Seit vier Stunden steht die Grableuchte vor dem Fußgängerüberweg. Selbst wenn es grün ist, flackert sie solange vor Unsicherheit und kann sich nicht bewegen, bis es wieder rot wird. Hätte sie doch bloß nicht das Gruft-Orakel von Alana Abendroth gelesen. Aufpassen soll sie, von Grabsteinen ist die Rede und einer neuen Liebe mit Auto. Dabei hat sie doch so Angst vor Autos und hält, dreht sich weg, wenn eines an ihr vorbeifährt und dabei droht, die Flamme auszulöschen. Und als hätte sie nicht Zwangsneurosen genug, steht jetzt auch noch geschrieben, sie solle sich von Ampeln fernhalten. Herrje. Zum Glück brennt sie stundenlang und kann im Schutze der tiefen Nacht die Straße überqueren. Wir wünschen ihr viel Glück!
Ohne Skandale, Vorverurteilungen und wilde Gerüchte ist am 29. April Rammsteins neues Album „Zeit“ veröffentlicht worden. Wir erinnern uns an „Deutschland“, als die Band sich provokativ als verkleidete KZ-Häftlinge die Schlingen um die Hälse legen ließen. Über 7 Millionen Aufrufen nach 17 Stunden, die Single-Auskopplung „Angst“ hat nach 2 Tage nicht mal die Hälfte. Demnach ist das neue Album ein Leisetreter, jedenfalls in plakativer Hinsicht. Der musikalische Inhalt bleibt Rammsteins Linie allerdings treu. Laut, brachial und vor lauter inhaltlicher Bedeutung so schwanger, dass man fast Fünflinge erwarten könnte.
Das ist das Erfolgsrezept der Berliner Band, die das Genre „Neue Deutsche Härte“ vor fast 30 Jahren populär gemacht haben. Die Ernsthaftigkeit, mit der Rammstein die Rolle der „deutschen Teutonen“ verkörpern, ist bewundernswert, die Inszenierung, mit der man sich darstellt, ist stets an irgendeiner Grenze eines vermeintlich guten Geschmacks und ihre Live-Shows zählen zu den weltweit eindrucksvollsten Spektakeln. Sie sind erfolgreich, auch – oder vor allem – im Ausland, für viele verkörpern sie mit ihrer Musik und dem Gesang von Till Lindemann das typisch Deutsche, inklusive dem rollenden „R“ mit Nazi-Attitüde.
Wen wundert es da, dass Google die Frage „Ist Rammstein rechts?“ als Erstes vorschlägt, wenn man sich mit der Band beschäftigt. Nein, sind sie nicht.
Und so polarisieren Rammstein mit ihrem 8. Studioalbum erneut ihrer Hörerschaft, was Musikwissenschaftler Peter Wicke schlüssig erklärt, denn Rammstein „halten uns einen Spiegel vor und wir fühlen uns ertappt – und lehnen das ganz vehement ab, weil das, was nicht sein darf, auch nicht sein kann. Aber irgendwie erkennen wir uns doch irgendwie alle mit unserer Kultur in diesem Projekt wieder.“
Rammstein machen Angst
Der Song „Angst“, den ich zusammen mit seinem Video schon großartig finde, bringt den aktuellen Zeitgeist auf den Punkt. Anfangs versteht man sich prächtig, grillt und lacht zusammen. Heimlich wächst aber die Skepsis voreinander, aus dem kleinen Gartenzaun werden Mauern mit Kameras, im Internet besorgt man sich vermeintliche Informationen, die eine Paranoia voreinander bedienen. Die letzte Einstellung des Videos ist dann auch sowas wie ein Stillleben einer gesellschaftlichen Angst, das den Titel „Realitätsentkopplung“ tragen könnte. Die Band verspeist genüsslich den Schokokuss, während man im Fernsehen das Leid von Mutter und Tochter betrachtet, die hinter Stacheldraht eingepfercht sind.
