Pfingsten in der Hölle – Warum Gruftis das WGT meiden sollten

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Während der Countdown zum WGT 2025 die Tage herunterzählt und der MDR mit Tipps zum Wave-Gotik-Treffen ein Feuerwerk abbrennt, stellt Orphi in ihrer WGT-Glosse die wirklich wichtigen Fragen des Treffens. Gehen wir der Sache mit der Szene mit einem Augenzwinkern auf den Grund und erkennen zuletzt den seriösen Hintergrund!

Es ist jedes Jahr dasselbe und trotzdem jedes Mal ein Schock: An Pfingsten brennt die Sonne mit einem satanischen Lächeln vom Himmel über Leipzig. Während sich Normalsterbliche nicht aus der Wohnung wagen oder höchstens einen Ausflug an einen kühlen See machen, rennen wir Gruftis in kompletter Montur durch die Stadt und schwitzen. Die Sonne knallt erbarmungslos auf Samt, Kunsthaar und zehn Lagen Schminke.

Und das ist noch nicht alles: Es ist fürchterlich hell. Man hat sich stundenlang zurechtgemacht, jede Brosche sitzt, die Corsage nimmt einem den Atem, der Lidstrich reicht bis in den Schläfenbereich – und dann stolpert man in gleißendes Sonnenlicht, das jeden Vampir sofort zu Asche zerfallen ließe. Nur wir halten durch. In Würde, aber mit Mühe.

Zwischen dem Agra-Gelände und dem Hauptbahnhof spielt sich ein seltsames Schauspiel ab: Düstere Gestalten, die eigentlich für Nacht und Nebel gemacht sind, huschen wie Schattenwesen von einem Baum zum nächsten. Sie sind auf der verzweifelten Suche nach einem Meter Schatten. Schwarze Kleidung zieht die Hitze an – das Ergebnis sind fünf Tage Sauna in Stiefeln. Da helfen weder Fächer noch Sonnenschirm. Wer Glück hat, kann sich bis zum Einbruch der Dunkelheit verkriechen, doch das Programm beginnt oft bereits mittags. Und man will ja sehen und – seien wir ehrlich – oft auch gesehen werden.

Abends, wenn es endlich dämmert, beginnt dann des Gruftis eigentliches Element – könnte man meinen. Doch die Körper dampfen in den aufgeheizten Hallen weiter. Der Schweiß tropft nicht nur von der Stirn, sondern auch von der Decke. Die Nebelmaschine röchelt, die Wimpern kleben und irgendwo fällt eine berüschte, gekalkte Edeldame elegant in Ohnmacht. Wie sollen da düstere Vibes entstehen, wenn man sich fühlt wie eine übelriechende Gewürzgurke im Glas?

Zeit für ein paar konstruktive Vorschläge:

  1. Vampirpass fürs Nachtprogramm
    Ein offizieller „Sonnenvermeider-Pass“, der exklusiven Zugang zur WGT-After-Dark-Version mit Konzerten, Lesungen und Märkten nach Sonnenuntergang ermöglicht.
  2. Tragbare Grufti-Gefriertruhen
    Rucksäcke mit integriertem Kühlaggregat, wahlweise in Sargform oder als viktorianische Teekiste. Sie verfügen über Fächer zum Verstauen von Schminke, eiskalten Getränken und kleinen Eiswürfeln für eine spontane Eigenkühlung im Park.
  3. Das WGT-Eissarg-Mobil
    Ein fahrbarer Eiswagen, der kostenlos blutrote Sorbets und schwarze Lakritzeiskugeln in stilechten Totenkopfschalen verteilt. Beim Näherkommen spielt der Wagen düstere Walzermelodien.
  4. Der Schattenlotse
    Eine App mit Live-Schattenkarten von Leipzig inklusive GPS-Tracking der schattenspendendsten Strecken vom Agra-Gelände bis zur Moritzbastei. Es gibt Warnungen bei sonnigen Plätzen und Bonuspunkte für besonders stilvolles Schleichen entlang von Friedhofsmauern.
  5. Eyeliner mit Hitzeschutzfaktor 50+
    Endlich ein Produkt, das beim Schmelzen in ein dramatisches Tropfendesign übergeht – inspiriert von Dalí. Limited Edition: „Melted Elegance“.
  6. Die „Schwarze Brise“ – mobile Kühlstationen
    Strategisch aufgestellte Zelte mit Nebeldüsen, düsteren Beats und einem kalten Aufguss aus Holunderblüten und Melancholie. Eintritt nur in Samt oder Lack. Flipflops? Keine Chance.
  7. Kollektives Grufti-Überhitzungs-Protokoll (GÜP)
    Ab 32 °C gemeinsames Umfallen. Danach folgt das langsame Wiederaufstehen mit theatralischem Seufzen und dem Duft von verbrannter Poesie. Das gibt Extrapunkte fürs nächste Szene-Ranking.
  8. Sonnenschirme entlang der Straßen mit integriertem Soundmodul
    Jede Bewegung löst einen dramatischen Streicherklang oder ein Kirchenorgel-Grollen aus. Für stilvolle Auftritte auf heißem Asphalt.
  9. Die „WGT-Exorzismus-Lounge“
    Ein klimatisierter Ruhebereich, in dem unter Weihrauchdunst und gregorianischem Gesang das Böse – in diesem Fall die Sonne – aus der Seele getrieben wird. Ein kaltes Fußbad mit Lavendel und schwarzer Minze ist inklusive.
  10. Der CryoSarg™ 666 – Für das kühle Grauen unterwegs
    Ein eleganter Klapp-Sarg aus ultraleichtem Carbon mit UV-Schutz, ausklappbaren Rollen und integriertem Miniventilator. Tagsüber als schattiger Rückzugsort nutzbar, nachts einfach aufstellen, reinlegen – und in Würde regenerieren. Features:

