Das Internet Manifest

Eine Gemeinschaft populärer junger Journalisten und das Who is Who der deutschen Blogossphäre fasst in ihrem Internet Manifest zusammen, was für sie essenziell ist und erstellt daraus 17 Behauptungen. Wie Journalismus heute funktioniert heißt es im Untertitel und könnte eine Kampfansage an Zeitungslobbyisten und Mediemogule sein, oder ein Lehrbuch für angehende und engagierte Journalisten der neuen Wege. Vielleicht auch ein kleiner Leitfaden für den informationsbewussten Blogger.

Ich möchte die Lizenz zu Weiterverbreitung bei Namensnennung aufgreifen und die Behauptungen mit meinen Gedanken ergänzen, in der Hoffnung das meine Leser das gleich tun, denn aus diesen Behauptungen entsteht selbstverständlich Diskussions- und vor allem Handlungsbedarf. Es lohnt sich vielleicht seine eigenen Weisheiten zu destillieren und daraus seine eigenen konstruktiven Schlüsse zu ziehen, um dem eigenen Bestreben nach ständiger Verbesserung nachzukommen.

Dass aus den Behauptungen Forderungen wachsen liegt in der Natur der Sache, ob sie aber ähnlich wie die 95 Thesen des Cluetrain Manifestes im Sande verlaufen wird sich zeigen. Ich hoffe das die Entwicklung in den Köpfen den Entwicklungen des Netzes nicht weiter hinterherlaufen. Es ist Zeit für eine Aufholjagd.