Es wird Zeit für Rammstein
Rammstein muss man wahnsinnig gut und total Scheiße finden. Gleichzeitig. Im Stern finden sich daher gleich zwei Artikel, der eine Autor hält das Album für gut, der andere eben Scheiße. Die Zeitschrift kann nun wirklich nicht mehr ernst nehmen. Die TAZ findet: „Männlichkeitskult aus Ostberlin: Rammstein mit neuem Album „Zeit“ und Songs, deren Strukturen klingen wie an der Baumarkt-Säge zugeschnitten.“ Der Spiegel freut sich auf das Ende der Band: „Mit provozierenden Auftritten sind sie bekannt geworden, geblieben sind nur Altherrenwitze über Botox und Brüste: Das neue Album von Rammstein könnte ihr letztes sein – schlimm wär’s nicht.“ und auch die gleichnamige Zeit fühlt sich auf den namentlichen Schlips getreten und schreibt. „Hat Andrea Berg nach ein paar Gläschen Schwarzburgunder den Existenzialismus entdeckt? Nein, es ist die neue Rammstein-Platte.“
Immerhin. Jetzt gibt es wenigstens NACH der Veröffentlichung der Platte Skandale und Gerüchte, denn viele munkeln, es könne das letzte Album der Band sein, schließlich würde man im Song „Adieu“ genau davon singen. Vielleicht ist die Zeit der Band tatsächlich erschöpft und sie ziehen die Reißleine, bevor sie als Karikatur ihrer Selbst, wie in dem Video „Zick Zack“ zu sehen, enden.
Nehmt euch mit, was ihr haben wollt. Rammstein machen es jedem leicht, sie gut oder schlecht zu finden, jeder findet seinen Reibungspunkt. Bei mir hat sich die Band Respekt erarbeitet. Anfangs hatte ich so meine Schwierigkeit mit ihrer plakativen „Deutschness“ ihrer schwülstigen Attitüde und den bedeutungsschwangeren Texten und auch die Musik, die nach dem immer gleichen Schema funktioniert, war nicht immer meins. Dennoch gibt es zahlreiche Songs, die ich großartige finde und auch ebenso viele, die ich doof finde. Unter dem Strich bleibt aber der Respekt, vor dem Fleiß, den die Band in ihrer Musik und ihren Shows zeigen. Respekt vor dem ewigen Grenzgang zwischen Provokation und Kitsch und zwischen aufgesetztem Verhalten und authentischem Ausdruck.
Die Lücke, die Rammstein mit einer Auflösung schaffen würden, füllt sicherlich niemand mehr. Das kann man gut finden oder eben – ihr wisst es schon – schlecht.
Es gibt eine ganze Menge Informationen, mit dessen Hilfe man die Entwicklung der Grufti-Szene in der DDR nachzeichnen kann. Ein ganzer Haufen Bücher, Filme und Artikel beleuchten unzählige Facetten dieser Deutsch-Deutschen Geschichte, die sich hauptsächlich unter den ostdeutschen Jugendlichen in den 80er-Jahren abgespielt hat. Wie rechtfertigen also Sascha Lange und Dennis Burmeister ihr neuestes Werk Our Darkness: Gruftis und Waver in der DDR, das am 13. Mai 2022 im Ventil-Verlag erscheinen wird?
Nachdem ich mir ein Vorab-Exemplar zu Gemüte führen durfte, sind mir einige Dinge aufgefallen, die dieses Buch durchaus rechtfertigen – allerdings nicht für jeden. Die Grundvoraussetzungen waren schon mal ideal, denn die Autoren, die bereits die Bücher „Depeche Mode Monument“ und „Behind The Wall. Depeche Mode-Fankultur in der DDR“ herausgebracht haben, glänzten schon da mit Akribie und Genauigkeit und einer geradezu erschreckenden Leidenschaft für das Zusammentragen von Informationen, die sich auch in stets in der tollen haptischen Qualität der Bücher selbst spiegelten. Diesmal kommt auch besonderer Fleiß hinzu, denn die unzähligen tollen Bilder, die man zusammengetragen hat, geben dem Buch ein extrem nostalgische Gänsehaut-Attitüde. Jedenfalls für mich.
Our Darkness: Inhalt
Ich bin 1974 geboren und damit (fast) genau in dem richtigen Alter, um mit diesem Buch auch in der eigenen Nostalgie zu schwelgen. Nicht etwa, weil ich in der DDR aufgewachsen bin, sondern weil die musikalische, popkulturelle und subkulturelle Entwicklung ganz ähnlich abgelaufen ist. Ich lege also die Erinnerungen der Leute, die sich an ihre Wave- und Gruftizeit in der DDR erinnern wie eine Blaupause auf die eigenen Erinnerung und bin erstaunt über manche Unterschiede und überrascht über viele Parallelen.