    • Innenklima bei konstant 17 Grad, unabhängig von der Leipziger Höllenhitze
    • Nebelintervallfunktion (wahlweise: Friedhofsfeuchte, Vampirgruft, oder Patchouli-Wolke)
    • Eingebaute Soundkulisse: dumpfer Donner, leise Orgelmusik oder monotones Seufzen
    • Notfall-Kühlstoß auf Knopfdruck bei Begegnung mit Touristen in Shorts
    • Solarbetrieben – Ironie inklusive

Man könnte natürlich auch einfach im Hotelzimmer bleiben, das Fenster verdunkeln, Cold-Wave auflegen und sich ein Glas Absinth gönnen. Aber das wäre zu einfach. Leiden gehört dazu. Und wer mit Eyeliner im Schmelzpunktbereich tanzen kann, hat sich sein Szeneabzeichen sicher verdient.

Darf man als Grufti gucken? Die große WGT-Gaffen-Frage

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Während der Countdown zum WGT 2025 die Tage herunterzählt und der MDR mit Tipps zum Wave-Gotik-Treffen ein Feuerwerk abbrennt, stellt Orphi in ihrer WGT-Glosse die wirklich wichtigen Fragen des Treffens. Gehen wir der Sache mit der Szene mit einem Augenzwinkern auf den Grund und erkennen zuletzt den seriösen Hintergrund!

Es ist das ewige Dilemma der Gruftis beim WGT: Man steht da, wie man eben dasteht – gestylt, geschwärzt, mit viel zu wenig Schlaf, aber mit maximaler Attitüde. Und dann kommt sie vorbei. Eine (Mond)Lichtgestalt. Ein Outfit, das so beeindruckend ist, dass du innerlich „Wow“ rufst, während du den Blick abwendest, als sei es das Normalste der Welt, so herumzulaufen.

Denn wir sind ja Szene. Wir sind abgeklärt. Wir haben Christian Death live gesehen, in einem Keller mit 23 Leuten, und wir tun nicht erstaunt, wenn jemand ein drei Meter langes Trauerkleid mit Fledermauskragen und Spiegelsarg auf dem Rücken trägt. Wir gucken nicht. Wir werden angeguckt. Das ist der Kodex. Oder?

Kodex gegen Realität – Wer gewinnt?

Aber mal ehrlich: Stimmt das wirklich? Natürlich gucken wir. Alle. Nur eben nicht direkt. Sondern durch Sonnenbrillen. Über die Schulter. Über das Handy. Oder im Vorbeigehen mit maximaler Coolness und minimaler Kopfbewegung – ein raffinierter Halbnicken-Scan.

Und das ist auch in Ordnung. Denn das WGT ist eine Bühne. Für Musik, für Austausch, für Exzentrik – und ganz ehrlich: auch für Show. Wer sich zwei Stunden in Lack quetscht, sich vier Stunden lang toupiert und dann bei 31 Grad wie ein viktorianischer Todesengel mit LED-Fächer durch die Stadt schwebt, will gesehen werden. Und das soll er auch. Wir sind nicht aus Eitelkeit hier. Aber wir nehmen sie gern mit.

Gucken ist nicht respektlos – solange es nicht zum Gaffen wird. Die Grenze ist fließend, aber sie existiert. Wer starrt, stört. Wer wahrnimmt, wertschätzt. Und wer kurz den Atem anhält, weil jemand umwerfend aussieht, gehört genau hierher. Man darf gucken. Man muss nicht so tun, als sei es alltäglich, von wandelnden Albträumen und lebenden Gedichten umgeben zu sein. Es ist etwas Besonderes. Es sieht umwerfend aus. Und wir sind alle ein bisschen hier, um das zu feiern.

WGT - XXXX
Sehen und gesehen werden schon immer ein Maxime des Wave-Gotik-Treffens – Wem es in den Kommentaren gelingt, das WGT Jahr und den Ort, an dem dieses Foto entstanden ist, zu benennen, gewinnt ein Exemplar von Uwe Roeschs jüngsten DEAD-Comic.

WGT-Warm-up beim MDR: Cornelius gewinnt, Sven sieht besser aus, aber ich bekomme den Kuss!

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In der Sendung „MDR um 4“ läuft bereits die Vorberichterstattung zum Wave-Gotik-Treffen 2025, in der man den Pressesprecher des WGT Cornelius Brach eingeladen hat, über das Treffen zu erzählen, während Sven Friedrich (Solar Fake) ein akustisches Stück zum Besten gibt. In der MDR-Mediathek gibt es das volle Programm.

Eingefleischte Gruftis, so nennen wir uns untereinander (sagt der Bericht), wissen im Prinzip schon alles, was dort im Bericht angeschnitten wird, um das Treffen zu beschreiben. Klar dass der MDR aus dem vollen schöpfen kann, was Archiv-Aufnahmen angeht und uns mit zahlreichen Rückblenden einen kleinen Nostalgie-Kick verpasst. Wir erfahren weiterhin, dass der Pressesprecher kurz mit seinen Extremitäten hadert, bevor Sven Friedrich eine akustische Version des Solarfake-Songs „Disagree“ zum Besten gibt.

