Während der Countdown zum WGT 2025 die Tage herunterzählt und der MDR mit Tipps zum Wave-Gotik-Treffen ein Feuerwerk abbrennt, stellt Orphi in ihrer WGT-Glosse die wirklich wichtigen Fragen des Treffens. Gehen wir der Sache mit der Szene mit einem Augenzwinkern auf den Grund und erkennen zuletzt den seriösen Hintergrund!
Es ist das ewige Dilemma der Gruftis beim WGT: Man steht da, wie man eben dasteht – gestylt, geschwärzt, mit viel zu wenig Schlaf, aber mit maximaler Attitüde. Und dann kommt sie vorbei. Eine (Mond)Lichtgestalt. Ein Outfit, das so beeindruckend ist, dass du innerlich „Wow“ rufst, während du den Blick abwendest, als sei es das Normalste der Welt, so herumzulaufen.
Denn wir sind ja Szene. Wir sind abgeklärt. Wir haben Christian Death live gesehen, in einem Keller mit 23 Leuten, und wir tun nicht erstaunt, wenn jemand ein drei Meter langes Trauerkleid mit Fledermauskragen und Spiegelsarg auf dem Rücken trägt. Wir gucken nicht. Wir werden angeguckt. Das ist der Kodex. Oder?
Kodex gegen Realität – Wer gewinnt?
Aber mal ehrlich: Stimmt das wirklich? Natürlich gucken wir. Alle. Nur eben nicht direkt. Sondern durch Sonnenbrillen. Über die Schulter. Über das Handy. Oder im Vorbeigehen mit maximaler Coolness und minimaler Kopfbewegung – ein raffinierter Halbnicken-Scan.
Und das ist auch in Ordnung. Denn das WGT ist eine Bühne. Für Musik, für Austausch, für Exzentrik – und ganz ehrlich: auch für Show. Wer sich zwei Stunden in Lack quetscht, sich vier Stunden lang toupiert und dann bei 31 Grad wie ein viktorianischer Todesengel mit LED-Fächer durch die Stadt schwebt, will gesehen werden. Und das soll er auch. Wir sind nicht aus Eitelkeit hier. Aber wir nehmen sie gern mit.
Gucken ist nicht respektlos – solange es nicht zum Gaffen wird. Die Grenze ist fließend, aber sie existiert. Wer starrt, stört. Wer wahrnimmt, wertschätzt. Und wer kurz den Atem anhält, weil jemand umwerfend aussieht, gehört genau hierher. Man darf gucken. Man muss nicht so tun, als sei es alltäglich, von wandelnden Albträumen und lebenden Gedichten umgeben zu sein. Es ist etwas Besonderes. Es sieht umwerfend aus. Und wir sind alle ein bisschen hier, um das zu feiern.

Orphi Eulenforst – impulsiv, pragmatisch, weniger optimistisch! Prädestiniert für den “Hexenfluch”. Orphi ist 1971 vom Himmel gefallen und beschäftigt sich vornehmlich mit den kulturellen Aspekten der Szene. Darüber hinaus macht sie sich als Muse und Gegenpol unbezahlbar.
Location ist klar…..aber Jahr keine Ahnung…
Dann musst du wohl raten, aber nur ein mal!
Als Frau hat man es einfacher zu gucken und wenn es mir extrem gut gefällt, dann mache ich auch Komplimente und oft ergibt sich daraus ein nettes Gespräch. Das mache ich allgemein so, nicht nur bei Goth. Gegafft wird eh zu viel und wenn man Komplimente bekommt tut es der Person sicherlich gut.
Halte ich auch so. Manchmal rutscht meine gebannte Faszination für ein besonders schönes Aussehen, aufwändige Frisur, mörderische Schuhe, kunstvolle Tattoos oder einfach nur einen besonders spannenden Menschen ins Gaffen ab. Dann entschuldige ich mich und begründe es ehrlich. Aufrichtige Komplimente gehen den meisten runter wie Öl. Die Person freut sich immer wie ein:e Schneekönig:in. Besonders, wenn es eins dieser „ich bin um 7 aufgestanden, um zur Mittagszeit so auszusehen“-Outfits ist :D
Danke für diesen kurzen aber irgendwie sehr liebenswerten Kommentar. Nachdem ich heute schon wieder allerhand des üblichen Gemeckers gelesen habe, ist das irgendwie erfreulich zu lesen und macht jetzt Vorfreude aufs WGT.
