Wochenschau: Winter-Wunderland und traurige Jecken sorgen für neue Melancholie

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Manchmal habe ich das Gefühl, wir sollten den kalendarischen Winteranfang verschieben. Denn jetzt, wo endlich anständiger Frost und Schnee das Land überziehen, ist Weihnachten längst vorbei. Wir sind prinzipiell sogar schon eine Jahreszeit weiter, denn die 5. Jahreszeit – hierzulande auch Karneval genannt – würde unter normalen Umständen tausende Menschen in ausgelassene Feierlaune versetzen. Leider ist es dieses Jahr still auf den Straßen und in den Supermärkten trägt man keine roten Nasen, sondern weiße Masken. Ja, tatsächlich vermisse ich Karneval ein bisschen, auch wenn mir das Fest bisher immer sehr unsympathisch war. Ohne Dinge, an denen man sich moralisch und inhaltlich reiben kann, ist eben noch ein bisschen kälter in diesen Tagen. Glücklicherweise outet sich Grufti Hagen am kommenden Rosenmontag als begeisterter Karnevalist und bricht für ebendiese Jahreszeit eine Lanze. Ihr dürft neugierig sein. Bis dahin noch eine frische Wochenschau und eine wohltuende Melancholie unter knirschendem Schnee.

Skandal-Nudel Manson sorgt für neue Skandale und steigende Streaming-Zahlen | Rolling Stone

Überall bricht es aus den Opfern heraus. Ex-Freundin Rachel Wood wirft ihm physischen und psychischen Missbrauch vor, Ellie Rowsell hat auch schlechte Erfahrungen mit ihm gemacht und Trent Reznor bläst gleich noch in selbe Horn. Den Verkaufszahlen des Musikers Manson schadet die ganze Publicity allerdings nicht: „Der Aufmerksamkeit für seine Songs haben die Schlagzeilen hingegen nicht geschadet: Streams und digitale Verkäufe seines Backkatalogs steigen seit einer Woche. „Billboard“ verzeichnete ein Plus von sieben Prozent bei den Streaming-Zahlen auf  sechs Millionen, Downloads brachten gar eine Steigerung von 40 Prozent auf 2.000 Einheiten.

Bestattungsboutique in München, Berlin, Hamburg und Köln eröffnet | mymoria

Nach ihrem Konzept, die Bestattung komplett Online planbar zu machen, eröffnen die Macher von MyMoria jetzt sogenannte Bestattungsboutiquen, in den sich die Besucher mit bereitgestellten IPads im Angebot des Unternehmens umsehen können. Nach Bestattung sehen die Läden allerdings nicht aus, sie sind offen und einsehbar gestaltet: „Es ist schön zu sehen, wie Menschen hier überrascht und erfreut gleichermaßen vor dem Schaufenster stehen. Manche die reinkommen, zum Beispiel, um Geschenke zu kaufen, merken erst später, dass sie beim Bestatter sind.“ Ich sage, wir haben die Fahnenstange noch nicht erreicht.

Der Genderstern grenzt an eine Verschwörungstheorie | Deutschlandfunk Kultur

Steht unsere Rechtschreibung vor dem nächsten Update? Der Genderstern, der zum Beispiel Leser*innen bezeichnen könnte, schleicht sich merklich in unsere Wahrnehmung. Aber nicht allen gefällt es: „Der große Unterschied zu anderen Zeichen wie beispielsweise Semikolon, Ausrufezeichen oder Bindestrich sei, dass der Genderstern eine moralische Funktion haben solle: „Es wird der Sprache unterstellt, ungerecht zu sein“, so Forssman. Die Unterstellung: „Sie ist über die Jahrtausende hinweg als eine ungerechte Sprache entstanden. Und das müssen wir korrigieren. Wer nicht mitmacht, der ist auf der falschen Seite.“ Ich will auf gar keiner Seite sein. Wer sich durch Spontis oder durch die darauf befindlichen Texte diskriminiert fühlt, darf sich gerne in den Kommentaren melden. Bin zu jeder Diskussion bereit. Sollte es irgendwann mal klare Regeln geben, an die man sich halten kann, bin ich dabei.

Alle 80 Ausgaben des Punk Planet Magazins online | archive.org

Das amerikanische Magazin, das von 1994 bis 2007 in Chicago produziert wurde, gibt es jetzt auf der Plattform archive.org zum Staunen, Stöbern oder Herunterladen. Wikipedia schreibt über das Magazin: „Besonders bekannt wurde das Magazin für seine langen und ausführlichen Interviews mit Bands und Künstlern. Punk Planet veröffentlichte mehrere Bücher, in denen es diese Interviews zusammenstellte. Punk Planet Books existiert auch weiterhin. Das Magazin versuchte über die Szene in der gesamten Welt zu berichten. Neben den Interviews und Artikeln enthielt jede Ausgabe einen DIY-Teil für Musiker, das Magazin folgte dem Credo, dass nicht nur jeder an Punk teilnehmen konnte, sondern jeder teilnehmen sollte.“

(via KFMW)

Kein Nagellack für Jungs an Schule in Texas | The Hill

Ich wünsch den Amerikanern sehr, dass sie sich unter ihrem neuen Präsidenten endlich weiterentwickeln. An einer Schule in Texas gibt es tatsächlich ein Handbuch, das vorschreibt, wie die Schüler herumlaufen dürfen und wie nicht. Trevor Wilkinson, der nach Thanksgiving mit lackierten Fingernägel in der Schule auftauchte, wurde auf dieser Grundlage vom Unterricht suspendiert. Was denkt ihr, ist sowas auch an Schulen in Deutschland denkbar?

Von Postpunk bis Cottagecore: Warum TikTok das Ende der Ästhetik einläuten könnte | Musikexpress

In Zeiten, in den Szenen und Subkulturen nur noch im Netz existieren, bleibt das wohl nicht aus: „So flanieren die Kids, statt durch die kosmopolitischen Großstädte, nun durch den virtuellen Raum. Mit dem Beginn der Pandemie-Zeit im Frühling 2020, setzte auf der Plattform nämlich auch ein gewisser „Aesthetics-Trend“ ein. „Aesthetics“ ist ein Gen-Z-freundlicher Begriff für hochstilisierte visuelle Trends, die den subkulturellen Ästhetiken der vorherigen Jahrzehnte ganz nahe kommen. Nun erobert er den Mainstream.“ Fazit lautet: Nicht die Musik macht die subkulturellen und ästhetischen Trends, sondern die Kids selbst sorgen für ihre eigene Schönheit und konsumieren Musik nebenbei.