Nach einer Rückblende auf die Vergangenheit des Sängers muss ich unbedingt googeln, wie alt Sven Friedrich ist, finde heraus, dass wir gleichalt sind und strecke beleidigt die Unterlippe nach vorne, weil er gefühlt deutlich besser aussieht und deutlich besser singen kann als ich. Der Ehegrufti beruhigt mich, findet mich süßer und gibt mir einen Kuss. Nimm das, Sven Friedrich!

Dafür ist er aber Rekordhalter des WGT und mit 16 Auftritten aus 3 Bands sowas wie ein Angestellter des Treffens. Ich war erst 14 mal beim WGT, verdammt! Neben ein paar interessanten Fakten rund um das Treffen macht der MDR dann ein Quizspiel mit den Beiden, bei dem es darum geht, Musik zu erraten. Ich prophezeie blind, dass Cornelius Brach gewinnt. Gleichzeitig bin ich entsetzt, wie man zwei eingefleischte Gruftis so brutal ins Rampenlicht der Mainstream-Unterhaltung zerrt. Autsch! Das hat so ein bisschen was von Vampiren, die man dem Sonnenlicht aussetzt.

Am Ende gewinnt, wie vorhergesagt, Cornelius Brach den kleinen Wettbewerb, Sven Friedrich bekommt eine Trost-Fledermaus und Cornelius eine Fledermaus-Tasse, die auf dem Kopf steht. Ich bin erschüttert. Muss ich erwähnen, dass ich natürlich alle Songs wusste? Aber gut, ich stand ja auch nicht im Rampenlicht der Fernsehkameras und sitze hier gemütlich in meinem Schreibtischstuhl.

Goth sei Dank lenkt man anhand der Fledermaus wieder zurück auf die spannenden Aspekte des Treffens und stellt eine naturkundliche Führung auf dem Südfriedhof vor, bei dem die Besucher des WGT echten Fledermäusen nachspüren können. Der Wetterbericht ist durchwachsen, es wird zwar nicht heiß, aber vermutlich auch ein bisschen regnerisch. Für das Spontis-Treffen am Montag hatte ich allerdings Sonne bestellt.

WGT³- Robert empfiehlt 3 Bands fürs Wave-Gotik-Treffen 2025

WGT³“ ist unsere Artikelserie, in der wechselnde Autor:innen jeweils drei Bands vorstellen, die man sich beim Wave-Gotik-Treffen 2025 auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Heute sind es 3 Tipps von Robert.

Nostalgie Pur: Alphaville

Ich muss einfach für die Nostalgiewelle eine Lanze brechen und stelle Alphaville vor, die Freitag um 22:10 auf der AGRA die Dusche der Vergangenheit aufdrehen. Klar, Alphaville waren nie Gothic und ihre Songs allenfalls poppig und doch verbinde ich mit ihren Songs ein latentes Gefühl von Melancholie. Oder ist es verklärte Nostalgie? Ich weiß es nicht, bis ich wieder „A Victory of Love“ höre und instant Gänsehaut bekomme. Da muss doch was dran sein. Obwohl es um Frontmann Marian Gold jetzt schon länger ruhig war, ist der jüngst verliehene europäische Kulturpreis und der insgesamt zweite Auftritt der Band (die waren 2000 schon mal da) auf dem WGT willkommener Anlass für ein paar Klassiker.

Die Verkörperung von Independent – New Model Army

Naja, 1984 unterzeichneten sie einen Major-Plattenvertrag bei EMI und sind jedenfalls auf kommerzielle Art und Weise nicht mehr „Indi“ im klassischen Sinne. Immerhin gründeten sie 1998 ihr eigenes Label. Die Inhalte bleiben jedoch irgendwie unabhängig und sind höchst politisch und immer wieder von erstaunlicher Aktualität. Ich darf da mal an den Song „51st State“ erinnern, der mit dem orangefarbenen Präsidenten der USA neue Bedeutung erlangte. Die Band ist nach eigenem Verständnis allerdings gar nicht so politisch. Sie sprechen stets durch die Inhalte ihrer Musik, sind geprägt und Gesellschaftskritik und Poesie, die in meinem Jugendzimmer besonders gut angekommen sind. Und so hing ein Poster von NMA gleich neben Martin Gore und Robert Smith. Für mich passt das. 22:45 am Montag, gleich nach Camouflage.

Die ewige Vorgruppe? – Psyche

Anne Clark, Suicide, Diary Of Dreams. Früher haben sie sich im Schatten bekanntere Acts aufgehalten und sind zu Unrecht vielfach unbeachtet geblieben. Es sind ihre Hymnen, die die Band in das nostalgische Langzeitgedächtnis der Szene gebrannt haben und längst sind sie in der Lage, eigene Konzerte zu füllen. Sie im Rahmen des Wave-Gotik-Treffen in einer Location wie der Moritzbastei zu erleben, ist bestimmt cool. Vor allem mit meinem Lieblingslied: „Misery“:

Aufm WGT im Supermarkt – Die Kunst, sich zwischen Toastbrot und Tragik nicht zu blamieren

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Während der Countdown zum WGT 2025 die Tage herunterzählt und der MDR mit Tipps zum Wave-Gotik-Treffen ein Feuerwerk abbrennt, stellt Orphi in ihrer WGT-Glosse die wirklich wichtigen Fragen des Treffens. Gehen wir der Sache mit der Szene mit einem Augenzwinkern auf den Grund und erkennen zuletzt den seriösen Hintergrund!