Ich bin zwar nur wieder für einen kurzen Ausflug da aber ich nehme mir diesmal wirklich vor, das Spontis-Treffen zu schaffen.
Ich finde auch, wir dürfen unter uns gucken und bewundern, egal ob es was aufwendiges ist oder – was man ja auch wirklich mal sagen muss – etwas schlichtes, das aber so auf den Punkt ist daß es toll aussieht. Das muss eben nicht immer die dickste Klamotte sein. Statt Meckern wünsch ich mir mehr gegenseitige Komplimente unter uns, für uns. Ist doch viel schöner so, mit etwas Nettigkeit.
So, und jetzt näh ich noch kurz etwas Spitze an eine halbfertige Klamotte die ich unbedingt mitnehmen möchte …
Das ist toll, ich hoffe wir verpassen uns nicht wieder.
Ich weiß zwar noch nicht was meine Mädels für Montag geplant haben, aber HeiDo-Versumpfen ist es dieses Jahr schonmal nicht, das machen wir morgen, nachdem ich in L aufgeschlagen bin :D – insofern denke ich daß das hinhauen wird dieses Mal :)
Dann versuche ich mal mein Rateglück: Das Foto im Beitrag könnte vom WGT im Jahre 1994 sein. Das Gebäude ist das Haus Auensee.
Vielen lieben Dank Orphi für deine Glosse. In diesen Tagen verfolge ich wieder wie gebannt eure Beiträge zum WGT und fühle mich dadurch ganz nah am gruftigen Geschehen.
Ich hätte auf die Parkbühne getippt, von innen und seitlich des Bühnen Bereichs gesehen, wo wieder der Park beginnt… Aber das Haus Auensee hab ich auch nur ein einziges Mal aufgesucht, als London after Midnight drin spielten, wir aber nicht mehr rein kamen und enttäuscht waren wegen der weiten Fahrt da hin. Da sind die Erinnerungen doch arg verblasst von der Location. In der Parkbühne war ich damals regelmäßig. Jammerschade, dass sie nicht mehr bei dem WGT dabei ist. Auf jeden Fall ist das Foto aus Anfang bis Mitte der 90er.
Ey! Du hast gefudelt! Ich bin mir ganz sicher! :-) Das Comic geht nach dem WGT an dich!
Danke Robert :) Über den Comic freue ich mich schon sehr.
Für’s Protokoll: Ich habe das Internet genutzt, um rauszufinden wann und wo das Bild aufgenommen wurde. ;)
Die Google Bildersuche hat bei der Location geholfen.
Und diese Webseite hat sogar hinterlegt, wer bei den zwei Tagen WGT in dem Gebäude gespielt hat:
https://www.setlist.fm/festival/1994/wave-gothic-treffen-1994-63d68227.html
Aus jetziger Sicht wäre ich da gerne mit dabei gewesen. Aber zu der Zeit wusste ich noch nichts über das WGT oder wo auch immer dieses Leipzig ist. Das Gruftigste in dem Jahr waren meine Hörspiele von „Der kleine Vampir“.
Ausgezeichnete Recherche! Das Comic ist in den nächsten Tagen bei Dir!
Öhm… die Idee ist bei uns 20 Jahre her, aaabeeer: Darf man Schilder von 0-9 mit sich führen, sich irgendwo nieder lassen, und passend hoch halten? Oh man, vor 20 Jahren, da war noch…. P.S. Das Spiel mit dem sehen und gesehen werden geht im Alltag auch hervorragend. Traut euch. Je älter ich werde um so lieber. Dabei schwankt es zwischen „Normalo ist irritiert oder geschockt was er an mir sieht“ und „Ich bin amüsiert oder geschockt was ich an Normalos sehe“. Was dann übrig bleibt, sind einige wirklich coole Gespräche. Ansonsten plädiere ich wirklich fürs Kucken Kucken Kucken. Viel ehrlicher und besser als das „Spionieren“ bei Instagram und Co.