Das am längsten belichtete Foto aller Zeiten | KFMW

Geschichten, die man sich nicht ausdenken kann. Regina Valkenborgh studierte 2012 an der Universität von Hertfordshire Kunst und wollte ein Foto machen, ohne moderne Technologien zu benutzen. Sie stecke Photopapier in eine Bierdose, stach ein winziges Loch hinein und positionierte sie auf dem Teleskop der Universität. Allerdings vergaß sie die Bierdose, schloss ihr Studium ab und verließ die Uni. Erst im September dieses Jahres entdecke man die Dose an dem Teleskop und entwickelte das Foto. Es zeigt die Sonne, wie sie 2953-mal den Himmel überquert. Mit einer dargestellten Zeitspanne von 8 Jahren und 1 Monat löst sie das bisher am längsten belichtete Bild des Deutschen Michael Wesely (4 Jahre, 8 Monate) ab. Erstaunlich.

Goth gets a makeover to look like a Instagram Model | The Sun

Das britische Boulevard-Blatt „The Sun“ (ähnlich der BILD in Deutschland) hat einen Grufti gefunden, der wieder einmal bereit war, sich einem „Make-Over“ hinzugeben. Vom Grufti zur Barbie, wie die Zeitung titelt. Inklusive überraschten Freund und einen beeindruckten Schwester, die Aryn noch nie mit Augenbrauen gesehen hat. Und eigentlich hat es die SUN auch gar nicht gefunden, sondern vermutlich gekauft, denn Aryn ist Kanadierin und das Video ist auf „Truly“ erschienen, die auch „Hooked on the Look“ produzieren.

 

Neuer Trailer zu „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist düsterer als erwartet

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Der neue Trailer zur Amazon-Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, die am 19. Februar startet, gibt erstmals tiefere Einblicke in die Machart der Produktion. Der von Sex, Drogen und Gewalt geprägte Einblick mag möglicherweise für einige zu drastisch wirken, doch genau das Rezept des 80er-Jahre Originals machte den Film damals für mich so eindringlich. Ob das heute auch noch funktioniert?

„Ich kenn doch mein Kind“

Dieser Satz verfolgt Christianes Mutter über die gesamte Drogenkarriere ihrer Tochter, die ihr zunächst entgleitet und dann vollends im Sumpf der Sucht versinkt. Der neue Trailer ist gleich vom Start weg deutlich düsterer, als der mehr oder weniger fast schon fröhliche erste Trailer. Auch bekommt man endlich ein Gefühl dafür, wo die Reise möglicherweise hingehen soll.

Drehbuchautorin Anette Hess hat es immer schon gestört, so erzählt sie in einem Interview, das man die Geschichte von Christiane im Film so verkürzt darstellte und den Charakteren, den familiären Umständen und dem Leben in der Gropiusstadt so wenig Raum eingeräumt hat. Sie möchte mit der neuen Serien, die Geschichte detaillierter erzählen.

Von jungen Menschen, die versuchen, sich in einer Gesellschaft zurechtzufinden, die mit ihnen nichts anfangen kann. (Anette Hess)

Auch musikalisch scheint man ein Ohr an den Puls der Zeit gelegt und streut beispielsweise mit „Kreatur der Nacht“ von Isolation Berlin (feat. Solomun) eine passende Attitüde aus, auch wenn an David Bowies „Heroes“ nichts heranreicht. Mit der Freigabe des Live-Auftrittes für das damalige Original, ist Uli Edel damals eine echte Sensation gelungen, schließlich ist Bowie in Christianes Lebenswelt ein großes musikalisches Idol. Ich bleibe neugierig.

Podcast: Mord im Pott – Der „Satansmord von Witten“

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Die meisten Leser erinnern an den „Satansmord von Witten„, der von fast genau 20 Jahren nicht das Ruhrgebiet, sondern ganz Deutschland schockierte. In der Reihe „Mord im Pott“ hat sich Selina Stolze in einem rund 40-minütigen Podcast mit dem Mordfall und seinen Auswirkungen beschäftigt. Im Zusammenhang mit den Auswirkungen auf die schwarze Szene findet auch Spontis dort Erwähnung.

Über den Fall brauche ich Euch an dieser Stelle nichts zu erzählen, das hat Selina vom Lokalradio Dortmund viel interessanter und detailreicher recherchiert. Ein großes Lob an dieser Stelle für den wirklich gelungenen Podcast, dem ihr euch jetzt mal einfach hingeben dürft.

Jetzt, 20 Jahre später, scheinen die Bilder verblasst zu sein, die damals alle Gruftis unter Generalverdacht stellten, Satanisten zu sein. Was für Schwachsinn. Aber wenn es genug Zeitung drucken oder genug Leute darüber reden, wird da ganz schnell eine Wahrheit draus. Dieser Mechanismus funktioniert sogar heute noch.

Allerdings kann ich nicht leugnen, dass mich solche Verbrechen faszinieren und ich mich in meiner Freizeit viel mit solchem „True Crime“ beschäftige. Das Bücherregal ist voll mit entsprechenden Werken und Berichten gleich neben Friedhofsbüchern, Sachbücher über Satanismus und die schwarze Szene und einem Bildband mit Bildern von Toten. Wenn ich das alles mal an eine konspirative Wand hefte, gehe ich womöglich glatt als Psychopath durch. Ja, so ein bisschen fühlt man sich komisch, wenn man sich für sowas interessiert. Oder?

Mich würde interessieren, wie ihr das seht und ob ihr vielleicht Lust hättet, hier im Blog darüber zu lesen. Ich bin immer sehr vorsichtig mit solcher Berichterstattung, vielleicht bin ich ja zu vorsichtig? Sagt mir Eure Meinung.