Es ist ein Klassiker des WGT-Alltags: Du gehst in den Supermarkt. Die Blicke der „normalen“ Kundschaft? Eine Mischung aus Staunen, Skepsis und stiller Panik. Eine ältere Dame sagt: „Ach, die sehen aber hübsch aus – wie aus dem Fernsehen!“ Innerlich hoffst du, dass sie „Interview mit einem Vampir“ meint und nicht „Wicked„. Du, in Plateaustiefeln und mit hochgeschlossenem Kragen, greifst nach einer Packung Hafermilch. Der Mann mit dem luftigen Hawaiihemd und den Sandalen ohne Socken mustert dich, als wärst du gerade einer Parallelwelt entstiegen.

Egal, wen kümmert schon der Mainstream? Man ist schließlich nicht hier, um denen zu gefallen. Man ist hier, weil man Klopapier braucht. Und kaltes Wasser. Vielleicht auch ein bisschen Obst. In voller Montur schiebt man den Wagen durch die Regalreihen, weil man entweder direkt vom Konzert kommt oder weil man auf dem WGT nie nicht in voller Montur ist. Die Netzstrümpfe sind leicht verrutscht und die Lippenfarbe nicht mehr ganz präzise. Aber es geht. Und dann passiert es: Du siehst sie. Einen anderen. Eine andere. Welche von uns…

Nicht draußen, im Club, im Schatten, wo wir hingehören und glänzen. Sondern unter der grellen LED-Beleuchtung in Gang 4, zwischen H-Milch und Apfelsaft. Die Begegnung ist elektrisch – nicht, weil man sich kennt, sondern weil man sich erkennt. Man mustert sich kurz, ein inneres Protokoll wird abgerufen: True oder nicht true? Metal oder Melancholie? Blutengel oder Clan of Xymox?

Dann die große Frage: Sagt man etwas? Die Szene ist ja bekanntlich nicht für ihre Kommunikationsfreude bekannt. Wir haben gelernt: Blick senken, Arroganz an, unterkühlt und kontrolliert wirken. Gefühle ja, aber bitte nur auf der Bühne oder in Gedichtform. „Hallo“ zu sagen im Supermarkt fühlt sich wie eine Grenzüberschreitung an.

Und doch … manchmal passiert es. Ein Nicken. Ein kaum sichtbares Lächeln. Ein gehauchtes „Schönes WGT noch“ irgendwo zwischen Tiefkühlpizza und Bio-Müsli. Es fühlt sich an, als würde die Realität sich mit der Brechstange Zugang zu deinem dunklen Königreich verschaffen. Bei einigen regt sich bei Begegnungen auch gar nichts.  Vielleicht ist das ein Stilmittel. Vielleicht liegt es an der Hitze. Vielleicht ist man in ihrer Welt einfach nur ein Poser. Wer weiß das schon?

Man geht wieder auseinander. Vielleicht sieht man sich abends im Täubchenthal. Vielleicht auch nie wieder. Aber für einen kurzen Moment war man sich nah – inmitten von Leergut, Sonderangeboten und Whitney Houston aus scheppernden Lautsprechern. Wer es schafft, im Neonlicht der Realität würdevoll eine Gurke zu kaufen, ohne sich dabei infrage zu stellen, hat das WGT verstanden.

WGT³- Graveyardqueen empfiehlt 3 Bands fürs Wave-Gotik-Treffen 2025

WGT³“ ist unsere Artikelserie, in der wechselnde Autor:innen jeweils drei Bands vorstellen, die man sich beim Wave-Gotik-Treffen 2025 auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Heute sind es 3 Tipps von Graveyardqueen.

Samba war gestern, heute wird gerockt!: Plastique Noir

Wer hätte gedacht, dass Brasilien nicht nur das Land des Sambas, sondern auch feinsten Gitarrensounds ist. Ende 2005 gründete sich dort die Band Plastique Noir, die ich euch als erstes vorstellen mag. Einordnen würde ich sie im Goth Rock Genre. Wobei sich hier wohl die Geister scheiden, wie viel Anteil Post Punk und wie viel Darkwave dabei ist. Denn auch dies wird ihnen nachgesagt. Dynamisch ist das Schlagzeug und voller Energie sind Gitarre und Gesang. So lädt der Klang zum Tanz ein. Anlässlich ihres 20 Jährigen Bestehens statten sie Leipzig einen Besuch ab und feiern auf dem WGT gleichzeitig Europaprämiere.

Wettervorhersage! Kalte Nächte erwarten uns zu Pfingsten: This Cold Night

So heißt das Projekt des Texaners Chase Morledge, welches seit 2014 besteht. Viele Jahre kümmerte sich der Sänger selber um Dinge wie Produktion und Vertrieb, bis er 2020 anfing mit dem Label Young & Cold Records zusammenzuarbeiten. Geboten bekommt der Hörer Post Punkt im klassischen Stile. Fans von Joy Division oder Paralysed Age dürften hier Gefallen finden. Denn das ist das was mir in den Sinn kommt, wenn ich mir die Lieder anhöre. Der Gesang mal melodisch, mal monoton. Gitarren die Mal zum entspannten „drei Schritte vor, drei zurück“ einladen und dann aber auch wieder Einen wild über die Tanzfläche schicken. Auch sie haben auf dem WGT ihre Europaprämiere!