Our Darkness vermittelt einen unglaublich detaillierten Blick in ostdeutsche Kinderzimmer heranwachsender Gruftis, der mit unfassbar vielen und großartigen Bildern angereichert wird. Durch die Erzählungen der vielen Leute, die man für das Buch befragt hat, bekommt ein Gefühl davon, wie heilig beispielsweise eine Ausgabe der Bravo gewesen sein muss, wie Musik in Kopier-Session verbreitet wurde und mit wieviel Phantasie und Enthusiasmus man an einer möglichst „gruftigen“ Erscheinung arbeiten musste.
Ich erinnere mich gut daran, wie ich litt, weil ich kein paar anständige Pikes bestellen konnte und der einzige alternative Schuh-Laden in den nächstgelegenen Großstadt nie meine Größe hatte. Beim Lesen komme ich mir in der Rückbetrachtung ziemlich lächerlich vor, denn in der DDR war es faktisch unmöglich überhaupt so etwas zu erwerben. Ja, so ein bisschen peinlich berührt über die Probleme in der eigenen Jugend ist man dann schon.
Auch wenn sie die DDR ab Mitte der 80er versucht hat, sich zu „öffnen“ und mit DT64 1987 sogar seinen eigenen Jugendradio-Sender an den Start gebracht hat, bleibt bei allem, was die Jugendlichen dort trieben, ein fader Beigeschmack der Überwachung und Kontrolle. Sich in Kellern oder verfallenen Gebäuden heimlich zu treffen, um zu quatschen und leise Musik zu hören, war eine Notwendigkeit, keine Freiwilligkeit.
Das Buch beleuchtet auch diese Teil der ostdeutschen Vergangenheit, lässt aber die Eindringlichkeit zugunsten der Information auf kleiner Flamme lodern.
Obgleich die Überwachungsorgane des Staates tonnenweise Akten produzierten, Namenslisten anlegten und Verhöre durchführten, hatte das auf die Ausbreitung der Jugendkulturen in der DDR der späten 1980er Jahre keinerlei nennenswerte Auswirkungen mehr. Der Kontrollverlust wurde immer offensichtlicher, verbunden mit einer Orientierungslosigkeit, wie mit den Jugendkulturen umzugehen sei.
Mit der Wende endet dieses Buch glücklicherweise nicht, denn es stellt auch dar, wie sich ostdeutsche Grufti- und Waver-Szene in einer rasanten Aufholjagd alles das zu konsumieren versuchte, was ihnen über Jahren verwehrt geblieben war. Reisen nach London, Platten der angesagten Bands und natürlich Konzerte der Stars. Ein Cure-Konzert im August 1990 in Leipzig markiert, wenn man so möchte, das Ende einer geteilten Szene. Alles, was sich in der sterbenden DDR Grufti oder Waver nannte, war an diesem Tag in Leipzig und machten daraus ein ganz besonderes Konzert.
Auch wenn viele Gruftis- und Waver dann eigene Wege gingen, entstand aus dem Geist der Jugendlichen von damals das heutige Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Man wollte sich wohl 1992 nochmal wiedersehen, um dann in den folgenden Jahren eine spürbare Distanz zur gesamtdeutschen Szene aufzubauen. Alexandra Tchen schreibt dazu im Buch: „Über die späteren Wave-Gothic-Treffen habe ich mich eher aufgeregt, weil das für mich nur Fasching war. Mich ärgerten diese ‚Wochenendgruftis‘, denn wir hatten uns das damals hart erkämpft.„
Our Darkness: Fazit
Auch wenn die meisten Informationen und Hintergründe schon vielfach aufgeschrieben wurden, bietet „Our Darkness“ eine komplette Zusammenfassung der ostdeutschen Grufti- und Waverszene. Hier wurde nicht nur lieblos aneinandergereiht, sondern akribisch recherchiert und zusammengetragen. In vielen Dinge pulsiert die Leidenschaft der beiden Autoren für das Thema aus jedem Abschnitt dieses Buches. Besonders hervorzuheben sind die vielen tollen Bilder, die man zusammengetragen hat, die ich in so einer Ansammlung noch nicht gefunden habe. Optimal finde ich auch, dass das Buch nicht mit dem Fall der Mauer in seinen Erzählungen stoppt, sondern den Bogen auch in die „Post-DDR-Zeit“ spannt.