(vielen Dank an Sophie und Larissa für das Aufmerksam machen)

 

Formel Goth: Nacktbilder aus dem digitalen Meer sind Vertrauensfragen

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Bei der aktuellen Verfügbarkeit von Impfstoffen und der jetzigen Organisation scheinen Konzerte, Festivals und Live-Auftritte wieder in weite Ferne gerückt. Immerhin produzieren wieder einige Bands fleißig Musik und Videos, sodass musikalischer Nachschub auch zu Pandemie-Zeiten nicht ausbleibt. Sehen wir es positiv. Wenn es wieder losgeht mit dem Live-Spektakel, werden uns viele Bands mit unzähligen neuen Stücken und Sets konfrontieren und uns damit aus dem Sumpf ständiger Wiederholungen befreien. Ich prophezeie völlig ausverkaufte Konzerte über Monate hinweg! Solange bleiben Gruftis in ihren Särgen und pflegen die edle Blässe!

Rare DM – Send Nudes

Erin Hoagg aus New York ist sich nicht ganz schlüssig über die Bedeutung des „DM“ in ihrem Bandnamen Rare DM, wie sie in einem Interview mit post-punk.com verrät. Die Ein-Frau-Band, die sich in ihrer Musik mit der Einsamkeit der Technologie auseinandersetzt, wie sie erklärt. So entstand der Song Send Nudes „Schick Nacktbilder“ aus einem eher missglückten Versuch, Online zu daten. Zur Verarbeitung fährt sie dann mit dem Fixie (Ein Fahrrad ohne Bremse, Schaltung und Rücktritt) durch New York. Im Fummel.

Lebanon Hanover – Digital Ocean

Oha! Das sind ja mal ganz andere Töne, die Lebanon Hanover da anschlagen, während sie mit Eisenstange und Hammer bewaffnet vermutlich unschuldige Gartenzwerge zertrümmern. Deutlich rauer und nachdrücklicher ist ihr Song geworden, der zwar weniger tanzbar daherkommt, aber dafür eindeutig stimmungsvoller. Warum die armen Gartenzwerge sterben mussten, erschließt sich mir leider nicht :-)

A Projection – Darwin’s Eden

Die 80er leben weiter! Spätestens nach dem Erfolg von „Blinding Lights“ wird klar, dass der Sound der Vergangenheit auch heute noch prima funktioniert. Jedenfalls in meinen Ohren. Die schwedische Band „A Projection“ springt mit ihrem Song in die Bresche, kurz bevor der Hit aus den Charts totgedudelt ist. Ob man das jetzt als „Darkwave“ bezeichnen muss, ist irrelevant, Schubladen sind sowieso total 90er.

Prayers – Trust Issues

Mit Vertrauensfragen beschäftigen sich die Prayers aus dem sonnigen San Diego in ihrem neuesten Song „Trust Issues“. Bei Youtube vertraut man dem Video allerdings nicht, was dazu führt, dass ihr es Euch nur dort direkt anschauen könnt, weil es offensichtlich für Kinder nicht geeignet ist. Vielleicht, weil die rauchen? Oder ein Messer haben? Weil die Frau im Gesicht tätowiert ist? Ich weiß es leider nicht.

prayers - trust issue - thumbnail
So würde das Vorschaubild des Videos aussehen, das ihr Euch bei YouTube anschauen müsst. Ein Klick führt zu Youtube. | (c) PRAYERS A.K.A. San Diego’s Finest – The Pioneers of The Cholo Goth Movement – Song: Trust Issues – Album: Baptism of Thieves

S Y Z Y G Y X – Ultra Doll

Wo wir gerade so schön bei Bandnamen sind. Könnt ihr ja mal versuchen den auszusprechen. Also dieses „Syzygy“, denn das X steht für das Unbekannte. Sagen jedenfalls Luna Blanc und Josh Clark von der Band in ihrer Bandinfo bei Cold Transmission Music. „Ultra Doll“ ist zwar nicht brandaktuell, aber deutlich zu kurz gekommen in der Vergangenheit.

Gruft-Orakel Februar 2021: Der Ghoul ist Meister der Kaffeefilterfaltung

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Hier noch eine Falz, die untere Seite einklappen und dann mit der Oberseite zusammenstecken und feste knicken…“ Eifrig sitzt der Ghoul am Küchentisch und faltet die Filtertüte. Durch ein ausgeklügeltes Treppenkonzept werden feinste Schwebstoffe aus dem Kaffee filtriert, die ihn noch bekömmlicher machen. Der Sukkubus beklagte sich jüngst über Sodbrennen und schob es auf den tiefschwarzen Kaffee, für den der Ghoul zuständig war. Allerdings kann jetzt niemand aus dem Homeoffice heraus die neue Technik testen, leider. Aber von denen, so schießt es ihm durch den Kopf, wird sowieso wieder niemand seine Arbeite würdigen. Vielleicht, so denkt sich der Ghoul, schickt er Alana Abendroth die Faltkunst, um sie von seinen Fertigkeiten zu überzeugen.

Gruft-Orakel Februar 2021 - Alana Abendroth

 

 

WGT 2021: Absage der Leipziger Buchmesse wirft dunkle Schatten voraus

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Nachdem die Leipziger Buchmesse 2021 bereits im Sommer letzten Jahres von März auf Ende Mai verlegt wurde, ist sie nun endgültig abgesagt. In einer Presseerklärung der Messe heißt es: „Der schwere Verlauf der Pandemie lässt uns aber keine Wahl. Eine Veranstaltung mit mehr als 100.000 Gästen kann unter Gewährleistung der Gesundheit und angesichts der aktuellen Rechtslage nicht stattfinden.“ Damit ist eine wichtige Leipziger Veranstaltung, die 2 Wochen nach dem Wave-Gotik-Treffen stattfinden sollte, offiziell abgesagt. Kann das Festival 2021 überhaupt stattfinden? Auch wenn wir nur spekulieren können, brennt mir meine Meinung doch unter den Nägeln.

Für die gesamte Buchbranche und vor allem für die Stadt Leipzig ist die Absage ein Drama, wenn auch eins, das sich in den letzten Monaten bereits abgezeichnet hat. Die Buchmesse gilt als wichtigste Einnahmequelle des Beherbergungs- und Gaststättengewerbe in Leipzig, die möglichweise die tiefen Löcher in den Geldbörsen der Gewerbetreibenden ein wenig hätte füllen können. Stattdessen zeichnet sich durch den Ausfall der Buchmesse ab, dass dieses Jahr für die Kultur noch härter werden dürfte, als das letzte. Das trifft nicht nur die schreibende Zunft, sondern prinzipiell jeden kulturellen Aspekt des Lebens, der auf Publikum angewiesen ist.

Wave-Gotik-Treffen 2021?