Schöner kann der Tod nicht sein: The Sweet Kill

Band Nummer drei auf meinem Zettel kommt, wie sollte es anders sein, ebenfalls rockig und tanzbar daher. Allerdings ist ihre Musik alles andere als der Tod für die Ohren. Der melodische Gesang geht schnell hinein und verweilt dann dort. Das energiegeladene Zusammenspiel von Schlagzeug und Gitarren sorgt dafür, dass die Füße nicht anders können als sich zu bewegen. Die aus L.A. stammende Post Punk Band wurde von Pete Mills ins Leben gerufen. Textlich werden wir einmal quer durch die Welt der Emotionen mitgenommen. Sehnsucht, Verlust und alles mit einem Hauch Romantik. Und mit ihnen schließt sich der Kreis von Europaprämieren. Soll nochmal jemand behaupten, das WGT holt immer nur den bekannten Einheitsbrei auf seine Bühnen!

Gruft-Orakel Juni 2025: Der Vampir im Rundflug über Leipzig

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Der Vampir fliegt vom Likör beflügelt durch den Nachthimmel von Leipzig. Er streift das MDR-Gebäude nur um Haaresbreite, segelt über die Moritzbastei, um das spätabendliche Treiben dort zu beobachten, dann weiter dem Weg der Linie 11 hinterher, durch Connewitz, am Werk II vorbei, um dann schließlich auf einer der Hallen auf dem AGRA-Gelände zu landen. Bevor die Wahlwiederholung auf seinem Smartphone antippt, gönnt er sich noch einen Likör aus der mitgebrachten Plastik-Flasche. „Sie schon wieder? Hören Sie, auch wenn sie es glauben, es gibt keine Vampire. Und auch wenn sie sich also solcher identifizieren, sind wir ausschließlich für Menschen MIT Seele zuständig.“ Immerhin. Am Ende des für den Vampir unbefriedigenden Telefonats bekommt er noch eine SMS mit der Nummer einer Spezialistin für solche Fälle: Alana Abendroth. Trotzdem. Nach der versprochenen Freundschaft im Gruft-Orakel klingt das nicht.

Gruft-Orakel Juni 2025

 

Rue Oberkampf für Gamer – Wenn Darkwave plötzlich triggert

Im Rahmen ihrer Tour zum aktuellen Album „Essenz“ machten Rue Oberkampf am 02. Mai 2025 Halt im Kulturzentrum „Rind“ in Rüsselsheim. Da der Veranstaltungsort nahe dem Wohnort meines lieben Freundes Gero liegt und wir uns lange nicht gesehen haben, habe ich ihn kurzerhand zum Konzert eingeladen.

Obwohl er die Einladung mit spürbarer Freude sofort angenommen hatte, merkte ich, wie zwischen den Zeilen die unausgesprochene Frage schwebte: Wo schleppt er mich jetzt wieder hin? Ganz unberechtigt ist die Frage nicht – musste mich Gero mich in der Vergangenheit öfter zu der inzwischen eingestellte Horror-High-School-Party im Mainzer Q-Caff begleiten. Vielleicht eine kurze Einordnung. Ich habe Gero vor (fast) über 20 Jahren beim Sport kennengelernt, mit der Gothic-Szene hat er nichts zu tun, er ist leidenschaftlicher Gamer mit eigenem Podcast und empfiehlt als Optiker-Meister natürlich auch Gamer-Brillen.

Schlussendlich hat die Freude über das künftige Wiedersehen alle Zweifel besiegt. Am Tag der Veranstaltung haben wir uns pünktlich um 20.00 Uhr an der Theke im Rind getroffen. Nach einer innigen Umarmung hatten wir noch kurz die Gelegenheit, uns gegenseitig auf den aktuellen Stand zu bringen. Dann startete die Vorband mit ihrem Programm. Für den Konzertbericht gehen wir diesmal einen anderen Weg und lassen meinen, wie bereits erwähnt, völlig szenefremden Begleiter Gero zu Wort kommen:

Rue Oberkampf für Gamer? Geros Konzerterlebnis

Das war das erste Mal, dass ich im Rind in Rüsselsheim war. Die haben auf ihrer Webseite glücklicherweise vermerkt, dass vor Ort ein Volksfest stattfindet und der Parkplatz nicht zur Verfügung steht. Deshalb habe ich das Auto gleich zuhause gelassen und bin mit dem Fahrrad gekommen. Das hat super easy funktioniert.

Einlass war ohne Probleme. Es gab eine Garderobe, was mich sehr gefreut hat. Die haben eine kleine Bar. Zwei Leute haben da gearbeitet. Immer kurze Wartezeiten und angemessene Preise. Die Atmosphäre war super offen und angenehm. Ich habe gleich einen guten Platz gehabt, den ich auch nicht verteidigen musste.

Monochrome Lights auf der Bühne im Rind Rüsselsheim 2025
Die Vorband „Monochrome Lights“ im Rind Rüsselsheim 2025 | ©Thomas Fritsche, Nightshark Photography Gallery in better Quality.

