WGT-Tagebuch: Gallowdancer ohne Bändchen – Ein Erfahrungsbericht

Im Vorfeld des Wave-Gotik-Treffens 2025 haben sich auf Initiative von Maren einige Autoren dazu entschlossen, ihre Sichtweise auf das WGT in Artikeln festzuhalten. Herausgekommen ist das WGT-Tagebuch, das euch nun mitnimmt und das Treffen aus der Sicht von Gallowdancer erleben lässt.

Ich weiß, ich weiß, da gebe ich Empfehlungen fürs WGT heraus, und dann bin ich nicht mal selber Teil des WGTs?! Würde ich durch künstliche Intelligenz an verschiedenen Events gleichzeitig teilnehmen können, dann wäre ich vielleicht auch ganz offiziell mit Bändchen beim WGT in Leipzig dabei gewesen. So war es nun aber wieder einmal ein Jahr mit so viel spannenden Programm auch außerhalb der mit Bändchen zugänglichen Orten, dass ich mir wieder selber mein pfingstlich schwarzes Leipzig zusammengebaut habe.

Seit einigen Jahren bin ich Teil der “WGT ohne Bändchen” Facebook Gruppe, die Annett Dennewitz betreibt und die sich jedes Jahr wirklich großartige Mühen macht, alle möglichen Events zu sammeln, die man auch ganz ohne WGT Ticket in Leipzig erleben kann.

Glory Hölle

She Can’t Afford Mascara in der Garage Ost.

Und so ging es am Donnerstag zum Warm-up in der Garage Ost los. Unter dem Titel “Glory Hölle” versteckte sich eine queere EBM Wave Clubnacht. Den Anfang machte das Leipziger Solo-Projekt Schlusslicht (Schwarzes Bayern stelle ihn bereits vor). Neu ist, und damit kommen wir zur Weltpremiere an diesem Abend, dass sich das Schlusslicht Gregor Heisterkamp und Maria Maris als Súper Miedo zusammengefunden haben. Die spanischen Vocals hatten eine super Energie und ich bin gespannt, wie sich dieses Projekt weiterentwickeln wird. Ich fand das war ein wirklich gutes Debut!

Nach den beiden ging es wieder alleine auf der Bühne weiter. She Can’t Afford Mascara ist das Projekt von Adam Shazard. Hier trifft Newbeat auf pakistanische Einflüsse. Das war schön tanzbar und wie gut, Südasien auf der Bühne repräsentiert zu sehen!

Wer jetzt noch nicht warm war, dem konnten die DJs Camy Huot (samt neuer EP) und Olivier aka Graftak mit ihren Sets helfen. Und so tanzten wir, bis die Garage um Mitternacht zu machen musste. Olivier und Camy bauten ab und als Glory-Hölle-Crew fuhren wir alle zusammen mit dem Bus ins Werk 2, wo die Nacht noch verlängert wurde, um den Start des Gothic Pogo Festivals zu feiern.

Einfach machen

Freitag stand das “T” in WGT, also das “Treffen” im Vordergrund. Es ist einfach immer schön, die Zeit in Leipzig zu nutzen, um alte und neue Bekannte wieder zu treffen und Zeit zu verbringen. Am besten natürlich, in einem guten Restaurant: Bei Mala gibt es extrem leckere Knödel in einem sehr süßen Innenhof. Tipp!

Abends ging ich es etwas ruhiger an und bin mit Axana, einer Freundin und Musikerin aus Leipzig, ins Cineding nach Plagwitz. Hier wurde der Film “Einfach machen – She-Punks von 1977 bis heute” gezeigt. Gudrun Gut, Beate Bartel, Klaudia Schifferle und viele weitere Künstlerinnen werden auf ihrer Selbstermächtigung in der männerdominierten Punk-Szene begleitet. Eine spannende Reise durch Düsseldorf, West-Berlin und Zürich, in der sich Bands wie Östro 430, Mania D. (später Malaria!), Kleenex (später LiLiPUT) ihre Freiräume erkämpfen und das auch noch heute im fortgeschrittenen Alter tun (müssen!).

Stadtgeschichtliches Museum

Am Samstag hatte ich eigentlich vor, an der Lesung von Dr. Nikola Nölle im Stadtgeschichtlichen Museum teilzunehmen, aber leider ist die Veranstaltung wegen Krankheit ausgefallen. Nikola, falls du das hier liest, lass uns doch mal über deine Dissertation in einem eigenen Blog-Beitrag reden? Mich würde dein kulturanalytischer Blick auf “Die Gothic-Szene und ihre Festivals” jedenfalls sehr interessieren.

Ich schlenderte daher nur ein wenig durch die kleine Ausstellung “Zwischen Aufbruch und Abwicklung – die 90er in Leipzig”.

Glitter + Trauma

Samstagnacht stand dann die Party des Jahres auf dem Programm: Glitter + Trauma! Seit ich die Veranstaltung 2019 für mich entdeckt habe, war ich jedes Mal immer unglaublich glücklich, dort dabei zu sein. Zacker und Crew schaffen es jedes Jahr wieder eine wirklich tolle Nacht zu kreieren. Im Institut für Zukunft, was nun Axxon N. heißt, wurde etwas umgebaut, aber es hat nicht an Charme verloren. Ich finde die Kabel- und Schlauchgewucher, die mit Licht durchflossen wie Nervenfasern (“Axon”) an der Decke pulsieren sogar richtig Cyberpunk.