Noch im November 2020 keimte auch in mir die Hoffnung, mit den erforschten Impfstoffen würde sich alles in Rekordzeit normalisieren. Leider war das Gegenteil der Fall, denn die Pandemie schlug erneut mit voller Härte zu. Mehr Tote und noch mehr Infizierte zwangen uns wieder in harte Einschränkungen.

Wie in einem Film, den wir bereits im Februar des letzten Jahres gesehen haben, drehten sich Gedanken darum, ob das WGT stattfinden könnte. Doch uns wurde schnell klar, dass das völlig unwahrscheinlich sein dürfte. Immer weitere Indizien und Nachrichten sprachen dafür, dass wir noch viel Geduld aufbringen müssen. Das hat sich mit dem Jahreswechsel nicht gebessert, im Gegenteil. Lockdown womöglich bis Ende Februar, Reisebeschränkungen, mögliche Spätfolgen und nicht zuletzt der schleppende Impfstart.

Für meinen Vater beispielsweise, der mit seinen 82 Jahren zur Prioritätsgruppe 1 gehört, habe nach mehrfachen Zusammenbrüchen der Telefonleitung und Anmeldeserver endlich einen Impftermin vereinbaren können. Er wird Ende März zum ersten mal und Mitte April zum zweiten mal geimpft.

Auch wenn die Geschwindigkeit der Impfverteilung sicher noch zunehmen wird, kann man sich zu mindestens grob ausrechnen, wann der „Otto-Normal-Grufti“  mit einer Impfung rechnen dürfte und wann es wieder uneingeschränkt möglich sein wird, zu Reisen oder an Veranstaltungen teilzunehmen. Pfingsten 2021 wird das sicher noch nicht soweit sein.

Für uns hier bei Spontis ist klar: Ohne eine Impfung halten wir eine Teilnahme an einer solchen Veranstaltung für völlig ausgeschlossen.

Klare Ansagen statt nervösen Spekulationen!

Das letzte Jahr hat gezeigt, dass sich die WGT-Veranstalter mit ihrem langen Zögern keinen Gefallen getan haben. Welche Gründe auch immer den Veranstalter bewogen haben, sich so zu verhalten, würde ich mir für dieses Jahr wünschen, dass man sich nun zusammensetzt und sich bereits im Vorfeld entscheidet. Das würde nicht nur für Klarheit sorgen, sondern auch für Gäste und Künstler andere Planungen ermöglichen, anstatt finanzielle und zeitliche Ressourcen für ein schwarzes Pfingsten 2021 zu binden.

Und nein, wir halten erzwungene Veranstaltungen, die möglicherweise mit Maskenpflicht, Abstandsregeln, Hygienekonzepten und Besucherbeschränkungen dennoch stattfinden, für keine Alternative, sondern eine ernstzunehmende Gefahrenquelle. Bei vielen Veranstaltungen und öffentlichen Versammlungen, die 2020 stattgefunden haben wurde deutlich, wie viele Menschen diese Maßnahmen auf die leichte Schulter nehmen.

Ich flippe aus, wie lange dauert es denn noch?

Leider kann man nicht genau sagen, wann wieder alles beim „alten“ ist, wann wir auf Schutzmaßnahmen verzichten können und die Herde Mensch ausreichend geimpft ist. Hochrechnungen gehen von etwa 7 Monaten aus, bis 60% der Bevölkerung geimpft sind. Das ist natürlich von vielen Unwägbarkeiten abhängig. Und machen wir uns nichts vor, Konzerte und Großveranstaltungen sind sicherlich die letzten Ereignisse, die wieder freigegeben werden können. Ich gehe persönlich davon aus, dass wir auch 2021 noch auf ein WGT verzichten müssen. Das liegt nicht nur an den oben genannten Umständen, sondern vor allem auch an der Impfbereitschaft der Menschen, die erschreckend niedrig ist.

Wer sich lieber ein Video zum Thema anschaut, dem sei Mai Lab ans schwarze Herz gelegt, die ein wenig wissenschaftlicher an die Sache herangeht:

 

BBC 1983: Anti-Fashion – Nicht vom Aussehen auf den Beruf schließen!

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Gina erfüllt sich zusammen mit der BBC 1983 einen Traum und geht ihrem Interesse für „Anti-Fashion“ nach, indem sie sich ihrer biederen Haarpracht entledigt, sich die Seiten ausrasieren und Haarverlängerungen anbringen lässt. Für sie ist das mehr als Mode, sondern ein Statement, denn wenn du so rumläufst, so Gina, lassen Dich intolerante Leute, wenn denen du nichts zu tun haben willst, einfach in Ruhe. Außerdem würde sie die Männer, die sie nur als Sexobjekt betrachten würden, auf Distanz halten.

Allerdings – so versucht die Doku zu polarisieren – wird es damit schwer, einen anständigen Job zu finden. Das suggeriert jedenfalls das Kleidungsseminar und die Interviews auf der Straße, als man Gina nach ihrem Make-Over herumzeigt. Im Camden Palace kommt man dann aber auch den Trichter, dass auch fremd aussehende Leute ganz normalen Jobs nachgehen und ein Lächeln die vermeintlich böse „Illusion in Luft auflöst„.

https://www.facebook.com/100865096953196/posts/1292691837770510/

Es wird deutlich, wie wenig damals nötig war, um zu schocken, zu provozieren oder sich selbst für den Mainstream „uninteressant“ zu machen. Die Zeiten haben sich geändert. Aus der „Anti-Fashion“ ist längst eine Mode geworden, die zwar immer noch auffällt, aber keinen mehr stört. Hat sie damit ihre Wirkung vertan?

Haben Gothics das Geheimnis zum erfolgreichen Altern geknackt?

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Es ist kein Geheimnis, dass Gothics immer älter werden, sondern eine offensichtliche Entwicklung, schließlich sind einige Gruftis bereits seit den früher 80er-Jahren ein Teil der düsteren Subkultur. Allerdings, so eine Thesis der amerikanische Anthropologin Leah Bush (38), sind Gothics beim Altern glücklicher und zufriedener als Menschen, die nicht der Szene angehören. Was zunächst wie ein Paradoxon erscheint, lüftet sich nach dem Lesen des Artikels der Washington Post in wolkenlose Realität.