Pünktlich um 20.00 Uhr war die Vorband Monochrome Lights aus Mannheim am Start. Die hat Depeche Mode mäßige Musik gemacht. Das war nett, aber ich habe mich zu diesem Zeitpunkt schon sehr auf den Hauptact gefreut – von dem ich noch überhaupt nichts wusste. Ich hatte mir nur gedacht, das ist wahrscheinlich so ein abgefahrener Gothic-Kram, wo mich mein Kumpel hingezerrt hat. Ich wollte schon meinen Eyeliner auspacken.

Und als sie dann angefangen haben mit Ihrer Musik, also der Hauptact, diese“ Rue Oberkampf“. Da waren ein paar Sachen dabei! Das war wie eine Trance. Das war krass, wie die es geschafft haben, mich mit ihrem Takt, ihrer Musik, mit diesem Synthesizer in ihren Bann zu ziehen. Da haben zwei Jungs auf irgendwas rumgetrommelt. Sie hat gesungen. Das hat so eine schöne Einheit gebildet, dass ich mich gefühlt habe wie in deren Welt. Das hätte auch Filmmusik sein können. Ich habe Bilder vor Augen gehabt. Ich habe gar nicht kapiert, dass 90 Minuten so schnell rumgehen können. Das war der Hammer.

Dann haben sie ein bisschen Merch gehabt, in der Ecke, haben Fotos mit sich machen lassen. Da habe ich meinen Kram geholt und das war richtig angenehm im Rind. Diese Erfahrung war toll und das mache ich auf jeden Fall wieder.

Rue Oberkampf – Mein Fazit

Rue Oberkampf haben mit ihrem Mix aus Darkwave, EBM und Synthpunk die rund 250 Fans überzeugt. Der Auftritt der Vorband zeigt, dass es inzwischen so viele solide Projekte gibt, die stabil auf der Bühne stehen und eine gute Performance bringen. Besonders charmant war auch der Einwurf des Sängers von Monochrome Lights, dass die Mitglieder der Band bisher selbst in der Menge standen und jetzt auch mal auf der Bühne stehen dürfen. Es zeigt meiner Meinung auch deutlich die Verflechtung zwischen Musikern und der Szene selbst. In einem Moment ist man Musiker auf der Bühne, im nächsten Moment Fan vor der Bühne.

Rue Oberkampf haben sich nach dem Konzert die Zeit genommen und mit den Besuchern noch Gespräche geführt und Fotos gemacht. Das zeigt die gegenseitige Wertschätzung zwischen Musikern und Fans – die ihre schwarze Musik lieben und das den Musikern auch zeigen. Diese Wertschätzung ist ein wichtiger Teil dessen, was die Szene ausmacht.

Alle Bilder mit freundlicher Unterstützung durch Thomas Fritsche von Nightshark Photography.

WGT-Kompaß statt WGT-Guide – Das Treffen wird digital(er)

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Das Wave-Gotik-Treffen hat eine eigene APP herausgebracht, den „WGT-Kompaß“, der helfen soll, beim komplexen Treffen mit seinen unzähligen Bands, Künstlern und Veranstaltungsorten den digitalen Überblick zu behalten und sein ganze eignes WGT zusammenstellen. Wir wollten mehr darüber wissen und haben mit Danny Sotzny, dem Programmierer der APP gesprochen.

WGT-Kompaß ersetzt den eingestellten WGT-Guide

Bis 2023 war der WGT-Guide eine immer beliebter gewordene, digitale Version des WGT-Programms, das von Tobias 2011 ins Leben gerufen wurde. Wie sich schnell herausstellte, hatten auch Gruftis das Smartphone für sich entdeckt und der WGT-Guide wurde immer populärer. Leider hat er sich aus einigen, nachvollziehbaren Gründen gegen eine Weiterführung ausgesprochen, wie er uns 2024 in einem Interview verraten hat.

Die Lücke in der digitalen Zugänglichkeit des Treffens hat das WGT jetzt mit einer eigenen, auf die ersten Blicke fantastischen APP, dem sogenannten „WGT-Kompaß“ geschlossen. Wir haben direkt mit Danny Sotzny gesprochen, der die APP im Auftrag des WGT programmiert hat und wollten mehr über die Hintergründe und ihn selbst erfahren.

WGT-Kompass-Banner

Interview mit Danny Sotzny, Programmierer des WGT-Kompaß

Danny, du bist jemand, der gerne im Hintergrund bleibt. Hinter der Kamera und hinter der Bildschirm. Vielleicht stellst du dich trotzdem kurz vor.

Danny SotznyDanny: Ich bin Danny Sotzny, 44 Jahre alt, Softwareentwickler aus Markranstädt bei Leipzig. Zum WGT gehe ich seit etwa 2008, zur Musikszene fühle ich mich aber schon viel länger hingezogen. Über die Fotografie kam ich zum Festival – einige meiner Bilder finden sich auf Flickr.

Seit der Geburt unserer Tochter ist es etwas ruhiger geworden. Doch durch Monkeypress.de bin ich der Szene weiter verbunden – dort betreue ich die Webseite und arbeite seit rund 10 Jahren am WGT-Taschenplaner mit, der mittlerweile in 13 Sprachen erscheint. Der Plan ergänzt den offiziellen Faltplan und lässt sich dank Excel individuell anpassen. Schaut gerne mal bei Monkeypress vorbei, denn wir machen noch viel mehr. 😉

Wie kam es eigentlich dazu, dass du den WGT-Kompaß auf die Beine gestellt hast?

