Independent ist tot, zurück zur Independence!

Der Begriff Independent ist seit Jahren nur noch heiße Luft. Dem Hörer soll suggeriert werden, dass entsprechende Bands völlig unabhängig ihr Ding durchziehen und frei vom Druck der Majorlabels Musik machen und somit einen integralen Bestandteil einer Subkultur bilden. Vielleicht war das mal vor 20 Jahren so, heute ist Independent fester Bestandteil der Musikindustrie. Die verhassten Majorlabels gründen meist selbst eigene Abteilungen oder Unterlabel, die sich darauf spezialisieren eine entsprechende Käuferschicht zu bedienen.

Das sind dann in der Regel die Musikliebhaber aus einem sozial stabilen Umfeld die den Wunsch verspüren zu partizipieren, teilzuhaben am Untergrund, mittendrin zu sein in einer Szene oder einen besonderen Musikgeschmack zu zeigen. Wie weit deren Rebellion dann reicht ist individuell, die einen empfinden das tragen eines Ramones T-Shirts schon als aufbegehren, andere lassen sich ein Piercing stechen um damit seine Mitmenschen zu schocken, die sich aber daran bereits gewöhnt haben.  Viele können es sich leisten regelmäßig Konzerte zu besuchen oder sich die neueste Scheibe einer Band in das Regal zu stellen. Sie kaufen völlig überteuerte Band-Accessoires wie Taschen, Fahnen, Tassen, Bettwäsche und Stifte ohne etwas über die Band zu wissen die sie damit zusätzlich bewerben.

Nur eine kleine Anzahl von Menschen ist aber bereit hinter die Fassade des Independent zu schauen, sich Informationen zugänglich zu machen und Wissen aufzubauen um sich dann wirklich eine Meinung zu bilden. Das Bedürfnis zur Rebellion wird von der Musikindustrie vermarktet und das sehr erfolgreich: Höre Green Day und du bist Punk, kauf Dir die Klamotten von Oomph! und du bist ein Gothic, decke dich mit entsprechendem Zubehör ein und du wirst ein Teil der Rebellion! Ist es nicht erschreckend, das der Großteil des Geldes beim Kauf eines Album’s gar nicht dem Künstler zu Gute kommt? Weder Bands noch Konsumenten können den Begriff „unabhängig“ für sich in Anspruch nehmen, ohne zu wissen, was mit dem Geld geschieht. Das Internet bietet neue Möglichkeiten und das auf beiden Seiten. Die Musikindustrie vertreibt ihre Künstler über große Webseiten, während Mailorder und kleine Musiklabels aus dem Boden schießen. Das klassische Musikbusiness ist schon lange gestorben. Es ist immer billiger geworden hochwertige CD’s zu produzieren, die kleine Labels oder die Künstler selbst vertreiben. Die Plattenfirmen haben Schwierigkeiten ihre maßlos überteuerten CD’s an den Kunden zu bringen und überschwemmen den Markt zusätzlich mit Zubehör, das niemand braucht.  Vielleicht der Weg in eine neue Unabhängigkeit?

Unabhängig, rebellisch? Die meisten Hörer achten doch zunächst nicht einmal auf den Text, sondern auf die Musik die – sei sie auch noch so hart und aggressiv – dann eben doch nur noch ein Teil einer massenkompatiblen Bewegung geworden ist. Es ist natürlich überhaupt nicht verwerflich diese Musik zu mögen, gut zu finden oder darauf zu tanzen – es wäre jedoch falsch die Musik dann mit den Begriffen gleichzusetzen, die sie schmücken. Independet ist eben nicht mehr unabhängig und rebellisch, sondern Overground. „Auf der einen Seite gibt es da die hochenergetischen Herren, die nichts Besseres zu tun haben als die ohnehin schon ausgetretenen Pfade der Kommerzialität zur Autobahn auszuweiten – das nennt man Overground. Aber wenn oben das Wasser kocht, muss von unten wohl die Hitze kommen – das nennt man dann Underground.1

Versteht mich nicht falsch, die Musikindustrie ist nicht pauschal der Böse. Viele brillante Künstler, tolle Alben und wirklich gute Musik ist auf den verteufelten Majors erschienen. Es reicht jedoch nicht nur auf der heißen Wasseroberfläche zu schwimmen ohne zu wissen wo die ganze Hitze herkommt. Musik besteht nicht nur aus dem was bei Saturn oder Media-Markt in den Regalen steht, sondern aus unzähligen künstlerisch aktiven, von denen sich einigen, lohnen gehört zu werden.