Auf den ersten Blick verlieren tatsächlich relativ wenig alternde Gruftis den Bezug zu ihren subkulturellen Wurzeln. „Einmal Grufti, immer Grufti!“ ist so ein Spruch, der bei den Älteren in der Szene die Runde macht. Bereits vor einigen Jahren machte sich Spontis in dem Artikel „Treffen der Generation“ über die friedliche Koexistenz von jungen und alten Gothics innerhalb der Szene Gedanken, daher erschien die ernsthafte Auseinandersetzung auf wissenschaftlicher Ebene wie ein willkommene Bereicherung.

Die Washington Post schreibt in ihrem Artikel: „Since 2014, Bush has chronicled the rituals of her forebears in Maryland’s Goth community. Her contention is that “participation in the Goth subculture presents an alternative to being aged by culture.“

Weil ich so neugierig bin und natürlich auch händeringend Selbstbestätigung für mein Dasein suche, will ich den Artikel und die Thesen der Abschlussarbeit mit Euch erforschen.

Aged by Culture

Es wird angenommen, das der vornehmlich in den USA gängige Begriff „Aged by Culture“ ein gesellschaftliches Konzept ist, das von einer „Ideologie des Niedergangs“ ausgeht. Einfach gesagt wird alles, was mit dem Altern zu tun hat, als Negativ angesehen. Sowohl die Gesellschaft als auch die Kultur begegnet den älteren Erwachsenen mit negativen Gefühlen. Ganz abgesehen vom unausweichlichen biologischen Verfall wirst du von der Gesellschaft auf das Abstellgleis geschoben oder schiebst dich selbst dahin, weil das ja eben zum Altern „dazugehört“. Kulturelles Altern meint also, seinen körperlichen Verfall zum Anlass zu nehmen, auch seinen Stil, seine Interessen und Freizeitaktivitäten zu ändern. Nicht mehr in die Disco gehen, spazieren anstatt zu joggen und lieber altersgerechte funktionale Kleidung, als hübsche Schuhe oder figurbetonte Schnitte.

Leah Bush hat in ihrer Heimat Maryland nun Gothics beobachtet und den Fokus dabei auf den sogenannten „Elder Goth“ gelegt, also die älteren Leute in der schwarzen Subkultur. Sie wollte in ihrer Abschlussarbeit herausfinden, ob ihr Eindruck, das Gothic anders altern als es die oben genannte Ideologie suggeriert, richtig ist.

Fahrplan durchs Leben

Die Musik spielt dabei eine wichtige Rolle, so Leah Bush. Denn die szenetypische Musik, die viele Gothics seit ihrer Jugend hören, sorge für eine Art Fahrplan durch das Leben. Im Gegensatz zu jugendlicheren Musikrichtungen, die den Augenblick im hier und jetzt feiern und sich um ebendiese Jugend drehen, geht es in der Gothic-Musik um universellere Themen:

there is the subculture’s deep reverence for the antique. “In the music, the focus isn’t about youth,” Bush tells me. “It’s about more universal themes. Lyrically, it casts a wider net than most pop music. For some reason a Cure lyric keeps popping into my head, the opener to the Cure’s ‘Pornography’ album: ‘It doesn’t matter if we all die.’ ”

Die Musik, die den Tod nicht tabuisiert, die sich häufig um Schmerz, Sehnsucht und Hoffnungslosigkeit dreht und die Vergangenheit und Geschichte zum ästhetischen Kult erhebt, macht Gothics reflektierter, was ihr eigenes Dasein angeht.

Leah Bush findet sich in den Ansichten der Goths, die sie im Rahmen ihrer Studie befragt hat, bestätigt. In der Szene sind viele gesellschaftliche Vorbehalte ausgehebelt, so die Befragten. Goth-Clubs sind nicht nur in den USA der zweitwichtigste Rückzugsort für queere Menschen, die sich frei von geschlechtlich einsortierbaren Rollenbilder entfalten möchten. Außerdem ist das Erleben von Traurigkeit und das Beschäftigen mit den „düsteren Seiten des Lebens“ etwas, was in der breiten Masse häufig vernachlässigt wird.

Der Happy Goth ist kein Oxymoron

Tatsächlich verströmt die Abschlussarbeit eine sehr wohlige Atmosphäre, in der ich meine Gedanken und mich selbst wiederfinde. Genauso wie für Leah Bush ist der Happy Goth kein Widerspruch, sondern Realität. Gothics leben mit ihren Entscheidungen und ihrem Weg, das was in ihrer Jugend geprägt hat, umzugehen. So bilden sich bei älteren Gothics, die durchaus mit Familie und/oder Karriere erwachsen geworden sind, dunkle Blasen, in denen sie sich immer noch so bewegen, wie sie es schon immer getan haben.

Their lives aren’t perfect. Nobody’s are. But they seem to be content with the choices they’ve made,” Bush says. “I think Goth is a way to keep people happy

Für Bush hat der Erfolg der Gothic beim Altern damit zu tun, mit scheinbar gegensätzlichen Energien zu jonglieren. Die Bereitschaft der Gothics, dunkle Gefühle wie Verzweiflung, Trübsinn und Hoffnungslosigkeit zu nutzen, anstatt sie zu unterdrücken, kann sich auf lange Sicht als gesünder erweisen, sagt Bush. Ebenso wichtig ist die Fähigkeit der Gothics, Humor, Ironie und Schönheit in vermeintlich „hässlichen“ Dingen zu entdecken. Beispielsweise in Blumen, die auf einem Friedhof wachsen oder selbst in den absurden Schwächen des alternden Körpers.  „In einer Kultur, die älteren Frauen bereits als schrecklich einstuft, warum sollte man das nicht für sich nutzen, und die fabelhaft-schrecklichste Großmutter der Dunkelheit werden, die die Welt je gesehen hat?

Wichtig ist das Gemeinschaftsgefühl, das Gothics in ihrer Unterschiedlichkeit und Andersartigkeit vereint. Die Szene gebe auch älteren Menschen das Gefühl eines Refugium, in dem sie sich, ihre Musik und ihre Individualität ausleben können. Gothic ist eine Szene, in der es völlig selbstverständlich ist, auch im Alter noch wild zu tanzen oder sich freakig anzuziehen.

