New York: On the other Side

Es gibt Orte, die muss man mal gesehen haben, auch wenn man rückblickend gerne auf dieses Erfahrung verzichtet hätte. Nach meiner Reise in die USA bin ich um eine weitere Erfahrung reicher, denn New York ist ein solcher Ort. Als scheinbar mystischer Drehort, der immer wieder in Filmen zum Mittelpunkt gemacht wird, als Zentrum des amerikanischen Lebenstraums entpuppt sich die Metropole als riesige Seifenblase aus geplatzten Träumen und zertretenen Hoffnungen. Ob man nun selber diese Erfahrung machen muss oder nicht, überlasse ich jedem selbst.

Ich möchte meine Eindrücke von New York schildern und vielleicht die ein oder andere Illusion nehmen, denn wie ich einem kurzen Facebook Lebenszeichen entnahm, wollte die meisten mir tauschen und hätten den Schmerz, der durch das ständige „nach Oben gucken“ verstärkt wurde, gerne in Kauf genommen.

Ganz objektiv betrachtet halte ich die Stadt auch für kein Schnäppchen-Paradies, ein paar 8-Loch Martens für 230 Dollar eine hübsche Hose mit Riemenschnürung an der Seite für 189 Dollar? Nein, keine Schnäppchen, vielleicht war ich auch nur in den falschen Läden, Szenetypisches erscheint mir jedenfalls deutlich zu teuer. Elektronisches wie Fernseher, MP3 Player und Mobiltelefone ist in der Tat günstiger und die Auswahl der Läden ist unglaublich. Die Stadt ist riesig, laut,bunt, eindrucksvoll bis atemberaubend und kommt niemals zu Ruhe. Wer dass erwartet, wird sich dort gut aufgehoben fühlen. Aber hier sind es meine Eindrücke:

Als ich die Penn-Station unter dem Madison Square Garden über die Treppenstufen in das Tageslicht verließ, wusste ich noch nicht, das der Genickschlag, mit dem mich New York empfing, einen dauerhaften Eindruck hinterließ und auch das letzte war, was ich zwei Tage später noch fühlte. Die Stadt ist größer, lauter und unbarmherziger als es jeder noch so gut gemeint Hollywood-Blockbuster suggeriert. Das Auge ist nicht in der Lage den Reizen Einhalt zu gebieten und hastet ruhelos von einem Eindruck zum nächsten, während das Ohr verzweifelt versucht, zwischen Sprache und den Geräuschen der Stadt zu differenzieren – Klimaanlage, Lüftungen, Fahrzeuge und Untergrundbahnen hüllen die Stadt in ein permanentes Brummen. Selbst wenn die Fenster vom Zimmer des Hotels geschlossen sind und die Nacht ihren Höhepunkt erreicht, lassen die Geräusche den Verstand nicht ruhen.

Street View in New YorkDie Nase resigniert und versucht krampfhaft ihre Funktion einzustellen, denn New York stinkt. Aus jeder Ritze dringt ein neuer Geruch den man nicht zuordnen, nicht einsortieren und kein zweites mal riechen möchte. Begibt man sich in Nebenstraßen, ballern die Lüftungen der Gebäude ihre konzentrierte Dosis Gestank in die Umwelt und benebeln die Sinne des Passanten mit dieser unnachahmlichen Mischung aus allem. Ausweichen unmöglich, abschalten ausgeschlossen.

Nimmt man einzelne Flecken einer Metropole heraus und bekommt Gelegenheit, diese zu erfassen, wird man belohnt. Es gibt durchaus Sehenswertes, doch das bleibt unter der Oberfläche verborgen und offenbart sich dem aufmerksamen Beobachter erst, wenn dieser seine Aufmerksamkeit darauf lenkt. Ein öffentliche Ausstellung freischaffender Künstler, ein Platz besonderer Schönheit, Menschen die das Gesamtbild aus dem Ruder reißen – es gibt sie überall. Doch New York ist gnadenlos. Die Aufmerksamkeit für scheinbar belangloses zu opfern, ist gefährlich und muss erst wieder neu erlernt werden. Sicher, streng genommen reichen zwei lächerliche Tage nicht aus um New York kennenzulernen, aber viel länger hätte ich auch nicht vertragen.

Eine oberflächliche Stadt. Ein „How are you today?“ wird wie eine ständige Floskel benutzt und damit ihre Bedeutung verliert. Eine hektische Stadt. Einen Kaffee „To-Go“ bekommt man ohne nachzufragen, um eine Tasse muss man bitten. Die letzten in der Kette der glänzenden Oberfläche sind die Dummen, die für einen Hungerlohn dafür sorgen, dass es denen am anderen Ende der Kette an nichts fehlt.  Es mag vermessen klingen, denn auch hierzulande wird dieser Stil in seinen Grundzügen gelebt – wer wissen will, wie das endet, fährt nach New York. Entweder man liebt diese Stadt oder man hasst sie, ich gehöre nicht zu denen, die sich eine Beziehung mit ihr vorstellen können.

