arte TRACKS: Was passiert mit den Streaming Milliarden?

Zwischen 0,001 und 0,005 Cent verdient ein Künstler an einem Stream seines Songs. Algorithmen und undurchsichtige Strukturen bei Streaming-Diensten wie „Spotify“ bestimmen darüber, was erfolgreiche Musik ist. Einen Umweg über Musikredaktionen, Promoter oder auch DJs muss niemand mehr gehen. Musik ist – so könnte die aktuelle Dokumentation von ARTE suggerieren – entmenschlicht.

Angeblich gründete Spotify-Gründer Daniel Ek den Streaming-Dienst, um Künstler vor der Zerstörung zu retten, die die Kostenlos-Kultur rund um „Napster“ hinterlassen hatte. Im selben Statement, das in der Doku zu sehen ist, spricht er dann aber schnell von den unfassbaren Einnahmen, die man der Musikindustrie verschafft habe. Von den Künstlern ist nun keine Rede mehr.

Vom Streaming profitieren hauptsächlich die am meisten gestreamten Künstler und Titel, auf die dann die Abo- und Werbeeinnahmen prozentual ausgeschüttet werden. Unbekanntere Bands bekommen dann einen verschwindend geringen Anteil des restlichen Topfes. „Erfolgreiche“ Künstler haben diesen Algorithmus längst durchschaut und produzieren mittlerweile mehrere Alben in einem Jahr, um ihren Anteil weiter zu erhöhen.

Selbst blutjunge Fans – und das finde ich sehr erstaunlich – haben dieses System durchschaut und „supporten“ so ihre Stars. 30 Sekunden muss ein Lied laufen, es darf nicht gemutet sein und nicht zu häufig hintereinander gespielt werden. Hier kommt zwar wieder eine menschliche Komponente in die Wertung „Was ist erfolgreiche Musik?“, die jedoch verzerrt den Markt mehr, denn wenn solche Fans – wie in der Doku gezeigt – das System ausnutzen, um ihre Stars an die Spitze der Charts zu heben.

https://youtu.be/Kqlc8LUEq00

(via KFMW)

Als Musiker hast du kaum Möglichkeiten, Dich gegen diese Mechanismen zu stellen. Selbst die Band „Die Ärzte“, die Spotify jahrelang boykottierten, haben sich jetzt dazu entschlossen, ihre Musik bei Streaming-Diensten anzubieten. Um Geld geht es allerdings nicht, wie Rod González gegenüber dem Musikexpress betont:

[Es geht uns] Definitiv nicht ums Geld. Ich schätze, dass von diesen gigantischen Erlösen am Ende des Jahres ein Abendessen für die Band übrig bleiben wird. Um ehrlich zu sein: Wir haben keinen blassen Schimmer, wie unser Katalog im Stream laufen wird, uns ging es hauptsächlich darum, auch bei Leuten stattzufinden, die kein Abspielgerät mehr besitzen neben ihrem Smartphone.

Schallplatten, Musikkassetten, CDs und sonstige physischen Formate haben ausgedient. Musik ist nicht nur entmenschlicht, sondern schwebt ohne Haptik im digitalen Äther. „Entwertung der Musik“ nennen es die Künstler, Fortschritt nennen es die Konsumenten – für die Major-Label ist es eine Goldgrube.

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Tanzfledermaus
Tanzfledermaus (@guest_60085)
Vor 3 Jahre

Ich hatte nie Interesse an Spotify. Nach wie vor kaufe ich CDs, nie Vinyl, habe noch etliche alte Tapes hier und habe ansonsten meine Musik-Sammlung auch auf meinem PC und dem alten i-Pod (mit dem Smartphone höre ich keine Musik). Was ich sehr löblich finde ist, dass man auf Bandcamp die meisten Veröffentlichungen komplett anhören kann (nicht nur 30 Sekunden wie anderswo), bevor man sich pro/contra Kauf entscheidet und auch die Möglichkeit hat, den Kaufpreis freiwillig aufzustocken.