Our Darkness – Eine Gruppe von Gruftis posieren. Einige Beteiligte wollten auch nach 30 Jahren unkenntlich gemacht werden | (c) Malte Freymuth
Allerdings bietet das Buch für Leser, die ebenso leidenschaftlich lesen, wie die Autoren schreiben, keine neuen und bahnbrechenden Erkenntnisse, Geheimnisse oder Einblicke, denn dieser Teil der deutschen Geschichte ist nur einmal passiert und vielfach und aus verschiedenen Blickwinkeln nacherzählt worden. Auch geht für meinen Geschmack in der Fülle der Informationen, Fakten und Bilder die Tiefe verloren, die ich mir persönlich gewünscht hätte.
Aber das ist, wie könnte man es anders vermuten, jammern auf höchstem Niveau. Ich bin mir sicher, dass ich mir auch dieses Mal ein Exemplar des Buches ins Regal stellen werde.
Wer möchte, kann auch eine Lesung der Autoren besuchen: Am 17. Mai in Rüsselsheim, am 18. Mai in Leipzig, 21. Mai Potsdam, 25. Mai Berlin, 25. Juni Erfurt, 27. Juni Karlsruhe, 07. September Bremen und am 8. September in Lübeck. Alles Weitere dazu erfahrt ihr hier.
Seit 40 Jahren gibt es die Toten Hosen, die als Nachfolger von ZK Anfang 1982 im Ratinger Hof in Düsseldorf gegründet wurden. Zu ihrem runden Bandjubiläum hat der SWR eine ganz besondere Geschichte ausgegraben und aus dieser eine dreiteilige Dokumentation gemacht. Es geht um ein geheimes und zutiefst illegales Konzert, das man 1983 in Ostberlin organisierte, um das sich bis heute wilde Legenden ranken.
Zugegeben. Ich gehörte damals nicht zu den Fans der Toten Hosen, sondern war eingefleischter Ärzte-Anhänger. Irgendwie gab es da zwischen den einzelnen Lagern der Fans auch eine schwelende Feindschaft, von der eigentlich niemand wusste, woher sie stammte. Angeblich gab es da ein Konzert der Hosen im Ballhaus Tiergarten, bei dem auf die Band „Die Suurbiers“ auftraten, die wiederum die Ärzte auf die Gästeliste setzten. Daraufhin soll Campino ausgerastet sein und hat Backstage einen Schrank zerstört. Es soll sogar eine Schlägerei gegeben haben. Könnte aber auch ein Gerangel gewesen sein. Daraus zauberte man jedenfalls in der Presse eine „Feindschaft“ an der sich hauptsächlich die Fans orientierten.
Allerdings hatten die Hosen Rückblickend einen Stein mehr im Brett der Legenden, auch wenn ich die Ärzte immer noch besser finde. So heißt es in der ARD Mediathek:
Bald nach ihrer Gründung vor 40 Jahren führen Die Toten Hosen die Stasi an der Nase herum. Die wilde Kombo aus dem Westen wittert die Chance, gemeinsam mit den Ost-Punks jenseits der Mauer ein Statement gegen das System zu setzen. Und so spielen die Musiker Campino, Andi, Breiti, Kuddel und Trini ein heute legendäres Geheimkonzert in einer Kirche, mitten in der damaligen DDR.
Das haben die Ärzte nicht hinbekommen, auch wenn es geplant war. Die Dokumentation erzählt diese Geschichte, interviewt die Hosen und damalige Weggefährten und besucht auch damalige Schauplätze.
Wie die Veranstalter des Wave-Gotik-Treffen in einem Newsletter mitteilten, findet das WGT 2022 wie gewohnt auf dem AGRA-Gelände statt. Die Stadt Leipzig hat sich dazu entschlossen, das Gelände erst später für die Unterbringung der Flüchtenden aus der Ukraine zu nutzen. In der LVZ lässt sich Finanzbürgermeister Torsten Bonew zitieren: „Die in Leipzig zur Verfügung stehenden Kapazitäten an Unterbringungsmöglichkeiten machen diesen Schritt möglich.“ Man habe die Bedeutung des Treffens für die Stadt erkannt und sich auch so die rund 700.000 Euro Mehrkosten, die bei einer Verlegung auf die neue Messe Leipzig angefallen wären, gespart.
