Während der Countdown zum WGT 2025 die Tage herunterzählt und der MDR mit Tipps zum Wave-Gotik-Treffen ein Feuerwerk abbrennt, stellt Orphi in ihrer WGT-Glosse die wirklich wichtigen Fragen des Treffens. Gehen wir der Sache mit der Szene mit einem Augenzwinkern auf den Grund und erkennen zuletzt den seriösen Hintergrund!
Es ist jedes Jahr dasselbe und trotzdem jedes Mal ein Schock: An Pfingsten brennt die Sonne mit einem satanischen Lächeln vom Himmel über Leipzig. Während sich Normalsterbliche nicht aus der Wohnung wagen oder höchstens einen Ausflug an einen kühlen See machen, rennen wir Gruftis in kompletter Montur durch die Stadt und schwitzen. Die Sonne knallt erbarmungslos auf Samt, Kunsthaar und zehn Lagen Schminke.
Und das ist noch nicht alles: Es ist fürchterlich hell. Man hat sich stundenlang zurechtgemacht, jede Brosche sitzt, die Corsage nimmt einem den Atem, der Lidstrich reicht bis in den Schläfenbereich – und dann stolpert man in gleißendes Sonnenlicht, das jeden Vampir sofort zu Asche zerfallen ließe. Nur wir halten durch. In Würde, aber mit Mühe.
Zwischen dem Agra-Gelände und dem Hauptbahnhof spielt sich ein seltsames Schauspiel ab: Düstere Gestalten, die eigentlich für Nacht und Nebel gemacht sind, huschen wie Schattenwesen von einem Baum zum nächsten. Sie sind auf der verzweifelten Suche nach einem Meter Schatten. Schwarze Kleidung zieht die Hitze an – das Ergebnis sind fünf Tage Sauna in Stiefeln. Da helfen weder Fächer noch Sonnenschirm. Wer Glück hat, kann sich bis zum Einbruch der Dunkelheit verkriechen, doch das Programm beginnt oft bereits mittags. Und man will ja sehen und – seien wir ehrlich – oft auch gesehen werden.
Abends, wenn es endlich dämmert, beginnt dann des Gruftis eigentliches Element – könnte man meinen. Doch die Körper dampfen in den aufgeheizten Hallen weiter. Der Schweiß tropft nicht nur von der Stirn, sondern auch von der Decke. Die Nebelmaschine röchelt, die Wimpern kleben und irgendwo fällt eine berüschte, gekalkte Edeldame elegant in Ohnmacht. Wie sollen da düstere Vibes entstehen, wenn man sich fühlt wie eine übelriechende Gewürzgurke im Glas?
Zeit für ein paar konstruktive Vorschläge:
- Vampirpass fürs Nachtprogramm
Ein offizieller „Sonnenvermeider-Pass“, der exklusiven Zugang zur WGT-After-Dark-Version mit Konzerten, Lesungen und Märkten nach Sonnenuntergang ermöglicht. - Tragbare Grufti-Gefriertruhen
Rucksäcke mit integriertem Kühlaggregat, wahlweise in Sargform oder als viktorianische Teekiste. Sie verfügen über Fächer zum Verstauen von Schminke, eiskalten Getränken und kleinen Eiswürfeln für eine spontane Eigenkühlung im Park. - Das WGT-Eissarg-Mobil
Ein fahrbarer Eiswagen, der kostenlos blutrote Sorbets und schwarze Lakritzeiskugeln in stilechten Totenkopfschalen verteilt. Beim Näherkommen spielt der Wagen düstere Walzermelodien. - Der Schattenlotse
Eine App mit Live-Schattenkarten von Leipzig inklusive GPS-Tracking der schattenspendendsten Strecken vom Agra-Gelände bis zur Moritzbastei. Es gibt Warnungen bei sonnigen Plätzen und Bonuspunkte für besonders stilvolles Schleichen entlang von Friedhofsmauern. - Eyeliner mit Hitzeschutzfaktor 50+
Endlich ein Produkt, das beim Schmelzen in ein dramatisches Tropfendesign übergeht – inspiriert von Dalí. Limited Edition: „Melted Elegance“. - Die „Schwarze Brise“ – mobile Kühlstationen
Strategisch aufgestellte Zelte mit Nebeldüsen, düsteren Beats und einem kalten Aufguss aus Holunderblüten und Melancholie. Eintritt nur in Samt oder Lack. Flipflops? Keine Chance. - Kollektives Grufti-Überhitzungs-Protokoll (GÜP)
Ab 32 °C gemeinsames Umfallen. Danach folgt das langsame Wiederaufstehen mit theatralischem Seufzen und dem Duft von verbrannter Poesie. Das gibt Extrapunkte fürs nächste Szene-Ranking. - Sonnenschirme entlang der Straßen mit integriertem Soundmodul
Jede Bewegung löst einen dramatischen Streicherklang oder ein Kirchenorgel-Grollen aus. Für stilvolle Auftritte auf heißem Asphalt. - Die „WGT-Exorzismus-Lounge“
Ein klimatisierter Ruhebereich, in dem unter Weihrauchdunst und gregorianischem Gesang das Böse – in diesem Fall die Sonne – aus der Seele getrieben wird. Ein kaltes Fußbad mit Lavendel und schwarzer Minze ist inklusive. - Der CryoSarg™ 666 – Für das kühle Grauen unterwegs
Ein eleganter Klapp-Sarg aus ultraleichtem Carbon mit UV-Schutz, ausklappbaren Rollen und integriertem Miniventilator. Tagsüber als schattiger Rückzugsort nutzbar, nachts einfach aufstellen, reinlegen – und in Würde regenerieren. Features:- Innenklima bei konstant 17 Grad, unabhängig von der Leipziger Höllenhitze
- Nebelintervallfunktion (wahlweise: Friedhofsfeuchte, Vampirgruft, oder Patchouli-Wolke)
- Eingebaute Soundkulisse: dumpfer Donner, leise Orgelmusik oder monotones Seufzen
- Notfall-Kühlstoß auf Knopfdruck bei Begegnung mit Touristen in Shorts
- Solarbetrieben – Ironie inklusive
Man könnte natürlich auch einfach im Hotelzimmer bleiben, das Fenster verdunkeln, Cold-Wave auflegen und sich ein Glas Absinth gönnen. Aber das wäre zu einfach. Leiden gehört dazu. Und wer mit Eyeliner im Schmelzpunktbereich tanzen kann, hat sich sein Szeneabzeichen sicher verdient.