Es ist also überhaupt nicht schlimm auf dem Wasser zu schwimmen, solange man das Tauchen nicht verlernt. Man kann sich also prima auf beiden Seiten bewegen, sei es in seiner kleiner „Underground“  Szene oder auf dem Mainstream selbst. Keine der Möglichkeiten ist Garant für gute Musik und kritische Texte, aber man sollte seine Möglichkeiten zu nutzen sich zu informieren, um wirklich einmal Teil einer Rebellion zu sein, statt sich nur mit Attributen dieser zu schmücken. Und bitte, lasst endlich den Begriff Independent in Frieden ruhen, er hat es verdient.

Was meint ihr zum Thema Independent? Totgeglaubt, überschätzt, falsch verstanden? Lasst es raus, ich habe meiner völlig subjektiv empfundenen Ansicht bereits einen Platz eingeräumt.

Einzelnachweise

  1. Klaus Farin: Musik & Rebellion, Ein Zitat von Omnicom 5-2000, S.109[]
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beetFreeQ
beetFreeQ (@guest_3926)
Vor 15 Jahre

Ich stimme da völlig mit dir überein. Der Begriff Indie hat heutzutage ganz klar nichts mehr mit seinem Herkunft zu tun. Er ist zum Aushängeschild geworden, mit dem sich Geld machen lässt.

Die Musikrichtungen mit dem Zusatz Indie haben sich auch verselbständigt. Im Endeffekt ist der Begriff Indie zum Nachfolger von Alternative geworden, denn das, was unter Alternative heutzutage läuft, ist zum normalen Mainstream geworden. Wirklich alternatives wurde dann – eben weil es oft von unabhängigen Bands kam, mit dem Label Indie getaggt, das aber mittlerweile ebenso zum Mainstream wird. Ich bin mal gespannt, was für ein Label sie als nächstes finden.

Was die eigentliche Musik hinter der irreführenden Beschreibung angeht: Ich höre gern Bands, die als Indie-Rock, Indie-Pop o.ä. betitelt werden, weil diese Musik mich anspricht und einen riesigen Unterschied zu den 100% kommerziell ausgerichteten Retortenbands darstellt, denen sie langsam Chartsplätze streitig machen, denn auch wenn viele der Indie-Bands auf Major-Labels veröffentlichen, vergessen sie ihre Musik hinter dem Erfolg nicht einfach. Ausnahmen von der Regel gibt’s natürlich immer.

A Chim
A Chim (@guest_3929)
Vor 15 Jahre

Also früher fand ich Indie total toll. Dann wurde die Schublade jedoch mehr und mehr vollgestopft und gerade auch mit Dingen, die mir garnicht mehr so gut gefielen. Und so denke ich immer, wenn ich auf einen Flyer gucke, wo Indie zu lesen ist, oh, toll, cool, weil man das noch so drin hat, aber wenn man dann die Bandnamen darunter gelesen hat, ist das Thema meist erledigt.
Von daher kategorisiere ich heutzutage eher nach Musik, welche gefällt, und welcher, die es nicht tut, egal welchem Genre sie zugerechnet wird.

Das ist wie mit Gothic und der immerwährenden Diskussion wer nun wie gruftig ist, eigentlich anödent.

Tears
Tears (@guest_3933)
Vor 15 Jahre

Der Achim-Spammer rennt ja überall rum. Langsam wirds Zeit, dass ich mir ne zentrale Blackliste für Spammer anschaffe…

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