Und dann, völlig unerwartet (eigentlich habe ich erst am Montagnachmittag damit gerechnet), stand auf einmal Mr. Spontis, unser Robert, vor mir! Wir kannten uns ja bisher gar nicht, aber ich habe mich direkt mega wohl gefühlt und zusammen mit den beiden Spontis Ines und Tobi sowie dem Matthias von [modus:synth] aus Hamburg hatten wir sehr kurzweilige Unterhaltungen.

Getanzt wurde aber auch wieder ausgiebig. Besonders gut haben mir die Sets von Mrs. Pinkeyes aus Wien und LVLVN vom Waveteef aus Antwerpen gefallen. So gut, dass ich wieder einmal erst nach 6 Uhr morgens den Laden verlassen habe.

Shockwave und ciao

Nach der Party des Jahres ist vor der Party des Jahres! Am Sonntagabend ging es dann erneut ins Werk 2 zum legendären Shockwave-Marathon. Es war gar nicht so leicht, reinzukommen (danke fürs mit mir in der Abendkasse-Schlange stehen, Kai! <3). Es spielten nämlich vorher noch Die Tödin und Laura Krieg, die beide sehr beliebte Acts sind (zurecht!). Die Tödin hat mich wirklich auch sehr beeindruckt. Lest dazu mal den Konzertbericht von Maren aus dem letzten Jahr.

 

Und dann blieb nach ein bisschen Schlaf nur noch der Rest vom Montag! Krass wie schnell die Zeit immer vergeht und schade um all die Dinge, die zeitlich nicht reingepasst haben, und die Treffen und Unterhaltungen, die zu kurz gekommen sind. Eigentlich braucht man immer noch mindestens 5 Tage mehr mit der schwarz-bunten Community.

Beim Spontis-Treffen am Montag Mittag habe ich mich dann aber noch sehr gefreut einige weitere Autor*innen kennenzulernen. Der Gruftlord, die Maren, die Tanzfledermaus, und die graveyardqueen waren mir bisher nur online begegnet, aber ich habe mich auch ohne Pikes im Kreis gut aufgenommen gefühlt. Danke an euch alle und hoffentlich bis spätestens im nächsten Jahr!

Meine erste Zusammenkunft mit Spontis-Menschen. Foto von Tobikult.

Grufti aus Bremen.

Ähnliche Artikel

Kommentare

Kommentare abonnieren?
Benachrichtigung
guest
3 Kommentare
älteste
neuste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 8 Stunden

Danke für Deinen Bericht, der schön zeigt, wie man sein langes Pfingstwochenende auch alternativ gut gefüllt bekommt! Letztes Jahr hatte ich ja überlegt, ob ich mir überhaupt eine WGT Karte hole, weil da das lineup für mich so wenig ansprechend war (zum Glück war es dieses Jahr genau gegenteilig), aber da hatte ich dann doch Bedenken, am Ende gelangweilt allein irgendwo abzuhängen, während alles sich in den Locations tummelt, wo man nur mit Bändchen rein kommt…
Wir kamen leider am Montag kaum dazu, mal mehr als Hallo zu sagen, das holen wir dann beim nächsten Mal aber nach! Es ist manchmal wirklich schwer, allen Leuten zeitlich gerecht zu werden, die man dort nach langer Pause wieder trifft oder neu kennen lernt…

Letzte Bearbeitung Vor 8 Stunden von Tanzfledermaus
graveyardqueen
graveyardqueen(@graveyardqueen)
Vor 6 Stunden

Danke für den Einblick, in dein Pfingstwochenende!
Ich muss sagen, du hast die Messlatte hoch angelegt. Hut ab! 😁

„…aber ich habe mich auch ohne Pikes im Kreis gut aufgenommen gefühlt. Danke an euch alle und hoffentlich bis spätestens im nächsten Jahr!“

Das liest man gerne! Es war auch schön, dich kennenzulernen und sich mit dir auszutauschen.
Cosey Mueller habe ich nach wie vor im Hinterkopf! 😉

Maren
Maren(@maren)
Vor 4 Stunden

Was für spannende Eindrücke Du in deinem Bericht teilst, vielen Dank dafür! Ich habe mal versucht, die musikalische Seite davon nachzuvollziehen. In Laura Krieg hatte ich mich ja schon vor Pfingsten reingehört und fand, dass sie hervorragend zu dem Konzertabend auf dem Gothic Pogo passte, der ja für mich auch zur Option gestanden hätte. Super Miedo klingt auch sehr vielversprechend und ich gebe Dir recht, die spanischen Vocals tragen dazu bei. Der absolute Kracher ist aber für mich She can‘t afford Mascara aus deren Album Cemetary Gangbang ich mir auf Bandcamp gerade ein paar Stücke angehört habe! Manches kratzt da echt bei mir an einer Schmerzgrenze, aber ich finde es trotzdem genial. Sehr abwechslungsreich und tanzbar, auch durch die pakistanischen Elemente. Sehr spannend auch, dort etwas über den pakistanischen Underground zu lesen. In dieser Gegend der Welt hätte ich Gothic nicht verortet. Gut, dass dieser Artikel bei mir da den Horizont erweitern konnte!

Diskussion

Entdecken

Friedhöfe

Umfangreiche Galerien historischer Ruhestätten aus aller Welt

Dunkeltanz

Schwarze Clubs und Gothic-Partys nach Postleitzahlen sortiert

Gothic Friday

Leser schrieben 2011 und 2016 in jedem Monat zu einem anderen Thema