Nein, die Szene ist kein Jungbrunnen

Bevor jetzt hunderte Midlife-Crisis geschüttelte Mittfünfziger in die dunklen Clubs strömen um ihrer verloren gegangenen Jugend hinterherjagen sei gesagt: Die Szene macht nicht jünger. Die Concealer und Foundation schluckenden Falten verschwinden nicht und auch die lichte Haarpracht wird nicht zu einem dichten Wald. Mein Fazit ist trotzdem hoffnungsvoll, denn Zugehörigkeitsgefühl und Identifikation mit den „schwarzen Werten“ wurden gestärkt und das Gefühl, einfach ein bisschen glücklicher alt zu werden, untermauert.

Vielleicht ist das alles auch eine Art von Pamphlet, sich dem Alter in jeder Phase zu stellen.  Resignation und Engstirnigkeit sind oft Resultat einer Überforderung mit der modernen Welt und daraus resultieren immer neue Befindlichkeit, die uns davon abhalten uns diesen Mechanismen zu stellen. Ein Jungbrunnen, in dem wir täglich baden, um uns dann besser zu fühlen, ist die Szene nicht. Dafür aber eine Hantel für den Verstand, der trainiert und an seine vermeintlichen Grenzen geführt werden will. Er hat es nämlich einzig und allein in der Hand, uns glücklich zu machen

HowTo: Wie man erfolgreich mit einem Gothic flirtet

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„How to attract a goth girl“ lautet der Titel der ursprünglichen Anleitung, die vor einer Weile auf der amerikanischen Internetseite „wikiHow“ erschienen ist. Die soll dem geneigten Stino-Mann erklären, wie man eine anständige Gothic-Braut anbaggert. Allerdings grätscht hier gleich die Gleichberechtigung rein und zwingt schon vor dem Lesen der Anleitung dazu, verbessernd nachzukorrigieren. Außerdem spielt das Geschlecht in unserer Szene ja eher eine untergeordnete Rolle, daher würde ich sagen, dass diese unfassbar ausführliche, feinsinnige und ausgeklügelte Anleitung auch Stinos jeder geschlechtlichen Orientierung die passende kajalumrandete Begehrlichkeit unserer geschlechtsverflüssigten Szene für sich gewinnen kann. Klingt doch besser.

Aufmerksame Leser erinnern sich vielleicht an eine Anleitung, wie man Gothic wird, ohne die Eltern zu verärgern. Das ist jetzt 3 Jahre her und die ersten Gothics, die sich aus den Knospen der schwarzen Leidenschaft geöffnet haben, sind erfahrene Jung-Gothics geworden, die in der Blüte ihres Daseins immer tiefer im Dunkel der Nacht versinken. Es wird also auch Zeit, einen passenden Partner zu finden, um gemeinsam schwarze Wege zu gehen. Wie man also eine solche Blume für sich gewinnt, will diese Anleitung erklären. Wir schauen rein.

Teil 1 – Verstehe was es heißt, ein Gothic zu sein

Wie man mit einem Gothic flirtet | (c) wikihow.com
Also dieses Lächeln ist dann schon ein bisschen nervig, aber gut, hier sind wir auch erst beim Anfang (c) wikiHow – Mit freundlicher Genehmigung | Image courtesy of wikiHow.com from the Article https://www.wikihow.com/Attract-a-Goth-Girl

Natürlich – so die Anleitung – sind alle Gothics ein bisschen anders, aber drei Dinge sind besonders wichtig. Das Sozialverhalten. Trotz aller Einsamkeit sind wir eine Szene, die Gemeinschaften pflegt, als soll man Plätze, an den wir uns treffen kennen. Die Persönlichkeit mit all ihren düsteren, mystischen und morbiden Facetten kennen und natürlich die Musik: „Gothic bands generally make use of lyrics that focus on gothic themes, such as the grotesque and the mysterious“ Ich möchte betonen, dass ich hier die Inhalte der Anleitung nur anschneiden kann, denn tatsächlich ist das Original erstaunlich präzise, was es auch dem letzten Hillbilly ermöglicht, sich Kenntnisse der Szene anzueignen. Jedenfalls theoretisch.

Style, Make-up und musikalische Gespräche

Nachdem der geneigte Anwärter, der sich für einen Gothic interessiert, begonnen hat uns zu verstehen, sollte man sich mit einzelnen Komponenten beschäftigen, um im richtigen Augenblick, die richtigen Komplimente zu machen oder auch interessante Fragen zu stellen. Wie hast du das Make-up so hinbekommen, welche Band hörst du gerne, oder welche Gothic-Magazine liest du. Klingt einleuchtend, oder? Schnell wird der Anwärter feststellen, dass es Gemeinsamkeiten und Verknüpfungen gibt. „However, by learning common goth features, you can prepare yourself to compliment parts of her appearance and personality that she’s worked hard to cultivate.“ Also mal ganz ehrlich, liebe Menschen, die versuchen einen Goth aufzureißen, kommt ihr Euch nicht jetzt schon ein bisschen doof vor?

Bücher, Filme und Bands drauf haben

Das gemeinsame Gespräch mit so einem Gothic basiert auch auf Fachwissen, so die amerikanische Anleitung. Unbedingt lesen sollte man Dracula, 1984, Frankenstein und Sachen von Edgar Alle Poe, auch Gothic Comics sollte man kennen. Daneben ist der Konsum von Filmen, wie beispielsweise The Hunger, The Rocky Horror Picture Show, Dracula, The Crow oder Edward mit den Scherenhänden unerlässlich, ebenso die Kenntnis populärer Bands jedes Zeitalters, denn so ein Grufti legt Wert auf seine musikalischen Wurzeln und wird sauer, wenn man Siouxsie & The Banshees, Bauhaus oder Joy Division nicht kennt.

Wer jetzt stöhnt, weil das ja alles in Arbeit ausartet, sollte sich noch mal vor Augen führen, wie attraktiv das Ziel ist! Ein waschechter Grufti bringt alles mit, was eine traumhafte Partnerschaft braucht. Vermutlich. Sonst würde es ja wohl keine Anleitung dafür geben. Möglicherweise ist es dann sogar besonders klug, ein Gothic zu werden UM einen Partner zu finden!