Danny: Ich hatte im letzten Jahr mit Cornelius vom WGT Team darüber gesprochen und Anfang des Jahres kam dann die Anfrage. Zeitlich sicher etwas eng – aber das Ziel an Funktionen wurde erreicht.

Du hast ja eine eigene Firma für IT-Dienstleistungen und bist daher geradezu prädestiniert für diese Aufgabe. Wie kann ich mir den zeitlichen und personellen Aufwand für so eine APP vorstellen?

Danny: Ich bin beruflich Informatiker, wo oft die Gelegenheit fehlt, neue Dinge auszuprobieren und umzusetzen. Daher habe ich nebenberuflich eine Firma gegründet, um mein Wissen zu vertiefen und moderne Technologien kennenzulernen. Und mit dieser Firma habe ich dann auch den WGT-Kompaß realisiert.

In den letzten Monaten habe ich viel abends und am Wochenende gearbeitet. Neben der sichtbaren App laufen im Hintergrund sechs weitere Systeme. Das Herzstück ist eine Verwaltungsoberfläche zur Datenpflege, bei der mich ein Kollege unterstützt hat.

Was kann man mit dem neuen WGT-Kompaß alles machen?

Für mich stand bei der App von Anfang an die Information im Vordergrund: Wer spielt wann und wo? Welche Künstler treten auf? Dazu gibt’s natürlich Hintergrundinfos, Links ins Netz und eine Kartenfunktion mit Anbindung an den ÖPNV für Haltestellen und Wegeplanung. Push-Nachrichten hätten wir auch gern direkt drin gehabt – das kommt hoffentlich noch.

Der erste Meilenstein war also ein gutes, solides Info-Tool. Im zweiten Schritt kam dann die soziale Komponente dazu – und die macht echt Spaß: Man kann Künstler „herzen“, Veranstaltungen zusagen und sich so ganz einfach seinen persönlichen Festivalplan zusammenstellen. Beides lässt sich nach eigenen Favoriten filtern.

Mit einem Profil wird’s noch komfortabler: Die Daten landen in der „WGT-Cloud“ und sind so auf anderen Geräten wiederherstellbar – oder man nutzt sie parallel. Und das Beste: Man kann sich mit Freunden per QR-Code verbinden. Nimmt jemand die Anfrage an, sieht man künftig gegenseitig, wen der andere liked und zu welchen Konzerten er oder sie will.

Nach 24 Stunden hatten wir schon über 1.300 Profile und über 25.000 vergebene Likes – und es werden stetig mehr. Das zeigt uns: Die App kommt an. Und das freut mich riesig.

Wie füllt sich so eine App eigentlich? Das ist doch eine wahnsinnige Arbeit, dort alles einzupflegen. Machst du auch alleine oder ist die App so aufgebaut, dass sie auch von anderen befüllt werden kann?

Für die Pflege der Daten gibt´s eine eigene Verwaltungsoberfläche – das könnte dann jeder. Zusätzlich habe ich noch Importprogramme für die bestehenden Daten entwickelt. Aber mal schauen ob man das System nicht noch mehr nutzen könnte. So dass mehr zentralisiert passiert. Da würde ich gern mehr helfen. Die letzten Wochen haben aber auch gezeigt, das wirklich bis kurz vor Schluss noch sehr viel in Bewegung ist.

Ich war überrascht, als ich davon hörte, dass man seitens des WGT eine eigene APP herausbringt, habe aber auch in den letzten Jahren bemerkt, wie sich das WGT „modernen“ Dingen öffnete. Zuerst bei Facebook, dann auch bei Instagram und jetzt letztendlich durch diese APP. Eine notwendige und überfällige Entwicklung? Wie siehst du das?

Ich finde die Entwicklung grundsätzlich positiv. Das WGT hat lange bewusst auf einen eher klassischen Auftritt gesetzt – was ja auch zum besonderen Charme des Festivals passt. Aber gerade in den letzten Jahren hat man gesehen, dass viele Besucher sich mehr digitale Unterstützung wünschen, sei es bei der Planung oder beim Überblick vor Ort. Das hat man auch in den Zugriffszahlen auf den monkeypress Taschenplaner in den letzten Jahren gesehen. Der ging schon zurück – ist aber jetzt kein Grund den einzustellen 😊.

Dass das WGT jetzt eine eigene App anbietet, ist für mich ein logischer und zeitgemäßer Schritt. Nicht als Ersatz für das Programmbuch oder den legendären Faltplan, sondern als Ergänzung für all jene, die gern mobil planen und flexibel bleiben wollen. Und gerade die Freunde Funktion ist ein echter Mehrwert.

Du bist ja auch schon viele Jahre auf dem WGT unterwegs, wie konntest du von diesen Erfahrungen profitieren?

Die Idee für eine WGT-App trage ich ehrlich gesagt schon ziemlich lange mit mir herum. 😁 Über die Jahre habe ich immer wieder verschiedene Ansätze durchgespielt und an Datenmodellen gefeilt – ganz ohne konkreten Auftrag, einfach aus Interesse. Diese Vorarbeit hat sich jetzt ausgezahlt: Als es dann ernst wurde, konnte ich in kurzer Zeit ein klares Konzept entwickeln und mit der Umsetzung starten.

Einige Komponenten konnte ich sogar aus früheren Projekten wiederverwenden, was natürlich enorm geholfen hat, Zeit zu sparen – und gleichzeitig hat es Spaß gemacht, das Ganze endlich Wirklichkeit werden zu lassen.