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Heuni
Heuni (@guest_15485)
Vor 13 Jahre

Wow, Du bist der erste, den ich kenne, der diesen Eindruck so rüberbringt.
Um mal ein wenig klarer zu werden? Was hat Dich gestört? Das Laute? Der Gestank?
Hast Du denn gar nichts tolles an NY entdeckt?

Guldhan
Guldhan(@guldhan)
Vor 13 Jahre

So eindringlich wie es hier beschrieben steht festigt es meinen Glauben, dass New York nichts weiter charakterisiert, als eine urbane Reizüberflutung. Eine Fassade mit schrillem Make up im Gesicht aber Metastasen am Rücken.

Und je mehr Luftaufnahmen ich von diesem überdimensionalen Moloch sehe, desto weniger zieht es mich hinein. Man muss wohl eine dahingehende Mentalität mitbringen, um dort nicht unterzugehen. Aber als Landein, das glücklich über jeden Menschen ist, der nicht in der unmittelbaren Umgebung herumexistiert, wird man dort sicherlich nicht aufblühen.

[…]Ein »How are you today?« wird wie eine ständige Floskel benutzt[…]

Derartige Wortentwertung findet ja schon hier statt. Man muss nur auf die Phrase »Wie geht´s« ausladender antworten, als mit dem schnöden »gut« Selbst bei einem Halbsatz wird schon nur noch mit Widerwillen hingehört.

Doch ich habe mir schon von einigen sagen lassen, dass man den munteren Amerikaner innerhalb des Smalltalks lieber nicht beim Wort nehmen sollte. Da dieser gerne mal mit Einladungen, Fragen oder sonstigen Wertschätzungen um sich wirft, ohne diese jemals »ernst« zu meinen.

Tim Mattheissen
Tim Mattheissen (@guest_55976)
Vor 6 Jahre

NYC😍……..die Stadt die niemals schläft!……Ich liebe genau das an der Stadt……das Laute das Hecktische den Geruch…..die Leute die hupenden Autos die Polizeisirenen…..die Lichter…….im Dunkeln über NYC zu blicken…..was da hinten dunkel ist….das ist der Central Park…..es ist für mich der schönste Platz den ich mir vorstellen kann!!….NYC!!…..Meine Frau……sie hasst NYC…….gut…….sie kommt aus Jasper/TX……

Le_lys_noire
Le_lys_noire (@guest_55989)
Vor 6 Jahre

Robert, ich kann dich voll und ganz verstehen! Mir ging es ähnlich, als ich noch in Berlin wohnte- natürlich kann man das nur bruchstückhaft vergleichen! Jeden Tag wurde die Stadt voller, der Alex stank nach Biotonne, die Touris standen überall im Weg herum, es wurde gehetzt, gehupt, geklingelt, geschrien bis man taub und stumm im Fluss mitschwam und funktionierte. Und alle anderen finden es toll! Mich würde an dieser Stadt auch nichts reizen.

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 6 Jahre

New York (und all die anderen ach so modernen Mega-Metropolen in Amiland oder Asien) hat mich noch nie gereizt. Das, was ich aus Filmen kenne, reicht mir schon um diese Stadt als visuelle und akustische Reizüberflutung einzustufen. Und mit der Wolkenkratzer-Architektur werde ich erst recht nicht warm. Ich mag es urig und alt. Häuser, die Geschichte haben und diese ausstrahlen. Prag, Budapest, Wien, Barcelona, Rom, Mailand…. das ist mehr meine Welt als diese Beton- Stahl- und Glas-Straßenschluchten ohne Ruhezonen und Grün.
Berlin kann sehr anstrengend sein, das stimmt, zumal die Stadt leider mittlerweise total überfüllt ist und der Umgangston immer rauher und aggressiver wird. Man muss wissen, wo es ruhiger zugeht und wo man sich ggf. hinflüchten kann. Diese Orte gibt es noch und es gibt zum Glück auch Gegenden in der Stadt, wo die Zeit noch ein bisschen stillzustehen scheint. Im Moment bin ich mit der Kamera viel zu Fuß in Berlin unterwegs und entdecke immer wieder Neues.
Ich weiß noch nicht, ob ich Berlin irgendwann mal den Rücken kehren werde. Es ist meine Heimat und ich hänge dran, aber was hier seit ca. 2 Jahren passiert, gefällt mir nicht. Jede noch so kleine Lücke wird zugebaut, die Stadt verstopft an den vielen zusätzlichen Menschen, die Kriminalität steigt rasant an. Keine schöne Entwicklung.

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