Teil 2 – Das Interesse mündlich bekunden

Attract a Goth Girl - wikihow
Hier bekundet das Männchen sein Interesse, nachdem er sich bereits äußerlich angepasst hat. Hat sie dann einen braunen Brustbeutel ?!?!?  (c) wikiHow – Mit freundlicher Genehmigung | Image courtesy of wikiHow.com from the Article https://www.wikihow.com/Attract-a-Goth-Girl

Jetzt gehts ans Eingemachte. Nach Nächten im Lesesessel, vor dem Fernseher und mit Kopfhörern am Smartphone. Von der klickreichen Recherche von Schmink-Stilen und Styling-Varianten ausgelaugt und genervt von noch jedem absurden Teil eine Gothic-Persönlichkeit kommt jetzt der große Augenblick. Die Begehrlichkeit anbaggern.

Jetzt interessiert man sich nämlich erstmal direkt für sein Gegenüber und lotet aus, ob es möglicherweise individuelle und nicht szenemäßige Interessen und Leidenschaften gibt. Ja, das hat die Anleitung richtig erkannt, wir interessieren uns auch für Dinge außerhalb unseres lichtlosen Kosmos. Manchmal sogar für ganz verrückte Dinge wie Sport, Politik, Modellbau oder Pferdezucht.

Öffne Dich für neue Dinge

Ja, offensichtlich müssen sich Menschen auch heute noch für Dinge öffnen, die sie noch nicht kannten. Nachts mit Grabsteinen kuscheln zum Beispiel. Dazu musst du herausfinden, was Dein Gegenüber denkt und lernen, dass man auch mal bei Dingen einer anderen Meinung sein kann: „You don’t have to think the same things she does, but respect her views and show her you’re interested in what’s important to her.“ Für die Kompromisslosen endet hier übrigens schon das Kennenlern-Spielchen, denn wenn man beispielsweise nicht bereit ist, als Veganer einen Vegetarier oder sogar einen Fleischesser zu akzeptieren, ist wahrscheinlich schon wieder Schluss. Ihr könnt ja mal diesen Gedanken durchspielen.

Übrigens verfallen an dieser Stelle viele Menschen dazu, sich selbst in einem anderen Licht darzustellen um zu gefallen, das hat sogar die Anleitung erwähnt. Ich kürze es aber ab und bringe eine schmissige Metapher. Lasst das einfach sein. Pikes die nicht passen, sollte man nicht tragen. Das gibt Blasen.

Verifiziere, was die oder der Angebetete sagt

Mit anderen Worten. Wenn du keine Ahnung hast, von dem was dein Schwarm gerade erzählt, frag nach und mach keinen auf Allwissend. Das ist übrigens eins meiner Hauptprobleme (gewesen). Früher habe ich immer aufmerksam zugehört und natürlich bedeutungsschwanger genickt, wenn ich was nicht verstanden oder gekannt habe. Später habe ich dann heimlich zu Hause gegoogelt. War eine doofe Idee. Ein paar Jahre später habe ich dann superoffen zugegeben. „Ich verstehe nicht, was du sagst!“ oder auch „Nein, ich habe keine Ahnung von XYZ, was ist das?“ Echt jetzt, das war eine üble Lektion für das übersteigerte Ego.

Die Anleitung meint jedenfalls, das fördere die emotionale Bindung zum Gegenüber. „This is a strong way of making her feel like you really understand what she is saying, which could lead to greater emotional honesty between you.“ Was aber nicht heißt, dass die emotionale Bindung ins Unermessliche steigt, wenn ihr den Vollpfosten spielt.

Tunnelblick, liebe Partnersucher*innen, Tunnelblick!

Wie man mit einem Gothic flirtet | (c) wikihow.com
So wird es gemacht! Kein Handy beim Pizzaessen mit den Fingern. Nicht jeder hat ein Microfasertuch dabei, um das Handy anschließend von dem Schmand zu befreien! (c) wikiHow – Mit freundlicher Genehmigung | Image courtesy of wikiHow.com from the Article https://www.wikihow.com/Attract-a-Goth-Girl

Smartphone auf leise stellen und in der Tasche lassen. Nicht darauf rumpatschen und wenn dann nur, um vielleicht Kontaktdaten auszutauschen. Sagt die Anleitung.

Echt jetzt, so was muss man erklären? Bin ich der Einzige, der eine gewisse Etikette in die Wiege gelegt bekommen hat? Muss man so was erst aufschreiben? Seinen Schwarm zu umgarnen steht doch stellvertretend für eine ganze Reihe von Höflichkeiten, oder? Und das völlig unabhängig von der Geschlechtsidentität. Bitte schreibt in die Kommentare, wenn ich da schief gewickelt bin. Ich glaube, wenn ich einem das erst erklären muss, ist es Lichtjahre davon entfernt, jemanden kennenzulernen.

Teil 3 – Jetzt aus dem Vollen schöpfen und körperliche Hingabe zeigen!

Sauber sollt ihr sein! Körperpflege ist enorm wichtig, sagt die Anleitung. Duschen, Deo benutzen, Zähne putzen. Hier muss ich jetzt beim Lesen des Originals inne halten. Also komm, den Rest schreibe ich jetzt nicht ernsthaft auf! Merkt euch: Der Gothic ist ein reinliches Wesen, auch wenn er mitunter nach Erde riecht.

Es wird noch komplizierter, denn jetzt sollen deine Zehen (!) in die Richtung der Begehrlichkeit zeigen. Ich glaube, das war mal ursprünglich der Grund für Pikes. Spitze zeigt zu Spitze, dann ist alles Paletti. Jetzt noch Augenkontakt, die Arme nicht verschränken und Hände aus den Taschen. Wie beim Vorstellungsgespräch. Körpersprache sagen die Experten dazu. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob totenblasse Gesichter, blutrote Augen, Nietengürtel und gruselige Body-Modifications nicht auch irgendwas kommunizieren. Helft mir, ich komm nicht drauf.

Das mit dem Augenkontakt sollte nicht allzu streng genommen werden, sonst starrt ihr nachher noch. Das ist peinlich. Es sei denn, ihr habt Euch auf eine Nicht-blinzeln-Challenge eingelassen. Dann die Pupillen fixieren, bis die Netzhaut glitzert!

Lächeln!

Jetzt hat sich die Anleitung verraten. Sie ist eine x-beliebige Anleitung, jemanden kennenzulernen. Von Gothics haben die nämlich überhaupt keine Ahnung. Wir lächeln nicht, sondern zeigen einen „Hauch von Lächeln“. Das ist so, als würde über deine Lippen, während sie lächeln, ein endloser Schal aus Spitze gleiten. Eben verborgen und furchtbar geheimnisvoll. Wir lachen auch nicht ausgelassen und schallend, sondern kichern böse und tiefgründig und verbergen dabei den Mund.