Letzte Bearbeitung Vor 3 Jahre von Tanzfledermaus
Graphiel
Graphiel(@michael)
Vor 3 Jahre

Hm.. irgendwie nutze ich Streamingangebote dann wohl falsch? Oder ich bin doch einfach nur schon zu alt um nicht komplett auf den Streamingkram wechseln zu wollen.

Inzwischen nutze ich Musikstreams ab und zu schon, das gebe ich zu. Aber tatsächlich sehr viel mehr zur Inspiration, um neue Musik kennen zu lernen, als zum dauerhaften durchhören. Für unterwegs habe ich hingegen meinen MP3 Stick in der Tasche, auf dem eh nur Musik aus meiner persönlichen Sammlung zu finden ist. Wenn mir ein Song gefällt den ich vorher noch nicht kannte, so schreibe ich ihn mir auf, höre eventuell bei Bandcamp oder youtube in weitere Songs der Band und kaufe mir dann nach wie vor die entsprechenden CDs, um sie meiner Sammlung hinzu zu fügen. Besonders Bandcamp habe auch ich für mich entdeckt, wegen der Möglichkeit dem Künstler über den gewöhnlichen Kaufpreis noch eine Art Trinkgeld zukommen zu lassen. Ansonsten geht natürlich auch immer noch der direkte Kauf beim entsprechenden Lable. Stolpere ich hingegen über eine Band, aus der Vergangenheit, welche es inzwischen leider nicht mehr gibt, so darf auch gerne mal der Kauf aus zweiter Hand dabei sein. Im Grunde genommen nutze ich also Streams ein bisschen so, wie man früher vielleicht das Radio genutzt hat, um bei entsprechenden Musikprogrammen über neue Künstler zu stolpern.

Ich bin jedenfalls nach wie vor ein großer Freund von Musiksammlungen zum Anfassen und ins Regal stellen. Es fühlt sich für mich eben einfach völlig anderes an, eine CD aus dem Regal zu nehmen, sie in den CD Player zu legen und mich dann mit dem booklet aufs Sofa zu lümmeln. Das ist für mich eine ganz andere Art Musik zu hören. Halt irgendwie viel persönlicher und drauf kann und will ich nicht verzichten. Auch nicht zu Gunsten von mehr Platz in den heimischen 4 Wänden. Denn irgendwo ist so eine Musiksammlung doch auch eine Art von musikalischer Biografie. Und die möchte ich einfach nicht nur in die Hände von Streamingplattformen legen. Ja nicht einmal nur auf die heimische Festplatte meines PCs.

Was die Vergütung auf diesen Streamingplattformen angeht, so gehe ich mit den Kritikern aber echt konform. Es kann doch wohl nicht sein, dass sich Hörer beispielsweise Playlists aus dem gruftigen Bereich anhören, von ihren Beiträgen jedoch der Großteil bei Justin Bieber und Konsorten landet. Nur weil der Typ eben unzählige mal mehr gestreamt wird, als wie Bands aus dem gruftigen Bereich. Das empfinde ich nicht nur als falsch, sondern auch irgendwie ekelig gegenüber den Hörern. Irgendwie erinnert mich das stark an gewisse Praktiken der GEZ, oder der GEMA, bei denen ich von ähnlichen Vorgehensweisen gelesen habe. Dabei ließe sich doch sicherlich mit einer entsprechenden Anpassung des Algorithmus Abhilfe schaffen. Das wäre nicht nur fairer gegenüber den Künstlern, sondern auch gegenüber dem Streamingnutzer der mit seinen Beiträgen dann auch wirklich nur die Künstler unterstützt, die er hört.