Neue Messe offenbar keine Alternative
Bereits kurz nach der Ankündigung des Veranstalters, das Wave-Gotik-Treffen nicht auf dem AGRA-Gelände ausrichten zu können, kam die Neue Messe Leipzig im Norden der Stadt ins Gespräch. Zwischen der Stadt Leipzig, dem Veranstalter des WGT und der Leipziger Messe fanden Gespräche statt, aus denen jedoch keine konkreten Pläne folgten. Für viele WGT-Fans, die sich in den sozialen Medien über die Pläne austauschten, wäre das moderne Messegelände keine Alternative gewesen. Viele fürchteten um den Charme der Veranstaltung.
In einem Statement und Rundschreiben der Veranstalter zeigte man sich nach den Verhandlungen erleichtert und freute sich, dass die Stadt Leipzig „ihrer Verantwortung in allen Belangen gerecht werden kann.“ Demnach wird der Aufbau von Zelten in Halle 1 abgebrochen, um den Platz für den üblichen Markt freizumachen, lediglich ein kleineres Nebengebäude fällt weg, das als Lager für Zelte und Betten dient, welche die Stadt bereits aufgebaut hatte. Der Stadt wäre eine Verlegung der Veranstaltung teuer zu stehen gekommen, Finanzbürgermeister Bonew spricht von rund 700.000 Euro Mehrkosten. Offenbar hat man sich deshalb entschlossen, die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen zu verschieben.
In den sozialen Netzwerke ist die Freude groß, dass alles „beim Alten“ bleibt und man nun endlich „verlässlich planen kann„, wie die Kommentare in der größten WGT-Gruppe mit über 32.000 Mitgliedern zeigen. Die größten Sorgen sind nun offensichtlich, wo man noch kurzfristig ein Hotelzimmer buchen kann, da viele Unterbringungsmöglichkeiten und günstige Pensionen bereits Kriegsflüchtlinge beherbergen. Nur zur Info: Ich werde an diesem WGT nicht teilnehmen.
Klar, ein Herz ist kein Knochen, der auf Röntgenbilder deutlich offenbart, wenn er gebrochen ist. Ein gebrochenes Herz ist wohl eher eine Metapher für eine einseitig beendete Beziehung zweier Menschen. Bevor jetzt die ganz Schlauen kommen, es auch nicht das Broken-Heart-Syndrom gemeint, bei dem das Herz im medizinischen Sinne bricht. Als brandneue Neuerscheinung nehme ich mit dem Herzthema Bezug auf Mika Sawyer und den Song „Wie es ist“, ein absolutes Erstlingswerk, das irgendwann als Nachricht aufpoppte und der von einem gebrochenen Herz handelt. Mika kenne ich schon seit mindestens 7 (!) Jahren von einem Spontis-Family-Treffen auf dem WGT. Ehrensache, dass das Video hier einen Platz findet, wir sind gespannt, wie es musikalisch weitergeht.
FEE Lion – Baby
Die US-amerikanische Künstlerin Fee Lion (Justina Kairyte) hat sich wieder eine neue Musikrichtung ausgedacht und beschreibt ihren Sound als „Meditative Art Music“ – Ich würde da – jedenfalls in ihrem aktuellen Video – in Richtung Witch-House tendieren. Aber mein Goth, wenn keiner in beschriftete Schubladen will, bitte schön. Das Magazin „Ladygunn“ beschreibt es so: „Hedonistische House-Beats, die unerbittlich pumpen, bis das Tageslicht auf die Masse der Nachtschwärmer zu tröpfeln beginnt.“ Und ja, spätestens in der Mitte des Tracks möchte ich mich auch von hedonistischen Beats auf der nebelgeschwängerten Tanzfläche volltröpfeln lassen. Richtig gut.
Boy Harsher – Autonomy
Die, von denen man eigentlich erwarten sollte, dass irgendwas pumpt und tröpfelt, haben sich in eine für mich neue musikalische Richtung entwickelt. Seicht und poppig-plätschernd windet sich der Song „Autonomy“ von Boy Harsher in die Gehörgänge, verströmt den Sound der 80er ohne aber altbacken und fade zu klingen. Dazu noch so ein Video im Hill-Billy-Style mit schwoofenden Damen in 3er-Cheografie und schon wird daraus wieder so ein Ding, wo man nicht weggucken kann. Ich mag die abwechslungsreiche Bandbreite der Musiker aus der ältesten Stadt des US-amerikanischen Bundesstaats Georgia, Savannah. Mir fällt gerade auf, dass ich mal zurück nach Europa kommen sollte.