  1. Das Internet ist anders.
    Es schafft andere Öffentlichkeiten, andere Austauschverhältnisse und andere Kulturtechniken. Die Medien müssen ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen, statt sie zu ignorieren oder zu bekämpfen. Sie haben die Pflicht, auf Basis der zur Verfügung stehenden Technik den bestmöglichen Journalismus zu entwickeln – das schließt neue journalistische Produkte und Methoden mit ein.
  2. Das Internet ist ein Medienimperium in der Jackentasche.
    Das Web ordnet das bestehende Mediensystem neu: Es überwindet dessen bisherige Begrenzungen und Oligopole. Veröffentlichung und Verbreitung medialer Inhalte sind nicht mehr mit hohen Investitionen verbunden. Das Selbstverständnis des Journalismus wird seiner Schlüssellochfunktion beraubt – zum Glück. Es bleibt nur die journalistische Qualität, die Journalismus von bloßer Veröffentlichung unterscheidet.
    Anmerkung: Richtig, immer wieder beobachte ich, dass große Zeitschriften und Zeitungen für ihre Online-Präsenzen Artikel einkaufen um dann mit ein und demselben Text von gesellschaftlichen Randereignissen berichten. Journalismus ist mehr als die Wahrheitsfindung und den Anspruch auf Qualität, Journalismus ist auch ein knallhartes Geschäft.
  3. Das Internet ist die Gesellschaft ist das Internet.
    Für die Mehrheit der Menschen in der westlichen Welt gehören Angebote wie Social Networks, Wikipedia oder Youtube zum Alltag. Sie sind so selbstverständlich wie Telefon oder Fernsehen. Wenn Medienhäuser weiter existieren wollen, müssen sie die Lebenswelt der Nutzer verstehen und sich ihrer Kommunikationsformen annehmen. Dazu gehören die sozialen Grundfunktionen der Kommunikation: Zuhören und Reagieren, auch bekannt als Dialog.
    Anmerkung: Völlig richtig, Medienhäuser suchen aber nicht den Dialog, sondern nur eine Möglichkeit aus den Möglichkeiten des Netzes Profit zu schlagen und Ideen und Wege des Netzes für sich zu vereinnahmen. Von einer Mehrheit der Menschen würde ich in diesem Zusammenhang aber noch nicht sprechen, die Menschen für die o.g. Internetseiten Alltag sind ist meiner Meinung nach geringer als angenommen ein Account bei Facebook macht dessen Gebrauch noch nicht zum Alltag.
  4. Die Freiheit des Internets ist unantastbar.
    Die offene Architektur des Internets bildet das informationstechnische Grundgesetz einer digital kommunizierenden Gesellschaft und damit des Journalismus. Sie darf nicht zum Schutz der wirtschaftlichen oder politischen Einzelinteressen verändert werden, die sich oft hinter vermeintlichen Allgemeininteressen verbergen. Internet-Zugangssperren gleich welcher Form gefährden den freien Austausch von Informationen und beschädigen das grundlegende Recht auf selbstbestimmte Informiertheit.
    Anmerkung: Gut formuliert, doch unsere Politik interessiert das nicht. Die scheißen drauf und beschließen weiter. Ich finde, diese Behauptung ist richtig, nur leider ein frommer Wunsch.
  5. Das Internet ist der Sieg der Information.
    Bisher ordneten, erzwungen durch die unzulängliche Technologie, Institutionen wie Medienhäuser, Forschungsstellen oder öffentliche Einrichtungen die Informationen der Welt. Nun richtet sich jeder Bürger seine individuellen Nachrichtenfilter ein, während Suchmaschinen Informationsmengen in nie gekanntem Umfang erschließen. Der einzelne Mensch kann sich so gut informieren wie nie zuvor.
    Anmerkung: Er läuft aber auch Gefahr in der Fülle der Informationen zu ertrinken und vermag nicht mehr die relevanten von den unrelevanten Informationen zu trennen.
  6. Das Internet verändert verbessert den Journalismus.
    Durch das Internet kann der Journalismus seine gesellschaftsbildenden Aufgaben auf neue Weise wahrnehmen. Dazu gehört die Darstellung der Information als sich ständig verändernder fortlaufender Prozess; der Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten ist ein Gewinn. Wer in dieser neuen Informationswelt bestehen will, braucht neuen Idealismus, neue journalistische Ideen und Freude am Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten.
    Anmerkung: Das Verbessern der Dinge ist eine der lobenswertesten Deutschen Eigenschaften.
  7. Das Netz verlangt Vernetzung.
    Links sind Verbindungen. Wir kennen uns durch Links. Wer sie nicht nutzt, schließt sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs aus. Das gilt auch für die Online-Auftritte klassischer Medienhäuser.
    Anmerkung: Völlig richtig und ein wirklich leicht umzusetzender Schritt der nach sofortiger Durchführung schreit!
  8. Links lohnen, Zitate zieren.
    Suchmaschinen und Aggregatoren fördern den Qualitätsjournalismus: Sie erhöhen langfristig die Auffindbarkeit von herausragenden Inhalten und sind so integraler Teil der neuen, vernetzten Öffentlichkeit. Referenzen durch Verlinkungen und Zitate – auch und gerade ohne Absprache oder gar Entlohnung des Urhebers – ermöglichen überhaupt erst die Kultur des vernetzten Gesellschaftsdiskurses und sind unbedingt schützenswert.
  9. Das Internet ist der neue Ort für den politischen Diskurs.
    Demokratie lebt von Beteiligung und Informationsfreiheit. Die Überführung der politischen Diskussion von den traditionellen Medien ins Internet und die Erweiterung dieser Diskussion um die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit ist eine neue Aufgabe des Journalismus.