Wo soll die Reise hingehen? Gibt es weitere Pläne für das oder vom WGT? Die Homepage könnte möglichweise auch ein bisschen „Sotzny“ vertragen?

Aktuell kommen viele Rückmeldungen für die App rein und das Ticketsystem füllt sich langsam. Die sollen natürlich umgesetzt werden. Neben den Listen möchte ich gern noch eine Visuelle Ansicht haben. Eben alles, auch so Sachen die man selber nutzen möchte 😄.  Vom Datenmanagement her würde ich mir natürlich schon wünschen, das Webseite, App und auch der Bereich der Planung über eine Datenbasis läuft.

Was sind deine persönlichen 3 Tipps für das diesjährige WGT?

Ganz oben auf meiner Liste stehen dieses Jahr Alphaville, Camouflage und Combichrist – allein das ist schon ein starkes Line-up. Besonders gut gefällt mir auch die Entwicklung rund ums Parkschloss, das bringt nochmal eine ganz eigene Atmosphäre ins WGT. Das will ich mir auf jeden Fall ansehen.

Spannend finde ich auch, dass 80s80s Radio diesmal direkt vor Ort sendet – das ist neu. Bisher war das WGT-Radio ja eher ein begleitendes Format, aber dass sie jetzt ganz in der Nähe der Moritzbastei präsent sind, macht das Ganze noch greifbarer. Ich bin neugierig, wie das vor Ort wirkt.

WGT Glosse: Schattenhafte Grüße – Wie begrüßt man sich eigentlich auf dem WGT?

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Während der Countdown zum WGT 2025 die Tage herunterzählt und der MDR mit Tipps zum Wave-Gotik-Treffen ein Feuerwerk abbrennt, stellt Orphi in ihrer WGT-Glosse die wirklich wichtigen Fragen des Treffens. Gehen wir der Sache mit der Szene mit einem Augenzwinkern auf den Grund und erkennen zuletzt den seriösen Hintergrund!

Es ist ein soziales Minenfeld im Schattenreich: Man sieht sich. Man erkennt sich. Man steht voreinander und dann stellt sich die große Frage, die schon Generationen von Gruftis, Batcavern und EBM-Veteranen beschäftigt hat: Wie begrüßt man sich?

Die Hand geben? Unmöglich! Das ist viel zu förmlich. Außerdem bleibt man womöglich mit den Ringen im Netzhemd des Gegenübers hängen. Und es dauert ewig, bis man das Desinfektionsgel aus der Tasche gekramt hat. In Menschenmassen will sich niemand mit irgendetwas anstecken.

Umarmen? Vielleicht. Aber auch gefährlich. Denn der/die andere trägt womöglich eine Korsage aus Draht, Rüschen mit Reichweite oder einen Kopfschmuck aus Hirschgeweih und Lampenteilen. Außerdem schwitzt man. Immer. Ein kurzer Kontakt kann da schon zu kläglichem Kleben führen. Und wehe, man kommt an die Haare! Die Haare sind das Wichtigste! Das weiß doch jeder!

Also bleibt nur das Nicken. Das legendäre, leicht unterkühlte Szene-Nicken. Dezent. Kurz. Eindeutig. Augenkontakt für 0,8 Sekunden, leichtes Anheben des Kinns – als wollte man sagen: „Ich sehe dich. Ich respektiere dich. Lass uns beide so tun, als wären wir nicht überfordert vom sozialen Kontakt.“ Manchmal ist es auch ein Hochziehen der Augenbraue – die Deluxe-Version des Nickens für Fortgeschrittene. Aber Vorsicht: Ein zu freundliches Nicken wird schnell als Anfänger-Signal gewertet. Ein zu distanziertes Nicken als Arroganz. Ein zu langes als Flirt. Ein zu kurzes … nun, das war dann vielleicht doch nur ein Zucken.

Noch unangenehmer ist es, wenn man sich vielleicht sogar kennt. Vom letzten WGT. Oder von Instagram. Aber erinnert sich der andere noch? Reicht das für ein „Hey“? Oder riskiert man, angesprochen zu werden mit: „Ah! Du bist doch… äh… du hattest doch dieses Kleid… oder warst du das mit dem …“ Und dann kramt man innerlich in den Tiefen der Nickname- und Realnamen-Kisten, in denen man längst den Überblick verloren hat.

In der Unsicherheit wird oft einfach geschwiegen. Würdevoll. Man läuft aneinander vorbei wie Raubkatzen im selben Revier. Und doch – wenn sich zwei echte Schattenfreunde begegnen, dann kann die Fassade bröckeln. Dann wird gekreischt, gedrückt, gelacht.

Zwei Gruftis versuchen sich in neuen, noch nie dagewesenen Ritualen.
Zwei Gruftis auf dem WGT 2003 versuchen, neue, noch nie dagewesenen Begrüßungs-Ritualen zu etablieren. Das „einladende Handauflegen“ | (c) Bianca van Hoof-Weijers

Der Grufti-Gruß ist eine Kunstform. Er bewegt sich zwischen zu viel und zu wenig, zwischen stilvoller Distanz und echter Nähe. Manchmal ist es ein Nicken. Manchmal ist es ein Schweigen. Und manchmal ein Lachen, das heller klingt, als man es sich selbst zugesteht. Und wie begrüßt ihr euch?