Kite – Panic Music
Die beiden Schweden Nicklas Stenemo und Christian Berg von Kite wurden mal irgendwo „Schwedens Pop-Geheimnis“ genannt, ohne einzuordnen, ob das nun gut oder schlecht gemeint ist. Unterwegs sind sie schon seit über 10 Jahren, allerdings sind sie mir persönlich erst jetzt zu Ohren gekommen. Das mag an ihrer eigenwilligen Marketing-Strategie liegen, die sie mal in diesem Interview äußerten: „Zwinge den Menschen deine Musik nicht Social-Media, Radiohits oder zu vielen Interviews auf. Es ist besser, die Musik durch Mundpropaganda verbreiten zu lassen.“
Betonprosa – Wie es ist
Eben noch auf der Wiese hinter der Moritzbastei, jetzt auf einer brennenden Bühne! Gut, dieser Schnitt mag für uneingeweihte Gruftis sehr scharf klingen, ist aber Mika Sawyer und dem Projekt „Betonprosa“ geschuldet. Eine Selbstverständlichkeit, dass ich Mika hier einen Platz freimachen muss. Mein Herz wurde allerdings nicht gebrochen und so bleibt es der Phantasie überlassen, auf wen sich die folgenden Zeilen beziehen: „Ich hab mich jahrelang gefragt; Wie es wohl ist, wenn dein Herz bricht; Aber jetzt wo es soweit ist; Bedeutet es mir nichts“ – Vielleicht müssen wir aber auch einen Schritt zurücktreten und das Gesamtwerk betrachten. Auf die Frage hin, wen oder was Mika im Song thematisiert, erhielt ich folgende Antwort: „Ich glaube für den Song ist es wichtiger, dass wir selbst die Deutungshoheit behalten über unser Erleben, Denken und Fühlen – und das ist in dem Falle dann eben wahrscheinlich am ehesten Wut.“ Und ja, Wut kann ein durchaus produktives Gefühl sein. Spontis ist gespannt, ob wir bald mehr zu berichten haben.
Der brutale und unmenschliche Krieg von Putins Regime gegen die Ukraine sorgt täglich für schockierende Nachrichten. Während der Präsident die Ukraine in unermessliches Leid stürzt, regiert er sein eigenes Volk mit eiserner Faust und allgegenwärtiger Propaganda. Staatsmedien und Behörden diktieren, was verbreitet, gesendet oder ausgestrahlt werden darf. Die Menschen in Russland werden gespalten, selbst Väter glauben ihren Kindern nicht, dass in der Ukraine Krieg herrscht. Für die pauschalisierende Sichtweise vieler Menschen außerhalb des Landes sind sämtliche Russen die Bösen. Dabei sind oppositionelle Stimmen nur ausgeschaltet oder weggesperrt, kritische russische KünstlerInnen und AktivistInnen geflohen oder versteckt.
ARTE hat jetzt ein „Tracks Spezial“ herausgebracht, das russischen Kulturschaffenden ein Forum des Widerstands, des Protestes und der Solidarität gibt. Es ist online bei ARTE zu sehen und wird darüber hinaus auch in russischer Sprache bei ARTE und den YouTube-Kanälen der Deutschen Welle und „Tracks“ gezeigt.
Tränen in Russland
Die 36-jährige russische Influencerin Olga Buzowa weint bitterlich vor laufender Kamera, das sonst so makellose Äußere scheint aus der Form geraten zu sein. Mit zittriger Stimme verkündet sie ihren rund 23,3 Millionen Followern: „Mein Leben wurde mir genommen„. Rund 700.000 mal wird dieses Video abgerufen, bevor es endgültig verschwindet. Nachdem Twitter und Facebook bereits seit einiger Zeit gesperrt sind, wurde zuletzt auch Instagram in Russland abgeschaltet, ein russisches Gericht hat die sozialen Dienste von Meta sogar jüngst als extremistisch eingestuft. „Die Aktivitäten der Meta-Organisation sind gegen Russland und dessen Streitkräfte gerichtet.“
Viele dieser Nachrichten prägen den Eindruck, als würde man den Russland den Krieg gegen die Ukraine nicht bemerken oder diesen völlig realitätsfremd wahrnehmen, allerdings schenkt man dieser Tage den vielen kritischen Russen – die es vor allem unter den Kunstschaffenden gibt – wenig Aufmerksamkeit. Wie auch, wenn sämtliche modernen Wege, Protest, Widerstand und Kritik abgeschaltet sind?