    Anmerkung: Im Netz findet der Wahlkampf übrigens 24 Stunden rund um die Uhr statt und wird nicht nur von den Parteien ausgefochten. Aufgepasst und mitgemacht.
  10. Die neue Pressefreiheit heißt Meinungsfreiheit.
    Artikel 5 des Grundgesetzes konstituiert kein Schutzrecht für Berufsstände oder technisch tradierte Geschäftsmodelle. Das Internet hebt die technologischen Grenzen zwischen Amateur und Profi auf. Deshalb muss das Privileg der Pressefreiheit für jeden gelten, der zur Erfüllung der journalistischen Aufgaben beitragen kann. Qualitativ zu unterscheiden ist nicht zwischen bezahltem und unbezahltem, sondern zwischen gutem und schlechtem Journalismus.
  11. Mehr ist mehr – es gibt kein Zuviel an Information.
    Es waren einst Institutionen wie die Kirche, die der Macht den Vorrang vor individueller Informiertheit gaben und bei der Erfindung des Buchdrucks vor einer Flut unüberprüfter Information warnten. Auf der anderen Seite standen Pamphletisten, Enzyklopädisten und Journalisten, die bewiesen, dass mehr Informationen zu mehr Freiheit führen – sowohl für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
    Anmerkung: Schwierig. Eine Fülle an falschen Informationen führt jedoch schnell zu Vorurteilen und Halbwahrheiten, hier ist jeder einzelne gefragt, seine recherchierten Informationen auch zu verifizieren.
  12. Tradition ist kein Geschäftsmodell.
    Mit journalistischen Inhalten lässt sich im Internet Geld verdienen. Dafür gibt es bereits heute viele Beispiele. Das wettbewerbsintensive Internet erfordert aber die Anpassung der Geschäftsmodelle an die Strukturen des Netzes. Niemand sollte versuchen, sich dieser notwendigen Anpassung durch eine Politik des Bestandsschutzes zu entziehen. Journalismus braucht einen offenen Wettstreit um die besten Lösungen der Refinanzierung im Netz und den Mut, in ihre vielfältige Umsetzung zu investieren.
  13. Im Internet wird das Urheberrecht zur Bürgerpflicht.
    Das Urheberrecht ist ein zentraler* Eckpfeiler der Informationsordnung im Internet. Das Recht der Urheber, über Art und Umfang der Verbreitung ihrer Inhalte zu entscheiden, gilt auch im Netz. Dabei darf das Urheberrecht aber nicht als Hebel missbraucht werden, überholte Distributionsmechanismen abzusichern und sich neuen Vertriebs- und Lizenzmodellen zu verschließen. Eigentum verpflichtet. *) Stilblüten-Alarm aufgehoben
    Anmerkung: Das Ende der Musikindustrie wurde schon Mitte der 90er eingeläutet, lasst sie nicht länger leiden.
  14. Das Internet kennt viele Währungen.
    Werbefinanzierte journalistische Online-Angebote tauschen Inhalte gegen Aufmerksamkeit für Werbebotschaften. Die Zeit eines Lesers, Zuschauers oder Zuhörers hat einen Wert. Dieser Zusammenhang gehört seit jeher zu den grundlegenden Finanzierungsprinzipien für Journalismus. Andere journalistisch vertretbare Formen der Refinanzierung wollen entdeckt und erprobt werden.
  15. Was im Netz ist, bleibt im Netz.
    Das Internet hebt den Journalismus auf eine qualitativ neue Ebene. Online müssen Texte, Töne und Bilder nicht mehr flüchtig sein. Sie bleiben abrufbar und werden so zu einem Archiv der Zeitgeschichte. Journalismus muss die Entwicklungen der Information, ihrer Interpretation und den Irrtum mitberücksichtigen, also Fehler zugeben und transparent korrigieren.
    Anmerkung: vielleicht ein zweischneidiges Schwert. Redundanz im Netz setzt Speicherung voraus, braucht die Speicherung eine Transparenz? Wo wird aus Speicherung eine Verletzung der Privatsphäre?
  16. Qualität bleibt die wichtigste Qualität.
    Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.
    Anmerkung: Wobei ich zwischen virtueller und reeller Qualität unterscheiden würde, denn eine hohe virtuelle Qualität ist nicht unbedingt stellvertretend für eine hohe reelle Qualität.
  17. Alle für alle.
    Das Web stellt eine den Massenmedien des 20. Jahrhunderts überlegene Infrastruktur für den gesellschaftlichen Austausch dar: Die „Generation Wikipedia“ weiß im Zweifel die Glaubwürdigkeit einer Quelle abzuschätzen, Nachrichten bis zu ihrem Ursprung zu verfolgen und zu recherchieren, zu überprüfen und zu gewichten – für sich oder in der Gruppe. Journalisten mit Standesdünkel und ohne den Willen, diese Fähigkeiten zu respektieren, werden von diesen Nutzern nicht ernst genommen. Zu Recht. Das Internet macht es möglich, direkt mit den Menschen zu kommunizieren, die man einst Leser, Zuhörer oder Zuschauer nannte – und ihr Wissen zu nutzen. Nicht der besserwissende, sondern der kommunizierende und hinterfragende Journalist ist gefragt.
    Anmerkung: Weiß sie das wirklich? Ist die Generation Wikipedia wirklich willens Nachrichten bis zu ihrer Quelle zurückzuverfolgen, um deren Glaubhaftigkeit zu überprüfen? Sehr Wünschenswert! Auch für die Blogger der deutschen Blogosphäre!
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katrin
katrin (@guest_3822)
Vor 14 Jahre

Ich finde diesen Artikel sehr interessant für mich!Internet ist sehr wichtig für mich!Ich kann nicht ohne Internet!Toller Beitrag!Vielen Dank1 :)

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