Ärgerlich, aber nicht zu ändern.

„Mädchen!“ Sie hob den Kopf. „Lass gut sein und leg‘ dich aufs Bett.“ Sie nickte gehorsam, ließ den Lappen in den Zuber fallen und legte sich hin. Ich stand auf, trat zu ihr und beugte mich über sie, um ihr in die Augen zu sehen. Glasig und etwas blöde wie er war, erstaunte es mich nicht, keines Gefühls in ihr habhaft werden zu können.

Ich strich ihr mit der Rechten über den Scheitel, ergriff mit der anderen ihr Kinn und als meine Finger in den Haaren ihres Hinterkopfes Halt gefunden hatten, brach ich ihr mit einem Ruck das Genick.

Ich richtete mich auf und atmete in tiefen Zügen das Leben ein, das ihr entwich.

Ich begab mich zur Küche hinunter, wo ich den Jungen wissen ließ, dass ich ihn nun erwartete und dass er einen Imbiss mit Hinaufbringen solle.

Kurz darauf klopfte es und er trat ein. Ein Tablett mit Brot, kaltem Fleisch, Wein und getrockneten Früchten war das erste, was er brachte, und im zweiten Gang trug er seine Schulsachen herein, mit denen er bei der Tür stehenblieb. Ich saß am Schreibtisch, auf dem er auch das Essen abgestellt hatte, und nun forderte ich ihn auf, die Türe zu schließen und auf dem Besucherstuhl Platz zu nehmen.

Auf dem Schreibtisch

 

„Nun?“ ich streckte die Hand nach seiner Mappe aus. „Was hast du vorzuweisen?“ Er händigte mir das Ergebnis seiner Übungen aus und ich legte die Mappe auf dem Tisch ab. „Zunächst will ich essen und da du lesen gelernt hast, wirst du mir dabei zur Unterhaltung vorlesen“, bestimmte ich. „Welches Buch du dazu wählst, soll mir gleich sein – sieh dich um, die Auswahl ist groß genug.“

Er zögerte nicht, bevor er mit: „Jawohl, Herr“ antwortete, aufstand und dann begann, die Regale nach einem ihm geeignet erscheinenden Buch abzusuchen. Er ging systematisch vor, verschaffte sich zunächst einen Überblick über die Ordnung und kam alsbald mit einem Band aus der Rubrik: Reiseberichte aus fernen Ländern, wieder.

Eine kluge Wahl, war es doch immerhin möglich, dass ich ihm im Anschluss an die Lektüre, Fragen zum Verständnis stellte. Er wies es vor, ich billigte seine Entscheidung mit einer Geste des Einverständnisses, die mein voller Mund eher zuließ, als eine Antwort und wies auf den Stuhl, dass er sich wieder setzen solle. Ich schob ihm kauend die Lampe weiter hin und er schlug in ihrem Lichte das Buch auf.

Sein Vortrag war noch langsam, aber gleichmäßig, was darauf schließen ließ, dass er keine Fehler machen wollte und sich und seine Fähigkeiten einzuschätzen wusste. Ich kaute in Ruhe, hörte mit einem Ohr zu und verspürte erstmalig seit meiner Ankunft Entspannung.

Der Junge hier war gut. Ich säuberte meine Finger vom Essen und nahm seine Unterlagen zur Hand.

Er hatte Schreibübungen mitgebracht und zwar nicht nur die neuesten, sondern einen Querschnitt durch das vergangene Jahr, wie er sich von einzelnen Buchstaben über die Wiederholung kurzer Sätze zur Abschrift ganzer Buchseiten vorgearbeitet hatte.

Ich nickte anerkennend und griff nach dem nächsten Packen. Hier hatte er exemplarische Rechnungen aufgeführt, die alle Grundrechenarten umfassten und eine sauber gestaltete Tabelle der Multiplikation beinhaltete.

Ich sah zu ihm hinüber. Für ein einziges Jahr ein beachtliches Ergebnis.

Zu unterst in der Mappe lag noch ein dünner Stapel Blätter, den ich nun durchzusehen begann. Hier hatte er gezeichnet. Dinge aus seinem Umfeld, der Küche. Sparsam und ausdrucksstark mit einem guten Gespür für wichtig und unwichtig und in korrekten Proportionen. Ich stand auf, um zwei Gläser für den Wein aus dem Bord zu nehmen und hieß ihn, mit dem Lesen aufzuhören, als ich mich wieder setzte und uns einschenkte.

„Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis deiner Studien“, ließ ich ihn wissen und schob ihm eines der Gläser hinüber. „Lass uns darauf anstoßen und dein zweites Lehrjahr einläuten.“ Ich prostete ihm zu und wartete ab, bis auch er einen Schluck genommen hatte, bevor ich fortfuhr. „In diesem Jahr wirst du die Kenntnisse und Fertigkeiten, die du im ersten Jahr erworben hast, miteinander verbinden.“

Ich griff nach dem hellen Leinenband, den ich für ihn ausgewählt hatte. „In diesem Buch findest du Rezepturen, die du zubereiten wirst. Gerätschaft und Gelegenheit dazu bietet dir die Küche, und am Ende des Jahres erwarte ich von jeder Zubereitung eine passable Probe und“ – hier sah ich ihn scharf an – „dass du fürderhin ohne dies Buch auskommst.“

Seine Augen weiteten sich kurz im Verstehen, doch er nickte gehorsam. „Jawohl, Herr.“

Ich leerte mein Glas mit einem langen Zug, sah wie sinnierend hinein und sagte: „Nebenan wirst du das Mädchen finden. Sauber, warm und fügsam. Geh zu ihr. Ich überlasse sie dir bis zur Morgendämmerung.“ Ich schob die Blätter zurück in seine Mappe, stand auf und reichte sie ihm. Er griff zu, stand ebenfalls auf und antwortete: „Jawohl, Herr.“

Im ersten Morgenlicht schulterte ich ihren Körper, überquerte mit dieser Last den Dachhof und warf ihn an der dafür vorgesehenen Stelle über die Kante.

Er hatte ihn hinterher ordentlich hingelegt gehabt, die Augen zugedrückt und ein Tuch als Decke darübergebreitet.

Als er mein Frühstück servierte, hatte der Glanz seiner Augen eine neue Facette und wir waren uns ein Stück näher gekommen. Ich würde ihn wohl mitnehmen, wenn ich aufbrach, um nach Ersatz für sie zu suchen.

Das Arbeitszimmer in dem ich saß, verschwamm vor meinen Augen, als Sif mir seine Rechte entwand um mir über den Rücken zu streichen. Einmal schluchzte ich unter dieser begütigenden Berührung auf, um dann ruhig dazuliegen.

Sie alle, die ich gesehen hatte hatten mein tiefes Mitgefühl. Jeder Einzelne, der gefangen in seiner Eigenart, verflochten mit seinen Mitmenschen, dies Theater des Grauens aufführte, das wir als Leben kennen, und die Gewissheit sie alle selbst zu sein, erfüllte mich mit einem unendlich traurigen Frieden.

Sofi Lichtkreuz
Bild: Sofi – Lichtkreuz
Musik: Pharaoh – Old egyptian dance

 

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