Der erfolgreiche russische Rapper „Morgensthern„, der bisher eher als typischer Poser-Rapper mit Blödel-Attitüde geglänzt hat, lebt zurzeit in Dubai und hat mit „12“ ein sehr kritisches Video zur Situation in Russland und der Ukraine veröffentlicht und bereits über 12 Millionen Views damit erreicht, wie ARTE Tracks berichtet.
Am Ende des Videos ist eine Voicemail der Mutter seines ukrainischen Produzenten Palagin zu hören. „Mein Sohn, heute Morgen wurde unser Dach fast weggefegt. Zuerst wollten wir fliehen, sind dann aber doch nach Hause zurückgegangen. Wir haben jetzt den Keller zum Bunker umfunktioniert und wohnen da, mach dir keine Sorgen mein Junge.“
Auch IC3PEAK haben sich vor der Veröffentlichung ihres aktuellen Songs „Dead but Pretty“ dazu entschlossen, ihr Land zu verlassen. Nicht zuletzt, weil sie schon seit Jahren auf der „schwarzen Liste“ stehen und sie – wie Spontis jüngst berichtete – viele Kremlkritische Songs herausbringen. Doch sie sind nicht die einzigen KünstlerInnen mit dem Anspruch, zumindest kulturellen Widerstand zu leisten.
Tracks Spezial – Ein Blick hinter die russische Kulisse der Leugnung
Viele russische Künstler leben im Exil, „Tracks Spezial“ gibt Bands wie IC3PEAK, Face, Oxxxymiron oder auch Pussy Riot oder auch Social-Media-Stars wie Nikita Sass eine Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Mehrheitlich musste sie dafür ihr Land verlassen, wenn sie die Möglichkeit dazu hatten.
Sie zeigen ein anderes Bild der russischen Bevölkerung. Anastasia Kreslina, Sängerin von IC3PEAK räumt jedoch auch ein, „Resignation“ zu empfinden, weil die meisten Menschen in Russland sich mit dem zufriedengeben, was das Fernsehen sendet und überhaupt nicht daran interessiert seien, sich alternativ zu informieren.
Unter dem aktuellen Präsidenten Putin wird kein freies Russland mehr Realität werden. Rosige Zeiten sind nicht in Aussicht, eher ein düsteres Klima der Unmenschlichkeit. Ich wünsche mir sehr, dass mehr KünstlerInnen aus Russland ihre Stimme dazu nutzen, Brücken zwischen ihren Anhängern und der Realität zu bauen.
Es ist eine Last. Jetzt ist der Werwolf schon einmal so gut im Flow und hat bereits sämtliche Schubladen aufgeräumt. Jetzt sitzt er in seiner Menschengestalt vor den zwei zu entsorgenden Schränken, die Alana Abendroth ihm im aktuellen Orakel aufgebrummt. Der nächste Vollmond ist am 16. April und ohne seine übermenschlich-mythische Erscheinung sieht er sich nicht in der Lage, die Schränke auch nur zu bewegen. Er wünschte, die Autorin des Orakels würde sich mal in seine Situation einfühlen und solche Eingebungen KURZ vor dem Vollmond verfassen! Immerhin kann er dann auch schon fast der Grableuchte helfen, denn die fühlt sich aufgrund fehlender Arme nicht in der Lage, die riesigen Kerzenstummel aus ihrer Wohnung zu entfernen.