Letzte Bearbeitung Vor 3 Jahre von Graphiel
Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Vor 3 Jahre

Also wenn man als Künstler bzw. Musiker auf Quantität angewiesen ist, kann doch nur die Qualität leiden. Kreativität funktioniert so nicht, das weiß doch jedes Kind. Außerdem möchte ich auch gar nicht mit 3 Alben pro Jahr von meinen Lieblingsbands überschüttet werden, das würde mich überfordern. Der Hörer muss sich doch auch erstmal in neue Musik eingrooven, zumindest geht es mir so. Das ist genau dieser ‚immer mehr und mehr Konsumgedanke‘ den ich so abstoßend finde. Das bringt doch auf lange Sicht niemandem was, außer Ressourcenverschwendung. Kreativität ist ja schließlich auch eine Ressource. Daher bin ich sehr für das im Video erwähnte Abonnentenbasierte System. Dann weiß ich auch das „meine Künstler“ direkt davon profitieren. Klar, Platten z.b. sind toll, fühlen sich gut an in der Hand, das auflegen etc., aber man darf da auch nicht zu nostalgisch sein. Streaming hat auch seine Vorteile, soweit es fair ist. Z.b für Menschen die viel unterwegs sind/ oft umziehen, um neues zu entdecken, und für diejenigen die nur einen kleinen Raum zur Verfügung haben um Dinge zu beherbergen.

Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Antwort an  Robert
Vor 3 Jahre

Selbstverständlich kann auch ein Künstler/ Musiker mit sehr hohem Output grossartige Werke/ Musik herausbringen. Mir geht es um den Zwang, den Druck viel zu produzieren, damit es rentabel ist. Den wirtschaftlichen Aspekt dahinter. Wenn Musiker aufgrunddessen, sehr viel produzieren müssen, könnte der künstlerische Aspekt leiden. Die Rezipienten/Konsumenten die dann mit einer Flut von Musik überschwemmt werden, können sich dann unter Umständen auch nicht mehr richtig darauf einlassen.
Das wäre dann auf beiden Seiten ein eher unerfreuliches Szenario. Und da Streaming solche Tendenzen befeuert ist es ja so wichtig das man gute Modelle entwickelt damit die Nischen- und Indiekünstler nicht untergehen.

Letzte Bearbeitung Vor 3 Jahre von Norma Normal
Manu
Manu(@manu)
Antwort an  Robert
Vor 3 Jahre

Ich denke, zum Thema Qualität kann man die Kritik aus dem Bericht nehmen, dass hier die KI-gesteuerte Musikproduktion angesprochen wurde. Solche Tools können sicher hilfreich sein, aber die Frage ist, ob irgendwann eine KI ausschließlich Musik produziert? Wo ist da der kreative Output eines menschlichen Musikers? Das wäre sehr schade, wenn das weitestgehend verschwindet, denn ich schätze es auch, wenn etwas perfekt ist, aber nicht akkurat (Zitat: Welle:Erdball). Ich habe die Hoffnung, dass die Gesellschaft irgendwann wieder die Leistung eines Musikers/Künstlers schätzt. Damit ändern sich auch wieder die Systeme zur Vermarktung und Produktion. Derzeit sehe ich nur im Live-Act eine wirkliche Vermarktungsmöglichkeit. Die Welt der Platten, Kassetten und CDs, wie es hier sicher die Meisten von uns kennengelernt haben, ist nicht mehr machbar. Corona macht es ja gerade sichtbar.

Gefürchtet habe ich mich eher als am Ende der Reportage der Begriff

kryptobasierter Stream

fiel.

Blockchain ist für mich der komplett falsche Ansatz, wie man gerade beim Thema NFT-Kunst sieht. Selbst wenn da ein guter Ansatz in einem Open Source-Projekt startet, da kommt sicher wieder einer, der macht nen Fork und dann wird das wieder im Sinne des Vermarkters ausgeschlachtet. Die Künstler haben wieder nichts davon. Außer sie werden vertraglich beteiligt, das ist für mich gerade schwer vorstellbar, so wie sich die Krypto-Szene aktuell präsentiert. Aber auch in Zeiten von physischen Medien gab es schlechte Deals und Künstler wurden ausgenommen. Es ist sicher möglich ein gerechtes digitales Tool zu schaffen, ob und wann dies gelingt, steht noch in den Sternen. Also gehen wir lieber vorerst in die Konzerte, wenn wieder möglich, und wenn es uns packt, dann kaufen wir doch mal noch ne CD.

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