Vielmehr gilt es, die Kunst des ernsten, des seriösen und des traurigen Ausdrucks auf seinen Lippen zu trainieren. Gothics, das verschweigt die amerikanische Gute-Laune-Anleitung, pflegen nämlich ihre negativen Emotionen. Sie gehören zum Leben dazu und wollen auch Ausdruck auf dem Gesicht finden.

Das meint jetzt nicht, die Unterlippe rauszustrecken, um traurig zu gucken, sondern meine eine feinsinnige Balance zwischen geraden und nach unten gezogenen Lippen. Betroffenheit über die Gedanken des anderen ausdrücken, ohne den Effekt des offenen Mundes, wenn etwas ganz überraschendes kommt. Ihr versteht schon. Übt mal traurig zu gucken, ohne euch lächerlich vorzukommen.

Peitschen, Handschellen, Klebeband und Kunstblut zu Hause lassen!

Ja, hier hat die Anleitung recht. Für den Deutschen übersetzt heißt das: Nur weil uns die Boulevard-Presse „heiß, sexy und aufregend“ nennt und gerne Bilder von angeblichen Gothics mit Halsbändern oder in Lack und Latex zeigt, hat das nichts mit unseren sexuellen Vorlieben zu tun. Vielleicht sollte man diesen Tipp gleich an den Anfang des HowTos setzen.

Remember that just because a girl is goth, it doesn’t make her kinky. This is an often made misconception or cliché of the goth subculture. Being goth has nothing to do with what you like in bed. So if you like a goth girl because you think she likes kinky stuff, don’t even approach her.

Ich wette, die Zugriffszahlen werden sich daraufhin halbieren. Denn wenn die Stinos erstmals merken, dass wir hoffnungslose Romantiker oder kuschelbedürftige Plüschfledermäuse sind, ist Schluss mit der lüsternen Fantasie!

Fazit: Jede Niete findet seinen Gürtel!

Allerdings – und ich spreche aus eigener Erfahrung – gibt es innerhalb dieser Anleitung viel Spielraum für Interpretationen. Denn selbst ich, der mit Sicherheit NICHT aller Regeln der Kommunikation beherrscht und sich weder adäquat ausdrücken kann, jemanden attraktiv zu finden, noch überhaupt merkt, dass ihn jemand anziehend findet, hat ein „Goth-Girl“ gefunden. Ich war selbst so überrascht, dass ich sie letztendlich sogar geheiratet habe. Nur um ganz sicherzugehen ;)

Bei WikiHow.com gibt es diese Anleitung im englischen Original und auch als deutsche Übersetzung. Und wer keinen Bock auf lesen hat, lässt sich von Sally Landau erzählen, wie sich so einen Gothic klarmacht.

The True Story Of Punk – Vierteilige Doku ab dem 16. Januar bei ZDFinfo

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Am 16. Januar 2021 startet bei ZDFinfo die vierteilige Dokumentation „The True Story Of Punk“, die mit der Geburt des Punks beginnt und dann über immer neue Entwicklung bei den heutigen Erben des damals revolutionären Genres endet. „Punks Not Dead“ titelten die britischen Punkrocker „The Exploited“ ihr Debütalbum 1981. Ein trotziges Statement, denn bereits zum Ende der 70er Jahre wurde dem Punk in der Fachpresse der Totenschein ausgestellt.

Dennoch möchte ZDFinfo den Weg des Punks von seiner Geburt in den USA und Großbritannien bis in die heutige Zeit nachzeichnen. Über den Tod des Genres herrscht tatsächlich breite Uneinigkeit, denn für viele haben die heutigen Erben des Punks, die zwar immer noch die rotzige Flagge der Revolution schwenken, wenig mit den Wurzeln und dem ursprünglichen Geist der Bewegung zu tun.

Iggy Pop, der Frontmann der Stooges und „Godfather of Punk“ erzählt zusammen mit den letzten lebenden Resten der Ramones, The Clash, MC5, The Damned, Dead Kennedys, The Sexpistols und den Buzzcocks von der Geburt einer musikalischen Revolution, die mit provokanten Texten, rauer Musik und einer „nicht gesellschaftsfähigen“ Erscheinung das Musikbusiness auf den Kopf stellten.

In den 80er-Jahren hatte die Musikindustrie ihre Hausaufgaben gemacht, der Punk wurde poppiger und professioneller, was man in der Doku an Bad Religion und NOFX nachzeichnet. Spätestens mit Green Day, die Anfang der 90er auf der Bühne erscheinen, wird Punk zum kommerziellen Erfolgsrezept, das sich nicht nur gut verkauft, sondern über Jahrzehnte Jugendliche in der musikalischen Findungsphase abholt.

Die Doku scheut auch nicht den Blick in die Tiefe, so schaut Dave Grohl von den Foo Fighters auf die Verbindung zwischen Hardcore und Grunge, während Billy Joe Armstrong von Green Day über den Ausverkauf redet und zusammen mit Brett Gurewitz von Bad Religion über die Kommerzialisierung des Punks redet.

Und obwohl sich die Dokumentation, die Iggy Pop in den Mittelpunkt stellt, sehr amerikanisch wirkt, ist die Geschichte, die sie erzählt, außerordentlich gut gelungen. Auch kommt eine Art Botschaft gut rüber. Manchmal, so denke ich mir dabei, wirkt Punk so alt und faltig wie Iggy Pops Haut und neue Talente werden immer damit abgespeist, Punkrock sei tot und sowieso Kommerz. Dabei ist Punk nur der Inbegriff für eine wütende Jugend, die anstatt zu Steinen und Flasche zu Gitarre und Schlagzeug greift. Punk wird wohl nie sterben. Und das ist gut so.

Wer nicht warten kann, kann alle 4 Folgen der Dokumentation bereits in der Mediathek des ZDF finden, oder auch morgen ab 10:30 im „richtigen“ Fernsehen. Verpassen könnt ihr übrigens nicht, denn auch nach dem Sendetermin könnt ihr die Sendung jederzeit in der Mediathek anschauen oder herunterladen.

Alle 4 Teile der Dokumentation gibt es bereits jetzt in der Mediathek des ZDF zum anschauen | (c) ZDFinfo