In einem Podcast mit dem Titel „Darklands“ nehmen sich Thomas Thyssen und Henryk Gericke die 80er-Jahre zur Brust, die prägendste Zeit des Dark Wave. Tatsächlich hätte ich mich mit diesem Satz schon alles Wichtige gesagt, denn sowohl Thyssen (Musikjournalist, DJ) als auch Gericke (Autor, DJ) sind ausgewiesene musikalische Experten mit beruflichem Mitteilungsdrang und einer inhaltlicher Qualität, die ihresgleichen sucht. Aber das ist nur meine Einschätzung, urteilt selbst. Für Deutschlandfunk Kultur waren jedenfalls beide zusammen im Studio und haben den Dark Wave der 80er-Jahre musikalisch und subkulturell unter die Lupe genommen. Die Sendung ist jetzt in der Mediathek als Podcast verfügbar und wir in der Nacht von Samstag auf Sonntag, den 3. April 2022 um 00:05 bundesweit gesendet.
Dark Wave Projektionsfläche für Angst und Melancholie
Chapeau, Deutschlandfunk Kultur. In Zeichen medialer Reizüberflutung und dem daraus resultierenden Zeigefinger des Damokles über der „Skip“ Taste hat man es geschafft, mich an die Kopfhörer zu fesseln. Das kommt allerdings nicht von ungefähr, denn Margarete Wohlan vom DK hat nicht nur mit ihren beiden Protagonisten der Sendung ein perfekte Besetzung zum Thema versammeln können, selbst die Sprecherin der Sendung, Mona Mur, hat für eingeweihte Ohren schon ikonischen Status.
Inhaltlich geht es um die musikalische Entwicklung des Dark Wave, der in den 80er Jahren in einer Art Zeitgeist abbildete, was in der Welt und im damals noch geteilten Deutschland passierte. Dabei blieben erstmals Gefühle wie Angst, Melancholie und Hoffnungslosigkeit keine unausgesprochenen Gedanken, sondern bildeten sich in Form von Texten in der Musik ab. Dabei stellen Thyssen und Gericke in ihrer Sendung inhaltliche und musikalische Eigenheiten der Ost- und Westdeutschen Szene gegenüber und vergleichen, inwiefern sie sich glichen und wo sie sich unterschieden. Allerdings bleibt man nicht den 80er Jahren zurück, sondern befasst sich auch mit der Entwicklung der Szene in den 90er-Jahren und gibt interessante Einblicke, wie immer neue Einflüsse von Außen für einen Fortbestand der Gothic-Szene sorgten.
Mit dem Ende der deutschen Teilung und der Auflösung der Sowjetunion verlor sich die Gesellschaft in ein kollektives Happy-Rave Gefühl. Die Gothics waren der Gegenentwurf dazu und sorgten damit – so Thyssen und Gericke – für den Zenith der Gothic-Bewegung. Doch auch wenn sich danach alles zerfaserte und in immer neue Nischen auflöste, scheinen es im April 2022 wieder toxische Weltereignisse zu sein, die den beiden den Glauben abzuringen scheinen, dass „Gothic“ ein Wiedergeburt erfährt.
Wenn es eine Wechselbeziehung zwischen Cold-War und Cold-Wave gibt, können wir auf eventuell auf eine Renaissance der deutschsprachigen Gothic gefasst sein.
Bei der all der Lobhudelei bleibt lediglich ein Wermutstropfen zurück. In der Podcast-Version in der Mediathek sind lediglich einige Sekunden der jeweiligen Songs zu hören, nur in der „Live-Sendung“ im Radio werden die Lieder in voller Länge gespielt.
Minicave präsentiert zusammen mit Dark Skies Over Witten ein kleines, aber feines Festival für kurzentschlossene Spontan-Gruftis, denn bereits am kommenden Samstag, dem 02. April 2022 ist es soweit. Dann geben sich die Traitrs aus Canada, die Korinthians aus Belgien und Telegram Frank die Ehre auf der Studiobühne in der WERK-Stadt in Witten. Ein paar von den auf 150 Stück begrenzten Tickets sind noch zu haben. Es gelten selbstverständlich die 2G+ Regeln.
Und ja, im Augenblick brechen wieder viele Events durch die dicke Eisschicht auf dem Meer der Veranstaltungen. Viele können wir nicht vorstellen, weil mir die Kapazitäten bei der Veranstaltungsverwaltung fehlen. Deshalb postet ruhig eure Events in unseren „Dunkeltanz„, damit sie im passenden Bereich gesehen werden können. Leidenschaftliche Helfer dürfen sich aber auch gerne an uns wenden.
Damit ihr einen Vorgeschmack auf das musikalische Angebot erhaschen könnt, hier ein paar Einlagen der angepriesenen Bühnenhelden. Bleibt gesund!